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Spiele, die auf der Auswahlliste zum Spiel des Jahres stehen, sind oftmals nicht besonders gut für Enthusiasten geeignet. Aber manchmal bringen sie neue Ideen mit, aus denen sich andere Spiele entwickeln können. Machi Koro stellte 2015 eine solche Idee dar, die nun mit Space Base ein weiteres Mal aufgegriffen wurde.

Gewonnen hat Machi Koro 2015 die Auszeichnung „Spiel des Jahres“ zwar nicht – diese Ehre ging an Colt Express. Aber im Gegensatz zum weitestgehend in Vergessenheit geratenen Gewinner hat es eine Idee populär gemacht, die andere Spiele seither ausgedehnt und zu größeren Spielen umgewandelt haben. Ein solches war Valeria – Königreich der Karten, in dem die Spieler in einem Fantasy-Königreich Bürger anheuern, Gebiete einnehmen und Monster verprügeln. Wie in der verlinkten Rezension bereits beschrieben war Valeria für Machi Koro in etwa das, was Thunderstone für Dominion war: Die an sich abstrakte Idee wurde aufgegriffen, mit einem Thema versehen, und um weitere Dimensionen erweitert.

Und nicht nur an dieser Stelle wiederholte sich die Entwicklung, die es in den 2000ern bei den Deckbauspielen gab, auch in diesem Subgenre, für das es noch gar keinen rechten Namen gibt. Denn der nächste größere Schritt bei den Deckbauspielen war vermutlich Ascension, bei dem der, von Beginn an fixe, zentrale Markt durch eine sich stetig verändernde Reihe an Karten ersetzt wurde. Genau dies ist nämlich einer der Schritte, die Space Base geht, um die Grundidee von Machi Koro zu verändern.

Spielablauf

Jeder der zwei bis fünf Spieler bei Space Base ist der Leiter einer Raumstation. An dieser befinden sich bereits bei Spielbeginn zwölf Schiffe angedockt, die den Spieler mit Ressourcen beliefern können. In jedem Spielzug würfelt der aktive Spieler mit zwei handelsüblichen Würfeln (bei denen die 1 durch ein Raumschiffsymbol ersetzt wurde, was aber spielerisch keinen Einfluss hat). Danach entscheidet sich jeder Spieler, ob er entweder jeden der beiden Würfel einzeln werten will oder aber stattdessen die Summe der beiden. Ist man selbst der aktive Spieler, wird dann bei den entsprechenden Augenzahlen das auf dem jeweiligen Dock befindliche Schiff aktiviert. Bei allen anderen Spielern sind es die Schiffe, die bereits entsendet wurden. Was diese beiden Zustände bedeuten, erkläre ich im nächsten Abschnitt.

Schon zu Spielbeginn sind alle zwölf möglichen Würfelergebnisse mit Raumschiffen belegt.

Danach kann der aktive Spieler aus dem Markt in der Tischmitte eines der ausliegenden Schiffe kaufen. Der Markt besteht dabei immer aus 18 Karten: je sechs der Kategorien I, II und III, was sowohl die Güte als auch den Preis der Schiffe beschreibt. Wird ein Schiff gekauft, muss es an dem seiner Nummer entsprechenden Platz in der Raumstation angelegt werden. Das bisher dort liegende Schiff wird dadurch entsendet. Dazu dreht man es um 180° und steckt es zu den eventuell bereits vorhandenen weiteren entsendeten Schiffen dieser Augenzahl unter das das eigene Spielertableau. Dadurch wird die rote Seite des Schiffes aktiv, die nur in den Zügen der anderen Spieler benutzt werden kann.

Der Markt bietet stets die Auswahl zwischen 18 Schiffen aus drei verschiedenen Preis- und Güteklassen.

Schiffe liefern dabei meist eine von drei Ressourcen: Credits, Einkommen und Siegpunkte. Credits stellen Geld dar, mit dem man sich neue Schiffe kaufen kann. Einkommen ist etwas missverständlich, denn es ist kein Einkommen im herkömmlichen Sinne, das man jede Runde erhalten würde, sondern gibt das Minimum an Credits an, das man am Ende des eigenen Zuges haben kann. Sollte man weniger haben, werden die Credits auf das Einkommen erhöht. Siegpunkte dienen logischerweise dazu, das Spiel zu gewinnen.

Neben diesen generellen Ressourcen gibt es aber auch diverse Schiffe mit Sonderfunktionen, wie das erneute Würfeln von Ergebnissen, das Werten von Ergebnissen als etwas anderes als eigentlich vorhergesehen, die Aktivierung angrenzender Positionen auf dem Tableau oder sogar einer Karte, die, wenn man sie oft genug aktiviert bekommt, das Spiel augenblicklich beendet und den Besitzer zum Sieger macht.

Sofern jedoch keine solche Karte das Spiel vorzeitig beendet, wird das Spielende dadurch eingeleitet, dass ein Spieler 40 Punkte erreicht. Danach wird die aktuelle Runde noch zu Ende gespielt und der Spieler mit den meisten Siegpunkten gewinnt. Üblicherweise geschieht das nach etwa 45 bis 60 Minuten – sofern alle Spieler das Spiel bereits kennen. Die erste Partie kann wie üblich ein wenig länger dauern.

