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Ted Alspach hat als Designer von einigen Age of Steam-Erweiterungen bereits Erfahrung mit Eisenbahnspielen. Nun ist eines komplett aus seiner eigenen Feder auf den Markt gekommen, das direkt mit eindrucksvollem Spielmaterial besticht. Was das Spiel neben der Optik noch zu bieten hat, lest ihr hier.

Mit Spielen wie Suburbia und Die Schlösser des König Ludwig hat Ted Alspach große Erfolge gefeiert, mit Werwörter sogar vor ein paar Jahren die Chance auf ein Spiel des Jahres nur knapp verfehlt. Als vor Kurzem mit Maglev Metro sein neuestes Werk herauskam, war völlig klar, dass dieses Spiel seinen Weg auf meinen Tisch finden würde. Eisenbahnspiele haben mich schon lange fasziniert, auch wenn es in den letzten Jahren eher ruhig in dem Genre geworden war. Kann Maglev Metro mit den großen Klassikern mithalten?

Spielablauf

Maglev Metro spielt in der nahen Zukunft. Magnetschwebebahnen sind dank neuer Technologien und sauberer Energiequellen in erreichbare Nähe gerückt. Verschiedene Städte weltweit beginnen mit dem Ausbau entsprechender Streckennetze und vergeben dafür Aufträge an bis zu vier von den Spielenden dargestellte Unternehmen.

Die Unternehmen werden durch unterschiedliche Streckenfarben dargestellt und verfügen über jeweils genau einen farblich passenden Zug.

Wer am Zug ist (Badumm-Tsss!), hat zu Spielbeginn zwei Aktionen, im weiteren Spielverlauf können bis zu fünf daraus werden. Mit jeder Aktion kann eine von sieben Möglichkeiten gewählt werden: Streckenbau, Bewegung des eigenen Zuges, neue Fahrgäste ins Spiel bringen, bereits im Spiel befindliche aufnehmen oder abladen, einen neuen Bahnhof bauen, den eigenen Zug wenden und Roboter auf dem eigenen Spielbrett umverteilen. Die gleiche Aktion kann mehrfach gewählt werden.

Zwei dieser Aktionen sind nur dann verfügbar, wenn ein Roboter platziert wurde, um sie zu aktivieren. Die anderen fünf können immer gewählt werden, der Einsatz von Robotern erhöht bei diesen jedoch deren Effektivität bis auf das Vierfache.

Auf dem persönlichen Tableau können die Spielenden mit Robotern Aktionen verbessern oder freischalten sowie mit Menschen Punktewertungen verbessern.

Zu Beginn einer Partie Maglev Metro ist das Streckennetz noch nicht existent und es gibt keine Bahnhöfe, die für menschliche Fahrgäste von Interesse sind. Entsprechend sind die einzigen Fahrgäste, die zu Anfang vorhanden sind, Roboter. Befördert man diese an ihr jeweiliges Ziel, so können sie auf dem eigenen Spielplan eingesetzt werden.

Menschliche Fahrgäste kommen dadurch ins Spiel, dass Bahnhöfe in den vier entsprechenden Farben gebaut werden. Ist einmal ein solcher Bahnhof im Spiel, kommen alle Meeple der entsprechenden Farbe in den Beutel, aus dem neue Fahrgäste gezogen werden. Transportieren kann diese aber nur, wer die Farbe auf dem eigenen Spielbrett freigeschaltet hat. So kann es durchaus passieren, dass Fahrgäste auf einem Bahnhof landen, die man selbst gar nicht dort abtransportieren kann.

Ein großer Unterschied zu vielen klassischen Eisenbahnspielen: Es ist nicht möglich, die Strecken der anderen Spielenden zu blockieren. Jedes der sechseckigen Felder kann von mehreren Strecken verwendet werden, und diese können dort parallel verlaufen, aneinander vorbei gehen oder sich sogar kreuzen.

Hierdurch können andere Spieler*innen die vorher von mir platzierten, aber nicht transportierbaren Fahrgäste aufsammeln und so von einer der eigenen Aktionen profitieren – oder man selbst eben von den Aktionen der Mitspieler*innen.

Bildunterschrift: Die im Spielverlauf entstehenden Streckenpläne erinnern an Netzpläne realer Metro-Systeme.

Eine Partie Maglev Metro endet, wenn alle vier Meeplefarben im Spiel sind und danach der Beutel zum Nachziehen leer ist. Es gibt dann zwar noch eine abschließende Runde, aber üblicherweise werden nicht alle Fahrgäste ihr Ziel auch erreichen.

Gewonnen hat, wer am Ende der Partie die meisten Punkte hat. Diese gibt es für menschliche Fahrgäste und Verbindungen zwischen Bahnhöfen mit der eigenen Strecke. Beide dieser Wertungen können über das Platzieren menschlicher Fahrgäste auf dem eigenen Spielplan verbessert werden.

