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Mit Justice League – Infinity wird der Kult-Cartoon Die Liga der Gerechten endlich fortgesetzt. Nach dem Ende der Serie waren zahlreiche Feinde besiegt, aber nicht alle. Und dazu kommen jetzt neue Bedrohungen ans Tageslicht. Kann Panini Comics mit Justice League – Infinity nur alte Fans begeistern, oder auch neue gewinnen? Paul berichtet.

In den 1990ern setzte DC neue Maßstäbe in Zeichentrickserien mit der Serie Batman. Der Erfolg dieser Serie führte bald zu einer Superman Serie und schließlich zum sogenannten DC Animated Universe (DCAU), fast 10 Jahre vor dem Marvel Cinematic Universe. Diese Reihe zusammenhängender Serien bestand neben Batman und Superman aus dem jungen Superhelden Static Shock, der düsteren Cyberpunk-Serie über den Batman of the Future, dem in Deutschland nie erschienenen Spin-Off Zeta Project, und der Justice League-Serie Die Liga der Gerechten.

Für viele Kenner sind die Charaktere dieser Serien bis heute die definitive Interpretation des DC-Universums. Kevin Conroy und Mark Hamill, die die Rollen auch in der Arkham-Videospielreihe spielten, prägten eine ganze Generation mit ihrem Batman und Joker. Gilbert Gottfried war der wohl perfekte Sprecher für den überdrehten Zaubergnom Mr. Mxyzptlk und die Justice League aus der Zeichentrickserie, mit ihren Dutzenden Mitgliedern, die von einem Satelliten aus über die Welt wachen, wurde bald in die Comics übertragen. Sogar Harley Quinn ist ursprünglich eine Erfindung der Serien gewesen. Der Ableger-Film Batman und das Phantom gilt noch heute als eine der besten Verfilmungen des Dunklen Ritters.

16 Jahre nach der letzten Folge von Die Liga der Gerechten setzt Justice League – Infinity die Serie nun fort. Hat das DC Animated Universe seinen Moment gehabt, oder ist die Fortsetzung sinnvoll?

Handlung

Dass Justice League – Infinity die Fortsetzung einer 16 Jahre alten Serie ist, mag erst einmal bedrohlich klingen, aber keine Sorge: Tatsächlich verlangt das Comic praktisch keine Kenntnis der Serie. Es werden zwar einige Elemente aus der Reihe aufgegriffen, allerdings werden diese, sobald sie auftauchen, ausreichend erklärt, um die Geschichte genießen zu können.

Justice League – Infinity beginnt zum Beispiel damit, dass die Alien-Armeen von Kalibak und Granny Goodness die Erde angreifen, um dort ihren Bürgerkrieg um die Herrschaft des Höllenplaneten Apokolips auszutragen. Wie es zu diesem Bürgerkrieg kam, wurde in der letzten Staffel von Die Liga der Gerechten gezeigt. Für Justice League – Infinity ist der genaue Hintergrund jedoch unwichtig, denn alles für die Geschichte wichtige wird von den Held*innen und Schurk*innen erklärt. Manchen Leser*innen mag dieser Erzählstil vielleicht altmodisch erscheinen, um einen schnellen und leichten Zugang für Neueinsteiger zu garantieren, ist er jedoch hervorragend geeignet.

Kalibak, Meister der Exposition

Zeitgleich zum Kampf der Justice League gegen Kalibak und Granny Goodness stößt der Superroboter Amazo auf eine Tür im Weltraum. Wie Amazo in seiner Einführung erklärt, war er ein böser Roboter, der Bewusstsein erlangte und nun das Weltall auf der Suche nach seinem Platz im Universum durchstreift. Von seiner Neugier getrieben, öffnet er die Tür im Weltall und löst damit unwissentlich einen Prozess aus, der alle Realitäten des Multiversums bedroht. Eine unbekannte Macht sorgt nämlich dafür, dass die Leute aus verschiedenen Welten den Platz tauschen, was schlussendlich zu einem Verschmelzen und Kollabieren aller Welten führen würde. Angesichts dieser Bedrohung steht die Justice League natürlich bereit, in ihrer und allen anderen Realitäten für Frieden und Sicherheit zu sorgen.

