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Die Animationswelt kommt, vor allem in der Sparte Phantastik, nur selten zu Wort. Das hat sie nicht verdient, finden wir – denn Animation hat so einiges an großartigen Geschichten zu bieten! Deshalb haben wir 6 Highlights des vergangenen Jahres für euch zusammengestellt.

Es ist ein wenig schade zu sehen, dass wir gerade in Sachen Animationsserien in einer neuen goldenen (oder vielleicht auch regenbogenfarbigen) Ära leben, diese aber häufig in der Diskussion hintenanstehen müssen. Dort müssen wir uns auch selbst mit einschließen, da die Diskussionen rund um animierte Filme und Serien gegenüber den regelmäßigen Releases von Marvel und Co. den Kürzeren ziehen.

Das ist schade, denn aktuell kann Animation einiges bieten, gerade im Bereich der Serien. Vor allem Disney produziert seit einigen Jahren eine Vielzahl von Serien, die in der Fantasy angesiedelt sind. Viele davon sind gleichermaßen kreativ, wie auch philosophisch und in vielerlei Hinsicht überzeugen können. Ebenso kommen diese Serien nur selten in die deutschen Besprechungen, da sie oft erst verspätet auf Disney+ landen – und kaum noch jemand Fernsehen schaut. Aber auch Netflix bringt jedes Jahr zwei, drei richtig herausragende Animationsserien heraus.

Deswegen soll dieser Artikel all den Serien- und Filmproduktionen gewidmet sein, die weniger Aufmerksamkeit bekommen haben. (Übrigens auch der Grund, warum ihr Arcane nicht in der Liste findet, denn Arcane hat die Aufmerksamkeit bekommen, die es fraglos verdient!)

Serienhighlight – Willkommen im Haus der Eulen

Luz ist ein ungewöhnliches Mädchen, das in der Schule an vielen Stellen aneckt und für Probleme sorgt. Deswegen möchte ihre Mutter sie in das „Reality Check“ Sommercamp schicken. Als Luz jedoch auf den Bus dahin wartet, klaut eine Eule ihr Lieblingsbuch. Sie folgt der Eule durch ein magisches Portal und findet sich so auf einmal auf den Brodelnden Inseln wieder, einer magischen Welt. Ein Traum für Luz, die Fantasy-Bücher jeder Art bisher geliebt hat. Also überzeugt Luz die alte Hexe Eda, sie als ihre Zauberschülerin aufzunehmen. Da kann ja praktisch nichts schiefgehen, oder?

Technisch gesehen ist es ein wenig geschummelt, Willkommen im Haus der Eulen in diese Liste aufzunehmen, denn ihre amerikanische Premiere hatte die Serie bereits letztes Jahr. In Deutschland kam sie allerdings erst 2021 heraus, während in diesem Jahr die zweite Staffel in den USA gestartet ist.

Die Serie ist definitiv das größte Highlight, das Disney Channel in den letzten Jahren zu bieten hat. Nicht nur, dass die Serie mit einer Menge charmanten Charakteren und einem sehr interessanten aufwarten kann, sie kann auch mit einer Menge Diversität überzeugen. Gerade in der LGBTQ*-Community hat die Serie viele Anhänger*innen für sich gewinnen können, dadurch, dass die Protagonistin in einer expliziten gleichgeschlechtlichen Beziehung gezeigt wird.

Darüber hinaus kann die Serie auch durch stellenweise extrem gute Animation überzeugen – gerade in Staffel 1, wo Spencer Wan noch Teil des Animationsteams war, der sehr bekannt ist für seine ausgezeichnete Animationsarbeit.

© Disney

Die Serie ist in der Mitte von Staffel 2 in der englischsprachigen Ausstrahlung. Teil 2 der zweiten Staffel wird nächstes Jahr erscheinen. Es wird noch eine verkürzte dritte Staffel geben. Die erste Staffel findet ihr auf Deutsch und auch der originalen englischen Fassung auf Disney+.

