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Die Trolle haben ihren von den Zwergen verlassenen Berg zurückerobert; der Krieg liegt Generationen zurück. Durch geschicktes Ressourcen-Management und Plättchenlegen ist es an uns, die Zukunft des Berges zu bestimmen und den nächsten Bergkönig zu krönen. Ob das Feuer des Berges den Spielspaß in uns entfacht?

In den Tiefen des Berges voll des Tatendrangs und Grolls,
erklingen wie Donnerhall die Laute eines Trolls.
Die Zwerge sie war’n schon lang nicht mehr gesehen.
Doch des Bergkönigs Hall‘ sie bleibt ewig bestehen!

Die Box © Skellig Games

Es bedarf besonderer Umstände, um den (zugegeben sehr untalentierten) Barden in unserem Autor zu wecken. In der Halle des Bergkönigs hat dies definitiv geschafft. Ein Spiel, das sich den Namen mit dem Orchesterstück eines norwegischen Komponisten der Romantik teilt und dessen Melodie bis heute in allerlei Medien Verwendung findet. Anders als in dem Stück geht es im Spiel der beiden kanadischen Designer Jay Cormier und Graeme Jahns allerdings nicht um Peer Gynt und seine Begegnung mit den Trollen.

Vor Generationen wurden die Trolle von ihren Erzfeinden, den Zwergen (wobei im englischen Original von „gnomes“ also eigentlich eher Gnomen gesprochen wird), aus ihrem Berg vertrieben. Der Berg war ohne die Seelen der Trolle jedoch nicht überlebensfähig und tötete oder vertrieb die Zwerge. Die Trolle sind nun zurück und es ist an den Spielenden den Trümmern der alten Gänge und Hallen zu neuem Glanz zu verhelfen. Ob das Ganze auch spielerisch taugt und ob die im Spiel verwendete, kreative Kaskaden-Mechanik überzeugen kann?

Spielablauf

Spielaufbau für drei Personen.

Neben dem üblichen Aufbau beginnt das Spiel für alle Teilnehmenden mit einem Draft. Generell stehen allen Spielenden jeweils die identischen sechs Start-Trolle zur Verfügung. Jedoch werden hiervon zu Beginn des Spiels nur vier der eigenen Startauslage, auch Troll-Thing genannt, zugefügt. Hierzu werden die sechs Trollkarten gemischt und zwei gezogen. Eine Karte wird in den Thing gelegt und eine verbleibt in der Hand. Eine weitere Karte wird gezogen und aus diesen beiden wird wieder ausgewählt. Dieses Prozedere wiederholt sich, bis der Thing aus vier Trollen komplett ist.

Im Vergleich zu den später im Spiel anwerbbaren Trollen, haben die Start-Trolle zwei Ressourcen-Reihen abgedruckt. Für den späteren Spielverlauf ist die obere Reihe relevant, die untere für den Spielaufbau, da die in der unteren Reihe abgebildeten Ressourcen das eigene Startkapital verkörpern. Die Spielenden schnappen sich diese Ressourcen für ihr Lager und bestreiten nun nacheinander ihre Züge.

Die blauen Start-Trolle: Die Startressourcen der unteren Reihe sind vier Eisen, ein Stein und ein Hammer.

Phase 1

Ein Spielzug wird durch eine optionale und je nach Ressourcen-Lage nicht immer mögliche Phase eingeleitet. Zunächst darf die aktive Person einen der drei offen ausliegenden Zauber wirken und eine Werkstatt aktivieren. Um einen Zauber zu wirken, muss eine Rune auf den gewünschten Spruch gelegt und der beschriebene Effekt sofort ausgeführt werden. Wird die dritte Rune auf einen Zauber gelegt, hat dieser seine Macht verloren, wird auf den Ablagestapel gelegt und durch eine neue Karte ersetzt.

Drei der vielen möglichen Zauber im Spielverlauf.

Zu den Werkstätten hat man zu Beginn des Spiels noch keinen Zugang und es wird noch erklärt wie ein solcher gelegt wird. Besteht bereits solch ein Zugang, darf die aktive Person den Effekt der Werkstatt für jeden eigenen Zugang (maximal vier, also ein Zugang pro Seite) nutzen. Die meisten dieser Effekte beinhalten das Tauschen von Ressourcen mit dem Vorrat.

Phase 2

Im zweiten Schritt verrichten die Spielenden die Hauptaufgabe. Nun muss man sich entscheiden entweder einen Troll aus der Horde zu rekrutieren oder einen Tunnel zu graben. Sollte die Wahl auf das Rekrutieren fallen, wählt man einen der ausliegenden Trolle für sein eigenes Thing aus. Stufe 1-Trolle sind kostenlos. Um höherwertige Trolle zu rekrutieren, müssen die in der pyramidenförmigen Auslage unter dem Wunsch-Troll liegenden Karten mit je einer Münze „bestochen“ werden. Somit kostet ein Stufe 2-Troll zwei Münzen (zwei darunterliegende Stufe 1-Trolle) und ein Stufe 3-Troll fünf Münzen (zweimal Stufe 2 plus dreimal Stufe 1). Neben einer meist besseren Ressourcenauswahl bieten die höherstufigen Klassen auch Sockel für den eigenen Vorrat, die später platziert werden können, um mit Statuen mehr Siegpunkte zu generieren.

