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 „Andúril, die Flamme des Westens, geschmiedet aus den Bruchstücken von Narsil!“ Mit diesem Schwert kann Aragorn die Armee der Toten nach Minas Tirith führen. In Mittelerde haben nicht nur die Orte und die Charaktere ihre Geschichte – auch vielen verschiedenen Waffen kommt große Bedeutung zu. Eine Auswahl.

Namen haben Macht – und Namen erzählen eine Geschichte. Berühmte Schwerter findet man nicht nur in Mittelerde; aber gerade in Tolkiens Legendarium besitzt jeder Name eine eigene Bedeutung und bringt eine eigene Geschichte mit sich. Das gilt nicht nur für die Charaktere, denen man begegnet, sondern auch für Regionen, Flüsse, Staaten und eben Waffen. Von Andúril bis hin zum Schwarzen Schwert Gurthang: Acht Kriegswerkzeuge und ihre Geschichten warten auf euch.

Andúril, die Flamme des Westens

Das Schwert des Königs von Gondor und Arnor. Eine Klinge, die in Der Herr der Ringe ihresgleichen sucht, ist sie doch nicht weniger als die Waffe, die Aragorn (zumindest in den Büchern, in den Filmen erhielt er sie erst später) an seiner Seite trug, als er Bruchtal verließ, um in den Ringkrieg zu ziehen. Diese Klinge war mit einem zunehmenden Mond, dem Symbol Isildurs, und einer Sonne, dem Symbol Anárions, verziert. Auch die Valacirca, eine Sternenkonstellation, die in diesem Fall für Elendil steht, war darauf zu finden. Die Schmiede der Noldor, die aus den Bruchstücken Narsils das edle Andúril formten, symbolisierten so Aragorns Abstammung von den Königen von Arnor. Narsil war das Schwert von Aragorns Ahnherren, Elendil, der Jahrtausende zuvor nur knapp dem Untergang Númenors an die Gestade Mittelerdes entkommen war. Es war diese Waffe, mit der jener mächtige Kriegsherr, nachdem er Sauron gemeinsam mit Gil-Galad, dem Hochkönig der Elben, niedergeworfen hatte, den Einen Ring von Saurons Hand schnitt. Wenige andere Klingen hätten dies vermocht. Narsil wurde im Ersten Zeitalter geschmiedet, ist also viele tausend Jahre alt, von Telchar, dem vielleicht besten Schmiedemeister des Zwergenvolkes, in der Zwergenstadt Nogrod. Seinem Namen werden wir wieder begegnen, doch Nogrod ist verloren; liegt es doch tief unter dem Meer verborgen und wurde zerstört, als Mittelerde vom Krieg des Zorns erschüttert wurde. Die meisten derer, die diese Zeiten überlebten, fanden sich an einem uns wohl bekannten Ort zusammen: Khazad-dûm – Moria. 

Es war Narsil, das Schwert Elendils, das den Einen Ring von Saurons Hand schnitt. © celo83

Gurthang, das Todeseisen

Das „Todeseisen“ war, wie es schon bei Andúril der Fall war, nicht der erste Name dieser Klinge. „Anglachel“, das „Eisen des Flammensterns“, wurde es genannt, und vom Dunkelelb Eol aus einem Eisen geschmiedet, das aus einem Meteoriten gewonnen worden war. Eol musste das Schwert dem Elbenkönig Thingol überlassen, als Preis für ein Waldgebiet namens Nan Elmoth, welches ihm zum Wohnen zugesprochen wurde. Es hieß, der Klinge wohne ein eigener, gefährlicher Wille und ein greller Durst nach Blut inne, und es sollte nicht lange dauern, bis dieser Durst gestillt wurde: Beleg Cúthalion, ein Elb im Dienste König Thingols, nahm das Schwert an sich, als er nach seinem Freund, dem Menschen Túrin suchte. Als er ihn fand, gefangen und gefesselt in den Händen von Orks, schnitt er mit Gurthang die Fesseln entzwei; doch in der Dunkelheit rutschte die Klinge ab und ritzte Túrins Haut. Erschrocken sprang der nun freie Mensch auf, überwältigte den Elb und erschlug ihn im Dunkel der Nacht. „So starb Beleg Langbogen, der getreueste Freund und der Findigste unter allen, die in der Ältesten Zeit in den Wäldern von Beleriand lebten, von der Hand dessen, den er am meisten geliebt, und der Schmerz blieb in Túrins Antlitz eingegraben und verging nie.“ Das Schwert aber wurde schwarz und stumpf, und Túrin brachte es in die Höhlen von Nargothrond, wo es neu geschmiedet wurde. Von jenem Tag an sollte es Gurthang, das Todeseisen, heißen, und das Blut Belegs sollte nicht das letzte sein, dass es getrunken hatte.

