Jeff Lemire überzeugt seit Erscheinen seiner Superhelden-Hommage Black Hammer konstant mit grandiosen Geschichten. Dabei ist es unerheblich, ob die Bände zur Hauptreihe gehören oder eigenständige Ableger sind. Straßen von Spiral City vereint drei eigenständige Stories und gibt einer Reihe von Gastzeichnern die Möglichkeit, Teil der Superhelden-Reihe zu werden.
Aufmerksamen Lesern meiner Rezensionen bei Teilzeithelden dürfte meine Faszination für das Black Hammer-Universum nicht entgangen sein. Die von Jeff Lemire geschaffene Hommage an das goldene Zeitalter der Superhelden-Comics weiß zu überzeugen. Seien es die Hauptreihe oder die einzelnen Ableger: Jede Geschichte aus der Welt von Black Hammer begeistert mit interessanten Charakteren, sympathischen Anspielungen und emotionalen Handlungen.
Die bisherigen Ableger Black Hammer: Doctor Star & das Reich der verlorenen Hoffnung und Black Hammer: Sherlock Frankenstein & die Legion des Teufels waren zeitlich nahe an der Handlung der Hauptserie angesiedelt, während Black Hammer: Quantum Age hundert Jahre in der Zukunft spielte. Straßen von Spiral City ist nun der nächste Ableger, der jedoch keine durchgehende Geschichte erzählt. Stattdessen werden dem Leser drei eigenständige Kurzgeschichten sowie eine Enzyklopädie über die Welt von Black Hammer präsentiert. Wie unterhaltsam sind die Inhalte?
Inhaltsverzeichnis
Handlung & Charaktere
Positiv zu erwähnen ist der Abwechslungsreichtum der erzählten Geschichten. Gigantisches Jahrbuch liest sich wie ein Best of der Hintergrundgeschichten der Charaktere der Haupthandlung. Colonel Weird folgt einem interdimensionalen Wesen, das bedeutsame Ereignisse im Leben der Helden zu begleiten scheint. Die Geschichte ist einfach gestaltet, dreht aber an nostalgischen Stellschrauben.
Eine größere Emotionalität ist bei Cthu-Louise ausgeprägt. In dieser Geschichte steht die Tochter des unwilligen Schurken Cthu-Lou im Vordergrund. Leser von Sherlock Frankenstein & die Legion des Teufels können sich an diesen vielleicht noch erinnern. Es handelt sich bei ihm um einen einstigen Klempner, den die Begegnung mit einer alten Gottheit zu einer Mischung aus Mensch und Tentakelmonster gemacht hat. Die Hommage an die kosmische Entität Cthulhu von H.P. Lovecraft ist unverkennbar – sei es im Namen oder Aussehen. Dieses hat die junge Louise leider von ihrem Vater geerbt und muss infolgedessen den Spott ihrer Mitschüler ertragen. Die Kurzgeschichte geht mit dem Thema Mobbing deutlich um und ist definitiv die Beste des Sammelbandes.
Schrecken der Zukunft lädt Leser und Leserinnen auf eine Tour durch die Hütte von Madame Dragonfly ein. Ähnlich wie bei Gigantisches Jahrbuch stehen vereinzelte Ereignisse im Vordergrund und dienen zum Ausbau der Welt von Black Hammer. Eine wirkliche Handlung ist kaum vorhanden, sodass die Geschichte wie eine seichte Museumstour wirkt. In dieser Hinsicht ist die ebenfalls in den Band integrierte Enzyklopädie deutlich interessanter. Auf mehr als 35 Seiten werden Charaktere, Orte, Zeitlinien und Ereignisse aus dem Black Hammer Universum aufgeführt. Ein gelungener Überblick zu allen relevanten Informationen über Jeff Lemires Werke.
Straßen von Spiral City hinterlässt somit einen gemischten Eindruck. Gerade im Vergleich zu den anderen Werken fehlt es mit Ausnahme von Cthu-Louise allen Geschichten an emotionaler Durchschlagskraft.
Zeichnungen & Kolorierung
Die Beurteilung der Zeichnungen und Kolorierung dieses Bandes alleine könnte mehrere Seiten füllen. Denn eine Vielzahl von Künstlern und Künstlerinnen ist für die visuelle Gestaltung zuständig gewesen. Dadurch entstand ein bunter Mix der verschiedensten Stile. Am deutlichsten wird das bei Gigantisches Jahrbuch sichtbar. Eine Fülle von künstlerischen Richtungen, von klassischem Black Hammer über Buntstiftzeichnungen und Film Noir, sorgt für Abwechslung. Eine ähnliche Vielfalt zeigt sich bei den Zeichnungen der Enzyklopädie, wobei hier noch mehr Künstler Hand angelegt haben.
Cthu-Louise mit den Visualisierungen von Emi Lenox lehnt dagegen mehr in eine Cartoon-Richtung. Für eine makabre High-School-Geschichte ist das durchaus passend. Zudem versteht es Lenox immer wieder, Elemente der klassischen Reihe und des Stils von deren Künstler Dean Ormston einzubauen.
Bei Schrecken der Zukunft ist mit David Rubin ein Künstler involviert, der bereits die Zeichnungen für Black Hammer: Sherlock Frankenstein & die Legion des Teufels geliefert hat. Rubin entscheidet sich jedoch bei dieser Kurzgeschichte für einen noch ausgefalleneren Cartoon-Stil als Emi Lenox.
Die Kolorierung stammt in fast allen Fällen von Legende Dave Stewart, der neben Black Hammer auch für die Farben der meisten Werke von Mike Mignola oder von The Umbrella Academy verantwortlich ist. Hierbei ist faszinierend, wie Stewart mit einer Vielzahl von Stilen umgehen kann und jedem mit der Farbgestaltung zusätzliche Eigenständigkeit verleihen kann. Die Qualität ist durchgehend herausragend.
Die harten Fakten:
- Verlag: Splitter
- Autoren: Jeff Lemire
- Zeichner: diverse
- Sprache: Deutsch
- Seitenanzahl: 128
- Preis: 19,80 EUR
- Bezugsquelle: Amazon
Fazit
Straßen von Spiral City ist bisher das schwächste Werk zum Black Hammer-Universum. Das zugegeben interessanteste Element ist die enthaltene Enzyklopädie, die einen wundervollen Überblick zu den Werken von Jeff Lemire gibt. Die stärkste enthaltene Kurzgeschichte ist Cthu-Louise, in der geschickt Themen wie Mobbing, Zugehörigkeit und Horror kombiniert werden. Leider können die beiden anderen Kurzgeschichten dieses Niveau nicht erreichen. Für sich gesehen liefern sie wenig emotionalen und erzählerischen Beitrag zum Ausbau des Superhelden-Universums, wenngleich Gigantisches Jahrbuch einige nette Anspielungen und Hintergründe enthält.
Positiv zu erwähnen ist jedoch die hochwertige visuelle Umsetzung, die einer Vielzahl an Künstlern die Mitarbeit an Lemires Werken erlaubte. Durch die Natur des Werkes als Anthologie und Enzyklopädie fällt der Wechsel der Stile nicht negativ ins Gewicht. Für Liebhaber von Black Hammer ist Straßen von Spiral City somit zwar eine nette Ergänzung, aber neuen Lesern rate ich zunächst zu den anderen Werken.
Artikelbilder: © Splitter
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