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Chettamandey Brobantis ist Navigatorin im einflussreichen Haus Brobantis und am Mord ihres Mannes, dem Novator des Hauses, beteiligt. Doch als wäre die Vertuschung nicht schon Herausforderung genug auf dem Weg, die Macht zu übernehmen, stolpert sie mitten in die finsteren Machenschaften eines Chaos-Kultes.

Der Fokus der meisten Warhammer 40.000-Romane liegt gerne auf drei Fraktionen: Den Space Marines, der imperialen Armee und der Inquisition. Das verwundert kaum, bieten diese doch reichlich Raum für actionreiche und spannende Geschichten und sind geradezu ikonisch für das Universum. Doch es gibt eine nahezu unfassbare Vielfalt an interessanten Parteien. Allein das Imperium könnte Bücherregale füllen. Doch bleiben die meisten Autoren den drei Dauerbrennern treu. Umso erfrischender ist es daher, wenn sich mal eine Autorin oder Autor einer weniger beachteten Gruppierung widmet. So zuletzt Peter Fehervari mit seinem cthulhuesken Roman Requiem Infernale.

Navigatoren spielen in fast jeder Geschichte eine zentrale Rolle, denn ohne sie wäre es imperialen Raumschiffen unmöglich, die Sterne zu bereisen. Sie wurden über Generationen genetisch herangezüchtet, um den Wahnsinn des Warps erfassen zu können und so Raumschiffe durch die grausamen Gefahren, die dort lauern, zu steuern. Dennoch finden sie meist nur in Nebensätzen Erwähnung oder dienen als kleines Plotdevice. Mike Brooks widmet nun einen ganzen Roman dieser mächtigen und verschlossenen Fraktion.

Dazu muss man wissen: Navigatoren gibt es nicht wie Sand am Meer. Um diese besondere Fähigkeit zu erhalten ist eine sehr komplexe Aufrechterhaltung des Genpools nötig, ohne dabei zu inzestuös zu werden. Navigatoren entstammen großen Familiendynastien, die in einem Ränkespiel aus Verbindungen, Feindschaften und Allianzen nicht nur um Einfluss im Imperium, sondern auch um einen gesunden und effizienten Genpool miteinander verwoben sind.

Story

Es könnte alles so schön sein. Mit einem geschickten Schachzug ist es Chettamandey, auch Chetta genannt, Brobantis gelungen, ihren Ehemann auf Necromunda loszuwerden. Nicht, weil sie ihn hasste, sondern weil sie ihn einfach nicht liebte und lieber selbst die Macht im Haus für sich haben wollte. In Ihren Augen war er unfähig und damit eine Gefahr für den Fortbestand und die Macht des Hauses Brobantis. Also musste Lord Azariel Brobantis sterben.

Beim Rückflug in ihre Heimat Vorlese, dem Stammsitz der Brobantis, geschieht etwas, das nahezu unmöglich sein sollte: Der Planet Gallimo wird plötzlich vollständig in den Warp gezogen. Ein Ereignis, das den Navigator ihres Schiffes tötet und sie zwingt, selbst die Navigation zu übernehmen. Beunruhigt meldet Chetta den Vorfall dem Adeptus Arbites, macht sich aber sodann wieder auf den weiteren Heimflug. Ganz nach dem Motto „Nicht mein Zirkus, nicht meine Affen“ gilt fortan ihre Aufmerksamkeit ganz der Machtübernahme im Haus Brobantis. Doch Chetta lässt das Schicksal Gallimos nicht mehr los, und sie beginnt, wider besseres Wissen, mit ihren eigenen Ermittlungen.

Unterstützt von ihrer treuen persönlichen Assistentin DeShelle DuVoir und dem ehemaligen Administratums-Adepten Tekoa Yunn, stößt sie dabei auf eine mysteriöse Mordreihe, der nur Navigatoren zum Opfer zu fallen scheinen. Parallel zu den immer gefährlicher werdenden Ermittlungen gilt es aber noch, sicher im komplexen Geflecht des eigenen Hauses und der anderen Navigatoren-Häuser zu navigieren, um die eigene Vormacht zu sichern. So wird die Geschichte zu einem Drahtseilakt für Chetta, die nicht nur nach Macht strebt, sondern auch das Vermächtnis ihres Hauses schützen will. Als dann ein alter Widersacher in Begleitung einer verdächtigen Freihändlerin auftaucht, droht der Navigatorin alles zu entgleiten. Doch Chetta ist zäh und lässt sich von nichts und niemand aufhalten.