Die Geschichten aus den Elbenreichen von Beleriand, von denen vor allem Das Silmarillion berichtet, sind tragisch, heroisch, und ungleich brutaler als die Ereignisse in Der Herr der Ringe. © annavalerievna1

Die Geschichte des Trägers dieses Schwertes, nämlich jene von Túrin Turambar, dem Meister des Schicksals, der vom Schicksal gemeistert wurde, und auch die seiner Schwester, ist wohl die tragischste Erzählung aus dem Ersten Zeitalter. Jede seiner guten Taten wurde durch eine schlechte aufgewogen und wer glaubt, dass am Ende immer die Adler kommen, wird hier ein böses Erwachen erleiden.

„Gegrüßt seist du, Gurthang! Keinen Herrn kennst du und keine Treue, nur gegen die Hand, die dich regt. Kein Blut verschmähst du. Ist also auch Túrin Turambar dir genehm, und wirst du mir ein rasches Ende machen?“  Und aus der Klinge sprach eine kalte Stimme, die ihm Antwort gab: „Fürwahr, freudig trinken will ich dein Blut, dass ich das Blut Belegs, meines Herrn, vergesse und Brandirs, des zu Unrecht Erschlagenen. Ich will dich rasch töten.“

Das Silmarillion, J.R.R. Tolkien

Glamdring, der Feindhammer, und Orcrist, der Orkspalter

Diese Namen werden vielen geläufig sein, findet man sie doch sowohl in Der Hobbit als auch in Der Herr der Ringe wieder. Es sind die Waffen, die Gandalf, Bilbo, Thorin & Co. auf ihrer langen und beschwerlichen Reise zum Einsamen Berg entdeckten; in einer Trollhöhle, um genau zu sein. Dieser Fund war jedoch viel größer, als jener kleine Moment in einem Kinderbuch vermuten ließe. Glamdring, der Feindhammer, war keine geringere Waffe als das Schwert des Königs Turgon von Gondolin. Gondolin war jenes Elbenreich, welches sich dem üblen Morgoth so lange wie kein anderes in den brutalen Kriegen um Beleriand und die Silmaril widersetzen konnte; nur durch Verrat und Morgoths Tücke wurde es überhaupt enthüllt. Die wohl letzte wahrlich große Tat dieses Schwertes war, den Balrog in Moria zu erschlagen – und es mag tatsächlich sein, dass die Klinge am Ende ihren Weg in ihre Heimat gefunden hat, als Gandalf die Gestade Mittelerdes viele Jahrtausende nach dem Fall Gondolins verließ, um mit den letzten Ringträgern nach Valinor zu reisen.

Über Orcrist ist nicht bekannt, wer es früher trug, doch wird es als Schwesterklinge von Glamdring bezeichnet. Hier bleibt nur Spekulation; aber der Gedanke, dass auch diese Waffe schon in den Kriegen um Beleriand eine Rolle spielte, liegt nah. Sie verblieb nach dem Ende des Ringkriegs in Mittelerde, wurde sie doch Thorin II., König unter dem Berge, zur Grabbeigabe gemacht. Ein edles und wertvolles Geschenk, den Taten des Zwergenkönigs würdig.

