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Rechnungen für die Ausbildung ihrer Schwester begleichen und nicht in Ärger geraten; das sind Charlies Hauptsorgen in Book of Night. Doch dann holt ihr alter Ruf sie ein und sie wird gezwungen, einen letzten Job zu erledigen. Was wird es sie kosten und wird es den Ärger wert sein?

In der Welt von Book of Night, in der es erwachte Schatten gibt und manche Menschen ihre Schatten kontrollieren oder kosmetisch verändern können, arbeitet Charlie Hall in der Rapture Bar & Lounge als Bartenderin, um die Miete und diverse andere Rechnungen, wie auch die Semestergebühren ihrer Schwester Posey, zu bezahlen. Posey auf der anderen Seite verbringt ihre Zeit damit, Tarotkarten für Menschen über Videocall zu legen und sich in möglichst gefährliche Situationen zu begeben, in der Hoffnung ihren Schatten zu erwecken. Mit ihnen lebt Vince, der erste Freund Charlies, der kein Loch in der Hosentasche, im Kopf oder im Herzen hat. Oder so scheint es zumindest. Was ihm fehlt, ist auf jeden Fall ein eigener Schatten. Es wäre kein schlechtes Leben, wäre nicht Charlies ständiger Drang, wieder in alte, kriminelle Muster zu verfallen – eine Mischung, die schon in der Vorankündigung interessant klang.

Story

Die Geschichte beginnt mit Charlie in der Rapture Bar & Lounge und zunächst wirkt Charlies Leben zwar nicht einfach, aber als wäre sie zufrieden damit. Es geht dann alles bergab, als sie auf dem Nachhauseweg eine Leiche findet und versucht, herauszufinden, wer einen Grund gehabt haben könnte, einen Buchhändler zu töten. Von da an eskaliert die Situation schnell und Charlie muss nicht nur um ihr eigenes Leben fürchten.

Die Story von Book of Night ist wahnsinnig spannend zu verfolgen und es gibt einige Wendungen, die bei mir ein Schleudertrauma verursacht haben. Charlie erhält den Auftrag das titelgebende Buch zu stehlen, in dem eine Anleitung stehen soll, wie man einen echten Blight, einen denkenden, unabhängigen Schatten erschafft. Keine leichte Aufgabe in einer Welt voller Schattenmagier, die es alle entweder ebenfalls auf das Buch abgesehen haben oder dafür sorgen wollen, dass es nicht in die falschen Hände gerät. Intrigen, die mehr oder weniger offensichtlich gesponnen werden, erschweren Charlies Auftrag zusätzlich.

Charlie Hall ist eine selbstbewusste Frau, die sehr genau weiß, wie sie Menschen lesen muss, um das zu erhalten, was sie braucht oder will. Allerdings stellt sich im Laufe der Story auch heraus, dass sie seit ihrem Ausstieg aus dem kriminellen Leben in dieser Hinsicht ein wenig eingerostet ist. Die Nebenfiguren, allen voran Charlies Schwester Posey und Charlies Freund Vince, haben ihre eigenen Ziele und Pläne, die teilweise nicht direkt erkennbar sind. Dennoch handelt es sich um sympathische Figuren, mit denen ich gerne Zeit verbracht habe.

Schreibstil

Die Geschichte wird größtenteils aus Charlies Sicht in der Gegenwart erzählt. Hin und wieder gibt es Rückblicke in Charlies Vergangenheit und damit eine Erklärung, wie sie zur Diebin und Betrügerin geworden ist. Im späteren Verlauf von Book of Night werden die Rückblenden aus Sicht eines anderen Charakters beschrieben, der zur Vermeidung von Spoilern an dieser Stelle nicht genannt werden soll. Diese helfen jedoch, die Handlungen dieses Charakters besser zu verstehen.

Die Welt ähnelt der unsrigen mit dem Unterschied, dass es Menschen gibt, die es geschafft haben, ihre Schatten zu erwecken und somit Schattenmagie zu wirken. So, wie es Tätowierungen und Piercings gibt, kann man seinen Schatten anpassen und ihm Hörner geben oder Flügel, mit denen man für wenige Sekunden wenige Zentimeter hoch fliegen kann. Und wenn man es nicht geschafft hat, seinen Schatten zu erwecken, kann man, mit dem nötigen Kleingeld, sich einen erweckten Schatten kaufen und an sich nähen lassen. Wenn dieser verwelkt, kann man ihn einfach ersetzen. Onyx zwingt Schatten, fest zu werden, sodass sie verletzt werden oder nicht mehr durch die kleinsten Ritze entkommen können. Ansonsten gibt es wenig, das verhindert, dass Schatten Besitz von einem Menschen ergreifen oder diesen verletzen können.

