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In Batman: Equilibrium von Tom Taylor und Andy Kubert reist Batman nach Europa, um einen Flugzeugabsturz aufzuklären. Die Ermittlungen führen ihn quer durch Westeuropa und zu alten Bekannten wie Knight und Squire und Batmans ehemaligen Lehrer Henri Durcard. Kann Batman mit ihrer Hilfe die Terror-Organisation „Equilibrium“ aufhalten?

Batman: Equilibrium wurde von Tom Taylor, bekannt durch unter anderem DC Horror und die Comics zu den Injustice-Videospielen, geschrieben und von Andy Kubert gezeichnet, der neben vielem anderen auch Dark Knight III – Die Übermenschen illustriert hat. In der Vita beider Künstler ist ein Hang zu düsteren Themen zu erkennen, und auch Batman: Equilibrium ist kein fröhliches Abenteuer.

Handlung

Batman: Equilibrium beginnt kurz nach der Ermordung von Batmans Butler Alfred durch Bane (in Panini-Heft Batman 36 vom April 2020). Bruce ist durch den Tod seines Ziehvaters am Boden zerstört und zweifelt die Sinnhaftigkeit seines Superheldentums an. Er denkt, dass er im größeren Kontext nichts erreichen konnte, und nur den Leuten half, denen er direkt das Leben gerettet hat. Zur selben Zeit sorgt eine Terrorgruppe namens „Equilibrium“, Gleichgewicht, in England für einen Flugzeugabsturz. Die Mitglieder von Equilibrium tragen weiße Batman-Anzüge und erklären öffentlich, dass sie es wegen Batman getan hätten. Davon angelockt, und um den traumatischen Erinnerungen in Gotham City zu auszuweichen, reist Batman nach England und beginnt zu ermitteln.

Dort angekommen wird er von Knight und Squire begrüßt – dem Batman-und-Robin-Team von England. Knight, in zivil Beryl Hutchinson, ist eine alte Freundin Batmans, die schon oft an seiner Seite kämpfte. Sie wurde allerdings beim Kampf gegen Equilibrium so schwer verletzt, dass sie im Krankenhaus bleiben muss. So wie Batman mehrere Robins hatte, hat aber auch Knight eine neue Squire: Amina Eluko, die hier zum ersten Mal auftritt. Knight schickt Squire zur Begleitung mit.

Bat-Bekannte Beryl im Bett

Die Spur Equilibriums führt die beiden nach Frankreich, wo sie Henri Ducard treffen. Der Kopfgeldjäger hatte den jungen Bruce Wayne in der Kunst unterrichtet, Menschen zu jagen. Er hat herausgefunden, dass Equilibrium Batman als unnatürlichen Agenten des Chaos sieht. Jeder Mensch, den er rettet, hätte im „natürlichen“ Lauf der Dinge sterben müssen. Equilibrium hat sich daher zur Aufgabe gemacht, das Gleichgewicht wieder herzustellen, indem sie alle Leute, die Batman gerettet hat, töten. Das ungleiche Team, bestehend aus dem traumatisierten Batman, der jungen und sarkastischen Squire und dem zynischen Ducard, muss seine Unterschiede überwinden, um eine Katastrophe zu verhindern und Equilibrium zu stoppen.

Ein Bat-Mentor

Die Geschichte ist durchaus spannend erzählt und die Handlung in sich folgerichtig und gut zu verstehen. Sie leidet aber unter einem verbreiteten Problem von Ermittlungs-Geschichten bei Superheld*innen: Es wird nicht viel ermittelt. Batman und seine Begleiter*innen eilen von Tatort zu Tatort und bekämpfen die Organisation Equilibrium von Kampfszene zu Kampfszene. Mehr erfahren sie aber erst, wenn die Terrorgruppe in ihren Schurken-Monologen alles offenlegt. Wie in einem Krimi miträtseln oder selbst zu kombinieren ist leider nicht möglich.