Die harten Fakten:

  • Showrunner*in: Dana Terrace
  • Erscheinungsjahr: 2020
  • Sprache: Englisch (OV)
  • Format: Serie
  • Bezugsquelle: Disney+

 

Filmhighlight – Der Wunschdrache

In seiner Kindheit war Din mit Li Na befreundet. Dann zog sie fort. Mittlerweile ist sie ein bekanntes Modell, während er jobben muss, um sich sein Studium zu finanzieren. Er wünscht sich, sie wiederzusehen und ihre Freundschaft wieder zu entfachen, doch sie scheint außer Reichweite zu sein. Da schenkt ein Gott Din eine Lampe, der ein Drache innewohnt, der ihm drei Wünsche erfüllen kann. Statt sich Reichtum oder Macht zu wünschen, wünscht sich Din eine Möglichkeit, Li Na wiederzusehen.

Wie man an der Beschreibung nicht schwer erraten kann, handelt es sich bei Der Wunschdrache um eine Neufassung von der Geschichte um Aladdin. Wie einige vielleicht wissen, spielt die ursprüngliche Geschichte tatsächlich in China, nicht im arabischen Raum. So siedelt auch diese Neuverfilmung die Geschichte in Shanghai an – allerdings dem modernen Shanghai, statt dem historischen. Und da es in der chinesischen Mythologie keine Dschinn gibt, ist der Dschinn in dieser Fassung nun ein Drache.

Der Film ist sehr charmant gemacht und hinterfragt ein paar der Aspekte der Aladdin-Erzählung – speziell der Erzählung, wie sie durch Disney stattgefunden hat – effektiv. Vor allem aber auch zeigt der Film sehr interessant die Unterschiede zwischen arm und reich im modernen China und wie sich das auf die Bevölkerung auswirkt.

Leider hat der Film ein Bösewichtsproblem, da er sich nicht ganz sicher zu sein scheint, wer nun eigentlich der Antagonist der Geschichte ist. Denn wer letzten Endes bekämpft wird und warum scheint eher eine Folge negativer Testscreenings zu sein als der ursprüngliche Plan.

© Sony Pictures Animation

Der Film ist von Sony Pictures Animation animiert und steht auf Netflix zu Verfügung.

Die harten Fakten:

  • Regie: Chris Appelhans
  • Erscheinungsjahr: 2021
  • Sprache: Englisch (OV)
  • Format: Film
  • Bezugsquelle: Kino

 

Serienhighlight – Inside Job

Cognito Inc. – dahinter verbergen sich die Verschwörungstheorien. Welche Verschwörungstheorien? Alle Verschwörungstheorien! Denn diese sind real und werden durch diese Firma verwaltet. Dabei sind die Mitarbeiter*innen häufig gar nicht so motiviert. Zum einen, weil es nun einmal Teil ihres Jobs ist, dass sie wenig Anerkennung bekommen, zum anderen, weil es zwischen all den Verschwörungen genug Drogen gibt, um sich abzulenken. Genau das macht den Job von Reagan so schwer. Denn sie muss versuchen, ihr eigenes Team zur Arbeit zu motivieren. Weil sie sich damit jedoch schlecht anstellt, wird ihr der ewige Ja-Sager Brett zur Seite gestellt.

Bei Inside Job handelt es sich um eine Comedy-Animationsserie für Erwachsene und entsprechend mit deutlich erwachsenen Themen. Nun ja, so oder so ähnlich. Zumindest kommen einige Witze vor, die Kinder vielleicht, vielleicht aber auch nicht verstehen (sollten). Von ihrem Stil und Humor ist die Serie Futurama nicht unähnlich. Auch ähnlich wie bei Futurama hat die Serie dabei auch eine Menge Herz. Dabei ist die Serie allerdings auf Netflix, wo sie Ende des Jahres veröffentlicht wurde, ein wenig untergegangen.

Ähnlich, wie bei Willkommen im Haus der Eulen handelt es sich bei Inside Job um eine Serie von Menschen, die bereits an der Produktion von Gravity Falls beteiligt waren. Dabei merkt man durchaus Teile des Gravity Falls Humors durchschlagen – nur auf eine deutlich krassere Art und Weise, als es in der Kinderserie möglich war.

