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Gerade in der letzten Spiele-Generation hat die Branche ein Faible für das digitale Graben und Schaufeln entwickelt. Wir haben für euch die Urväter des Genres ausgebuddelt, einen Versuch unternommen zu umreißen, was virtuelle Sandkästen so spaßig macht und ein paar Titel als Tipps für euch herausgepickt.

Videospiele lenken den Blick oft auf das Unbekannte; die ewigen Weiten des Weltalls, fantastische Landstriche, beklemmende Horror-Szenarien. Wie auch die Möglichkeiten des Films, völlig fremde Realitätsentwürfe etwas näher an unsere Wirklichkeit heranrücken zu wollen, mit überzeugenden Bildern oder passenden Klangwelten, bieten sich Videospiele als interaktives Medium geradezu an, diese Weltentwürfe selbst zu erkunden. Diese geweckten Begehrlichkeiten konstant mit frischen Horizonten zu bedienen ist sicher einer der Gründe, warum die Gaming-Branche in Umsatz- und Gewinnzahlen selbst Hollywood längst hinter sich lassen konnte.

Zwischen all den Zeldas und Open-World-Titeln dort draußen, die mit dem nächsten Aussichtspunkt darum werben, die Weiten zu erkunden, ist schnell übersehen, dass den Blick nach unten nur wenige Spiele wagen. Mineneschächte, Unterwelten, Höhlen: Alles nicht nur Orte, sondern besonders auch damit einzigartige, verknüpfte Spielelemente, die bisher wenig erschlossen und erkundet wurden. Eine gute Gelegenheit also, der Ausgrabungsgeschichte der Videospiele auf den Grund zu gehen. Welche besonderen Spielelemente bringt dieses Setting mit sich und wieso sind erst moderne Titel mehr und mehr bereit, mit dem Boden unter ihren Füßen zu spielen?

Am Anfang war der Dungeon

Wobei, so ganz richtig ist das natürlich nicht. Schließlich ranken sich starke Wurzeln des Höhlentauchens dank den Einflüssen von Tischrollenspielen durch den Anbeginn der Videospielgeschichte. Die Einflüsse eines Dungeons & Dragons finden sich mit den namensgebenden Kellerausflügen überall, ob in dem Urvater aller Roguelikes Rogue von 1980 oder des allerersten Diablos. In den ersten Versionen war Diablo noch als klassische Rundentaktik angelegt, bevor die Entwickler*innen mit ihrer Entscheidung zum Schnetzeln in Echtzeit mal eben das Hack-and-Slay-Genre mitbegründeten. Welchen Erfolg diese Entscheidung nach sich zog, können wir bis heute mitverfolgen.

Am Anfang war der Dungeon – egal ob mit oder ohne Drachen
Am Anfang war der Dungeon – egal ob mit oder ohne Drachen © Depositphotos | KucherAndrey

Die Trips in die Tiefe waren allerdings wenig an der tatsächlichen Topografie interessiert, welche diese Welten mit sich bringen. Die Gruften und Verliese sollten stattdessen die Atmosphäre in den Vordergrund rücken: die Isolation des Spielenden und das in einer solchen Welt selbstverständlich nur das Böse hausen kann, dass es auszumerzen und um seine Schätze zu erleichtern gilt. Da dürfte Dwarf Fortress von 2006 einer der ersten Titel gewesen sein, welcher den geografischen Besonderheiten der Unterwelt Leben einhauchte – egal ob auf abstrahierte Weise, hinter einer Wand aus ASCII verborgen. Der Zwergenkolonie-Simulator bot in seinem Aufbaufokus die Möglichkeit, die eigene Kolonie auf verschiedensten Ebenen zu errichten – ein Spielelement, welches im Genre immer noch unterrepräsentiert ist. Dazu kamen passende Herausforderungen, die eine solche Welt an das zwergische Zusammensein stellen würde – von plötzlichen Tunnelüberflutungen bis hin zu Lavaströmen vor der Haustür.

Die Mutter aller Buddler

Natürlich darf bei einem Blick auf spielerische Tunnelexpeditionen ein Spiel, oder besser das Phänomen, nicht unerwähnt bleiben. Denn mit Minecraft  vom Schweden Markus Persson dürfte der spielerischen Unterwelt 2009 zahlreiche Besucher*innen zugespielt worden sein. Gerade die ersten Ausflüge und Erkundungstrips zauberten wunderschöne und mysteriöse Welten auf den Bildschirm. So manche dürften bei dem ersten Fund eines gigantischen unterirdischen Canyons Bauklötze gestaunt haben, um sich aus selbigen direkt die nächste Treppe zur weiteren Erkundung zu bauen. Dennoch hinterließ Minecraft seinen Fußabdruck in der Gamingwelt aufgrund ganz anderer Zeitgeist-Treffer: eine junge Gaming-Zielgruppe, der riesige Community-Aspekt, schier unendliche kreative Möglichkeiten. Das eigentliche Erkunden und Materialien abbauen rückte, sowohl für Spielende als auch die Entwickler*innen der inzwischen zu Microsoft gehörenden Mojang-Studios, schnell in den Hintergrund.