Batman: Equilibrium ist problemlos für sich alleine stehend zu lesen. Henri Ducard hat zwar eine 33 Jahre lange Geschichte mit Batman, aber alles, was wichtig ist, wird in dem Comic in handlungsrelevanten Rückblicken erzählt. Knight und Squire sind mit „Batman und Robin – von England“ völlig ausreichend zusammengefasst. Es gibt mehrere Anspielungen, die sind aber nicht verständnisrelevant, nur Boni für Fans. So ist Frank Millers Die Rückkehr des Dunklen Ritters ein sehr starker Einfluss. Der älter werdende, desillusionierte Batman erinnert stark daran – genauso wie die harte, kurzangebundene Macho-Erzählstimme in Kampfszenen. Nicht nur Squire, die junge, freche Sidekick, die sich Batman gegen seinen Willen aufdrängt, erweckt mit ihrer Ähnlichkeit zu Carrie Kelley Erinnerungen an Die Rückkehr des Dunklen Ritters. Auch der riesige Bat-Truck, eine Hausblock-große fahrende Bat-Höhle, mit der er über europäische Autobahnen kreuzt, lässt an den Bat-Panzer aus dem alten Comic denken. Batmans Kostüm, statt dem üblichen Bat-Anzug ein Trenchcoat und eine Schutzbrille über der Bat-Maske, sind deutlich von dem „Knightmare“-Anzug inspiriert, den Ben Afflecks Batman in Batman v Superman: Dawn of Justice trug.

Der Bat-Trenchcoat

Thematisch hat die Geschichte durchaus interessante Ansätze. Der Tod von Alfred, Batmans positiver Vaterfigur, wird mit Henri Ducard wieder aufgegriffen, der für den jungen Bruce eine deutlich mehrdeutigere Vaterrolle spielte. Und Batmans Ohnmachtsgefühl, nichts Großes verändert zu haben und nur einzelne Leben gerettet zu haben, wird natürlich von Equilibrium kontrastiert, die genau diese Leben auslöschen wollen. Gerade die Wirksamkeit von Batman, aber auch Superheld*innen im Allgemeinen, im größeren sozialen Kontext ist ein in den letzten Jahren immer mehr auftauchendes Thema. Batman: Equilibrium fügt dieser Diskussion aber nicht viel zu. Diese Thematiken sind zwar im Hintergrund präsent, es wird jedoch kein Schluss aus ihnen gezogen. Batman als Einzelgänger, der lernen muss, Hilfe anzunehmen, um mehr zu erreichen, ist auch mittlerweile eine fast obligatorische Platitude geworden.

Einige Elemente überzeugen leider nicht, wie zum Beispiel „Batmans Europa-Allianz“. Das ist ein Netzwerk mit Informant*innen aus ganz Europa, von Streifenpolizist*innen über Söldner*innen bis zu Geheimdienstchef*innen. Alle stehen in Batmans Schuld und liefern ihm sofort Informationen und andere Gefallen. Auf eine kurze Anfrage gesteht ihm das US-Militär illegale Waffenverkäufe an Terrorgruppen, und ganze Autobahnen werden freigeräumt, damit er ungestört von Paris nach Brüssel fahren kann. Informant*innen, Kontakte zu Geheimdiensten, Polizei und die Nutzung von Gefallen sind durchaus üblich bei Batman, das Ausmaß hier ist allerdings zu übertrieben.

Die Bat-Europa-Allianz

Zum anderen ist es leider die feindliche Organisation, Equilibrium. Das Ziel „wir töten, wen Batman rettet“ macht sich gut als „high concept“, aber leider keinen Sinn. Die Motivation der Anführerin ist sehr weit hergeholt, wie sie ihre Organisation finanziert oder Mitglieder rekrutiert, ist völlig unklar, und ihre Pläne auch nicht zielgebunden. Dazu kommt, dass Batman Mitglied der Justice League ist und mit dieser die ganze Welt, das Universum, das Multiversum gerettet hat. Logischerweise müsste Equilibrium also absolut alles umbringen wollen. Und in einer Geschichte, die mit Knight den expliziten „Batman von England“ bringt, stellt sich doch die Frage, was Batman in seiner Eigenschaft als Leute rettenden Superhelden so besonders macht.

Charaktere

Die Hauptcharaktere sind gut dargestellt. Batmans Verzweiflung und Gefühl der Machtlosigkeit durch den Tod von Alfred werden gut vermittelt.