Ist eine Karte ausgewählt, wird diese ins eigene Troll-Thing gelegt. Durch diese Aktion wird die Kaskaden-Mechanik des Spiels ausgelöst. Angefangen bei dem neu eingeführten Troll produzieren alle darunterliegenden Karten ihre abgebildeten Ressourcen, sofern diese Ressourcen nicht sowieso noch auf dem Troll vorhanden sind (die neuen verfallen dann für diesen Zug).

Beispiel für die Kaskade: Links wurde der neue Troll angelegt, rechts gibt es Ressourcen.

Die andere Möglichkeit in dieser Phase ist der Bau eines Tunnels. Hierfür gibt die aktive Person die Menge an entweder Stein, Eisen oder Herzstein ab, die der Größe des zu errichtenden Tunnelplättchens entspricht. Es darf niemals an den Tunnel eines Mitspielenden angebaut werden. Je nach Größe und eingesetztem Material gibt es dann Punkte entsprechend der Wertungstabelle auf den Spieltafeln. Wollen wir über Trümmerfelder bauen, muss für jedes Trümmerfeld eine Hammer-Ressource eingesetzt werden. Im Zuge des Tunnelbaus ist es möglich, dass verschüttete Ressourcen oder Statuen ausgegraben werden. Die Ressourcen wandern in das eigene Lager, die Statuen verbleiben im eigenen Tunnelnetzwerk.

Wurde ein Tunnelstück mit einer Verankerung (also einem Loch im Plättchen) gelegt, darf dort ein Sockel platziert werden. In jeder Bergschicht darf es von jeder der drei Sockelfarben nur eine geben. Ist die aktive Person beispielsweise die erste, die einen weißen Sockel in einer Schicht platziert, nimmt er*sie sich den Punktemarker vom Spielfeld, um anzuzeigen, dass diese Farbe in dieser Schicht nicht mehr platziert werden darf. Sollte ein Tunnelstück an ein Werkstattfeld gebaut worden sein, darf ein verfügbares Werkstattplättchen auf das Spielfeld gelegt werden.

Auf das Feld mit dem hölzernen Kreuz darf nun eine Werkstatt platziert werden.

Phasen 3 und 4

Eine Auswahl der möglichen Großen Hallen © Skellig Games

Die letzten beiden Phasen sind ähnlich wie Phase 1 nicht in jedem Zug möglich. Zunächst wäre hier die Möglichkeit, eine Große Halle zu weihen. Hierzu wird verglichen, ob ein Stück des eigenen Tunnelnetzwerks mit der Form einer Großen Halle aus dem Vorrat übereinstimmt. Sollte dies der Fall sein, darf das entsprechende Tunnelstück mit der Halle überbaut werden. Als letzte Aktion eines Zuges ist es möglich, ausgegrabene Statuen mithilfe von Loren (aus dem eigenen Ressourcen-Pool) zu bewegen, um sie für mehr Punkte möglichst auf einem gleichfarbigen Sockel zu platzieren.

Ende des Spiels

Das Ende des Spiels wird ausgelöst, wenn das zweite Troll-Thing in der Auslage der Spielenden fertig gestellt ist, also aus insgesamt zehn Trollen besteht (im Zwei-Personen-Spiel gilt dies schon nach dem ersten fertigen Troll-Thing). Die ersten beiden, die dies schaffen, erhalten die Krönungsmarker (die erste Fertigstellung ist fünf Punkte wert, die zweite noch drei) und alle Teilnehmenden spielen noch exakt zwei Züge.

Nach diesen letzten Zügen folgt die Endwertung. Alle Spielenden zählen die Punkte der eigenen Krönungsmarker, Sockelpunkte, der Großen Hallen, der Statuen und der übrigen Ressourcen zusammen. Die Person mit den meisten Punkten und somit der meisten Ehre darf sich die Krone des Bergkönigs aufsetzen.

Neben dem normalen Ablauf gibt es auch die Möglichkeit das Spiel in Zweier-Teams gegeneinander zu spielen. Am generellen Ablauf ändert sich nicht viel, es gibt lediglich gemeinsam nutzbare Teamvorräte und die Tunnelnetzwerke dürfen verbunden werden.

Ausstattung

Uns wurde die Handelsversion mit den Holzmarkern von Skellig Games zur Verfügung gestellt. Auch wenn die aus dem Kickstarter bekannten Plastik-Marker insbesondere für die Statuen und Sockel wirklich cool aussehen, war es schön, mal wieder ein Spiel mit Holz in den Händen zu halten. Die Marker haben eine tolle Haptik und sehen nach liebevollem Eurogame aus. Die grafische Ausarbeitung der Karten ist (wie immer) Geschmackssache, aber das Gesamtbild passt sehr gut zusammen.