© Shion Takeuchi

Prinzipiell ist die Serie jedem zu empfehlen, der sich etwas im Stil von Futurama wünscht, speziell etwas wie Futurama, aber eben angepasst an die modernen Zeiten. Denn genau das bietet diese Serie.

Die harten Fakten:

  • Showrunner*in: Shion Takeuchi
  • Erscheinungsjahr: 2021
  • Sprache: Englisch (OV)
  • Format: Serie
  • Bezugsquelle: Kino

 

Filmhighlight – Encanto

Die Familie Madrigal ist besonders. In der Familie Madrigal hat jedes Mitglied durch ein Wunder eine besondere Kraft bekommen. So kann eine das Wetter kontrollieren, die andere Heilen, die nächste Blumen wachsen lassen. Nun, nicht jedes Mitglied hat eine Kraft bekommen. Denn da ist noch Mirabel, der keine magische Kraft gewährt wurde und die so in ihrer Familie ein wenig außen vor ist. Als sie jedoch eine Vision hat, in der das magische Haus der Familie in sich zusammenfällt, setzt sie sich in den Kopf genau das zu verhindern.

Eigentlich sollte man meinen, dass es keinen Grund gäbe, den neusten Disney-Film in so einem Rahmen zu besprechen, doch irgendwo zwischen Eternals und Spider-Man ist Encanto leider komplett untergegangen. Fraglos liegt dies nicht zuletzt daran, dass viele Leute im Moment noch zögerlich sind ins Kino zu gehen und der Film erst seit ein paar Tagen auf Disney+ verfügbar ist.

Dabei lohnt sich Encanto wirklich. Wie wir es von Disney so oft gewohnt sind, handelt es sich um einen Musical-Film, allerdings in diesem Fall ohne eine konkrete märchenhafte oder mythische Vorlage. Dieses Mal spielt der Film im von Bürgerkriegen zerrissenen Kolumbien und beschäftigt sich indirekt auch genau damit: Die Folgen der Bürgerkriege für die Menschen, die dadurch aus ihrer Heimat vertrieben werden. Denn Familie Madrigal ist eine Familie von Flüchtlingen.

© Disney

Untermalt wird das ganze von Songs, die von Lin Manuel Miranda geschrieben wurden, der dieses Jahr gleich mehrere Filme am Start hatte (abgesehen von Encanto auch In the Heights und den ebenfalls animierten Film Vivo). Dabei ist der Film gerade in seinen Song-Sequenzen auch in Sachen Animation ausgesprochen kreativ.

Die harten Fakten:

  • Regie: Jared Bush, Byron Howard
  • Erscheinungsjahr: 2021
  • Sprache: Englisch (OV)
  • Format: Film
  • Bezugsquelle: Kino, Disney+

 

Serienhighlight – SSSS.Dynazenon

Yomogi führt das unaufgeregte Highschool-Leben eines typischen Anime-Protagonisten, bis er einem scheinbar obdachlosen Mann etwas von seinem Schulessen abgibt. Als dieser sich revanchieren will, taucht auf einmal ein Kaiju in der Stadt auf und ehe Yomogi sich versieht, findet er sich in einem Mecha wieder, um gegen besagten Kaiju zu kämpfen. Zumindest ist er in diesem Schicksal nicht allein, finden sich doch auch seine Klassenkameradin Yume und der Hikkikomori Koyomi in derselben Situation wieder.

Kaiju bezeichnet in der japanischen Popkultur überdimensionierte Monster, die meistens in etwaigen Medien Städte zerstören. Godzilla ist das bekannteste Beispiel für ein solches Monster.