Damals schon nicht hübsch, aber simpel und süchtig machend – Motherload © XGen Studios

Ein viel stärkerer DNA-Strang zahlreicher Spiele Untertage dürfte sich jedoch aus einem Flash-Kleinod von 2004 extrahieren lassen. In Motherload finden sich trotz simplem Gameplay und rudimentärer Grafik zahlreiche heute unverkennbare Elemente wieder. Beim Abtragen von Ressourcen stößt man auf unterschiedlich hartnäckige Materialien, der begrenzte Inventarplatz muss mitgedacht, besser noch langfristig erweitert werden und eine regelmäßige Rückkehr zur Oberfläche ist Pflicht. Der kleine Titel der kanadischen XGen Studios verknüpfte klug verschiedene Gameplay-Schleifen miteinander. Die nächste Ressourcenstätte lud stets zum weiteren Erkunden ein, dagegen stand die Gewissheit, dass man mit seiner begrenzten Antriebskraft irgendwie den Weg zurück zur Ausgangsbasis schaffen musste – nicht nur um die gesammelten Materialien für Upgrades und neue Fähigkeiten ausleeren zu können. Sondern schlichtweg auch, um nicht den Game Over-Bildschirm sehen zu müssen, wenn man am Ende des Treibstoffs in der Tiefe strandete.

Schon in diesem simplen Gewand stimmte der ständige Abgleich zwischen „Noch eine Erzader!“ und dem panischen Rückweg zur Oberfläche. Das Spiel fand damit eine süchtig machende Mischung aus Zen und Zeitdruck. Eine Formel, welche Image & Form Games 2013 weiter aufgriffen, mit Jump & Run-Elementen eines Spelunky anreicherten und mit SteamWorld Dig gleich ein ganzes Spieleuniversum ins Leben riefen. Seit ein paar Jahren sprießen dabei besonders viele Titel aus dem Boden, die sich all dieser Einflüsse ihrer Urväter bedienen. Ob Abbau und Wiederverwendung der geschürften Erze, das Navigieren durch verschiedenste Höhlensystem oder der Kampf in der Dunkelheit gegen seine Bewohner – alles gute Gründe, um sich als Spieler*in ans Schürfen zu machen, um das Gaming-Nugget aufzutun. Gerne liefern wir hierzu ein paar Wegweiser zur nächsten Mine.

Jetpack unter der Donnerkuppel – Dome Keeper und Wall World

Es ist eine dieser Ideen, die sich hinterher als so einfach wie offensichtlich herausstellen. Die Gameplay-Schleife in Motherload motiviert mit ihrer Kombination aus Abbauen und Abliefern, der Druck ist dabei aber größtenteils hausgemacht. Wie tief kann man noch graben, bevor man sich ein Upgrade verschaffen möchte – die Entscheidung liegt hier zu großen Teilen in der eigenen Hand, was den Reiz ausmacht. Wieso hier also nicht externen Druck aufbauen, die zur regelmäßigen Umkehr zwingt? Beispielsweise eine auf der Matte stehende Alien-Invasion die abgewehrt werden will?

Gesammelte Materialien braucht ihr zum Aufrüsten eures Spinnenroboters © Alawar Premium

Diesen Kniff macht sich das Dresdner Studio Bippinbits für ihren Titel Dome Keeper zu Nutze, ebenso wie das diesen April erschienene Wall World der Entwickler*innen von Alawar Premium. In beiden Titeln ist der Ressourcenabbau kein reiner Selbstzweck, stattdessen droht der eigenen Basis in regelmäßigen Angriffswellen die Vernichtung durch lokale Fauna und Flora. Die geschürften Ressourcen müssen für Upgrades und Ausbauten verwendet werden, die nicht nur die eigene Spielfigur schneller, besser und fähiger machen. Auch die Verteidigung muss schlagkräftiger werden, es braucht schneller feuernde Waffensysteme und stärkere Schilde. Der Kick entsteht durch die Wechsel aus dem Sammeln von Ressourcen und den stärker werdenden Angriffen, die zur Umkehr zwingen. So erwischt man sich regelmäßig dabei, noch den einen Siliziumkristall einsammeln zu wollen, obwohl der Alarm schon fleißig piept und man längst hätte umkehren sollen. Denn die Abwehrsystem sind ohne manuelle Steuerung aufgeschmissen.

Beide Titel stellen dabei Permanenz über die einzelnen Spielrunden hinweg her, indem sie sich einfacher Roguelike-Elemente bedienen. Wo die Einzelpartie aufgrund der eigenen Selbstüberschätzung baden gehen kann, gibt es zur Belohnung stets etwas Währung zum Aufwerten über die Partien hinweg. Dazu zählen neue Upgrades, Charakterklassen, Basis- und Verteidigungselemente. Dies hält den Wiederspielwert über die Einzelpartien hinweg hoch und schafft eine weitere Motivationsschleife.

