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Marvels Meister der mystischen Künste verzaubert wieder die Kinos! Doctor Strange und seine Verbündeten wagen sich ins Multiverse of Madness vor, um eine junge Dimensionsreisende zu schützen. Doch es lauern auch furchterregende Dämonen und hinterhältige Zaubernde im ersten Horrorfilm des Marvel Cinematic Universe

Mehrere Terminverschiebungen, ein Regisseurswechsel und die Corona-Pandemie klingen bereits nach genug realem Wahnsinn. Doch die Wirrungen der Wirklichkeit konnten Stephen Strange nicht daran hindern, endlich die Kinoleinwände zu stürmen, wo er jetzt übernatürliches Chaos und kosmische Irrfahrten erdulden muss. Und alles nur für ein fremdes Mädchen?

Story

Einige Zeit nach den Ereignissen von Spider-Man: No Way Home nimmt Stephen Strange an einer Hochzeit in New York teil. Die Feierlichkeiten werden jäh gestört, als ein monströser Alien-Oktopus durch die Straßen wütet. Die Bestie verfolgt ein Mädchen namens America Chavez, das die Fähigkeit hat, in andere Universen zu reisen. Jetzt ist eine dämonische Macht hinter ihr her, die diese Superkraft stehlen will. Um America zu schützen, ersucht Doctor Strange die Hilfe von Wanda Maximoff alias Scarlet Witch, die sich nach dem Vorfall von Westview zurückgezogen hat. Strange stellt bald fest, dass er viele Verbündete braucht, denn seine neuen Feind*innen jagen ihn quer durchs Multiversum. In den abstrusesten Dimensionen warten allerhand seltsame Gestalten auf ihn, darunter seine Alter Egos, die ihm nicht alle freundlich gesonnen sind …

Mehr lässt sich ohne Spoiler nicht über den Film sagen, denn Multiverse of Madness bezieht sich auf zahlreiche MCU-Hits und lässt unerwartete Gaststars auftauchen. Selbst der Trailer, der auf einige lang ersehnte Cameos hinweist, verrät nicht ansatzweise, was das Publikum in der Handlung erwartet. Nur so viel sei gesagt: Dieser Film ist definitiv nicht für Kinder geeignet, denn er ist ohne Übertreibung Marvels erster Horrorfilm. Was das bedeutet, wird weiter unten erklärt. Aber zuerst zu einer wichtigen Frage:

Welche Vorkenntnisse braucht ihr?

Dass das MCU immer komplexer wird mit seinen Querverbindungen und Selbstbezügen, dürfte mittlerweile den meisten klar sein. Wahre Marvel-Stans kennen sowieso jeden Film und jede Serie seit 2008. Gelegenheitszuschauer*innen müssen nicht so weit gehen, um den Film verstehen zu können. Diese Titel solltet ihr gesehen haben, bevor ihr euch Multiverse of Madness anschaut:

Unbedingt:

  • Doctor Strange (2016) – Der erste Film stellt die Hauptcharaktere Stephen Strange und Wong vor. Zudem erklärt er die Regeln der Magie im MCU und zeigt fantastische Orte und Artefakte, die eine wichtige Rolle in späteren Titeln spielen.
  • Avengers: Infinity War (2018) und Avengers: Endgame (2019) – Strange und Wong schließen sich den mächtigsten Held*innen der Erde an und bekämpfen den außerirdischen Fanatiker Thanos. Dabei kommt es zu einer kosmischen Katastrophe, die folgenschwere Auswirkungen hat.
  • WandaVision (2021) – Die erste Marvel-Serie, die exklusiv für Disney+ produziert wurde. Nach den Ereignissen von Endgame halluziniert die trauernde Wanda ein perfektes Familienleben herbei, reißt damit aber eine ganze Kleinstadt ins Verderben.

