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Nekromant Marius kehrt mit seiner Schülerin Aurelia in seine Heimatstadt Bycaea zurück. Nach seinem fünften Tod ist er der Schwellenwelt näher denn je und plant, gemeinsam mit seinem Liebsten Kaiser Leonidas, Ungeheuerliches. Freundschaft und Liebe bestimmen, wie die Welt nach seinem Abschied aussehen wird.

Mit Knochenasche rottet nicht veröffentlichte Eleanor Bardilac die Fortsetzung ihres bekannten Werkes Knochenblumen welken nicht. Ihre beiden Protagonist*innen Nekromant Marius und seine Schülerin Aurelia verschlägt es nun in Marius Heimatstadt Bycaea, Hauptstadt des Wüstenreiches Mistras. Erstmals erlebt Aurelia eine Gesellschaft, in der magisch Begabte nicht versteckt oder geächtet werden, sondern im Gegenteil die Oberhäupter ihrer jeweiligen Hausstände sind. Macht und Ansehen sind magisch Begabten sicher, denn Magie im Blut öffnet wortwörtlich Tür und Tor. Von der magischen Architektur und offen erscheinenden Gesellschaft überwältigt, muss sich Aurelia jedoch auch ihren tiefsten Ängsten stellen. Ihr Meister Marius ist nach seinem fünften Tod zwar aus der Schwellenwelt zurückgekehrt, kann sich jedoch kaum noch auf den Beinen halten und kommt jeden Tag seinem endgültigen Tod einen Schritt näher. Als wäre das noch nicht genug, hat es sich Marius in den Kopf gesetzt, gemeinsam mit seinem Liebsten, Kaiser Leonidas Dynatos, noch in seinen letzten Tagen auf Erden die Grundfesten der Welt zu verändern.

Triggerwarnungen

– Psychische Krankheit (Depression)

– Letale Krankheit / Tod

– Phobien (Agoraphobie / Angst vor Freiflächen)

– Diskriminierung

– Body Horror (Blutige Kämpfe, Verstümmelung)

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Story

Das Buch beginnt dort, wo der erste Teil der Dilogie endete. Nachdem Aurelia von Magister Marius in Vhindona als Schülerin angenommen und als Blut seines Blutes quasi adoptiert worden war, begibt sie sich gemeinsam mit Marius in dessen Heimat Mistras. Zurück lassen sie ein abgebranntes Haus und eine Stadt, die vermutlich niemals erfahren wird, dass die Morde, die jahrelang die Stadt erschütterten, einzig und allein einem höheren Zweck dienten.

Doch was zu Beginn dieser neuen Geschichte zunächst als freudestrahlender Empfang der beiden wirkt, stellt sich bald als deutlicher komplexer heraus. Marius kann endlich in die Arme seines Geliebten, Leonidas Dynatos, Herrscher von Mistras, zurückkehren und seinen Platz an dessen Seite einnehmen. Leon, der als großes Wesen mit langen beeindruckenden Hörnern beschrieben wird, trauerte zwanzig Jahre lang ob der Abwesenheit seines Liebsten, seine berühmten und magischen Morgengesänge waren verstummt. Sein Hoffen und Bangen um Marius Rückkehr soll zu Ende sein, doch er bekommt seinen Liebsten nicht so zurück, wie er es sich erhofft hätte. Marius ist nach seinem nun fünften Tod vollkommen verändert. Sein Körper ist im Sterben begriffen, er kann sich kaum wach, geschweige denn alleine aufrecht halten. Doch sein Geist wirkt vom Mantel der jenseitigen Welt berührt. Aus seinen Augen scheint die Unendlichkeit des Himmels, seine Stimme birgt den Klang des Vergangenen. Diese Veränderung Marius, die Wiedervereinigung des Herrscherpaares und auch der Sterbeprozess bis hin zur Auseinandersetzung mit dem unausweichlichen Tod nehmen einen großen Raum in der Geschichte ein. Behutsam führt die Autorin Lesende wie Protagonist*innen an das Thema heran und lässt sie gemeinsam den Abschied erfahren.

Aurelia als Schülerin Meister Marius muss sich gleichzeitig mit gleich mehreren Problemen auseinandersetzen. Nachdem sie gerade begonnen hatte, sich Marius langsam zu öffnen, setzt ihr sein Zustand besonders zu. Doch auch ihre panische Angst vor Menschenmassen und offenen Straßen einer Stadt, die sich in ihrer Jugend begründet, macht ihr zu schaffen. Die Wechselhaut namens Gale, ein Wesen, das nicht nur zwischen Gestalten, sondern auch Geschlechtern wechselt und sich keinem dauerhaft verbunden fühlt, begleitet Aurelia auf diesem Weg. Durch den Charakter Gale lernt Aurelia und so ganz nebenbei auch die Leser*innenschaft den Umgang der Gesellschaft Mistras mit dem Unterschied von Körper- und Geschlechtsidentität kennen. Auch queere Themen wie verschiedene Personalpronomen und die Verwendung des Pronomen „dey“ wird offen zwischen den beiden Charakteren angesprochen. Auf diese Weise wird die im Buch beschriebene Gesellschaft nicht nur als fortschrittlich und offen beschrieben, sondern als solche auch tatsächlich gezeigt.