Es wäre irgendwie unvollständig, eine Besprechung der Animationshighlights eines Jahres zu machen, ohne dabei einen Anime zu erwähnen. Dabei hat man bezüglich Animes natürlich fraglos weit mehr Auswahl als in Bezug auf westliche Animationen. Die Wahl zum absoluten Highlight des Jahres ist allerdings auf SSSS.Dynazenon gefallen, das Spin-Off-Sequel zu SSSS.Gridman, was seinerseits eine Anime-Hommage an das Ultraman-Universum ist. Es ist allerdings problemlos möglich SSSS.Dynazenon zu schauen, ohne mit SSSS.Gridman oder irgendwelchen Iterationen von Ultraman vertraut zu sein.

Entsprechend seines Vorgängers gibt es auch in SSSS.Dynazenon sehr viel, sehr alltäglichen Alltag der Charaktere, der für Anime-Verhältnisse sehr einfach und normal gehalten ist, aber gleichzeitig auch viele Kämpfe von Mecha und Kaiju. Dabei ist das Animationsteam bemüht, diese im Stil alter Realserien zu halten, in denen sich Schauspieler*innen in Kostümen auf Stadtkulissen bekämpften.

© Trigerr

Beide Serien – SSSS.Gridman und SSSS.Dynazenon – sind es definitiv wert geschaut zu werden, besonders, weil sie das Mecha- und Tokusatsu-Genre sehr erfolgreich dekonstruieren.

In Deutschland können beide Serien über den Anbieter Crunchyroll bezogen werden.

Die harten Fakten:

  • Showrunner*in: Akira Amemiya
  • Erscheinungsjahr: 2021
  • Sprache: Japanisch (OV)
  • Format: Serie
  • Bezugsquelle: Crunchyroll

 

Filmhighlight – Belle

Seit dem Tod ihrer Mutter ist Suzu nicht mehr fähig zu singen. Wann auch immer sie es versucht, lässt ihr Trauma ihre Stimme brechen, sorgt teilweise für Übelkeit. Als sie sich jedoch überreden lässt, in die virtuelle Welt von U einzutauchen, stellt sie fest, dass sie in dieser ihre Singstimme wiederfindet. Schnell wird ihr Avatar Bell zu einer Berühmtheit in der Community. Da taucht ein seltsamer Drachen-Avatar auf einem ihrer Konzerte auf und unterbricht dieses, bringt Suzu und ihre beste Freundin in der realen Welt dazu zu rätseln, was es mit dem seltsamen Drachenmann auf sich hat.

Was lässt sich über Belle (im Original 竜とそばかすの姫, „Der Drache und die sommersprossige Prinzessin“) sagen? Es handelt sich um Mamoru Hosodas sechsten eigenen Film und für Leute, die mit seinem Werk vertraut sind, gibt es viele vertraute Elemente: Eine digitale Welt, ein großer Fokus auf Familienkonzepte und natürlich eine Liebesgeschichte. Sozusagen ein „Best Of“ seiner liebsten Elemente.

Dabei ist der Film durchaus experimentell dadurch, dass er Musical-Elemente beinhaltet, selbst wenn alle Lieder ausnahmslos von Suzu, beziehungsweise Bell gesungen werden. Die Musik ist allerdings auch durchweg diegetisch, was bedeutet, dass die Lieder zum Teil auch eine größere Auswirkung auf die Handlung des Films haben.

Wie der internationale Titel bereits vermuten lässt, handelt es sich bei Belle um eine Dekonstruktion von „Die Schöne und das Biest“. Dabei sei allerdings gesagt, dass die einzigen Aspekte, die der Film aus dem originalen Märchen übernimmt, sind, dass es eine „Schöne“ gibt und ein „Biest“, ein verwunschenes Schloss und vermeintliche „Hüter“, die das Biest jagen.

© Studio Shizu
© Studio Shizu

Produziert wurde der Film durch Studio Chizu. In Deutschland ist er bisher noch nicht zu haben, feiert allerdings nächstes Jahr seinen deutschen Kinostart.  

Die harten Fakten:

  • Regie: Mamoru Hosoda
  • Erscheinungsjahr: 2021
  • Sprache: Japanisch (OV)
  • Format: Film
  • Bezugsquelle: Kino

 

Artikelbilder: © Angegebene Produktionsstätten
Layout und Satz: Verena Bach
Lektorat: Nina Horbelt

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