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Geheimnisvolle Spukhäuser, Magiertürme an hohen Klippen und kalte Grotten. Die erbarmungslose See von Greyhawk. Eine eigene Galeone. Intrigen und Kampf ums Überleben in einer windgepeitschten Küstenstadt und auf hoher See. Vielleicht sogar das Entdecken eines Piratenschatzes. In diesem Abenteuerband erfährst du alles rund ums nasse Element in Dungeons and Dragons.

Willkommen in Salzmarsch!

Die hohe See hat schon immer eine exotische Faszination ausgeübt und zum Bespiel ins Tischrollenspiel eingeladen. Das zeigt alleine schon die große Anzahl diverser Möglichkeiten der Beschäftigung mit diesem Thema: In den unterschiedlichsten Genres wie dem Abenteuerspielbuch, dem Sammelkartenspiel, dem Tischrollenspiel, dem Computerspiel oder dem Film ist das nasse Element Inspiration, Gefahrenquelle und Ort, sich zu beweisen. Ähnlich einem Dungeon oder dem Ewigen Eis ist auch das Meer eine andere Welt, die den Charakteren ihre Regeln unmissverständlich klar macht – oder sie werden zwangsläufig untergehen.

Ghosts of Saltmarsh ist eine Sammlung klassischer und neuerer Abenteuer, die sich dem Element Wasser widmen. Diese Abenteuer kann man einzeln oder als lose zusammenhängende Kampagne spielen. Neben den einzelnen Abenteuern bietet die Stadt Salzmarsch einen hübschen Sandkasten und einen Ausgangspunkt für nautische Abenteuer. Regeln für Schiffe, welche die Charaktere besitzen können, und mit dem Meer verbundene Gegner runden diesen Band zu einem gelungenen Mix für fast jede Spielrunde ab.

Der Plot

Das namensgebende Küstenstädtchen Salzmarsch ist nur auf den ersten Blick eine verschlafene, friedliche Gemeinde von braven Fischern und ehrlichen Handwerkern. Aufmerksame Charaktere, welche ihre Augen, Ohren und Geldbörsen offen halten, werden schnell auf mannigfaltige Möglichkeiten für aufregende Abenteuer stoßen:

  • Was hat es mit dem Spukhaus auf der Klippe direkt vor der Stadt auf sich?
  • Was führen die Echsenmenschen in unmittelbarer Nähe zu Salzmarsch im Schilde?
  • Was verbirgt sich unter dem niedergebrannten Magierturm?

 

Die oben angeführten Abenteuerstränge sind nur eine kleine Auswahl an bespielbaren Quests. Salzmarsch kann mit seinen paar dutzend Häusern und mehreren hundert Seelen sowohl ein heruntergekommenes, gottvergessenes Nest am Rande der Welt als auch eine strahlende Metropole inmitten der Sümpfe, Wälder und schlimmerer Wildnis sein. Ja, die Stadt ist nicht groß, aber das ist keine Entschuldigung, sie klein wirken zu lassen. Während andere Städte wie das weltumspannende Ravnica oder auch eine sich bescheidener ausnehmende Polis aus Theros niemals in ihrer gesamten Bandbreite bespielt werden können, kann man sich tatsächlich mit einem Großteil dieses Städtchens vertraut machen. Das hilft auch den Spieler*innen, welche die explizit angeführte Möglichkeit wahrnehmen möchten, einen Charakter aus diesem Ort zu spielen.

Der große politische Hintergrund rund um das Städtchen Salzmarsch ist das Wiedererstarken der Ambitionen König Skottis von Keoland, die Präsenz seines Reiches wieder verstärkt im Süden, also direkt auf das von ihm beherrschte Salzmarsch, zu konzentrieren. Als Vorboten dieses neuen imperialen Interesses ist eine Gruppe Zwerge eingetroffen, welche vor der Stadt eine Mine eingerichtet haben. Dieses Unternehmen soll dabei helfen, die Stadt prosperierender zu machen.

Neben den Fraktionen der Loyalisten und Traditionalisten gibt es mit der Scharlachroten Bruderschaft noch einen Geheimbund von Meuchelmördern, die ihre eigenen megalomanischen Interessen vertreten – ja, es geht ihnen in letzter Konsequenz um die Erringung der Macht in Keoland. Wen diese Ambitionen zu sehr an die allabendlichen Abenteuer zweier bekannter weißer Labormäuse erinnern, darf beruhigt sein: die Fraktionen in Salzmarsch sind durchweg mit interessanten Charakteren und eigenen Zielen ausgestattet. Eine Besonderheit, die sich durch den Band zieht, sind Zufallstabellen, mit welchen man die jeweilige Stimmung der Fraktionen, aber auch der Stadt allgemein bestimmen kann, falls der Spielleitung selbst partout nichts einfallen möchte. Dieses Schema von anwendbaren Zufallstabellen wird auch für wandernde Monster und Begegnungen auf hoher See, aufzufindende Schätze und anzutreffende Seltsamkeiten auf dem Weg angewendet.

