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Rollenspielwelten finden in unserem Kopf statt: Wir träumen uns an andere Orte und in fremde Welten. Eine wichtige Inspirationsquelle für die Welten, die wir gestalten und mit Leben füllen, sind Karten und Geschichten. In Jannasaras Kartentasche gibt es beides – nicht nur für die Fantasywelt Eriyat.

Seit 2016 gibt es Donnerhaus, das Zwei-Mann-Studio, das Jannasaras Kartentasche erstellt hat. Die beiden Rollenspielfreunde Torsten und Tobias haben bereits ein eigenes Regelsystem entwickelt, das in der bald erscheinenden Abenteuerbox Freude, schöner Götterfunken… zur Anwendung kommt, sondern wollen auch die eigene Fantasywelt Eriyat ausarbeiten und bespielbar machen. Bis es so weit ist, gibt es Einblicke in diese Welt – ohne Regeln aber mit vielen liebevollen Details.

Inhalt

Jannasaras Kartentasche gibt es in verschiedenen Ausführungen, die sich von den einzelnen Mappen (silber und gold), in denen die Karten sind, oder dem zweiteiligen Tagebuch über ein Kartenbundle zu einem digitalen und physischen Komplettpaket erstrecken. Für diese Rezension lag Jannasaras Kartentasche als Komplettpaket PLUS vor, in der physische und digitale Inhalte vereint sind.

Das Komplettpaket PLUS sieht überwältigend aus.

Jannasara und die Fantasywelt Eriyat

Alle Inhalte der Kartentasche beziehen sich auf die Fantasywelt Eriyat, die Donnerhaus mit dem hauseigenen Icarus Adventure System versehen und veröffentlichen möchte. Da es aber ein umfangreiches Unterfangen ist, eine ganze Welt aus dem Boden zu stampfen, bildet die Kartentasche einen ersten Schritt in diese Richtung.

Natürlich sind die Karten auch ohne Verknüpfung zur Spielwelt Eriyat bedenkenlos einsetzbar, in den Büchern gibt es sogar Hinweise, dass man die Schauplatzbeschreibungen einfach ins historische Frankreich oder andere (Fantasy-)Szenerien schieben kann. Die Kartentasche soll außerdem nicht die einzige ihrer Art bleiben. Es handelt sich hierbei um „Staffel 1“ – Staffel 2 ist schon in Arbeit.

Die Bücher

Jannasara Un-Teziri führt mit ihrem Tagebuch durch die Schauplätze. Das Bild stammt von Nicole Engelmann.

In den Büchern, die als Tagebücher angelegt sind, begleitet man die Protagonisten Jannasara Un-Teziri, die sich zu Beginn selbst vorstellt, bei ihrer Reise durch Eriyat. Dabei beschreibt sie 48 Schauplätze und Orte, die sie bereist hat, und erzählt von den Erlebnissen und Menschen dort. Während ihrer Beschreibung erhält man einen Eindruck davon, wie der Ort sich anfühlen muss, wenn man auf den Straßen entlangläuft.

Die Einteilung ist dabei gleichbleibend: Ein doppelseitiges Titelbild mit einem Einführungstext leitet den Schauplatz ein. Danach folgen die Beschreibungen von Jannasara darüber, was ihr dort geschehen ist. Dabei wird in kleinere Schauplätze, Situationen oder Begegnungen unterteilt.

Im Text treten Einzelheiten hervor, wie die Regeln für Waffen in der Hafenstadt Arronca: Nur armeslang darf eine getragene Waffe sein, sonst muss sie mit Draht und Siegel gesichert werden. Das kostet dann zwei Münzen und Jannasara muss ihren Namen hinterlegen. Man erfährt etwas über das Gebäck, das bei den Menschen der Wüstengebiete beliebt zu sein scheint, wenn die junge Jannasara eines davon einem Burschen vor der Schule der enthüllten Mysterien abluchst. Oder man erfährt, dass in der Herberge am Phyrron-Pass immer kostenloser Eintopf auf Vorbeireisende wartet.

Die Texte lesen sich durchweg angenehm. Hier erreicht Jannasara die Hafenstadt Arronca.