Gerade gegen Ende einer Partie gewinnen übrigens die Kolonien an Bedeutung, die man ebenfalls kaufen kann, und die in jeder Partie gleich sind. Diese schließen jeweils eine Augenzahl ab und haben keine Fähigkeiten, so dass im eigenen Zug diese Zahl keine Erträge mehr liefern kann. Dafür geben sie aber eine erhebliche Anzahl an Siegpunkten und entscheiden damit oftmals über Sieg oder Niederlage.

Gegen Ende des Spiels werden statt Schiffen oftmals die Kolonien gekauft, die eine Menge Punkte bringen können.

Die Anzahl der Spieler beeinflusst die Spiellänge bei Space Base zwar etwas – je mehr Spieler, desto länger dauert das Spiel – aber weit weniger, als es zum Beispiel bei Machi Koro der Fall ist. Denn anders als beim Urvater des Genres sind die Fähigkeiten, die in den Zügen der anderen aktiviert werden, auf jeder Zahl verfügbar und stellen oftmals die Haupteinnahmequelle dar: es können nicht nur auf jeder Zahl mehrere Effekte liegen, sondern die Chance, dass sie aktiviert werden, ist auch größer als bei den Karten, die sich noch auf der Station befinden. Logisch eigentlich: Außer im Spiel zu zweit würfeln häufiger andere Spieler als man selbst.

Dies ist auch der Punkt, an dem Space Base etwas unschön skaliert, denn je mehr Spieler mitspielen, desto mehr verschiebt sich das Gleichgewicht in Richtung der entsendeten Schiffe. Und auch die Strategien verändern sich bei höherer Spielerzahl: Dadurch, dass man mehr Einnahmen zwischen den eigenen Zügen hat, sich die Anzahl der Karten, die man kaufen kann, aber nicht erhöht, ist man bei mehr Spielern viel öfter in der Lage, die teureren und besseren Karten zu kaufen. Im Gegensatz dazu ist gerade im Spiel zu zweit die Entscheidung, ob man nun spart oder Kleinzeug kauft, viel häufiger gegeben. Einen Zwischenweg verhindert hier ein Mechanismus, der etwas ungewöhnlich anmutet: Nach dem Einkauf werden die eigenen Credits auf 0 gesetzt. Etwas Kleines kaufen und den Rest sparen ist also unmöglich. Gleichzeitig verhindert dies aber auch, dass eine einzige glückliche Runde, in der ein Spieler immense Mengen an Credits erhalten hat, die Runde zu sehr außer Kontrolle geraten lässt, denn mehr als eine besonders gute Karte wird er sich dadurch nicht kaufen können.

Was eigentlich besonders gute Karten sind, ist von Partie zu Partie unterschiedlich. Nicht nur, dass durch den grundlegenden Mechanismus des Würfelns eine hohe Varianz entsteht, sondern auch die ausliegenden Karten sind stets unterschiedlich. Und bestimmte Karten sind nur dann wirklich gut, wenn man andere, dazu passende, Karten besitzt. Die oben bereits erwähnte Karte, die das Spiel augenblicklich beenden und gewinnen lassen kann, ist ein gutes Beispiel dafür, denn um so das Spiel zu gewinnen, muss man in der eigenen Runde mehrfach die 12 gewürfelt haben: je nach Spielerzahl zwischen drei und fünf Mal. Da die Chance, das zu tun, 1:35 für jeden Wurf ist, ist es extrem unwahrscheinlich, dass dies gelingen wird. Karten, die es erlauben, Marker auf andere Karten zu legen oder einen Würfel auf ein bestimmtes Ergebnis zu setzen, oder Karten auf der 11, die stattdessen die 12 aktivieren können, erhöhen die Chance ungemein. Kombinationen wie diese zu erkennen und zu nutzen ist einer der Punkte, die Space Base einen erheblichen Anteil Engine Building geben, und auch dazu führen, dass die Partien ab einem gewissen Zeitpunkt rasant an Tempo aufnehmen und dann meist schneller vorbei sind als man auf den ersten Blick meinen würde.

Ausstattung

Auch wenn es nicht nach besonders viel wirkt, steckt eine Menge Spiel in der kleinen Schachtel.

Die relativ kleine Schachtel bietet ausreichend Platz für das gesamte Spielmaterial. Dieses besteht aus fünf Papptableaus für die Spieler, zwei Würfeln, einigen Plastikmarkern (kleine Würfelchen) sowie einer großen Menge Karten.

Die Karten haben ein ungewöhnliches Format und sind deutlich schmaler als normale Karten. Wären sie das nicht, würde das Spiel auch zu viel Platz auf dem Tisch einnehmen, da ja jeder Spieler zwölf davon nebeneinanderlegen muss. Das ungewöhnliche Format sorgt aber auch dafür, dass Kartenhüllen schwer (nicht unmöglich) zu bekommen sind. Da die Karten aber pro Partie nur einmal gemischt werden und von ordentlicher Qualität sind, sind diese Hüllen auch gar nicht unbedingt notwendig, und sie würden auch dafür sorgen, dass die Kartenstapel zu dick für das Inlay würden.