Der Umfang

Das erste Kapitel umfasst die Beschreibung des Hintergrundes des südlichen Keolands und Salzmarschens; an dieses reihen sich die sieben einzelnen Abenteuer des Bandes an. Diese machen den umfangreichen mittleren Teil des Buches aus. Das letzte große Kapitel beschreibt die Möglichkeiten, welche der Band Spieler*innen und ihren Charakteren eröffnet: hier sei insbesondere auf die Option verwiesen, zum Schiffseigner zu werden. Sowohl Charaktere ganz am Anfang ihrer Heldenkarriere als auch gut etablierte Charaktere mit tiefen „Bags of Holding“ voller Gold finden mit Sicherheit eine an ihre Kreditwürdigkeit angepasste nautische Fahrgelegenheit. Den Abschluss des Bandes bildet wie üblich eine Sammlung von Monstern und NSCs sowie eine Übersicht über zu entdeckende Schätze.

Ein eigenes Schiff für die Gruppe? In Ghosts of Saltmarsh durchaus möglich © Patryk_Kosmider
Ein eigenes Schiff für die Gruppe? In Ghosts of Saltmarsh durchaus möglich © Patryk_Kosmider

Der Sandkasten

Ghosts of Saltmarsh bietet insgesamt sieben Abenteuer, welche jedes für sich alleine gespielt werden können. Die ersten drei Abenteuer sind allerdings zusammenhängend; es bietet sich daher stark an, sie auch hintereinander zu spielen. Die Abenteuer stammen teilweise aus den Urzeiten des Rollenspiels Dungeons and Dragons, obwohl Alter keinesfalls ein Zeichen für Qualität sein muss; es sind aber auch neuere Abenteuer enthalten. Besonders interessant sind hier zwei im Band aufgezeigte Optionen für die Spielleitung:

  • Es gibt durchaus die Möglichkeit, diese einzelnen Abenteuer als eine zusammenhängende Kampagne zu erleben, mit Salzmarsch als beständige Basis für die Operationen der Charaktere. Die Charaktere sind dabei keinesfalls verpflichtet, ausschließlich die sieben Abenteuer in diesem Buch zu erleben, aber eine gewisse Schienenlegung ist aufgrund der unterschiedlich hohen Levelerfordernisse der einzelnen Abenteuer durchaus gegeben. Oder, anders ausgedrückt: die Charaktere werden die Erfahrung früherer Abenteuer für das Überleben den folgenden Abenteuer sehr wohl brauchen.
  • Das Buch zeigt weiterhin die Option auf, die Quests aus dem Abenteuersammelband Tales of the Yawning Portal gemeinsam mit diesem Band zu spielen: White Plume Mountain, The Sunless Citadel, Against the Giants, sogar Dead in Thay und The Tomb of Horrors können einfach in die Nähe von Salzmarsch platziert werden, sodass es den Charakteren möglich ist, auch diese netten Dungeons mit einer Salzmarschgruppe zu erkunden.

Neben der namensgebenden Stadt Salzmarsch gibt es noch – nicht erschöpfend – ein Spukhaus, einen Magierturm, die Festungen eines Echsenmenschen- und Sahuaginstammes, eine verlassene Abtei, eine imperiale Festungsstadt, eine Zwergenmine und mehrere geheimnisvolle Wälder zu erforschen. Und das alles schon, ohne die Option wahrzunehmen, die Abenteuer aus Tales of the Yawning Portal in die Geschichte zu implementieren.

Einer der Antagonisten dieses Buches ist eine lose Koalition aus Piraten, welche sich die Seeprinzen nennt. Leider ist dieser Feind nicht besonders ausgeschmückt, es fehlen die interessanten Bösewichte. Dafür gibt es eine Fülle an anderen möglichen Feinden, wobei der Jungkrake neben den Sahuagin und der Blaufäule, einer durch Ertrunkene übertragenen Krankheit, wohl die gefährlichsten Umstände darstellen dürften.

Das Kartenmaterial

Das Kartenmaterial in Ghosts of Saltmarsh ist von guter bis sehr guter Qualität und Quantität. Zwar sind nicht alle Dungeons und begehbaren Orte mit einer eigenen Karte ausgestattet, das muss aber auch nicht unbedingt sein.

Neben Saltmarsh gibt es noch etliche andere Orte zu erkunden © RainerPlendl
Neben Saltmarsh gibt es noch etliche andere Orte zu erkunden © RainerPlendl

Lediglich die Übersichtskarte von Salzmarsch ist farbig gestaltet. Und leider ist sie mit Punkten über den wichtigen Orten versehen ist, also nur bedingt zum Aushändigen an die Spieler*innen geeignet. Dafür können die restlichen, im klassischen Blau-Weiß gehaltenen Karten auch am Spieltisch Verwendung finden. Ohne die Markierungen der bunten Karte verraten sie nicht zu früh wichtige Punkte, über die die Charaktere stolpern können.

Das Repertoire an bespielbaren Karten reicht von einer weiteren Hafenstadt über ein Geisterhaus, verschiedene unterseeische Grotten, Festungen maritimer Völker, ein untergegangenes Schiff, mehrere benutzbare Schiffspläne hin zu einem Plan einer Dünenlandschaft, in welcher die Charaktere nach einem Schatz suchen können. Man sieht also, dass hier für reichhaltige Abwechslung gesorgt ist. Die Pläne werden durch sich durch den Band ziehende Tabellen für Zufallsbegegnungen sinnvoll ergänzt – diese sind sogar für die einzelnen Wälder eigens unterschiedlich aufgeteilt.