Es gibt also keine reinen Informationstexte über die Orte, sondern man liest die Erzählung einer Person, die den Ort sehr begrenzt und nur durch die eigenen Augen wahrnehmen konnte. Die Autoren haben diese Form bewusst ausgewählt, um im Kontrast zur Übersicht von oben durch die Karten, einen Blick „auf Augenhöhe“ preiszugeben. Will man relevante Informationen am Spielabend finden, kann das hinderlich sein, aber für die Vorbereitung und das Hineinversetzen in die Essenz eines Ortes ist es sehr passend. Man ist direkt da.

Die Orte und Schauplätze sind dabei ganz unterschiedlich: Ob Schloss oder Schmugglernest, Strand oder Sumpf, es gibt eine Vielzahl an Möglichkeiten. Dabei wurde immer darauf geachtet, dass die Beschreibungen Jannasaras viele Bereiche abdecken: Personen und Orte, Konflikte oder Gerüche. So ist es trotz fehlender allwissender Instanz möglich, einer SL viele Informationen an die Hand zu geben, den Ort glaubhaft darzustellen.

Wenn Jannasaras Beschreibung endet, folgen einige Ideen für Geschichten, die einer Rollenspielrunde passieren könnten. Eine Lösegeldforderung kann auf einem Gutshof die Hilfe von Held*innen erfordern oder man muss einen Dämon aufhalten, von dem man durch die Vision einer Frau erfahren hat. Die Ideen sind zahlreich und interessant.

Daraufhin kommen sogenannte Vignetten. Das sind kurze Sätze, die den Schauplatz über das hinaus beschreiben sollen, was Jannasara erlebt hat. Sie können eins zu eins an die Spieler*innen weitergegeben oder nur zur eigenen Vertiefung genutzt werden. Es sind kurze Momentaufnahmen wie der Wachwechsel am Tor oder Kinder, die lachend Hühnern hinterherjagen. Die Lebendigkeit der Schauplätze wird dadurch verstärkt.

Hinzu kommen einige Fakten und Zahlen zur Übersicht. So erfahren wir zum Beispiel etwas über Einwohnerzahlen oder Lage des Ortes und manche Besonderheit. Die Hafenstadt Arronca beheimatet beispielsweise auch den Herrschaftssitz des Maucourant de Loppe, der zwar weitreichende Vollmachten hat, aber dennoch auf die alten Eliten angewiesen ist. Diese Informationen sind für die Spielwelt Eriyat sicherlich besonders hilfreich, bei einer freien Verwendung aber natürlich auch schnell weglass- oder anpassbar.

 

Abgeschlossen werden die Kapitel mit einer doppelseitigen Karte des Schauplatzes. Dahinter folgt immer eine weitere Karte mit Anmerkungen über wichtige Gebäude oder Orte, manchmal sogar mehrere. Wenn man zum Tagebuch auch die Kartenmappen hat, kann man die Karten und Texte gemeinsam nutzen. In welcher Mappe die Karten zum beschriebenen Schauplatz zu finden sind, steht am Anfang des Kapitels am Seitenrand.

Die Texte sind nicht chronologisch geordnet in den Büchern angelegt. So liest man von einer erwachsenen Jannasara, die die Hallig Grimnau besucht, und kurz danach schreibt sie von einer Reise in die Oase am Roten Felsen, die sie zu einer Zeit unternahm, als sie im Kindesalter noch mit ihrer Mutter bei den Großeltern lebte. Das kann gewöhnungsbedürftig sein, ist aber nicht weiter schlimm. Für Staffel 2 wurde bereits angekündigt, eine klarere Reiseroute und Meta-Erzählung einzuflechten, um die Texte untereinander mehr zu verquicken.

Die Mappen

Das eigentliche Herzstück der Kartentasche sind die 72 Karten im A3-Format für die 48 Schauplätze. Nicht jede Karte zeigt dabei einen komplett eigenen Ort, sondern manchmal werden vorhandene Karten variiert. So gibt es die Hallig Grimnau überflutet und bei Niedrigwasser und das Dorf Kruszów sogar in fünf Varianten – darunter auch in Flammen stehend. Wenn sich Charaktere länger an Orten aufhalten, können solche Variationen sehr viel Spannung an den Spieltisch bringen.