Diese sehr intensiven Charakterentwicklungen und Auseinandersetzungen der Charaktere mit sich selbst und ihren Beziehungen setzte die Autorin in eine hochpolitische Handlung, die zu Beginn der Geschichte fast unbemerkt an den Lesenden vorbeizieht. Durch zwei neue Protagonist*innen, die mächtige Stadtvorsteherin Zenobia und Nika, werden zwei Gegenpole eingeführt. Zenobia wird als fleißige Beamtin vorgestellt, die auch ihre eigene Gesundheit hintenanstellt, um die Stadt am Laufen zu halten. Sie will der Stadt und ihren Bewohner*innen nur Gutes, jedoch ist ihrer Haltung auch zu eigen, möglichst den Status Quo zu erhalten. Sie stellt sich somit aktiv gegen jegliche Veränderung. Dahingegen ist Nika ein menschliches, sich keinem Geschlecht zugehörig fühlendes Wesen, das einer Form der Sexarbeit nachgeht. Nika ist nichtmagisch und kennt die Schattenseiten der Gesellschaft Mistras, die magisch Begabte bevorzugt. Als nichtmagisches Wesen ist Nika von den Launen der Magischbegabten abhängig und ohne Zugehörigkeit zum Hausstand einer magisch begabten Person ohne Obdach. Nika sehnt sich nach Freiheit und begrüßt jede Veränderung zu Gunsten nichtmagisch Begabter.

Diese werden im Verlaufe der Handlung die beiden politischen Ströme symbolisieren. Durch Marius Cinna und Leon Dynatos Handlungen, die diese kurz vor Marius endgültigem Tod durchführen wollen, werden diese beiden Parteien auf den Plan gerufen und gesellschaftliche Veränderungen stehen an.

Auch wenn die Autorin ihren Schwerpunkt auf Charakterentwicklung und -interaktion legt, zeichnet die Geschichte mehr als nur die wirklich fantastisch lebensecht beschriebenen Charaktere und ihre Probleme aus. Der zunächst nur hintergründig wirkende politische Anteil der Geschichte wurde eingefügt in eine spannende magische Welt. Somit ergeben sich aus den Gedanken und Gefühlen der handelnden Akteure und ihren Interaktionen trotz ihrer scheinbaren Geringfügigkeit Konsequenzen sowohl in der beschriebenen Gesellschaft als auch in der weiteren Welt. Gerade die politischen Handlungen kommen im Laufe der Geschichte richtig in Fahrt, sodass Lesende nach einem ruhigen Einstieg einen guten Spannungsaufbau erleben und mit der Geschichte mitfiebern können. Das Ende ist gut herausgearbeitet, wenn auch durch die Sterbebegleitung Magister Marius teilweise vorhersehbar. Großartige Überraschungen sind hier nicht zu erwarten. Das etwas vorhersehbare Ende trübt das Lesevergnügen dieses ansonsten höchst gelungenen Romans nur marginal.

Schreibstil

Der Schreibstil der Autorin Eleanor Bardilac wirkt sehr genau. Sie beschreibt Umgebung, Gebäude wie auch Wesen, spielt ihren tatsächlichen Trumpf aber in dem Moment aus, in dem sie Gedankengänge und Gefühle der Protagonist*innen beschreibt. Diese inneren Einblicke machen die Geschichte aus.

Den Erzählungen der Geschichte ist gut zu folgen, der Text ist schnell und flüssig lesbar. Herrschen keine äußeren Einflüsse, können Lesende das Buch gut in wenigen Tagen verschlingen und nach einem Auf- und Ab der Gefühle lächelnd zuklappen. Die Art, wie Bardilac es schafft, Gefühle, die sich nicht nur auf die üblichen Extreme Liebe und Tod beschränken, zu transportieren, ist einmalig. Gleichzeitig schafft sie es, diese Bandbreite an Gefühlen, sei es Zuneigung, Abneigung, Freundschaft oder Unsicherheit, bei komplexen Themen wie der aktiven Sterbebegleitung oder dem Beenden eines Beziehungsstreits, gekonnt zu transportieren. Das ist für Autor*innen der Phantastik eine seltene Gabe.

