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Auch nach Ende der ursprünglichen Reihe, wird das Superheld*innen-Universum von Black Hammer aus der Feder des Star-Autors Jeff Lemire erweitert. Mit Colonel Weird – Cosmagog steht das erste Mal ein wichtiger Charakter der Haupthandlung im Fokus eines Ablegers. Wir haben geprüft, ob uns die Geschichte des Weltraumhelden in den Wahnsinn treibt.

Das Black Hammer-Universum von Autor Jeff Lemire hat sich in den letzten Jahren als eine charmante Hommage an klassische Superheld*innen-Comics etabliert. Die in vier Bänden erzählte Hauptgeschichte wird durch Ableger erweitert, die sich auf Nebencharaktere der Hauptreihe oder eigenständige Handlungsstränge fokussieren. So spielt beispielsweise Black Hammer: Quantum Age hundert Jahre nach den Ereignissen der ursprünglichen Geschichte und folgt dem Kampf der Quantum League gegen ein totalitäres Regime. Black Hammer: Straßen von Spiral City enthält neben drei Kurzgeschichten zur Hauptreihe eine Enzyklopädie mit dem Überblick über Lemires geschaffene Welt.

Den größten Eindruck von allen Bänden konnte jedoch Black Hammer: Doctor Star & das Reich der verlorenen Hoffnung hinterlassen. Diese Graphic Novel folgt Jim Robinson, der sich mit der Erforschung der mysteriösen Para-Zone beschäftigt, um ihre Energie zu gewinnen. Als ihm dies gelingt, ändert sich sein Leben und aus Jim Robinson wird der Superheld Doctor Star. In einer unglaublich emotionalen Geschichte erlebt man, wie hoch die Kosten für ein Dasein als Superheld*in sein können.

Mit Colonel Weird – Cosmagog steht das erste Mal ein Charakter der Hauptreihe im Fokus eines Ablegers. Unterhalten die Geschichten aus dem Universum von Black Hammer weiterhin oder wird es langsam Zeit, das Cape an den Nagel zu hängen?

Handlung & Charaktere

Colonel Weird spielte in Black Hammer immer die Rolle des seltsamen Kauzes, über dessen Vergangenheit als Weltraumabenteurer Leser*innen nur Andeutungen erhielten. Spätestens seit dem Ende der Hauptreihe war klar, dass der Charakter deutlich vielschichtiger ist, als es zunächst den Eindruck hatte. Diese Erkenntnis wird durch Black Hammer: Colonel Weird – Cosmagog zusätzlich verstärkt.

Es fällt schwer, die Handlung der Graphic Novel zusammenzufassen. Wie alles um Colonel Weird wirkt die Geschichte konfus und im ersten Augenblick nicht zusammenhängend. Nach einer Weile wird den Lesenden jedoch bewusst, dass nicht das Ziel das wichtigste Element dieser Graphic Novel ist, sondern vielmehr die erlebte Reise. Colonel Weird – Cosmagog ist ein perfektes Beispiel für die Vertiefung eines Charakters, indem man die Handlung ganz auf ihn fokussiert. Lemire geht es augenscheinlich nicht darum, eine weitere epische Erzählung zu kreieren, sondern Colonel Weird die Möglichkeit zu geben, seine ganze Pracht als Charakter zu entfalten.

© Splitter

Sobald man diese Tatsache realisiert, wandelt sich die Graphic Novel von einer verwirrenden Reise durch Raum und Zeit in eine Erkundung des Seelenlebens des Protagonisten. Man erlebt auf den Seiten eine Vielzahl von Emotionen, die von Freude und Liebe bis zu Trauer und Verzweiflung reichen. Abermals bin ich wie bereits bei Doctor Star & das Reich der verlorenen Hoffnung beeindruckt, dass Jeff Lemire mit Hilfe weniger Panels meine Gefühlswelt so intensiv manipulieren kann.