Die Karten sind auf zwei Mappen aufgeteilt, wobei die silberne Mappe den Titel „Wildes Land und alte Orte“ trägt und die goldene mit „Städte und Dörfer“ betitelt ist. Jeder Mappe liegt zusätzlich ein Quadrat-Kartenraster aus PVC bei.

Alle Karten sind im Maßstab 1:2000 bzw. 1:75000 erstellt, welcher auch mit abgebildet ist. So lassen sich Entfernungen leicht nachvollziehen und messen. Abgerundet wird das sehr hübsche Design der Karten von einem Rahmen und einer schicken Kompassrose in der linken oberen Ecke.

Die Autoren legen Wert darauf, dass sie keine Kartengeneratoren benutzen, sondern alles an ihren Karten selbst erstellt ist: Jede Textur und jedes Asset ist für dieses Projekt erschaffen worden und die Karten sind liebevoll von Hand arrangiert. Man kann sehen, dass die Landschaften in sich stimmig sind und die Siedlungen nicht einfach wahllos platzierte Gebäude haben. Die Karten vermitteln eine glaubhafte Spielwelt.

Digitale Inhalte

Im Komplettpaket PLUS sind auch die digitalen Inhalte inbegriffen, so kann man Tagebuch und Karten auch online nutzen oder auf dem heimischen Fernseher darstellen. Auch für Spielgruppen mit einem digitalen Spieltisch im eigenen Wohnzimmer ist das eine praktische Variante. 

Die Karten gibt es in zwei Varianten: eine hochauflösende Version zur besten Detaildarstellung in 3572×2526 Pixel und 216dpi und eine niedriger aufgelöste Alternative von 2660×1881 Pixel und 144dpi für Online-Plattformen wie Roll20. Die Maßstäbe und Kompassrose werden separat ebenfalls als Bilder in verschiedenen Auflösungen geliefert, einen Rahmen wie bei den physischen Karten gibt es nicht. 

Erscheinungsbild

Das Design spielt bei einer Kartentasche eine besondere Rolle und es wurden sich viele Gedanken zu diesem Produkt gemacht. Allgemein ist alles von hoher Qualität, was schon bei einer Papierstärke von 120g/m² beginnt, was in etwa der Dicke einer Werbebroschüre entspricht.

Der Einleitungstext zur Zollburg

Das Tagebuch, das mit einer Gesamtseitenzahl von 576 ein mächtiges Werk geworden wäre, wurde in zwei einzelne Hardcover-Bücher mit Fadenheftung getrennt, die wunderschöne Einbände erhalten haben. Neben Buchecken und zwei Lesebändchen schmücken die Bücher nämlich schicke Reliefeinbände. Gemeinsam stecken sie in einem soliden Schuber. Die Farbgebung ist komplett in blau und silber gehalten, das Papier griffig und der Druck ausgezeichnet.

Der Inhalt ist ebenso aufwendig gestaltet: Alle Schauplätze werden mit einer Doppelseite eingeführt und die Karten dazu sind auf mindestens zwei weiteren Doppelseiten vertreten: einmal mit und einmal ohne Anmerkungen. Die Texte lesen sich interessant und sie werden mit Zwischenüberschriften, Bildern oder Infoboxen aufgelockert.

Der Visuelle Index ist chic und praktisch.

Die Kartenmappen sind farblich passend in blau gehalten und ebenfalls schön gestaltet, wobei die silberne und goldene Mappe durch die Verzierungen in der entsprechenden Farbe auseinanderzuhalten sind. Lediglich eine Möglichkeit zum Verschließen wäre noch hilfreich. Darin befinden sich 72 Karten im A3-Format von hervorragender Qualität und die PVC-Raster.

