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Ein*e Zoodirektor*in muss heutzutage mehr können, als nur für geräumige Gehege und tierische Abwechslung zu sorgen. DNA will entschlüsselt, Tiere gekreuzt, ethische Wege zur Energieerzeugung gefunden oder sogar eine eigene Schlachterei errichtet werden. Die knuffige Optik von Let’s Build a Zoo kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass einiges zu tun ist.

Tycoon-Fans der ersten Stunde haben direkt miterlebt, dass das Genre schon immer breiter aufgestellt war als die offensichtlichen Settings des gemütlichen Städteplanens oder knobelnden Gleisbaus vermuten lassen. Mit RollerCoaster Tycoon von 1999 zog eine innovative Simulationsumgebung ins Genre ein und wurde dank charmanter Pixel-Art und Werkzeugen für den eigenen Achterbahnbau zu einem Dauerbrenner. Nachdem der Damm einmal gebrochen war, folgten über die Jahre zahlreiche weitere Tycoon-Spiele – alles wollte simuliert werden, von der Bananenrepublik Tropico bis hin zu den Sauriergehegen von Jurassic World.

Dass sympathische Pixel-Optik und Aufbau-Management bis heute ein gutes Paar geblieben sind, hat nicht nur der Riesenerfolg von Stardew Valley gezeigt, sondern zuletzt auch das gemütliche Littlewood, auf welches wir gerade erst einen Blick geworfen haben. Der letzte Titel des Entwicklers Springloaded schlägt sein Zelt hier selbstbewusst inmitten der Tycoon-Games auf. Ganz dem Namen nach will Let’s Build a Zoo Freizeitmanager*innen alles an die Hand geben, was es dazu braucht, eigene Gehege zu erstellen, Besucher*innen anzulocken, Imbissstände zu errichten und für tierische Abwechslung im Park zu sorgen. Über das Bekannte hinaus traut sich der Titel einige Neuerungen zu, die man bei dieser optischen Präsentation vielleicht nicht erwartet hätte.

Für fiese Lacher im Park, sollte dank zahlreicher Hyänen gesorgt sein.

Im Zoo erstmal nichts neues?

Zu Beginn scheint für Erfahrene erst einmal alles beim Alten: Der Zoo besteht lediglich aus dem Eingangshäuschen, ein paar ungeduldig wartenden Gästen und viel unbebautem, staubigem Platz. Schnell ist der erste Weg angelegt, ein winziges Habitat abgezäunt und die Pforte für kleines Geld eröffnet. Die Besucher*innen im Park und wir vor dem Bildschirm können uns hier zuerst an wortwörtlichen Hoppel-Häschen erfreuen. Als erste verfügbare Käfigbewohner setzen diese gleich eine Duftmarke für das restliche Spiel: Die Tiere sind zuckersüß gestaltet, springen freudig auf und ab, wuseln hin und her. Spätestens nachdem man das erste Trampolin als Spielzeug ins Schlangengehege gepackt und ein Minütchen lang einer Ringelnatter beim auf und ab hüpfen zugeschaut hat, ist der Grundcharme des Spiels angekommen. Hier vermisst man auch keine großen Animationen, genauso wie in RollerCoaster Tycoon ist das pixelige Gewusel das, was den Parkflair erzeugen kann und will. Dazu kommen neben der wachsenden Gästeanzahl auch Pfleger*innen und Hausmeister*innen, später zusätzlich Maskottchen, die erst einmal aus dem Pool von Bewerber*innen gefischt und angestellt werden wollen. All das wird untermalt von einem sympathischen und unaufdringlichen Soundtrack, der die augenzwinkernde Stimmung unterstützt. Bei den Soundeffekten ist ebenfalls weniger mehr, egal wie viele Tiere sich einmal tummeln, statt Gegröle und Krakeelen setzt das Spiel dezente Quieker oder Publikumslacher als Akzente.