Allerdings muss offen gesagt werden, dass sich diese Graphic Novel ausschließlich an Fans des Black Hammer-Universums richtet. Neueinsteiger*innen werden wenig Interesse an Hintergrundinformationen zu Colonel Weird haben und viele Anspielungen nicht verstehen. Erst das Wissen um die Rolle des Protagonisten in der Hauptgeschichte macht diesen Ableger wirkungsvoll.

Zeichnungen & Kolorierung

Die Zeichnungen von Tyler Crook sind weich und erinnern vom Stil an Pastellzeichnungen. Im Vergleich zur Hauptreihe wirkt die visuelle Gestaltung von Black Hammer: Colonel Weird – Cosmagog verspielter und kindlicher, was jedoch zum oftmals unschuldig naiv wirkenden Protagonisten passt. Charaktermomente und emotionale Szenen sind jedoch auch in diesem Stil gelungen inszeniert.

Natürlich dürfen bei einer Geschichte um Colonel Weird seltsame Szenen, beispielsweise in der bedeutenden Para-Zone, nicht fehlen. Diese sind herrlich abstrus gestaltet und vermitteln den Eindruck klassischer Pulp-Motive und -Darstellungen. Wer sich für Kampfszenen begeistern kann, freut sich über Rückblenden zum verzweifelten Kampf der Held*innen gegen den Anti-Gott.

Am Ende des Bandes erhält man anhand von Skizzen einen kurzen Einblick in den Entstehungsprozess dieser Graphic Novel. Zusätzlich gibt es einzelne Zeichnungen als Kapiteltrenner, von denen mich besonders eine offensichtliche Anspielung auf Der kleine Prinz des französischen Autors Antoine de Saint-Exupéry zum Schmunzeln gebracht hat.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Splitter
  • Autor*in: Jeff Lemire
  • Zeichner*in: Tyler Crook
  • Erscheinungsjahr: 2021
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Hardcover
  • Seitenanzahl: 112
  • Preis: 19,80 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Fazit

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Black Hammer: Colonel Weird – Cosmagog ist abermals ein gelungener Ableger der Hauptreihe und beleuchtet zum ersten Mal den Hintergrund eines ihrer Hauptcharaktere. Die auf den ersten Blick konfus wirkende Geschichte offenbart sich im Laufe der Lektüre als emotionale und unterhaltsame Charakterstudie, bei der der Weg wichtiger ist als das Ziel. Die liebevolle Visualisierung durch Tyler Crook erinnert vom Stil her an Pastellzeichnungen und geizt nicht mit beeindruckenden und teilweise abstrusen Szenen.

Dennoch ist dies das erste Spin-Off, das ich Neueinsteiger*innen in das Black Hammer-Universum nicht empfehle. Die zuvor erschienen Ableger enthalten zum Großteil eigenständige Geschichten, bei denen Vorwissen zur Hauptreihe vorteilhaft, aber nicht nötig ist. Bei Black Hammer: Colonel Weird – Cosmagog bin ich dagegen überzeugt, dass man bereits zuvor mit dem Protagonisten in Berührung gekommen sein sollte.

Wer nicht genug von Jeff Lemire und seinem Superheld*innen-Universum bekommt, kann sich über ausreichend Nachschub freuen. Im kürzlich erschienenen Black Hammer: Skulldigger & Skeleton Boy zieht ein düsterer Rächer durch eine verdorbene Stadt. Solltet ihr nach mehr Hintergrundgeschichten der Hauptcharaktere von Black Hammer lechzen, könnt ihr euch im nächsten Jahr auf Black Hammer: Barbalien – Roter Planet freuen.

  • Faszinierender und emotionaler Ableger zu einem wichtigen Black Hammer Charakter
  • Gelungene Abwechslung aus Charaktermomenten, Abenteuer und Kämpfen
  • Liebevolle und atmosphärische Visualisierung im Pastell-Stil
 

  • Höchstwahrscheinlich nur für Fans von Black Hammer relevant

 

Artikelbilder: © Splitter
Layout und Satz: Melanie Maria Mazur
Lektorat: Maximilian Düngen
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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