Der visuelle Index am Ende der Bücher ist eine weitere Kleinigkeit, die das Gesamtprodukt glänzen lässt. Statt in einer profanen Liste, werden die Schauplätze alle mit Bild und Kurzbeschreibung aufgelistet. So kann man sie nicht nur schnell mit Hilfe der richtigen Seitenzahl finden, sondern weiß auch, in welcher Mappe sie sich befinden, welche Variationen es gibt und vor allem, wie sie aussehen – alles, ohne zu blättern. Das macht das übersichtliche Inhaltsverzeichnis am Anfang des Buches zwar nicht überflüssig, ergänzt es aber hervorragend.

Der Verlag hat sich außerdem mit dem Thema Umweltschutz befasst. Man hat auf Ökopapier gedruckt, wann immer es ging, und im Umweltdruckverfahren produziert. Außerdem wurde CO²-Ausgleich geleistet, womit das Produkt klimaneutral ist.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Donnerhaus GbR
  • Autor*in(nen): Torsten Logemann, Tobias Hauser
  • Erscheinungsjahr: 2020
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Druck/PDF
  • Seitenanzahl: 576 Seiten in zwei Büchern und 72 Karten (A3)
  • ISBN: 9783967230000 (Tagebuch Band 1 und 2), 4270002185302 (Silberne Mappe), 4270002185319 (Goldene Mappe)
  • Preis: 159,90 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Donnerhaus

 

Bonus/Downloadcontent

Für die Rezension wurde uns ein umfangreiches Making of-Heft mitgeschickt, in dem wir einen Einblick in die Studioarbeit, die Genese der Spielwelt und Entwicklung der Kartentasche erhalten konnten. Dieses lag dem Deluxe-Paket des Crowdfundings bei und ist in sehr geringer Stückzahl noch bei Donnerhaus vorhanden. Vielleicht wird es irgendwann auch eine Veröffentlichung als PDF geben. Einige dieser Infos findet man auch im Blog.

Fazit

Schöne Karten sind eine wunderbare Ergänzung für Rollenspielrunden. Sie helfen, sich Orte vorzustellen und einen Eindruck von Entfernungen und Relationen zu bekommen. Jannasaras Kartentasche bietet 48 Schauplätze mit großartig gestalteten und durchdachten Karten, die für Eriyat gedacht sind, aber auf jede Fantasywelt und manche historische Settings übertragen werden können. Insgesamt sind 72 Karten im A3-Format enthalten, von denen einige Schauplatzvariationen sind.

Darüber hinaus erschafft Donnerhaus eine lebendige Spielwelt, die man durch die Augen einer Reisenden sieht, wenn man Jannasara durch die Städte, Dörfer und Landschaften folgt. Es ist nicht nur angenehm, diese Reise zu lesen, sondern vermitteln uns die Texte auch einen glaubhaften Eindruck von den Schauplätzen, die sie besucht.

Umfangreich, hübsch und sehr gut verarbeitet – Jannasaras Kartentasche lohnt sich.

Man kann anbringen, dass es bessere Wege zur Vorbereitung auf eine Runde gibt, eine mit mehr Fakten und Übersicht, aber man kann auch das Gegenteil behaupten. Was die Autoren mit dieser Kartentasche bewirken wollen, nämlich schöne Karten mit einem erlebten Reisebericht verknüpfen und so ein Gesamtbild mit vielen Möglichkeiten erschaffen, gelingt ihnen hervorragend.

Neben der überzeugenden Verarbeitung sind die Bücher und Karten gleichermaßen einfach schön und wertig. Das Komplettpaket PLUS kostet knapp 160 Euro, was eine Menge Geld ist, aber es handelt sich dabei auch um das umfassendste Produkt. Einzelne Kartentaschen sind bereits ab einem Preis von ca. 40 Euro zu haben. Die hohe Qualität und der ökologische Gedanke des Studios rechtfertigen diesen Preis in jedem Fall. Jannasaras Kartentasche überzeugt auf ganzer Linie!

 

  • herausragende Gestaltung und Verarbeitung
  • vielfältige, dichte Spielwelt
  • ökologischer Gedanke
 

  • Keine

 

Artikelbilder: © Donnerhaus GbR, Fotografien: Norbert Schlüter
Layout und Satz: Verena Bach
Lektorat: Katrin Holst
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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