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In Durchgeblättert werfen wir regelmäßig einen kritischen Blick auf Neuerscheinungen, Geheimtipps und Klassiker aus der vielfältigen Welt der Graphic Novels. Diese Ausgabe behandelt drei Werke aus dem Hause Splitter, aber entführt die Leser mit Die Saga von Grimr auch in die tiefgründige Welt von Islands Heldensagen.

Nach mehreren Wochen der Sommerhitze ist der Herbst in München eingekehrt. Im Gepäck hatte er einige verregnete Tage, die den perfekten Grund gaben, gemütlich mit einem Getränk auf der Couch einige Graphic Novels zu lesen, während sich daneben zwei Katzen in den Schlaf schnurrten. Dabei wies dieser Monat einen starken Splitter-Fokus bei der Auswahl der Werke auf. Mit Das Konzil der Bäume, dem zweiten Band von Olympus Mons und dem Einstiegsband von Chaos ist der Bielefelder Verlag für drei Viertel der besprochenen Graphic Novels dieser Ausgabe verantwortlich. Dazu gesellt sich Die Saga von Grimr aus dem Hause avant-verlag, welche auf einem französischen Comicfestival in diesem Jahr bereits als bester Comic ausgezeichnet wurde.

Wir hoffen, ihr habt beim Lesen dieser Kritiken ebenso viel Spaß, wie uns das Lesen der rezensierten Werke bereitet hat. Über Fragen oder Diskussionen in den Kommentaren freuen wir uns ebenso wie über generelles Feedback zu unserem Format Durchgeblättert!

Das Konzil der Bäume

Unheimliche Ereignisse suchen ein einsames Hospital mitten in einem uralten Wald heim. Seit mehreren Wochen erhebt sich eine Gruppe von Kindern um Mitternacht aus ihren Betten, um auf dem Dach einen fremdartigen Gesang anzustimmen. Weder der Leiter noch das Personal der Einrichtung können sich dieses eigenartige Verhalten erklären. Und auch die Kinder haben am Morgen danach keinerlei Erinnerung an ihre nächtlichen Ausflüge. Deswegen beauftragt das zuständige Ministerium mit Artemis Hartcourt und Kasimir Duprey zwei Spezialisten für paranormale Angelegenheiten. Schon bald findet sich das ungleiche Duo in einer aufwendigen Ermittlung wieder, die es auf die Spur uralter Geheimnisse und Mächte führt.

Das Konzil der Bäume verbindet mystische Ansätze mit Elementen klassischer Detektivgeschichten. Artemis Hartcourt und Kasimir Duprey müssen anhand von Zeugenaussagen, Beobachtungen und Recherchen einen ungewöhnlichen Fall lösen, dessen Tragweite zu Beginn nicht zu erahnen ist. Die Interaktionen zwischen dem raubeinigen Kasimir und der Femme Fatale Artemis bereichern dabei den Fortschritt der Handlung ungemein. Wortgefechte, Neckereien und gemeinsame Ermittlungen bringen die beiden Charaktere im Guten wie im Schlechten einander näher. Das hält den Verlauf der Geschichte interessant und lässt die Protagonisten außerdem authentisch wirken.

Ansonsten entfaltet sich das Mysterium durch den klug gestalteten Fortschritt der Ermittlungen langsam vor dem Leser und lädt ihn auch stets zu eigenen Vermutungen ein. Allerdings hat man an einigen Stellen den Eindruck, dass das Entdecken eines neuen Hinweises etwas zu glücklich erfolgt. Dies ist zugegeben ein kleinerer Makel, verspielt aber die Glaubwürdigkeit der Handlung.

Zum Großteil liest sich Das Konzil der Bäume jedoch sehr kurzweilig und in sich stimmig. Außerdem trägt der gewählte Zeichenstil zusätzlich zum Charme des Werkes von Autor Pierre Boisserie und Zeichner Nicolas Bara bei. Die Zeichnungen erinnern an die Darstellungen von Albert Uderzo in Asterix, da sehr markante Gesichter und Überzeichnungen genutzt werden. Eine intensive Linienführung schafft zusätzliche Kontraste in den Szenen. Das Resultat sind trotz des stark comichaften Stils äußerst lebendig und dynamisch wirkende Panele.