Es gilt ordentlich Material an die Oberfläche zu schaffen, soll eure Kuppel den angreifenden Monstern standhalten © Bippinbits

Besonders Dome Keeper tut sich in diesem kleinen Genre mit einer ordentlichen Portion Charme und einer selbstbewussten Präsentation hervor. Die Pixeloptik unterstützt das Nostalgie-Gefühl eines Space Invaders, wenn die außerirdischen Angreifer versuchen, die eigene Kuppel einzureißen. Die unterschiedlichen Charakterklassen bringen eine eigene Steuerung und Interaktion mit der Umgebung mit sich. Wo sich die einen des Jetpacks behelfen, um das Schürfgut an die Oberfläche zu befördern, kicken andere Charaktere mithilfe ihrer Telekinese die Rohstoffwürfel durch die Minenschächte zurück zur Basis. Dome Keeper lockt mit verschiedensten Spielmodi und frei wählbarer Weltgrößen, wodurch Bergarbeiter*innen die Partielänge bequem selbst festlegen können. Auch über den Release hinaus wurde das Spiel weiter mit Neuerungen und Balance-Anpassungen unterstützt und erfreut sich großer Beliebtheit bei den eigenen Spielenden. Was sicher auch daran liegen könnte, dass mit dem Helfersaurier „Bohrbert“ ein knuffiges Maskottchen im Spiel rekrutiert werden kann.

Gemeinsam Erkunden, Einsacken, Entkommen – Deep Rock Galactic

Wer sich dagegen lieber gemeinsam in dunkle Abgründe stürzt und wem das alles noch etwas zu ruhig und kontrolliert abläuft, ist im Zwergen-Universum von Deep Rock Galactic sehr gut aufgehoben. Mit Bart im Gesicht und Spitzhacke in der Hand sind Spielende hier als Zwerge für einen Erz-gierigen Riesenkonzern auf Asteroiden unterwegs, um diese um ihre Mineralien und gelegentlich auch Artefakte zu erleichtern. Was dadurch erschwert wird, dass die Gesteinsbrocken nicht tot im All umher schweben, sondern von allerlei extraterrestrischen Getier und Pflanzen wimmeln. Diese reagieren mal mehr, ganz oft weniger gleichgültig auf die forschen Eindringlinge. Das Spielgefühl ist mit einer Mischung aus Minecraft und Starship Troopers bestens umschrieben. In Ego-Perspektive wird in der voll zerstörbaren Umgebung gesammelt und geschossen, Spielende greifen dabei auf versatile Charakterklassen zurück, um sich gegenseitig zu ergänzen. Der Scout kann über seinen Enterhaken beispielsweise auch unzugängliche Höh(l)enpunkte mit nur einem Knopfdruck erreichen, der Driller dagegen bohrt neue Wege, wo sie zum Vorankommen notwendig sind.

Mit Spitzhacke und Bart bewaffnet schickt euch der Ego-Shooter auf Mineralienjagd © Ghost Ship Games

Das Spiel ist insbesondere mit Freund*innen im kooperativen Modus, eine absolute Wucht. Gerade zum Ende einer Mission wimmelt es meist vor insektoiden Angreifern, sich hier gemeinsam herauszukämpfen, ist ein unterhaltsamer Adrenalinschub. Unterschiedlichste Missionstypen sorgen auch nach dutzenden Stunden noch für Abwechslung, Deep Rock Galactic wird von sowohl saisonalen als auch kostenlosen Inhalten regelmäßig unterstützt, was die Langlebigkeit weiter erhöht. Dazu kommt das eigenwillige Science-Fiction-Szenario, mit dem sich das Spiel abheben kann. Der Ton ist leicht, dennoch macht die Spielwelt an vielen Stellen klar, dass die Spielenden die Eindringlinge sind. Gleichzeitig schert sich die Minengesellschaft im Hintergrund weniger um die gesunde Rückkehr all ihrer zwergischen Angestellten und mehr dem sicheren Ausliefern der Materialien. Subversiv wird Deep Rock Galactic damit lange nicht, funktioniert in seinen satirischen Elementen allerdings etwas besser als zum Beispiel Helldivers.

Ausblick statt Tunnelblick

Corekeeper als Stardew Valley-inspiriertes Minenabenteuer, Terraria als langlebiges Hardcore-Minecraft oder selbst ein Urgestein des deutschen Spieletums, dem Bergbau-Simulator – es ließe sich auf einige Titel noch ein Blick werfen, die sich mit Bergen und Buddeln befassen. Hiermit wollten wir erst einmal eure Neugierde wecken und für euch einen Kurztripp in Spielwelten wagen, die neue Anknüpfungspunkte für bewährte Mechaniken finden und das über verschiedenste Genres hinweg. Damit ihr schon einmal eine Wegleuchte habt, falls ihr euch in die Gamingwelt unter Tage wagen wollt.

 

Artikelbilder: © Depositphotos | photocosma
Layout und Satz: Verena Bach
Lektorat: Nina Horbelt

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