Anfangs etwas ungewöhnlich ist auch die Farbauswahl für die Spielenden-Marker. Hier treffen wir auf Blau, Weißgrau, Pink, Dunkelgrün und Gelb. Überhaupt kommt das Spielmaterial in eher gedeckten Pastelltönen daher. Je mehr man sich aber mit dem Spiel beschäftigt, desto mehr ergeben die Farben Sinn, denn in welchem von Trollen verseuchten Berg ist es schon kunterbunt?

Die Tableaus bieten eine Übersicht über die Spielphasen und Siegpunktmöglichkeiten.

Sehr positiv fällt auch das Regelheft auf. Auf dickem Papier gedruckt hat man hier ein tolles haptisches Erlebnis. Die Übersetzung ist sehr gut gelungen und liest sich dank der sehr klaren und eindeutigen Struktur flüssig. Was sich nicht erschließen lässt, ist, warum „gnomes“ mit „Zwerge“ übersetzt wurde. Die „richtige“ Übersetzung hätte die Brücke zum Orchesterstück geschlagen. So hat man eher den Weg gewählt, den Berg mit einem Klischee-Fantasy-Volk zu bevölkern. Es bleibt zu befürchten, dass man sich hiermit auf lange Sicht keinen Gefallen getan hat, denn das Nachfolgerspiel (welches vom Krieg, der die Trolle vertrieb, handelt und somit die Vorgeschichte erzählt) setzt grafisch schon sehr stark auf die Gnom-Karte.

Neben dem Grundspiel liegen der Box auch die Mini-Erweiterungen „Champions“ und „Der verfluchte Berg“ bei. Erstere bringt asymmetrische Fähigkeiten für alle Spielenden ins Spiel, wohingegen „Der verfluchte Berg“ einen Solo- beziehungsweise Koop-Modus einführt.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Skellig Games
  • Autor*in(nen): Jay Cormier, Graeme Jahns
  • Erscheinungsjahr: 2020
  • Sprache: Deutsch
  • Spieldauer: 75 bis 90 Minuten
  • Spieler*innen-Anzahl: 1 2 3 4 5
  • Alter: Ab 12 Jahren
  • Preis: ca. 60 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

Bonus/Downloadcontent

Auf der offiziellen Webseite von Skellig Games findet sich neben der deutschen Anleitung auch der Kampagnenführer für die „Verfluchter Berg“-Erweiterung zum kostenlosen Download. Zudem ist es dort möglich, dass Metallmünzen-Upgrade käuflich zu erwerben.

Wer Ordnung in die Box bringen will und einen 3D-Drucker besitzt, dem sei der Organizer des Users Jlele auf Thingiverse wärmstens empfohlen.

Fazit

Nach der ersten Partie herrschte der Eindruck, hier ein bockschweres Eurogame-Ungeheuer auf dem Tisch zu haben. Es schien unmöglich, an die erforderliche Menge Ressourcen zu kommen, um effektiv bauen, bewegen und Zauber wirken zu können. Aber mit etwas Erfahrung nahm der Frust massiv ab und das Spiel offenbarte sein wahres Gesicht: Ein Spielablauf, der absolut flüssig daherkommt und bei allen Spielendenzahlen mit wenig Downtime auskommt, motiviert zusehends. Schade ist lediglich, dass auf eine richtige Übersetzung des Wortes „gnomes“ verzichtet wurde, um das Fantasy-Klischee der Zwerge im Berg zu erfüllen. Mit Gnomen hätte man die Brücke zum Orchesterstück noch klarer geschlagen, denn dort steht der Protagonist Peer Gynt vor Trollen, Goblins und Gnomen.

Gepaart mit dem tollen Material und dem (regeltechnisch) simplen Einstieg zeigt sich In der Halle des Bergkönigs als ein sehr spaßiges Spiel, dessen Mechaniken hervorragend zum Thema passen. Gerade die Kaskaden-Mechanik spielt sehr bildhaft mit dem Gedanken einer hierarchischen Struktur der Trolle. Alles in allem erwartet Brettspielende ein Gesamtpaket der richtig guten Sorte. Umso mehr herrscht nun Vorfreude auf den im Jahr 2022 erscheinenden Nachfolger.

  • Stimmungsvolles Eurogame
  • Super strukturierte und verständliche Regeln
  • Kaskaden-Mechanik funktioniert hervorragend
 

  • Trotz einfacher Regeln, hakeliger Einstieg
  • Die Übersetzung von „gnomes“…

 

Artikelbilder: © Skellig Games
Layout und Satz: Annika Lewin
Lektorat: Susanne Stark
Fotografien: Tim Billen
Dieses Produkt wurde vergünstigt zur Verfügung gestellt.

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