Zusammenfassend liefert Das Konzil der Bäume eine kurzweilige grafische Novelle voller Spannung, Mysterien und glaubwürdigen Charakteren. An einigen Stellen wirkt der Fortschritt der Handlung zwar etwas zu erzwungen, doch trübt dies den Gesamteindruck nur gering. Denn gerade die Interaktionen zwischen den beiden Protagonisten bindet den Leser geradezu an diese Graphic Novel. In Kombination mit einem Nostalgie erzeugenden Zeichenstil in Anlehnung an Asterix erhält man einen Bildband, dessen Lesen viel Freude bereitet. Eine klare Kaufempfehlung von meiner Seite.

Die harten Fakten

  • Verlag: Splitter
  • Autor: Pierre Boisserie
  • Zeichner: Nicolas Bara
  • Seitenanzahl: 64
  • Preis: 15,80 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

 

Olympus Mons 2 – Operation Mainbrace

Nach dem Highlight in Form von Das Konzil der Bäume liegt nun der Fokus auf dem zweiten Band einer Reihe, deren Pilot einen gemischten Eindruck hinterließ. Während Olympus Mons – Anomalie Eins zwar ein spannendes Mysterium bieten konnte, litt die Handlung unter einer Vielzahl von Schauplätzen und dem daraus resultierenden Bruch im Lesefluss. Schafft es der Nachfolger Olympus Mons 2 – Operation Mainbrace, an diesen Schwachstellen zu arbeiten?

Leider muss diese Frage gleich zu Beginn verneint werden. Denn tatsächlich gelingt es Autor Christophe Bec, die Handlung durch die Hinzunahme weiterer Charaktere, Organisationen und Schauplätze noch komplexer zu machen. Auf gefühlt jeder zweiten Seite springt man entweder zu einem anderen Ort, einem anderen Jahr oder einem anderen Charakter. Das Resultat ist eine Geschichte, die sich aufgebläht anfühlt und keinen klaren Fokus erkennen lässt. Tatsächlich hatte ich nach Lektüre der 48 Seiten nicht den Eindruck, dass die Handlung erkennbar fortgeschritten ist. Keiner der Charaktere konnte eine entscheidende Entwicklung durchmachen und keines der eröffneten Mysterien des Vorgängers wurde weiter bearbeitet. Im Gegenteil: Nach Abschluss von Olympus Mons 2 – Operation Mainbrace waren sogar noch mehr Fragen offen als zuvor. Allerdings führte das nicht zu Neugier über deren Auflösung, sondern vielmehr zu Verärgerung, eine Graphic Novel ohne relevanten Inhalt gelesen zu haben.

Wenig hilfreich ist zudem die textliche Wiedergabe der Handlung. Stellenweise nehmen Textboxen und Sprechblasen mehr als die Hälfte von Panels ein. In Kombination mit einer kleinen Schriftgröße wird die Lektüre dadurch unnötig anstrengend gestaltet. Gleichzeitig limitiert es den Zeichner Stefano Raffaele auch bei der visuellen Gestaltung. Waren im Vorgänger noch einige imposante Landschaftsbilder zu finden, so sind diese im zweiten Band rar gesät. Der Großteil der Szenen enthält Dialoge und Interaktionen zwischen Charakteren. Wie vorab erwähnt, wirken diese jedoch meist nicht sehr tiefgehend oder zur Handlung beitragend, sodass die Faszination dieser Bilder auch eher gering ausfällt.

Somit bleibt als Fazit leider nur zu sagen, dass dieser zweite Band einen unbefriedigenden Eindruck hinterlässt. Hier ist zu hoffen, dass der im Februar 2019 erscheinende dritte Teil Hangar 754 an den Schwachstellen der beiden Vorgänger arbeiten kann. Denn es ist schade zu sehen, dass eine tendenziell vielversprechende Ausgangslage aufgrund erzählererischer Schwächen nicht ihr volles Potenzial entfalten kann.