Schreibstil

Der überwiegende Teil des Romans ist aus Sicht von Chetta Brobantis erzählt, sodass für Leserinnen und Leser ihre Beweggründe stets gut nachvollziehbar sind. Chetta erinnert dabei an Lady Olenna Tyrell aus Game of Thrones, und trotz ihrer mürrischen Art schließt man sie schnell ins Herz. Fast schon ungewöhnlich für eine Warhammer-Figur.

Andere Episoden der Geschichte sind sowohl aus Sicht eines Kultisten als auch der Assistentin DeShelle erzählt. Gerade die Abschnitte, die das Wirken des Kultes beschreiben, sind eine echte Bereicherung, erfährt man hier sehr eindrücklich, wie Chaos-Kulte arbeiten und was für Seelen sie anziehen. So beschäftigt sich der Roman eher mit Intrigen, Ermittlungen und verdeckten Operationen. Der traditionelle Bolterporn spielt kaum eine Rolle und nimmt selbst beim großen Showdown nicht übertrieben Raum ein.

Ausdrücklich hervorheben muss man auch, wie dieser Roman mit Diversität umgeht. Ähnlich wie in Star Trek: Discovery wird eine homosexuelle Beziehung vollkommen unaufgeregt und absolut selbstverständlich in die Geschichte eingeflochten. Bitte mehr davon. Ralph Hummel gelingt es als Übersetzer ganz ausgezeichnet, die einzelnen Charaktere einzufangen und die Mühe, die Brooks in all seine Charaktere, sogar Nebenrollen investiert hat, auch in der deutschen Übersetzung widerzuspiegeln.

Der Autor

Mike Brooks lebt und arbeitet in Nottingham und hat sich bereits einen Namen als Science-Fiction-Autor gemacht. Für Black Library schreibt er erst seit kurzem und veröffentlich mit Das Auge des Navigators nun seinen ersten Roman im Warhammer-Universum. Im März folgt übrigens sein nächster Roman, der die Leserinnen und Leser dann nach Necromunda führt.

Wenn Brooks nicht gerade an seiner neuesten Geschichte schreibt, singt er in einer Punk-Band, betreibt MMA und legt überall dort als DJ auf, wo man ihn an die Plattenteller lässt.

Erscheinungsbild

Black Library ist bekannt für seine hochwertigen Cover-Artworks. Auch hier wird man diesem Ruf gerecht. Mittig thront Lord Azariel mit einem Schwert. Auf der Armlehne hat sich Chetta selbst in Szene gesetzt und hält locker ihren ikonischen Gehstock, der im Roman oft eine Rolle spielt. Flankiert werden die beiden von Azariels Bruder Vittariel und einer betenden Navigatorin. Wer genau das ist, bleibt leider Spekulation. Im Hintergrund zeigt ein Glasfenster in Form des Navigatoren-Auges den Blick auf die Wirren des Warps.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Black Library
  • Autor: Mike Brooks
  • Erscheinungsdatum: 2019
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Taschenbuch/eBook
  • Seitenanzahl: 400
  • ISBN: 1781934290
  • Preis:12,99 EUR (Softcover)/9,99 EUR(eBook)
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Fazit

Mike Brooks lenkt den Blick auf eine Fraktion des Universums, die immer irgendwie präsent ist, aber nie im Mittelpunkt steht. Dabei fängt er spannend die Gesellschaft der Navigatoren-Häuser ein und verpasst dem Ganzen einen Touch der guten alten Seifenopern, wie Denver-Clan und Dallas. Es geht immer um Macht und Einfluss und komplizierte Familienverhältnisse.

Aber typisch Warhammer bleibt es nicht bei simplen Macht- und Familienspielchen, sondern es geht ganz handfest zur Sache, und einmal mehr droht großes Unheil. Der Spagat zwischen Intrige und Ermittlung gelingt hier außerordentlich gut. Nicht zuletzt, da Mike Brooks interessante Charaktere schafft, die auch Charakter haben. Allen voran natürlich Chetta selbst, die mit ihrer sturen und mürrischen Art auch mal zum Schmunzeln verleitet.

Zusätzlich setzt dieser Roman ganz explizit auf diverse Figuren. So gibt es mit Chetta eine dunkelhäutige Protagonistin, und Tekoa Yunn lebt ganz offen und für alle selbstverständlich in einer homosexuellen Ehe. Tatsächlich haben diese zwei Faktoren einige Alt-Right-Vertreter auf den Plan gerufen, die diesen Roman auf Amazon und anderen Rezensionsplattformen zerreißen und eine politische Agenda vorwerfen. Dass das unfassbarer Unsinn ist, dürfte jedem nach den ersten paar Seiten klar werden. Es ist eine gute Geschichte mit interessanten Charakteren, von einem Autor, der im Jahr 2019 angekommen ist.

Artikelbilder: © Black Library
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

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