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Gary Gygax war der Erfinder des ersten und einflussreichsten Fantasy-Rollenspiels überhaupt: Dungeons & Dragons. In einer Graphic Novel spüren David Kushner und Koren Shadmi dem großen Gamedesigner und der Entwicklung des Spiels nach, das das Leben jedes Rollenspielers veränderte. Doch ist so eine Geschichte wirklich spannend oder ein reines Liebhaberprojekt?

Fragt man nach dem bekanntesten Rollenspiel aller Zeiten, wird man in Deutschland vielleicht Das Schwarze Auge zur Antwort erhalten. Doch lange vor dessen Auftauchen gab es bereits einen internationalen Wegbereiter, der bis heute von großer Bedeutung ist. Dungeons and Dragons erlaubte Spielern zum ersten Mal ein Eintauchen in die Rolle von Helden und Abenteurern mithilfe eines starken Regelgerüstes. Das Spiel war so erfolgreich, dass es Brettspiele, Computerspiele und sogar Kinofilme nach sich zog – wenn auch von durchwachsener Qualität.

Es ist verantwortlich für ganze Romanzyklen wie Dragonlance, und noch viel wichtiger für unzählige Stunden bewegender Abenteuer, die Spieler und Spielleiter gleichermaßen mit dem System erleben durften. Der erste Spielleiter war der Erfinder des Spiels, Gary Gygax, dessen Name auch nach seinem Tod in der Szene lebendig geblieben ist und ein hohes Maß an Verehrung genießt. Nun haben sich zwei Comic-Künstler aufgemacht, dem Leben und Lebenswerk dieses Schöpfers von Mythen und Legenden ein Denkmal zu setzen. Entstanden ist eine interessante, aber recht kühle Comic-Biographie.

Handlung

Der erste Spielleiter lässt den Leser die Lebensgeschichte von Gary Gygax und die Veröffentlichungs- und Entwicklungsgeschichte von Dungeons & Dragons erleben. Dabei bedient man sich einer Erzählform, die an ein Rollenspielabenteuer erinnert. Der Leser wird direkt adressiert und liest sogar die Antworten, die er wohl gegeben hat. Das funktioniert auch recht gut und würde tatsächlich ein Eintauchen in die Materie erlauben, wenn man nicht das Gefühl hätte, mehr auf einen Streifzug in die Welt von mathematischen Wahrscheinlichkeiten und verlegerischen Notwendigkeiten entführt zu werden als in die von Kerkern und Drachen. Zugegeben, damit bewegt sich die Erzählung natürlich völlig im Rahmen des Spielstils, der in weiten Kreisen der US-Szene verbreitet und sehr simulationistisch ist. Spannend zu lesen ist das allerdings nicht. Der Leser erfährt zunächst einige Fakten aus Gygax‘ Kindheit und die sind wirklich interessant. Etwa, wie er sich in einem verlassenen Irrenhaus herumtrieb, um Abenteuer zu erleben. Hier kann man die Inspirationen für D&D erahnen. Doch spätestens, als es wirklich um das Spiel geht, wird es informatisch-kühl. Das Spiel wird immer wieder als Betriebssystem bezeichnet. Es wird beschrieben, wie Gygax von Kosims, das sind Militärsimulationen mit Miniaturen, auf Rollenspiel kam, welche mathematischen Überlegungen dem zugrunde liegen, wie sich Gygax mit seiner Firma TSR weiterentwickelte. Die Privatperson Gygax ist ab dieser Stelle aus dem Geschehen verschwunden und taucht erst gegen Ende des Comics, als es um Garys Tod geht, wieder auf. Hier wurden Möglichkeiten verschenkt, uns den ersten Spielleiter wirklich näher zu bringen und menschlicher zu machen.

Charaktere/ handelnde Personen

Von Charakteren zu sprechen, ist in einem solchen Biopic natürlich schwierig. Es geht zentral um Gary Gygax, ohne dass dieser uns wirklich menschlich näher gebracht werden kann. Man hat das Gefühl, dass David Kushner versucht, möglichst zu betonen, wie normal Gygax‘ war und dass er selbst nicht der Nerd- oder Geek-Kultur angehörte.

Die zweite wichtige Person des Comics, und das ist Kushner hoch anzurechnen, ist Dave Arneson. Dave genießt international nicht den gleichen Bekanntheitsgrad wie Gygax, ist aber Co-Schöpfer von D&D. Es ist schön, dass ihm in diesem Comic Platz eingeräumt wurde.

Zeichenstil

Der Zeichenstil von Koren Shadmi ist gewöhnungsbedürftig. Mit seiner recht kantigen Art wirkt er etwas grob und bietet nicht die leichte Kost, die man als Leser von Superheldencomics oder franko-belgischen Graphic Novels gewohnt ist. Die Zeichnungen erinnern eher an Zeitschriften-Illustrationen oder Karikaturen. Manchmal haben sie auch einen leicht kindlichen Touch, der jedoch recht gut zum Thema des Bandes passt.

Erscheinungsbild

Der Comic kommt in einem schlichten Hardcover mit Lesebändchen und ist, ebenso wie das Ebook, schlicht und klar gehalten. Das Cover erinnert ein wenig an die Filmposter von Fantasy-Filmen der 1970er und 1980er Jahre. Die Papier- und Druckqualität des Printproduktes ist einwandfrei. Zudem wird es eine limitierte Sammlerausgabe geben.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Feder & Schwert
  • Autor(en): David Kushner
  • Zeichner(in): Koren Shadmi
  • Erscheinungsjahr: 2017
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Hardcover mit Lesebändchen
  • Seitenanzahl: 150
  • Preis: 27,99 EUR (Hardcover)
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Fazit

Der erste Spielleiter ist ein Denkmal für Gary Gygax, dem Schöpfer von Dungeons und Dragons. Erzählt wie eine Rollenspielsitzung, nimmt uns das Buch mit auf eine Reise durch Leben und Wirken des Spieledesigners. Dabei verliert sich die Erzählung von David Kushner jedoch recht schnell in Zahlen und mathematischen Details. Sicherlich sind diese notwendig, um Gygax‘ Art des Denkens zu verstehen. Leider nehmen sie dem Comic aber sehr viel Dynamik und Spannung. Man vermisst das Gefühl, dem Protagonisten auf diesen Seiten persönlich näherzukommen. So steht klar das Produkt und weniger die Person im Mittelpunkt. Die Zeichnungen von Koren Shadmi unterstreichen das seltsame Leseerlebnis.

Sie sind nicht schlecht, wirken aber teilweise altbacken und grob. Ich konnte nicht richtig warm mit ihnen werden. So bleibt aus meiner Sicht Der erste Spielleiter ein Projekt, das sich nur für Fans wirklich eignet. Es bietet leider nicht die Lektüre, die ich mir davon versprochen hatte.

Artikelbilder: Feder&Schwert
Dieses Produkt wurde privat finanziert.

 

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