Ringil, der Kaltfunke

Ringil war das Schwert Fingolfins, Hochkönig der Noldor. Vermutlich wurde es von den Noldor in Valinor geschmiedet, vor dem Exodus von Feanor und seinen Söhnen und jenen Tausenden, die ihnen ins Exil folgten. Was diese Waffe in Erinnerung bleiben ließ, war jedoch nicht ihre Machart, sondern die größte Tat, die mit ihr vollbracht wurde: In den Kriegen um Beleriand sah Fingolfin die Niederlage kommen, hielt Morgoths Streitkräfte für unüberwindbar. Glaurung, der Drache, war gekommen und der Untergang der Noldor schien nah. Da spornte Fingolfin sein Pferd an und trieb es durch Freund und Feind hindurch bis zu den Toren von Angband, der schwarzen Festung von Morgoth. Dort schimpfte er Morgoth einen Feigling und einen Sklavenkönig und hieß ihn, herauszukommen! Und Morgoth kam.

In diesem brutalen Kampf war es Ringil, der Kaltfunke, der Morgoth sieben Wunden zufügte. Es ist fast die einzige Klinge, die dem großen Übel überhaupt so nahe gekommen ist – und wer die Geschichte von Fingolfin in ihrer Pracht und Tragik erleben möchte, möge Das Silmarillion noch einmal hervorholen.

… and filled with wrath and despair he mounted upon Rochallor his great horse and rode forth alone, and none might restrain him. He passed over Dor-nu-Fauglith like a wind amid the dust, and all that beheld his onset fled in amaze, thinking that Oromë himself was come: for a great madness of rage was upon him, so that his eyes shone like the eyes of the Valar. Thus he came alone to Angband’s gates, and he sounded his horn, and smote once more upon the brazen doors, and challenged Morgoth to come forth to single combat. And Morgoth came.”

The Silmarillion, J.R.R. Tolkien

Angrist, der Eisenspalter

Hier reden wir nun einmal nicht von einem Schwert – sondern von einem Messer. An und für sich gar nicht so spannend, denn obwohl es ebenso vom Zwergenschmied Telchar gefertigt wurde und obgleich es hieß, dass dieses Messer Eisen wie Butter schneiden konnte, war es doch eben nur das: ein Messer.

Doch eben jenes Messer hat etwas mit Ringil gemeinsam: Es hat Morgoth verletzt. Die Geschichte von Beren und Lúthien ist eine Liebesgeschichte. Der Mensch Beren verliebte sich in die Tochter des Elbenkönigs Thingol und der Maia Melian, doch um ihre Hand zu erlangen, musste er sich dummerweise in das Mittelerde-Äquivalent der Hölle wagen: Er musste einen der namensgebenden Silmaril aus der Zackenkrone Morgoths brechen. Dieses Unterfangen wollte ihm nicht so recht gelingen, doch zum Glück hatte er Lúthien wider den Willen ihres Vaters an seiner Seite. Ihr Gesang ließ Morgoth und alle Kreaturen Angbands schlafen; so konnte Beren tatsächlich mit Angrist einen der Steine aus Morgoths Krone schneiden. Doch als er nach einem zweiten greifen wollte, zersprang das Messer, und ein Splitter verletzte die Wange des schrecklichen Schläfers, dessen Grollen die Kammern der Festung erbeben ließ.

Diesen Wink des Schicksals verstand Beren recht, und so kehrten Lúthien und er endlich den Kerkern Angbands den Rücken zu und machten sich davon.

Grond, der Hammer der Unterwelt

„Dann erhob sich der Schwarze Heerführer in den Steigbügeln und rief laut mit fürchterlicher Stimme, und er sprach Wörter der Macht und der Schreckens in einer vergessenen Sprache, um Herz und Stein zu zerreißen. Dreimal rief er. Dreimal dröhnte die große Ramme. Und plötzlich beim letzten Schlag zersprang das Tor von Gondor.“

– Der Herr der Ringe, J.R.R. Tolkien

Es bedurfte der Zauberei und einer gewaltigen Ramme, um die Tore von Minas Tirith zu durchdringen. Diese Ramme, „Grond“ genannt, hatte ihren Namen jedoch nicht von ungefähr. Der Hammer der Unterwelt war die Waffe des gefallenen Vala Melkor. In Das Silmarillion wird sie als ein tatsächlicher Hammer beschrieben, während in Das Buch der Verschollenen Geschichten von einem Streitkolben die Rede ist; doch besteht kein Zweifel daran, dass dieser Waffe die Macht ihres Trägers innewohnte. Wo Morgoth mit diesem Hammer zuschlug, wurde der Boden zertrümmert und Gruben taten sich auf. Es war eine dieser Gruben, die Fingolfin schließlich ins Stolpern und dem Hohen König der Noldor das Verderben brachte.