Hilfreich:

  • What If …? (2021) – Diese animierte Serie orientiert sich am Comic-Vorbild, alternative Geschichtsverläufe zu zeigen: Was, wenn Peggy Carter anstelle von Steve Rogers das Super-Serum erhalten hätte? Was, wenn eine Zombie-Seuche im MCU ausgebrochen wäre? Das kosmische Wesen namens Watcher führt durch andere Realitäten und bietet einen Vorgeschmack auf das Multiversum.
  • Spider-Man: No Way Home (2021) – Der dritte MCU-Film des Netzschwingers hat Doctor Strange als prominenten Hauptcharakter neben Peter Parker. Auch hier wird im Multiversum herumgepfuscht, aber eher für Fanservice, denn Bösewichte und Helden der beiden vorigen Filmreihen mit Tobey Maguire und Andrew Garfield tauchen auf. Multiverse of Madness hat keinen starken Bezug zu No Way Home.

Einige weitere Filme oder Serien, die teilweise hilfreich für das Verständnis wären, würden durch ihre bloße Nennung einen Spoiler an dieser Stelle bedeuten. Allerdings schadet es für die Gesamthandlung nicht, diese Titel nicht zu kennen. Wer völlig ahnungslos in den Film geht, kann dennoch gut amüsiert werden, dürfte aber hinterher mehr Fragen haben als zuvor.

Handlung und Inszenierung

Regisseur Sam Raimi dürften die meisten Marveliten von der ersten Spider-Man-Trilogie (2002-2007) kennen. Allerdings hat er dank der Evil-Dead-Reihe und Drag Me to Hell auch Erfahrung im Horrorgenre, die er in die Handlung von Multiverse of Madness eingebracht hat. Dass Raimi überhaupt Regie führte, war ein Zufall: Scott Derrickson, der im ersten Doctor Strange-Teil Regie führte, hatte bereits 2019 die Idee, aus der Fortsetzung einen Horrorfilm zu machen. 2020 verließ er überraschend den Regiestuhl, da er sich nicht mit Produzent Kevin Feige auf die Ausrichtung der Handlung einigen konnte. Am Genre soll das Zerwürfnis allerdings nicht gelegen haben. Derrickson verblieb im Produktionsteam, aber als neuer Regisseur wurde Raimi verpflichtet. Das ist nicht tragisch, denn trotz des neuen Genres schließt die Fortsetzung gut an Teil 1 an. Wesentliche Charakterentwicklungen werden fortgesetzt und vertieft.

Damit hat das MCU seinen ersten Gruselfilm. Im Vergleich zu Evil Dead sind die Schockszenen eher mild und unregelmäßig, aber Blut, (untote) Leichen und Body-Horror findet man in dieser Deutlichkeit selten bei Marvel. Viel schockierender als offensichtlicher Splatter ist der psychologische Horror, den man bereits von WandaVision oder Moon Knight kennt. Daher die Empfehlung, nicht mit Kindern in den Film zu gehen. Für die Jüngeren dürfte die Handlung mit Paralleldimensionen und Doppelgängern zu kompliziert sein. Aber auch einige Erwachsene könnten von so vielen alternativen Realitäten überfordert sein. Gut aufzupassen ist deshalb sinnvoll, denn einige vermeintlich kleine Details oder Dialogsätze können später eine wichtige Rolle spielen. Keine Sorge, Doctor Strange in the Multiverse of Madness ist kein tief (pseudo-)intellektueller Film wie Tenet. Stumpfes Popcornkino, bei dem man den Verstand ausschalten kann, gibt es hier auch nicht.

Die visuellen Effekte sind diesmal erstklassig. War schon Teil 1 ein irrer LSD-Trip, sehen wir hier noch absurdere Dimensionen und ausgefallenere Effekte. Im Gegensatz zu anderen MCU-Titeln, die die große CGI-Schlacht für das Finale aufheben, bietet Multiverse of Madness schon in der ersten Szene eine irre Jagd durch eine physikalisch unmögliche Landschaft. Die Pressevorführung fand in 2D statt, die Vielzahl der Effekte könnte aber in 3D noch besser zur Geltung kommen.

Neben dem Regisseur wurde auch der Komponist ausgetauscht. Michael Giacchino (Spider-Man: No Way Home, The Batman (2022), Rogue One), der das ikonische Doctor Strange-Thema schuf, wurde von Sam Raimi durch Danny Elfman (Batman (1989), Men in Black, Raimis Spider-Man-Trilogie) ersetzt. Elfman hatte bereits in Avengers: Age of Ultron für seinen Vorgänger Alan Silvestri übernommen und die Avengers-Titelmelodie neu interpretiert. Ähnlich sieht es hier aus: Elfman hat sich von Giacchinos Leitmotiven inspirieren lassen, um den Soundtrack für Multiverse of Madness zu schreiben. Von bombastischen Kampfthemen bis zu leisen Tönen ist eine ganze Bandbreite an Stücken dabei, die dennoch unverwechselbar in ihrer Seltsamkeit zum Mystiker Strange passen.