Tausche Pixelgans gegen kichernde Hyäne

Schon innerhalb der ersten Spielstunde wird der Park nicht nur deutlich größer, sondern auch komplexer. Unterschiedliche Gehege müssen errichtet werden, schließlich fühlen sich Hasen und Gänse eher auf grasigem Untergrund wohl, Hyänen dagegen bevorzugen eine staubige Steppe – und dass Pinguine sich nur in arktischen Verhältnissen wohl fühlen, sollte selbstverständlich sein. Die langfristige Auswahl ist hier riesig, insgesamt warten 500 verschiedene Tiere darauf in eurem Park eine Heimat zu finden. Neue Tiere lassen sich dabei mit anderen Zoos per Tauschgeschäft erhandeln, dabei wäscht eine Hand immer die andere. Das erste Wasserschwein-Paar aus einem Tokioter Zoo gibt es nur gegen eine seltene Gänsevariante, also seid ihr schnell dabei euch über den Nachwuchs eurer Zoobewohner zu freuen. Denn mit jedem Küken, Fohlen oder Ferkel geht die Chance einher, eine neue Gattung im Zoo begrüßen zu dürfen. So kommt ihr an nachgefragte Tierarten, die ihr wiederum mit anderen Zoos tauschen könnt.

Mit zusätzlichen Gästen zieht auch mehr Appetit in den Park ein, zusätzliche Essensstände müssen errichtet oder Parkbänke zur Sitzpause zwischen den Gehegen verteilt werden. Auch Dekoration zur Verschönerung von Anlagen und Tierhabitaten darf nicht vernachlässigt werden. An neue Elemente gelangt man über einen etwas unübersichtlichen Technologiebaum, eine Forschungsstation spült nach und nach neue Punkte zum Freischalten aufs Zoo-Konto. Beim Freischalten neuer Elemente spielen aber nicht die Punkte auf eurem Forschungszähler die entscheidende Rolle, sondern euer Karma-Wert in Form von netten oder bösen Smileys. Denn ob der Zoo als tierisches Paradies auf Erden oder gnadenlose Profitmaschinerie geführt wird, liegt voll in eurer Hand.

Diesen Eseln sollten wir vorm Tausch noch einmal ins Maul schauen.

„Moment mal, ist das nicht mein entlaufener Hund da im Gehege?!“

Die Verlockungen für die beiden Richtungen präsentieren sich dabei sehr früh in Form binärer Entscheidungen: Wollt ihr dem hiesigen Tierschutzverein eine Geldspende überlassen oder von einem dubiosen Schwarzmarkthändler ein exotisches Tier unter der Hand erwerben? Dabei will Let’s Build a Zoo so viel Spaß wie nur möglich mit dieser Prämisse haben und setzt euch schon sehr bald Entscheidungen vor die Nase, die herrlich Banane sind. So bietet euch ein verrückter Professor einen Roboterlöwen an, den ihr in eurem Park ausstellen könnt – dass das Tier nicht echt ist, müssen die Besucher*innen ja nie erfahren. Einem Gast, dessen Hund entlaufen ist, könnt ihr natürlich versprechen diesen zurückzubringen. Oder der Vierbeiner wird kurzerhand mit ein paar Federn geschmückt als exotischer Pseudo-Pfau ins eigene Gehege gesetzt.

Durch den hohen Absurditätsgrad sorgen die anstehenden Entscheidungen auch später im Spiel immer wieder für Schmunzler. Zusätzlich unterfüttern sie augenzwinkernd die Einladung zu einem der beiden Spielstile, denn schlagt ihr einen Pfad ein, solltet ihr diesem treu bleiben, um im Forschungsbaum nicht ins Stocken zu geraten. Ähnlich eines Knights oft the Old Republic gehen Spieler*innen, die einen Mittelweg fahren wollen, leider schnell die Punkte aus, um die interessanten Extreme beider Seiten freischalten zu können. „Extrem“ ist dabei keine Untertreibung, wählt ihr den Weg des*der Moralapostel*in könnt ihr alsbald euren Strom nur aus erneuerbarer Energie generieren, den Abfall eurer Besucher*innen recyclen und das Tierfutter auf dem eigenen Biohof anbauen. Währenddessen winkt der Pfad der Gier mit Rußwolken über dem eigenen Zoo und einer Zooschlachterei, in der überschüssige Tiere profitmaximierend zur abgepackten Hackschale verarbeitet werden können.