Das psychedelische Weltall orientiert sich an alten Dr. Strange Comics

Auch in Justice League – Infinity geht es also um ein Multiversum und Parallelwelten, Geschichtselemente, die in den letzten Jahren immer häufiger auftreten, egal ob bei Marvel, DC oder alleinstehender Science Fiction. Eine gewisse Übersättigung mit dem Thema kann sich bei Leser*innen langsam zeigen, ein besonderes Plus bildet es momentan jedenfalls nicht mehr. Justice League – Infinity behandelt seine Parallelwelten immerhin auf schön routinierte Weise simpel. Jede der Welten wird klar vorgestellt und erfüllt eine bestimmte Funktion im Narrativ. Egal ob es die gewohnte Welt der Justice League ist, die Erde-X, auf der die Nazis unter Führung des Unsterblichen Vandal Savages den Krieg gewannen, oder die Realität, in der die Aliens von Apokolips in ihrem wahnsinnigen Machtkampf alles vernichteten: Alle besitzen klar abgegrenzte Eigenschaften, Identitäten und Funktionen. Die grundsätzliche Idee mag also nicht mehr sonderlich überraschen, die gekonnte Ausführung hier macht aber einfach Spaß.

Krise auf Erde-D

Gleichermaßen steht es um die Handlung. Die Konfrontationen der Justice League mit ihren Spiegelbildern aus den anderen Welten, wie zum Beispiel Superman und dem Nazi „Übermensch“, strahlt vielleicht nicht vor Innovation oder Überraschung. Aber nichtsdestotrotz ist Justice League – Infinity durchgehend unterhaltsam und lustig geschrieben. Hier macht sich die Erfahrung der beiden Autoren bemerkbar. James Tucker hat schon die Serie Liga der Gerechten produziert und ist daher denkbar gut für diese Fortsetzung geeignet. J.M. DeMatteis ist ein Veteran der Comic-Industrie, der unter anderem in den 80ern die Justice League modernisierte. Die Reihen Justice League of America und Justice League International konnten damals mit unbeschwerten, lustigen Geschichten punkten und diese Erfahrung bringt DeMatteis auch bei Justice League – Infinity ein.

Charaktere

Die Charaktere werden eigentlich gut eingeführt und liefern spezieller nötiges Vorwissen mit. Hilfreich ist dabei auch, dass in jedem der sieben Kapitel eine andere Person als Erzähler*in fungiert und dabei tieferen Einblick in ihren Charakter gewährt. Zu den wenigen komplexeren Vorgeschichten gehört zum Beispiel der Martian Manhunter. Der Gestaltwandler vom Mars gehörte einst zur Justice League, ermüdete aber des ewigen Kämpfens und verließ daher das Team, um als normaler Mensch unter Menschen zu leben. All das spielte sich über die drei Staffeln der Liga der Gerechten-Zeichentrickserie ab. In Justice League – Infinity wird diese ganze Geschichte aber effektiv auf den ersten Seiten und im erzählerischen Monolog des Manhunters zusammengefasst.

Manhunter erklärt sich

Daneben gab es noch die Beziehungsprobleme von Green Lantern. Der Weltraum-Cop war einmal mit der geflügelten Heldin Hawkgirl zusammen, ist jetzt aber in einer Beziehung mit Vixen, einem Supermodel mit Tierkräften. Da Hawkgirl aber noch zur Justice League gehört, gibt es öfters peinliche Momente zwischen ihr und Green Lantern. Ganz erloschen ist der Funke zwischen ihnen nämlich noch nicht. Auch hier gibt es wieder eine ellenlange Vorgeschichte dieses Liebesdreiecks in der Serie, mit allen Höhen, Tiefen und Entwicklungen. Die für das Verständnis von Justice League – Infinity notwendigen Informationen werden aber alle in einer gelungenen Szene bei einer Party am Anfang des Bandes vermittelt.

Hawkgirl sagt hier eigentlich alles

Abgesehen davon sind die Charaktere hier größtenteils eher geradlinig und nicht allzu tief geschrieben, vollkommen passend für eine Abenteuergeschichte. Die Mitglieder der Justice League entsprechen ihren üblichen Charakterisierungen. Superman ist mutig und idealistisch, Wonder Woman eine mutige Kämpferin, Batman ernst und zynisch, Green Lantern ein strenger Soldat, Flash ein Witzbold.

Ohne zu viel verraten zu wollen, entsteht allerdings ein wenig Tiefe in der Begegnung mit den anderen Welten. Auf Erde-D gibt es eine Justice League, die auf den ersten Blick täuschend ähnlich zur eigentlichen erscheint, in markanten Punkten jedoch deutliche Unterschiede aufweist. Und auf Erde-X werden die Held*innen damit konfrontiert, dass ihre dortigen

Auf fremden Welten können Feinde Freunde sein

Doppelgänger Nazis sind und die Widerstandsgruppe Freedom Fighters aus Leuten besteht, die in ihrer Welt Superschurken sind. Eine weitere Welt verleiht einer Figur eine menschliche Seite, von der das wohl die wenigsten erwartet hätten. Zu viel sollte man hier nicht erwarten, aber die geradlinige Haupthandlung lockert es etwas auf.