Natürlich gibt es wieder zwei Szenen nach dem Film, eine inmitten der Credits, die einen neuen Charakter einführt und damit die Brücke zu einer potentiellen Fortsetzung schlägt. Die Post-Abspann-Szene zeigt Evil Dead-Star Bruce Campbell in einem witzigen Sketch, der den Film endgültig abschließt. Wer nach 130 Minuten ein dringendes Bedürfnis hat, muss für diese zweite Szene nicht unbedingt sitzen bleiben.

Darsteller*innen

Benedict Cumberbatch: Der Charakterdarsteller darf hier nicht nur einen, sondern gleich mehrere Stephen Stranges verkörpern. Scheinbar mühelos bringt er die Varianten, die so ähnlich und doch so unterschiedlich sind, zum Leben. Die typische Strange‘sche Arroganz, seine Tragik und seine dunkle Seite haben alle Versionen gemein, aber in sehr unterschiedlicher Ausprägung. Dass das überzeugend wirkt, ist keine Selbstverständlichkeit.

Elizabeth Olsen: Nachdem Olsen in WandaVision bereits eine umfassende Charakterstudie von Wanda Maximoff vorgelegt hat und gleichzeitig eine ganz neue Scarlet Witch zeigen durfte, knüpft die 33-Jährige ihre Darstellung nahtlos an die Serie an. Die Erlebnisse in Westview haben Wanda zutiefst geprägt und haben entscheidenden Einfluss auf ihr Handeln. Als Chaoshexe hat sie zudem eine völlig andere Herangehensweise an Magie, ein Unterschied, den Olsen schon durch ihre Körpersprache vermittelt.

Xochitl Gomez: Mit nur 16 Jahren ist die Newcomerin die jüngste im Film (zum Zeitpunkt der Dreharbeiten war sie erst 14), braucht sich aber vor ihren älteren Kolleg*innen nicht zu verstecken. Nachdem sie bereits in der Teen-Comedy The Baby-Sitters Club auf Netflix bekannt wurde, erlangt sie jetzt eine ernstere Rolle vor einem viel größeren Publikum. Gomez stellt America Chavez als einsame Überlebenskünstlerin dar, die nach einer sicheren Heimat sucht. Damit dürfte sie den Nerv vieler Teenager treffen, die sich einsam und missverstanden fühlen. Getreu der Comicvorlage ist Chavez queer und hat queere Eltern, was in einigen Ländern zum Verbot des Films führte. In Interviews zeigte sich Gomez jedoch stolz, einen LGBTQ-Charakter verkörpern zu dürfen.

Benedict Wong: Als der wahre Sorcerer Supreme muss Wong den vernünftigen Erwachsenen geben, während Strange gerne mal die Realität in Gefahr bringt, weil ihn ein Teenager darum bittet. Wong spielt seinen Namensvetter wie gewohnt ernst, aber das auf so eine komische Weise, dass man immer wieder schmunzeln muss, wenn Stranges lockere Sprüche an ihm abprallen. Der britische Schauspieler vermag das wahre Talent des Zauberers zu vermitteln: Wong ist nicht so mächtig wie Strange, dafür gut organisiert und ein besserer Teamplayer.

Chiwetel Ejiofor: Mordo war anfangs ein Mentor für Stephen Strange, wurde aber desillusioniert und jagt jetzt Zauberer – allen voran Strange selbst. In diesem Film tritt Mordo als ambivalente Figur auf. Ejiofor zeigt einen vielschichtigen Charakter, der einerseits die Wichtigkeit der Mission erkennt, gleichzeitig Strange selbst als Gefahr betrachtet. Der Brite muss sich trotz einer kleineren Rolle nicht vor seinem Landsmann Cumberbatch verstecken.