Die harten Fakten

  • Verlag: Splitter
  • Autor: Christophe Bec
  • Zeichner: Stefano Raffaele
  • Seitenanzahl: 48
  • Preis: 14,80 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Die Saga von Grimr

Legenden und Sagen spielen eine wichtige Rolle im Island des 18. Jahrhunderts. Unter der Knechtschaft der dänischen Herrscher erinnern diese Zeugnisse der Vergangenheit an die stolzen Helden der Insel, deren Namen nie in Vergessenheit geraten sollen. Und wer würde nicht selbst nach ewig währendem Ruhm streben? Der junge Grimr ist hierbei keine Ausnahme. Doch leider hat es das Schicksal nicht gut mit ihm gemeint, als er seine Eltern und sein Zuhause in einer Naturkatastrophe verlor. Und wie soll ein Waise ohne Namen, Land und Familie zu einer Legende werden?

Aber Grimr lässt sich nicht beirren und nimmt es mit allen Widrigkeiten des Lebens auf, entschlossen, seinen Weg zu einer Legende zu gestalten. Leider muss er, schon bald zu einem kräftigen Manne herangewachsen, erkennen, dass sein weiteres Schicksal nicht einfacher wird. Denn der Lebensweg von Grimr ist gepflastert mit Trauer, Verlust und Leid. Doch wahre Legenden werden jene, die diesen trotzen können.

Die Saga von Grimr wurde auf dem Comicfestival von Angoulême 2018 mit dem Preis für den besten Comic ausgezeichnet. Und nach der Lektüre des 232 Seiten mächtigen Bandes lässt sich nur sagen: absolut verdient! Trotz einfacher Motive des klassischen Heldenepos versteht es Texter und Zeichner Jérémie Moreau, eine Geschichte voller Emotionen zu gestalten. Als Leser leidet man mit dem Protagonisten bei dessen Schicksalsschlägen mit, freut sich über eine scheinbar gefundene Liebe und wünscht dem riesigen Mann ehrlich nur sein verdientes Glück. Doch Die Saga von Grimr zeigt hier auf schonungslose Art, wie das Leben den eigenen Träumen in den Weg kommt und wie selbst gute Intentionen von Außenstehenden missverstanden werden können.

Dabei wird nicht nur der Überlebenskampf des Einzelnen behandelt, sondern die schwierige Situation eines ganzen Landes dargestellt. Eingebettet in den Hintergrund von Island unter dänischer Besatzung erleben wir ein Land voller natürlicher Schönheit und gleichzeitig menschlichem Elend. Naturkatastrophen machen den Einwohnern zu schaffen, während die Dänen der Bevölkerung die materielle Lebensgrundlage stehlen. Und dieser Überlebenskampf einer ganzen Insel in Kombination nach der Suche nach der Bestimmung eines Einzelnen bildet eine sehr schöne Harmonie.

Unterstützt wird all dies durch den Zeichenstil Moreaus. Trotz weniger Details verströmen die Bilder eine unglaubliche Atmosphäre, allen voran Landschaften oder die Darstellung von Naturgewalten wie Vulkanausbrüchen. Doch auch Gesichter vermitteln trotz der simplen Zeichenweise eindrucksvoll Emotionen, was gerade bei einer solch bewegenden Geschichte von höchster Bedeutung ist.

Selten hat mich eine simple Geschichte so sehr berührt wie Die Saga von Grimr. Das eindruckvollste ist hierbei die Kompromisslosigkeit der Erzählung, die dem Protagonisten immer wieder Steine in den Weg legt und wie Grimr diese dennoch meistert. Und auch der Zeichenstil hinterlässt einen bleibenden Eindruck. Die gesamte Erzählung wirkt, als wäre sie mit Wasserfarben auf Leinwand gebannt und zu einem Buch gebunden worden. Dadurch wird Die Saga von Grimr zu einer Graphic Novel, die in Erinnerung bleibt.

Die harten Fakten

  • Verlag: avant-verlag
  • Autor: Jérémie Moreau
  • Zeichner: Jérémie Moreau
  • Seitenanzahl: 232
  • Preis: 30,00 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Chaos – Band Eins

In einer fernen Zukunft tobt ein erbitterter Bürgerkrieg. Unter der Führung des sogenannten Patriarchen wird Widerstand gegen die Einführung einer neuen Technologie geleistet, die den weiteren Verlauf der Menschheit beeinflussen könnte. Doch der Grund dafür ist nicht nur die Angst vor der drohenden Niederlage. Denn der Mann, der als Patriarch bezeichnet wird, kann sich noch gut an sein früheres Leben als François Deschamps erinnern, der die Gefahren der Technologie selbst erleben musste.