Das Inlay bietet genug Platz für das komplette Material. An ein paar Stellen fragt man sich sogar, wofür zusätzliche Fächer gedacht sein könnten.

Das Artwork des Spiels ist vorhanden, aber wenig inspirierend oder inspiriert. Und auch wenn das Regelheft versucht, dem Spiel mit Hintergrundinformationen zu Schiffen mehr Flair zu verleihen, so ist das Thema am Ende doch nur rudimentär darübergestülpt und kann im Spiel vollständig ignoriert werden.

Die harten Fakten:

  • Verlag: AEG/Asmodee
  • Autor(en): John D. Clair
  • Erscheinungsjahr: 2018 (Englisch)/2019 (Deutsch)
  • Sprache: Deutsch/Englisch
  • Spieldauer: 45 – 60 Minuten
  • Spieleranzahl: 2 3 4 5
  • Alter: 12+
  • Preis: 38,90 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Bonus/Downloadcontent

Auf der Produktseite bei Asmodee gibt es die Regeln von Space Base zum Herunterladen. In diesem Regelheft gibt es auch bereits eine optionale Regel, die den sonst eher langsamen und langwierigen Start des Spiels beschleunigt und die ich jedem ans Herz legen würde, sobald alle das Spiel mindestens einmal gespielt haben. In dieser Variante bekommen die Spieler bereits zu Beginn ein paar Karten zum Kaufen zur Auswahl und haben dadurch schon mehr Schiffe, die in den Zügen anderer aktiviert werden.

Rahdo, ein in der englischsprachigen Brettspieleszene recht bekannter YouTuber, hat noch eine weitere Variante vorgeschlagen, die das Spiel zu zweit näher an die sonstige Spielerfahrung bringt: In dieser wird nach dem eigentlichen Zug jedes Spielers noch einmal ein Dummywurf durchgeführt, der für beide Spieler zur Aktivierung der entsendeten Schiffe dient. Hierdurch ist das Verhältnis von eigenen zu „fremden“ Würfen nicht 1:1 wie sonst bei zwei Spielern, sondern 1:3, wie es bei vier Spielern der Fall wäre.

Auf Englisch gibt es mit The Emergence of Shy Pluto übrigens bereits eine erste Erweiterung. Wann diese auf Deutsch erscheint, ist bislang jedoch unklar.

Fazit

Diese Karte lässt einen sofort die Partie beenden und gewinnen, was aber ohne Hilfe weiterer Karten sehr unwahrscheinlich ist. Auch hat sie einen der wenigen skalierenden Effekte: Je nach Spieleranzahl muss sie unterschiedlich oft aktiviert werden, um zu funktionieren.

Space Base ist ein schnelles und einfach zu erklärendes Würfelspiel für zwei bis fünf Spieler. Die Verwandtschaft zu Spielen wie Machi Koro oder Valeria – Königreich der Karten kann kaum verleugnet werden. Doch wo Machi Koro für Enthusiasten vielleicht zu simpel und Valeria für Gelegenheitsspieler zu kompliziert sein könnte, liegt Space Base in einem interessanten Mittelfeld. Für manche Spieler mag es dadurch dann wieder zu einfach sein, für andere aber genau den richtigen Punkt treffen, an dem man das Spiel mit einer großen Anzahl verschiedener Gruppen spielen kann, und es dennoch genug Tiefe besitzt, dass die eigenen Entscheidungen genug Gewicht haben, um den hohen Glücksfaktor ein Stück weit ausgleichen zu können. Verschiedene Siegstrategien sowie die sich ständig verändernde Auslage bieten auch genug Wiederspielanreiz, damit das Spiel nicht nach ein paar Partien im Regal verstauben muss.

Einziges Manko könnte vielleicht sein, dass das Thema des Spiels quasi nicht spürbar ist. Man hätte auch völlig andere Begriffe und Bilder wählen können, und es hätte spielerisch nicht den geringsten Unterschied gemacht, ja vielleicht sogar besser gepasst. Wer aber wie ich bei einem Spiel dieser Art keinen großen Wert auf das Thema legt, der wird mit Space Base eine Menge Freude haben.

Am Ende stellte sich mir dann die Frage, ob meine persönlichen Vorlieben ausreichen sollten, um dem Spiel die bestmögliche Wertung zu geben, oder ob der fehlende Bezug zum Thema eine Abwertung bewirken sollte. Als ich aber darüber nachdachte, fiel mir ebenfalls noch ein, dass aus allen gespielten Testrunden jeweils mindestens einer der Testspieler sich das Spiel umgehend selbst gekauft hat, was mich schlussendlich doch dazu bewogen hat, die volle Punktzahl zu vergeben.

 

Artikelbilder: © AEG/Asmodee, Fotografien: Holger Christiansen, Bearbeitung: Melanie Maria Mazur
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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