Let’s Build a Zoo wählt für seine Satire definitiv den Holzhammer statt des Skalpells, aber in Kombination mit der verniedlichenden Präsentation funktioniert dieser kleine Fingerzeig auf raubtierkapitalistisches Wirtschaften, ohne dieses Element in den Vordergrund pressen zu wollen.

Dadurch kann ein netter, absurder Kontrast aus der niedlichen Optik und, wenn gewünscht, entsetzlichen Entscheidungen für den eigenen Park entstehen, was ein überraschend stimmiges Gesamtbild abgibt.

Schlange. Schwein. Beginnt beides mit „Sch“, was soll schon schief gehen?

Frankenstein’s Zebragator

Auch bei der Tierzucht scheut sich der Titel nicht davor, verrückte Wege einzuschlagen. Dank eines eigenen Gen-Labors könnt ihr die DNA eurer Zoobewohner nicht nur entschlüsseln, sondern diese daraufhin auch wild miteinander kreuzen, um eurem zahlenden Publikum immer neue Kombinationen vorzusetzen. Ob Schlyäne oder Krokoaffe, hier ist alles möglich. Schade allerdings, dass den Entwickler*innen beim Spieltempo hier ein kleiner Laborunfall unterlaufen ist, denn das Entschlüsseln neuer Tierarten dauert teils quälend lange. Bis ihr damit einen genetischen Fundus zusammengestellt habt, aus dem sich lustig neue Varianten kreuzen lassen, gehen einige Spielstunden für jeden Park bei Spielneustart ins Land. Die Aussicht baumelt dabei als verlockende Karotte vor der eigenen Nase, die netten Nebenquests wie die Installation zusätzlicher Cola-Automaten oder das Versammeln von Anzahl X unterschiedlicher Tiere, können dieses Motivationsloch nicht immer überbrücken. Gerade dann, wenn sich das anfängliche Novum der putzigen Optik und moralischen Entscheidungen etwas abgenutzt hat.

Dem Zoo-Simulator fehlt hier ein Äquivalent zum Werkzeugkasten des großen Bruders; hat man einen Park in RollerCoaster Tycoon erst einmal zum Laufen gebracht, kann man sich beim Bau der eigenen Achterbahnen auch über zig Spielstunden hinweg austoben, Terraforming inklusive. Eine vergleichbare Komplexität und damit Abwechslung erreicht Let’s Build a Zoo hier leider bei der Tierzucht nicht, stattdessen heißt es simpel ein Gen-Paar in die Retorte zu packen und zu warten. Dabei wäre es nicht so, als ob es an anderer Stelle im Zoo nicht noch genug zu tun gäbe. Das ist nur leider teils mehr Fleißarbeit als Freude.

Neue Mitarbeiter rekrutieren wir in (un)übersichtlichen Reitern

Exponentiell steigende Komplexität ohne Komfortgewinne

Denn mit der Erweiterung des Parks und dem Anlegen neuer Gehege, gibt es zwar Möglichkeiten ganze Themenlandschaften zu entwerfen und mit entsprechender Dekoration zu versehen, aber die Anforderungen ans Detailmanagement der Spieler*innen wachsen im gleichen Maße. Fast alle Tiere vermehren sich alsbald wie die Karnickel, Zonen für Hausmeister*innen und Tierpfleger*innen müssen festgelegt und Mangel bei Trinkwasser- oder Futterversorgung ausgeglichen werden. Tiere brauchen neue Spielzeuge zur Unterhaltung, eben erwähntes Trinkwasser eine Pumpe in der Nähe und sogar Busse zum Transport der Gäste müssen freigeschaltet, erworben und zu einzelnen Haltepunkten für die ideale Abdeckung zugeordnet werden. Gerade Tüftler*innen mit Spaß an der Effizienz könnten hier eigentlich ihren Spaß finden, allerdings macht das stellenweise völlig unhandliche User-Interface dem Komfort leider einen Strich durch die Rechnung.