Der Einstiegsband der Chaos-Trilogie ist eine Kombination aus Endzeit- und Science-Fiction-Erzählung. Während man den Einstieg in der Bürgerkriegssituation einer zerstörten Welt erlebt, folgt schnell eine „Rückblende“ in das Jahr 2052, in dem die Welt scheinbar noch heil gewesen ist. Über diesen erzählerischen Kniff wird es dem Leser ermöglicht, mehr über die Ausgangslage und die Folgen einer noch unbekannten Katastrophe zu erfahren.

Tatsächlich ist diese Entscheidung aber auch ein zweischneidiges Schwert, da sich die Tonalität der Handlung sehr abrupt ändert. Aus der brutalen Welt nach der Zerstörung der Zivilisation wird man in ein dekadentes Paris der Zukunft geworfen, das ein besonderes Augenmerk auf die Beziehung zwischen François und seiner Jugendfreundin Blanchette legt. Zwar wird diese Charakterinteraktion authentisch und kurzweilig vermittelt, doch fällt es bis zum Ende schwer, eine Brücke zwischen den beiden Erzählsträngen zu schlagen. Denn erst am Ende des ersten Bandes tritt langsam das titelgebende Chaos ein.

Positiv fällt jedoch auf, wie das künstlerische Team visuelle Akzente in den verschiedenen Epochen setzt. Während die dystopische Zukunft durch dunkle und triste Farben geprägt ist, besticht das Paris im Jahre 2052 durch eine knallbunte, beinahe grelle Farbgestaltung. Generell ist die Vision der französischen Hauptstadt in ihrer Darstellung äußerst glaubwürdig und wirkt wie eine natürliche Weiterentwicklung unserer heutigen Gesellschaft. Gerade in dieser Hinsicht schafft es Chaos also, Neugier zu wecken, im Speziellen auch mit dem klug gewählten Cliffhanger am Ende.

Dennoch hat besonders die fehlende eindeutige Verbindung der beiden Handlungsstränge zur Folge, dass sich der Einstiegsband von Chaos noch nicht ganz harmonisch anfühlt. Zwar wird man als Leser in zwei interessante Szenarien geworfen, die beide für sich selbst gesehen reizvoll sind. Doch die ständig angedeutete, aber nicht klar dargestellte Verbindung erweckt den Eindruck von Unvollständigkeit. Dies erzeugt zum einen zwar Spannung, aber auch etwas Ungeduld. Hier bleibt abzuwarten, ob sich das Gesamtbild in den Folgebänden klarer erschließen lässt.

Die harten Fakten

  • Verlag: Splitter
  • Autoren: Barjavel, Jean-David Morvan
  • Zeichner: Rey Macutay, Walter
  • Seitenanzahl: 48
  • Preis: 14,80 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Fazit des Monats

Während Die Saga von Grimr und Das Konzil der Bäume in dieser Ausgabe vollends überzeugen konnten, muss sich der zweite Teil von Olympus Mons mit noch mehr Schwächen auseinandersetzen als sein Vorgänger. Und auch der Einstiegsband zu Chaos zeigt Potenzial, aber auch die Gefahr, sich in seiner Kombination zweier verschiedener Zeitpunkte in der Zukunft zu verlieren.

Die nächste Ausgabe von Durchgeblättert behandelt unter anderem die Adaption eines klassischen Märchens in Form einer Graphic Novel. Bis dahin wünschen wir wie üblich: „Frohes Lesen!“.

 

Artikelbilder: Splitter, avant-verlag, Bearbeitet von Verena Bach
Diese Produkte wurden kostenlos zur Verfügung gestellt.

2 Kommentare

  1. Liebe teilzeithelden. Könnt ihr comics nennen mit bezug unseren beliebten hobby’s? Adventure zone, nimona, rat queen die üblichen d&d comics wie auch pathfinder und critical role vox machina habe ich bereits. Kennt ihr vl weitere?

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