Übernatürliches und Monster von Ghosts of Saltmarsh

Bei den anzutreffenden Monstern und anderen Begegnungen finden wir in Ghosts of Saltmarsh ein breites Spektrum an NSCs und Ungeheuern vor, welche fast alle mehr oder weniger mit dem feuchten Element zu tun haben. Besonders schön ist dabei die Tatsache, dass dieses große Spektrum alle möglichen Gegnerstufen abdeckt, sodass es für die Spielleitung einfach ist, eine für das Machtlevel der Gruppe angepasste Konfrontation zusammenzustellen.

Bei den Gegnern finden sich sowohl humanoide Herausforderungen in den Varianten Pirat, Barde, Ertrunkene oder Meergoblin als auch exotischere Gestalten wie Echsenmenschen und Sahuagin. Wenn es noch ausgefallener sein darf, bieten sich Monster wie ein Jungkraken oder Bullywugs an. Besonders interessant sind dabei die Ertrunkenen, welche Träger einer Blaufäule genannten Seuche sind, und bei ihrem zweiten Dahinscheiden ihre ekelhaften Säfte auf unvorsichtige Charaktere verspritzen können, was ihnen eine ganz neue Dimension von Gefährlichkeit gibt.

Die Charaktere müssen sich den Monstern der hohen See entgegen stellen © vukkostic91
Die Charaktere müssen sich den Monstern der hohen See entgegen stellen © vukkostic91

Zusammengefasst ergänzt der letzte Abschnitt von Ghosts of Saltmarsh das Monster Manual sehr passend zu seinem aquatischen Thema.

Schätze in Ghosts of Saltmarsh

Bei der Auflistung zu findender besonderer Schätze fällt Ghosts of Saltmarsh leider im Vergleich zum Rest des Buches etwas ab. Zwar sind ein verfluchter Glücksstein und ein Amulett, welches den Charakter mit Pflanzen sprechen und sie kommandieren lassen kann, sehr stimmig, aber leider sind die übrigen Gegenstände vornehmlich darauf ausgerichtet, die Charaktere unter Wasser atmen zu lassen. Das macht im Kontext der einzelnen Abenteuer rund um Salzmarsch natürlich Sinn, und mit dem Dungeon Master’s Guide kann man sich als Spieler*in und Meister*in wirklich nicht über zu wenige magische Gegenstände in einem Dungeons and Dragons-Spiel beschweren. Dennoch bleibt das Gefühl, dass bei den magischen Gegenständen in Ghosts of Saltmarsh noch das ein oder andere möglich gewesen wäre.

Positiv hervorzuheben ist dagegen ein Geschäft für magische Gegenstände direkt in Salzmarsch, in welchem die Charaktere für einen gewissen Preis magische Gegenstände erwerben, sie verkaufen, aber auch danach suchen lassen können. Dass diese magischen Gegenstände allesamt mit einem kleineren Fluch verkauft werden, dürfte nur die wenigsten Charaktere von einem Einkaufsbummel abhalten…

Die harten Fakten:

  • Verlag: Wizards of the Coast LLC
  • Autor(*innen): Mike Mearls, Kate Welch et al.
  • Erscheinungsjahr: Mai 2019
  • Sprache: Englisch, Deutsch
  • Format: Hardcover
  • Seitenanzahl: 256
  • ISBN: 978-0-7869-6675-2
  • Preis: 38,52 €
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo, Sphärenmeister

 

Fazit

All die oben genannten Fakten lassen nur ein absolut positives Schlusszeugnis zu. Der Umfang und die Vielfalt an möglichen Abenteuern in diesem Band sind vorbildlich. Zwar wäre es sehr schön, wenn die vielfältigen unterschiedlichen Tabellen aus diesem Band zu den diversen Themen eventuell eines Tages Eingang in eine Neuauflage des Dungeon Master’s Guide finden würden: die einzelnen möglichen Ereignisse in den Siedlungen oder unterwegs, diverse Begegnungen mit NSCs und Monstern, Gerüchte und Stimmungen der Umgebung etc. Das kann man aber nicht dem Band Ghosts of Saltmarsh anlasten.

Egal, ob man nur ein einzelnes der diversen Abenteuer spielen möchte, eine längere zusammenhängende Kampagne mit diesen Szenarien plant, oder für die Leser*innen nur einzelne Elemente aus dem Buch entnehmen möchte. Die Zufallstabellen, Karten oder die Schiffsregeln aus dem Band können auch in anderen Kampagnen auf dem Spieltisch Verwendung finden. Dadurch wird das Buch für so gut wie jede Dungeons and Dragons-Spielrunde eine sinnvolle Ergänzung in ihrer Bibliothek sein.

Artikelbilder: © wie gekennzeichnet|depositphotos
Titelbild: © Wizards of the Coast
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Susanne Stark

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