Die Geschichte ist größtenteils gut zu verfolgen. Hin und wieder nutzt Holly Black einen Kniff, den ich vor allem mit Sherlock Holmes (Buch, Film und Serie) assoziiere: Die*der Protagonist*in tut etwas und der Bösewicht durchkreuzt die Pläne mit einem wissenden Lächeln; schließlich hat er geahnt, dass die*der Held*in genau dies tun würde. Die*der Heldin lässt sich davon aber nicht beeindrucken und zieht wiederum ein Ass aus dem Ärmel, um den Bösewicht intellektuell oder körperlich zu besiegen oder ihn bloßzustellen. Leider handelt es sich dabei oft um ein Ass, das auch für die Lesenden sehr überraschend kommt. Ich bin kein Fan davon.

Die Autorin

Holly Black ist eine amerikanische Schriftstellerin und am besten bekannt für ihre Kinder- und Jugendbücher wie beispielsweise Die Spiderwick-Geheimnisse und ihre Debüt-Trilogie The Modern Faerie Tales. Derzeit lebt sie mit ihrer Familie in New Jersey, wo sie auch 1971 geboren wurde.

Book of Night ist ihr erster Roman, der sich an Erwachsene richtet, und soll am 2. November 2022 in deutscher Übersetzung von Diana Bürgel und Julian Müller erscheinen. Ein zweiter Band zu Book of Night soll sich in Planung befinden, was mich mit dem Ende marginal versöhnt.

Erscheinungsbild

Das Cover ist in dunklen Blautönen und Schwarz gehalten, sodass die goldenen Buchstaben gut zu lesen sind. Leider hat der stilisierte Mond wenig mit dem Thema von Book of Night zu tun hat; dem Cover allein lässt sich nicht entnehmen, dass Schattenmagie ein Thema ist. Die*der Künstler*in wird leider nicht genannt.

Das E-Book funktionierte auf meinem Tolino einwandfrei, sodass es keine Hänger oder fehlenden Text gab.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Del Rey
  • Autor*in: Holly Black
  • Erscheinungsdatum: 03. Mai 2022
  • Sprache: Englisch
  • Format: E-Book
  • Seitenanzahl: 320 Seiten
  • ISBN: 978-1529102376
  • Preis: 14,99 EUR (Print) + 8,99 EUR (E-Book)
  • Bezugsquelle Fachhandel, Amazon, idealo

 

Fazit

Book of Night ist ein Buch, dass ich ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr aus der Hand legen konnte, weil es mich so sehr gefesselt hatte. Die Schattenmagie hat mich sehr interessiert und auch wenn diese eher im Hintergrund, insbesondere durch Posey und Charlies Widersacher, ein Thema ist, trägt sie sehr zur allgemeinen Bedrohungssituation bei. Wie weiter oben beschrieben, bin ich kein Fan von Geschichten, die mich am Ende dumm dastehen lassen. Ich schreibe hier nicht von Wendungen, die ich nicht erwartet habe, die aber in der Geschichte selbst angelegt sind; auch diese gibt es und ich habe sie sehr genossen. Aber wenn Charlie und ihr Gegner versuchen, sich gegenseitig zu überlisten, und Charlie dann erklärt, dass sie für genau diese Reaktion des Widersachers vorgesorgt hat, weil sie sie erwartet hat, frustriert es mich ein wenig, dass ich als Leserin im Dunkeln gelassen wurde.

Auch das Ende ließ mich ein wenig unbefriedigt zurück. Im Hinblick darauf, dass es einen zweiten Band geben wird, ergibt das Ende Sinn. Allerdings wurde mir bis auf drei Seiten vor Buchdeckel ein anderes Ende versprochen und ich bin darüber noch ein wenig enttäuscht.

Grundsätzlich handelt es sich bei Book of Night aber um einen guten Roman, den ich gerne gelesen habe und den ich auch gerne weiterempfehle. Auf den zweiten Band bin ich sehr gespannt.

 

  • Interessante Protagonistin
  • Spannende Handlung
  • Spiel mit den Erwartungen der Lesenden
 

  • Frustrierender Überlisten-Wettbewerb
  • Unschöner Cliffhanger

 

Artikelbilder: © Del Rey
Layout und Satz: Verena Bach
Lektorat: Nina Horbelt
Dieses Produkt wurde privat finanziert.

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