Der Hammer der Unterwelt war eine brachiale, brutale Waffe. Tumb und roh und furchteinflößend wie ihr Träger. Kein Wunder, dass Sauron und seine Orks einen Rammbock so tauften, der dazu bestimmt war, die Tore der Weißen Stadt zu brechen.

Then Morgoth came. For the last time
in those great wars he dared to climb
from subterranean throne profound,
the rumour of his feet a sound
of rumbling earthquake underground.
Black-armoured, towering, iron-crowned
he issued forth; his mighty shield
a vast unblazoned sable field
with shadow like a thundercloud;
and o’er the gleaming king it bowed,
as huge aloft like mace he hurled
that hammer of the underworld,
Grond. Clanging to ground it tumbled
down like a thunder-bolt, and crumbled
the rocks beneath it; smoke up-started,
a pit yawned, and a fire darted.

aus The Lays of Beleriand (History of Middle-earth, Bd. 3), J.R.R. Tolkien

Stich – ein Schwert für einen Hobbit

Ohne die bemitleidenswerte Kreatur Gollum hätte Frodo den Ring nicht in die Feuer des Schicksalsberges werfen können. Ein Glück, dass Bilbo Gnade zeigte! © alancrosthwaite

Zu guter Letzt sprechen wir über eine vermeintlich unwichtige Waffe, die vor allem durch eine Tat Geschichte geschrieben hat, die mit ihr eben nicht begangen wurde. Wie Glamdring und Orcrist stammte dieses Messer aus einer Trollhöhle und somit aus dem alten Gondolin. Allerdings hat es keinen berühmten Namen und keine berühmte Geschichte, die uns heute bekannt wären. Stattdessen ist es bekannt geworden, weil nicht nur ein, sondern gleich zwei Ringträger damit bewehrt waren. Seinen Namen hat das Schwert, welches einen blauen Schimmer wirft, wenn Orks in der Nähe sind, durch den ersten Hobbit erhalten, der es getragen hat: Bilbo Beutlin. Zwar spielte diese Waffe keine große Rolle in den Ereignissen des Ringkrieges, doch ist sie nun untrennbar mit einer Gnade verbunden, die sehr unwahrscheinlich erschien. Bilbo hatte Dank des Zauberrings, den er in den Höhlen tief unter dem Nebelgebirge gefunden hatte, das Leben der bemitleidenswerten Kreatur Gollum in seinen Händen. Er hätte ihn erschlagen können, trachtete die Kreatur doch nach seinem Leben und stand sie doch zwischen ihm und dem rettenden Ausgang – aber er entschied sich aus Barmherzigkeit und Mitleid dagegen und wagte stattdessen einen Sprung, direkt über Gollums Kopf hinweg. Eine Gnade, die das zischelnde und stichelnde Schwert Gurthang wohl kaum gewährt hätte. Es war eben jene Gnade, die dazu beitrug, dass Bilbo sich so lange gegen den Einfluss des Rings wehren konnte. Hätte der kleine Hobbit in den tiefen Höhlen an den Wurzeln der Welt Gollums Leben genommen – wer weiß, was am Ende aus Mittelerde geworden wäre?

Hobbits würden Stich ein „Mathom“ nennen: Einen Gegenstand, für welchen man zwar keine Verwendung hat, den man aber nichtsdestotrotz schätzt. © aaron90311

Wenn ihr die Geschichten dieser Waffen, der Personen, die sie getragen haben, und überhaupt mehr über Mittelerde erfahren wollt, dann möchte ich euch einen meiner vorherigen Artikel ans Herz legen. Die Geschichten Tolkiens sind immer einen zweiten (oder einen dritten, vierten oder fünften) Blick wert, denn die Reichhaltigkeit, die Detailfülle, die Tiefe der Welt ist nach wie vor von einer Art, mit der sich nur wenige Autor*innen vergleichen können.

 

Artikelbilder: © nikolai95, © celo83, © annavalerievna1, © alancrosthwaite, © aaron90311 | depositphoto.com
Layout und Satz: Melanie Maria Mazur
Lektorat: Jessica Albert

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