Die Tatsache, dass die Autorin Themen wie Pronomen, die auch in der realen Welt aktuell ein Thema sind, nicht nur benutzt, sondern auch die Protagonist*innen diskutieren lässt, verdeutlicht den Ansatz der Autorin. Sie bzw. die Figuren benennen die Gesellschaft, in die sie die Geschichte eingebettet hat, nicht nur als fortgeschritten, sondern sie leben das auch. Somit setzt Bardilac das Prinzip „Show, don’t tell“ gekonnt um.

Die Autorin

Eleanor Bardilac ist das Pseudonym einer 1994 geborenen österreichischen Schriftstellerin. Bardilac ist studierte Philologin und Literaturwissenschaftlerin. 2021 veröffentlichte sie mit Knochenblumen welken nicht ihr Debüt im Knaur Verlag. Hierfür gewann sie 2022 den Phantastik-Literaturpreis Seraph für das beste Debüt. Obwohl ihr Debüt erfolgreich war, entschied sich ihr Verlag aus kalkulatorischen Gründen gegen die Veröffentlichung des zweiten Teils. Bardilac fand mit dem ohneohren Verlag einen Kleinstverlag, der die Fortsetzung verlegte.

Erscheinungsbild

Das Cover aus der Hand von Kim T. Hoang zeigt passend zum Inhalt sowohl angedeutete Symboliken als auch Farben. Die Besonderheit des Bildes liegt darin, dass Hoang ein Cover zaubern musste, das sowohl zum Buch passt, zum Verlag als auch zum ersten Teil der Dilogie, die im Knaur Verlag erschienen ist. Das ist Hoang gelungen. Sowohl Schriftart, Anordnung als auch Farbgebung des Covers passen zum Vorgänger, ohne die eigene Individualität zu verlieren. Im Inneren des Buches befinden sich auf jeder Seite rechts unten kleine Verzierungen, die oft in Werken des ohneohren Verlags zu finden sind. Insgesamt kann das Aussehen des Buches als individuell aber auch passend zum Vorgänger nur gelobt werden.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Verlag ohneohren
  • Autorin: Eleanor Bardilac
  • Erscheinungsdatum: 09.10.2023
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Paperback
  • Seitenanzahl: 334
  • ISBN: 978-3903296640
  • Preis: 14,99 EUR (Print) + 4,99 EUR (E-Book)
  • Bezugsquelle Fachhandel, Amazon, idealo

 

Fazit

Knochenasche rottet nicht von Eleanor Bardilac entführt die Lesenden in eine faszinierende Welt voller Magie, Intrigen und politischer Machenschaften. Die Fortsetzung von Knochenblumen welken nicht führt die Protagonist*innen, den Nekromanten Marius und seine Schülerin Aurelia in die Hauptstadt des Wüstenreiches Mistras, wo sie mit neuen Herausforderungen sich selbst betreffend aber auch politischer Natur konfrontiert werden. Auch neue interessante Personen werden in die Geschichte eingeführt.

Die Autorin schafft es, durch ihren präzisen Schreibstil nicht nur die äußere Welt lebendig zu beschreiben, sondern auch tiefgründige Einblicke in die Gedanken und Gefühle der Charaktere zu gewähren. Besonders beeindruckend ist die Art und Weise, wie Bardilac eine Vielzahl von Emotionen transportiert, die über die üblichen Extreme hinausgehen. Von Liebe und Freundschaft bis hin zu Unsicherheit und Angst vor dem Tod – die Bandbreite an Gefühlen, die sie gekonnt vermittelt, macht die Geschichte besonders authentisch und berührend. Die intensive Charakterentwicklung und Auseinandersetzung mit komplexen Themen wie Sterbebegleitung oder Beziehungsstreits erzeugen eine besondere Tiefe der Handlung.

Auch das Erscheinungsbild des Buches, gestaltet von Kim T. Hoang, trägt zur Gesamterfahrung bei. Das Cover mit seinen Symboliken und Farben passt perfekt zum Inhalt und zum Vorgänger der Dilogie. Die kleinen Verzierungen im Inneren des Buches runden das Gesamtbild ab und zeigen die Liebe zum Detail.

Insgesamt ist Knochenasche rottet nicht ein gelungenes Werk, das sowohl durch seine packende Handlung als auch durch den einfühlsamen Schreibstil und das stimmige Erscheinungsbild überzeugt. Fans der High Fantasy können mit diesem Buch ein großartiges Werk erfahren.

 

  • Lebensechte Charaktere

  • Moderne Themen

  • Spannende Welt

 

  • Teilweise vorhersehbares Ende

 

 

Artikelbilder: © Verlag ohneohren
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Giovanna Pirillo
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