Die anderen etablierten Charaktere haben eine Kurzbiographie im Nachwort. Knight und Squire traten das erste Mal bereits 1950 in Comics auf, als Graf Percy Sheldrake und sein Sohn Cyril zu „Batman und Robin von England“ wurden. Die nächsten 70 Jahre hatten sie immer wieder Auftritte als Verbündete Batmans und traten Gruppen wie den Batmen aller Nationen, dem Club der Helden und Batman Inc. bei. Fan-Lieblinge wurden sie, als 1998 unter Autor Grant Morrison nach Percys Tod Cyril der neue Knight wurde und Beryl Hutchinson als Squire rekrutierte. Zusammen sorgten sie 2010 in ihrer eigenen Minireihe mit steifer Oberlippe und trockenem britischem Humor für Sicherheit in England und bekämpften Feinde wie „Jarvis Poker, der Britische Joker“. 2013 wurde Percy in Batman Inc. getötet und Beryl wurde zur dritten Knight. Amina Eluko, die neue Squire, hat in Batman: Equilibrium ihren ersten Auftritt und ihre Hintergrundgeschichte wird im Lauf des Bands vorgestellt. Beryl ist durch ihre Verletzungen leider ans Krankenbett gefesselt, gibt aber trotzdem eine gute Figur als Superhelden-Veteranin, die sich nicht von Batman einschüchtern lässt, sondern ihm als Kollegin auf gleicher Augenhöhe begegnet. Amina ist eine typische junge Superheldin, die optimistisch die Welt retten will und einen jugendlich-naiven Gegenpol zu Batmans Altersbitterkeit stellt.

Damals wie heute ein tolles Trio: Batman, Knight und Squire

Henri Ducard ist eine der interessantesten Figuren im erweiterten Kreis von Batman. Er ist ein französischer Kopfgeldjäger, Privatdetektiv und manchmal Auftragskiller, der als einer der besten Detektive der Welt bekannt war. Als der junge Bruce Wayne durch die Welt reiste, um sich die Fähigkeiten, die er als Batman brauchen würde, anzueignen, suchte er Ducard auf. Dieser bildete ihn in Detektivarbeit aus, wie man Menschen jagt, aufspürt und fängt. Es kam allerdings zum Bruch, als sich herausstellte, dass der Franzose nicht nur bereit ist, im Notfall Leute zu töten, sondern sogar als Auftragskiller arbeitet.

Trotz ihrer unterschiedlichen Überzeugungen zollen sich Batman und Ducard widerwilligen Respekt und arbeiten im Angesicht einer größeren Bedrohung manchmal zusammen. Ducard gibt als französischer Killer ein düsteres Spiegelbild zu Alfred, dem englischen Butler, die aber beide entscheidend für die Entwicklung von Batman waren. Batman: Equilibrium geht tief in die Beziehung zwischen Ducard und Batman und stellt den Charakter so sehr gut vor.

Bat-Feinde in Paris – Natürlich in Sichtweite des Eiffeltums

Equilibrium, die Organisation sowie Equilibrium, die Superschurkin, bleiben leider sehr blass. Dass sie Batman hassen, ist klar, und die Gegenspielerin bekommt gegen Ende als Begründung noch schnell eine tragische Hintergrundgeschichte. Aufgrund dieser Geschichte Batman, und alle die er gerettet hat, töten zu wollen ist aber sehr unlogisch. Über den Rest der Terrorgruppe erfährt man leider nichts. Selbst ein wiederholt auftauchender riesiger, kugelsicherer Terrorist mit Superstärke und monströsem Gesicht bekommt nicht einmal einen Namen, geschweige denn irgendeinen Hintergrund.

Zeichenstil

Andy Kubert, der Zeichner von Batman: Equilibrium, gehört zum alten Comic-Adel. Sein Vater, Joe Kubert, war ein erfolgreicher Zeichner des Silver Age und gründete die legendäre Kubert School, eine Privatschule für Comiczeichner, die wiederum viele andere berühmte Zeichner hervorbrachte. Wie zu Anfangs erwähnt, zeichnete er auch Dark Knight III – Die Übermenschen, die zweite Fortsetzung von Die Rückkehr des Dunklen Ritters.