So ist die Zuweisung der Busse hinter mindestens zwei Klicks mehr versteckt, als sich intuitiv anfühlt und das Einholen neuer Bewerbungen der Parkmitarbeitenden kommuniziert den Verlauf der Suche nur in einem weiteren Untermenü. Zahlreiche Funktionen sind kontextgebunden; beschweren sich beispielweise gleich mehrere Habitate darüber, dass den Bewohnern zu wenig Spielzeug zur Verfügung steht, kann man nicht simpel den Kletterbaum auswählen und mit ein paar Klicks verteilen. Stattdessen muss jedes Gehege einzeln angewählt und über mehrere Buttons der gewünschte Gegenstand hinzugefügt werden. Tierfutter muss selbst durch die Spieler*innen bestellt werden und regelmäßig ärgert man sich beim Verfrachten neuer Tiere in den Park, dass man nicht noch schnell ein neues Affenhaus anlegen kann – stattdessen heißt es Abbruch, den Handelsbildschirm noch einmal verlassen, ab ins Baumenü und nach getaner Arbeit wieder zurück zum Affentausch. Das sind keine kleinen Stolpersteine hier und da, sondern Komfortfunktionen, die bei fortlaufendem Spiel von den meisten Spieler*innen aktiv vermisst werden dürften.

Alles wirkt, gemessen an der Präsentation und dem Flair der Simulation, ein Tacken zu verschachtelt. Gerade große Parks drohen damit zu überfordern, wenn überall Warnsignale und Hinweise aufblinken, welches Gehege unter Verschmutzung leidet und wo zusätzliche Parkbänke angeschafft werden sollten.

Die harten Fakten:

  • Entwicklerstudio: Springloaded
  • Publisher: No More Robots
  • Plattform: PC
  • Sprache: Deutsch, Englisch, Chinesisch, Französisch, Japanisch, Thai, Spanisch
  • Mindestanforderungen:
    Setzt 64-Bit-Prozessor und -Betriebssystem voraus
    Betriebssystem: Windows 7 oder neuer
    Prozessor: Intel Core i5
    Arbeitsspeicher: 2 GB RAM
    Grafik: NVIDIA GeForce GTX 550/äquivalent oder höher
    DirectX: Version 10
    Speicherplatz: 738 MB verfügbarer Speicherplatz
  • Genre: Simulation
  • Releasedatum: 05. November 2021
  • Spielstunden: 20 bis 30
  • Spieler*innen-Anzahl: 1
  • Altersfreigabe: 6
  • Preis: 16,79 EUR
  • Bezugsquelle: Steam, Epic Store

 

Fazit

Mit der Eingangspforte zum Zoo öffnet sich auch für Spieler*innen eine bunte und wuselnde Welt, die ewig weit ausgebaut, mit zahlreichen Tieren bevölkert und ausgiebig dekoriert werden will. Gerade Schönbauer*innen dürften langfristig Spaß daran haben, riesige Zoos zu errichten und mit allerlei Pixelgetier zu bevölkern. Augenzwinkernde Innovationen wie die moralischen Entscheidungen oder die gentechnischen Tierneuschöpfungen runden Let’s Build a Zoo weiter ab.

Simulationsfreund*innen winkt mit dem Parkplaner aber leider ein zweischneidiges Schwert. Das Spieltempo im Mittelteil hat Durststrecken, wichtige Informationen wurden in zu tiefen Menüs vergraben und die Benutzeroberfläche zum Parkmanagement ist abschreckend fiddelig.

Da die Entwickler*innen weiter fleißig am Spiel schrauben, könnte sich an den Kritikpunkten langfristig noch einiges verbessern. Wer aber nur einen möglichst hübschen, riesigen Pixelpark errichten möchte und sich von solchen Details nicht abschrecken lässt, der darauf auch jetzt schon eine Eintrittskarte lösen.

  • Sehr charmante Präsentation
  • Innovatives Moralsystem und erquickende Tierkombinationen
 

  • Teils zäher Spielfortschritt
  • Unübersichtliche Menüs und Oberflächen

Artikelbilder: © Springloaded
Layout und Satz: Annika Lewin
Lektorat: Giovanna Pirillo
Dieses Produkt wurde privat finanziert.

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