Rachel McAdams: Wo Mordos Rolle geschrumpft ist, wächst die von Christine Palmer. Nicht mehr nur eine Kollegin von Strange, sondern ein echter Sidekick, der Gefahren trotzt und Stranges Impulsivität mit kühler Kompetenz ausgleicht. McAdams schafft es, die „Normalo“ unter all den Superheld*innen als tatsächlich interessante Figur zu spielen, was in diesem Genre selten ist.

Die harten Fakten:

  • Regie: Sam Raimi
  • Buch: Michael Waldron
  • Musik: Danny Elfman
  • Darsteller*innen: Benedict Cumberbatch, Elizabeth Olsen, Chiwetel Ejiofor, Xochitl Gomez, Benedict Wong, Rachel McAdams etc.
  • Erscheinungsjahr: 2022
  • Sprache: Englisch (Rezension)
  • Länge: 130 Minuten
  • Format: 2D/3D
  • Preis: Übliche Kinoticketpreise

 

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Fazit

„Die größte Stärke des MCU ist gleichzeitig seine größte Schwäche“, habe ich bereits an anderer Stelle geschrieben. Die Fähigkeit, eine immer vielschichtigere und verknüpfte Welt zu erschaffen, ist bemerkenswert in der Filmgeschichte. Kenner*innen dieser Verknüpfungen werden mit immer neuen Wendungen und Fanservice belohnt. Gleichzeitig verlieren viele, die sich nicht in diesem Netz zurechtfinden (wollen), den Anschluss und fragen sich buchstäblich, ob sie im falschen Film sitzen.

Doctor Strange in the Multiverse of Madness trägt also die Bürde von 27 Vorgängerfilmen und zahlreichen Serien, ganz zu schweigen von Nicht-MCU-Titeln. Dass Raimi daraus mit seinem ureigenen Regiestil einen amüsanten, gruseligen, psychedelischen Trip durch andere Welten gemacht hat, spricht für ihn. Das Gesamtpaket, inklusive solcher Aspekte, die aus Spoilergründen hier nicht genannt werden, hat daher die Bestnote verdient.

Es ist selten, dass wir den senkrechten Daumen nach oben vergeben. Diese Note ist immer kontrovers, da manche mit einem perfekten, fehlerfreien Produkt rechnen. Solche Erwartungen sind immer subjektiv, daher kann es keinen perfekten Film geben. Die Top-Bewertung gilt daher für die eingefleischten Fans, denn diese kommen hier maximal auf ihre Kosten. Doch es ist nicht alles Fanservice. Wer das Marvel-Universum (oder jetzt Multiversum) nur oberflächlich kennt, braucht nicht das Buch der Vishanti, um Spaß an der irren Dimensionsreise zu haben. Weder dehnt sich die Handlung unnötig, noch kommt sie im Flüsterton an, sie setzt sich sozusagen in den Gedanken des Publikums fest, jegliche Langeweile prallt wundersam, wie an einem Schild, ab. Der gesamte Film ist ein erhellendes Erlebnis. Was ich sagen will: Die Balance aus umwerfender Action und menschlichen Momenten wird auch ein breiteres Publikum begeistern. Wenn es mit allen drei Augen aufmerksam zuschaut.

Für Gelegenheitszuschauer*innen neigt sich der Daumen
– für viele wird der Kontext fehlen, um das Erlebnis perfekt zu machen.

  • MCU-Neuland im Horrorgenre
  • Jede Menge Fanservice durch lang ersehnte Gaststars
  • Phantastische Orte, Kreaturen, Effekte – noch schrägere Magie als in Teil 1
 

  • Für Nicht-Fans teilweise schwer verständlich

 

Artikelbilder: © Marvel Studios © The Disney Corporation
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Sabrina Plote
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

2 Kommentare

  1. Und jetzt bitte die Spoiler (da ich den Film nicht im Kino sehen werde).

    Welche Überraschungshelden und -Schurken treten auf?
    Welche Charaktere werden für die Illuminaten sprechen? (ist Namor dabei?)
    Welche Auswirkungen hat der Film auf das MCU?
    Sind Sylvie, Loki und Kang dabei?
    Wird Strange wieder der neue oberste Zauberer?

    • So genau wollen wir das hier gar nicht öffentlich machen. Nur soviel: Lies die letzten vier Sätze noch mal 🙂

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