Bat-Gorilla

In Batman: Equilibrium sieht man auch künstlerisch einen starken Einfluss aus dieser Richtung, vor allem an Bruce Wayne selbst. Anstatt eines attraktiven Playboys hat man hier einen vernarbten Muskelklotz mit militärischem Kurzhaarschnitt, der teilweise an einen Gorilla erinnert. Das macht durchaus Sinn, wenn man an Batmans Alltag denkt, aber in den zum Glück seltenen Szenen, in denen er wie ein harmloser Schnösel behandelt wird, wirkt es befremdlich.

Den Einfluss von Frank Miller und Klaus Jansons Zeichenstil erkennt man auch an der Panelaufteilung, die wiederholt einen Rahmen von 3×3 Panels benutzt, dem visuellen Kontrast des massigen, übergroßen Batman zur zierlichen Squire, und in den Kampfszenen.

Diese Einflüsse führen zu einem düsteren, spannenden Zeichenstil, der durch Brad Andersons solide Kolorierung unterstrichen wird. Manchmal sieht man aber, dass Kubert in kleinen Panels ungenau arbeitet oder Details einfach unfertig dahinschmiert.

Bat-Kampf

Erscheinungsbild

Die Verarbeitung entspricht Paninis guter Softcover-Qualität. Das Titelbild mit Batman vor dem Big Ben weist schon darauf hin, wo es hingeht. Die Schrift ist klar zu lesen und die Anmerkungen hilfreich.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Panini
  • Autor: Tom Taylor
  • Zeichner: Andy Kubert
  • Erscheinungsjahr: 2022
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Softcover Paperback
  • Seitenanzahl: 164
  • Preis: 19,00 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

Fazit

Batman: Equilibrium leidet an viel vergebenem Potential. Batman woanders als Gotham City kann immer etwas bieten, und Batman in Europa hat sich schon öfters bewiesen. Wirklich europäisches Feeling kommt allerdings nicht auf, es gibt nur übliche touristische Sehenswürdigkeiten wie den Big Ben oder den Louvre. Abgesehen davon sind die Orte völlig neutral, könnten auch Gotham City sein. Für den Klappentext-Spruch „Batman in Europa“ ist es auch etwas enttäuschend, dass er praktisch im Dreieck London-Paris-Brüssel bleibt.

Batman am Big Ben

Equilibrium bleibt als Bedrohung leider völlig flach. Es sind einfach nur Böse, die Böses tun. Was auch völlig ausreichend sein kann, Equilibrium hat aber weder genug Stil noch Grausamkeit, um das durchzuziehen. Was auch nicht das Konzept ist: Ihre Absicht, Batman und alle, die er rettete, zu vernichten hat ja durchaus einen Grund. Leider ist diese Motivation völlig unlogisch. Und selbst wenn, in Comics gibt es mittlerweile unzählige Geschichten, die sich mit Batmans Moral, seiner Nicht-Töten-Regel und der Verantwortung, Leute zu retten, auseinandersetzen. Und in der Hinsicht bringt Batman: Equilibrium leider nichts.

Ähnlich steht es mit den Gaststars. Ja, es ist cool, Henri Ducard, Beryl als Knight und eine neue Squire zu sehen. Aber Beryl hat wenig zu tun und Squire spielt wenig mehr als eine typische Robin-Rolle – was nicht schlecht ist, aber auch nicht weiter erwähnenswert. Ducard ist noch der Höhepunkt:  Die Rückblicke zu Bruces Ausbildung sind spannend, die zwielichtige Vaterfigur gibt Ducard gut und sein Wortgeplänkel mit Batman ist unterhaltsam. Aber auch hier fehlt der letzte Schritt, Ducard als Anti-Alfred voll auszuspielen oder etwas Neues aus seinen Streitgesprächen mit Batman herauszuholen.

Als geradlinige Actionklopperei ist Batman: Equilibrium solide, aber nicht viel mehr. Mit 19 EUR für das Äquivalent von sechs US-Heften befindet es sich völlig im Rahmen. Man kann es schon mal mitnehmen und sich ganz okay unterhalten lassen, schlecht ist es nicht. Für eine explizite Empfehlung reicht es aber nicht.

  • Ungewöhnliches Setting für Batman
  • Coole Gaststars
 

  • Gegner*innen machen keinen Sinn
  • Geschichte ist solide, aber belanglos
  • Ungenutztes Potential

Artikelbilder: © Panini Comics
Layout und Satz: Annika Lewin
Lektorat: Alexa Kasparek
Fotografien: Paul Menkel
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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