Zeichenstil

Ethen Beavers orientiert sich mit seinem Zeichenstil eindeutig am Stil der DC Animated Universe Zeichentrickserien. Der wurde damals vom Produzenten Bruce Timm festgelegt, als ein stilisierter Stil, der leicht zu animieren ist. In der Einfachheit des Stils kann man jedoch Einflüsse klassischer Superheldenzeichner erkennen, besonders vom legendären Jack Kirby. Nichtsdestotrotz kann der Zeichenstil etwas simpel und sehr nach Kinder-Comic aussehen, besonders für Leute, die keine nostalgischen Gefühle an die alten Serien haben. Interessanterweise taten sich die meisten vorherigen Comic-Adaptionen des DCAU schwer mit dem Stil. Dafür, dass er eigentlich für die einfache Nutzung konzipiert war, waren die Comic-Adaptionen überraschend oft off-model und perspektivisch verzerrt. Beavers schafft es aber tatsächlich, den Stil vom bewegten Bild aufs Papier zu bringen. Der Stil ist also nicht für alle etwas, wird hier aber immerhin fachmännisch benutzt.

And with strange aeons even death may die.

Wie in deutschen Comics üblich, wurden die Hakenkreuze und SS-Runen der Nazi-Dimension übermalt. Die Hakenkreuze sind jetzt Kreuze in Quadraten und die SS-Rune zwei parallele Balken.

Erscheinungsbild

Wie bei Panini-Softcovern üblich, ist Justice League – Infinity schön verarbeitet und gedruckt. Das Cover sieht ansprechend aus und zeigt die dramatisch posierende Justice League. Allerdings muss darauf hingewiesen werden, dass das Comic im Inneren komplett anders aussieht. Unterschiede im Stil zwischen Umschlagbild und Inhalt sind natürlich gang und gäbe, hier wirkt der Unterschied aber besonders stark. Auffällig ist dabei, dass Justice League – Infinity im Inneren die Titelbilder aller sieben amerikanischen Einzelhefte enthält – von denen jedes einen komplett anderen Stil aufweist, aber nur eines dem im Inneren ähnelt. Etwas überraschend, da Justice League – Infinity eigentlich eine Fortsetzung der bekannten Zeichentrickserie sein soll, was von außen aber eigentlich nicht sichtbar ist.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Panini Comics
  • Autor*in(nen): J.M. DeMatteis, James Tucker
  • Zeichner*in(nen): Ethen Beavers
  • Erscheinungsjahr: 2022
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Softcover
  • Seitenanzahl: 164
  • Preis: 19 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Panini, Amazon, idealo

 

 

Fazit

Justice League – Infinity will die Fortsetzung einer sechzehn Jahre alten Zeichentrickserie sein. Kann man das heute noch empfehlen? Die Antwort ist ein klares Ja. Justice League – Infinity ist eine gut geschriebene, unterhaltsame Abenteuergeschichte, die Fans der alten Zeichentrickserien begeistern sollte. Dabei nimmt sie einiges an Elementen und Charakteren der alten Serie wieder auf.

Für neue Leser*innen ist sie, abseits von grundlegendsten Kenntnissen zu Batman, Superman und Co., aber trotzdem überraschend zugänglich. Eigentlich sind alle notwendigen Hintergrundinfos zur Ausgangssituation elegant in die Geschichte eingearbeitet. Das Motiv des Multiversums wird in letzter Zeit etwas überstrapaziert, die Abenteuergeschichte hier ist aber unterhaltsam und spannend genug, dass das hier keine Rolle mehr spielt. Ein wenig kann Justice League – Infinity fast den Eindruck erwecken, es wolle die DCAU Version des Crisis on Infinite Earth-Events sein.

Der stark stilisierte, etwas einfache Zeichenstil gibt den Look der Zeichentrickserie hervorragend wieder. Für Neueinsteiger*innen ohne nostalgische Bindung bedarf der Stil vielleicht etwas Gewöhnung. Diese ist Justice League – Infinity insgesamt aber wert. Für 19 EUR bekommt man ein fähig gezeichnetes, gut geschriebenes Superheldencomic – ein gutes Angebot.

  • Spannende Superheldenabenteuer
  • Gut für Einsteiger und bestehende Fans
 

  • Zeichenstil möglicherweise gewöhnungsbedürftig

 

Artikelbilder: © Panini Comics
Layout und Satz: Annika Lewin
Lektorat: Katrin Holst
Fotografien: Paul Menkel
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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