Zusätzlich bekommt jede*r zu Beginn der Partie vier persönliche und geheime Zielkarten. Eine davon darf immer gewertet werden, die weiteren können über den eigenen Plan und menschliche Fahrgäste freigeschaltet werden.

Da, anders als Roboter, menschliche Fahrgäste nicht mehr bewegt werden dürfen, sobald sie einmal auf dem eigenen Plan gelandet sind, ist hier vorausschauende Planung notwendig, um die eigenen Punkte zu optimieren. Einige der Felder können nur von Fahrgästen jeweils einer bestimmten Farbe besetzt werden, und die Anzahl der Fahrgäste pro Farbe ist begrenzt. Daher kann es vorkommen, dass Pläne durchkreuzt werden, wenn diese Fahrgäste von anderen Spielenden bereits weggeschnappt wurden. Oder sie landen auf einem Bahnhof, den man mit der eigenen Strecke nicht ohne weiteres erreichen kann.

Genau hier ist auch die hauptsächliche Interaktion zwischen den Spielenden zu finden. Da Strecken nicht blockiert werden können, sind es die Fahrgäste, um die gekämpft wird.

Je nach verwendetem Spielplan – im Grundspiel sind mit Manhattan und Berlin zwei enthalten, weitere sind bereits geplant – gestaltet sich Maglev Metro deutlich unterschiedlich. In Manhattan gibt es einen zentralen Bahnhof, von dem jeweils mehrere Strecken pro Unternehmen abgehen können, während in Berlin jedes Unternehmen nur genau eine Strecke haben kann. Dadurch ist in Berlin deutlich mehr Umbau der eigenen Strecke notwendig und eine Planung weiter in die Zukunft vonnöten. Auch sind die vom Zug zurückgelegten Distanzen größer, so dass die Verbesserung von Streckenbau und Bewegung deutlich wichtiger sind als in Manhattan.

Von der Wahl des Spielplans abgesehen bietet Maglev Metro durch die Zielkarten und das zufällige Ziehen der Fahrgäste ausreichend Varianz, damit eine Partie nicht zu sehr der anderen gleicht. Riesig ist diese Varianz jedoch nicht, so dass nach einigen Partien durchaus Langeweile aufkommen könnte.

Nicht alle Ziele sind gleich einfach zu erfüllen und manche widersprechen sich sogar, so dass hier ein gewisser Glücksfaktor ins Spiel kommt.

Die Ziele verdienen auch noch eine gesonderte Betrachtung, denn sie sind extrem unterschiedlich erreichbar. Einige von ihnen sind einfach mit maximaler Punktzahl (die immer 15 ist) zu erreichen, bei anderen ist es faktisch unmöglich. Bei einigen davon ist es sogar trivial einfach, diese maximale Punktezahl zu erhalten, dies verbietet dann aber Möglichkeiten, an anderer Stelle mehr Punkte zu machen. Um den Glückfaktor bei den Zielen zu reduzieren, bietet das Spiel die Variante an, diese zu draften.

Maglev Metro ist allein oder in einer Gruppe von bis zu vier Personen spielbar. Den Solomodus haben wir nicht getestet. Die Anzahl der Spielenden hat keinen Einfluss auf den Spielplan an sich, sondern nur darauf, wie viele Fahrgäste (Roboter und Menschen) ins Spiel kommen. Da zu Beginn des Spiels jeweils genau drei Bahnhöfe gebaut werden können, ist das jedoch die ideale Zahl.

Ausstattung

Auf den ersten Blick gibt es am Spielmaterial von Maglev Metro wenig auszusetzen. Die Züge und Strecken sehen auf dem Spielplan super aus. Es bildet sich im Verlauf der Partie ein schöner, bunter Streckenplan, wie man ihn zum Beispiel von der Londoner Metro kennt. Die Bahnhöfe sind dicke Pappklötze und dienen als Anker für die durchsichtigen, stapelbaren Streckenteile. Dabei ist der Platz leider manchmal etwas zu knapp, so dass die Strecken nicht ganz passen oder es zum Problem wird, sie wieder anzuheben – was im Zuge eines Umbaus auch während der Partie nötig sein kann. Das ist jedoch ein eher kleines und zu vernachlässigendes Problem.

Weniger gnädig bin ich, was die Figuren für die Fahrgäste angeht. Diese wirken auf den ersten Blick nicht problematisch, sind es aber aus mehreren Gründen. Zum einen sind die Maße so gestaltet, dass sie beim Umfallen im Zug nur durch ein komplettes Umdrehen dessen wieder hervorgeholt werden können. Und da der Zug, mit Fahrgästen nur teilweise befüllt, sich ständig bewegt, ist dieses Umfallen ein häufiges Ärgernis.

Die Züge sehen gut aus und sind mit Metallelementen schwer und solide. Leider fallen die Fahrgastfiguren in ihnen gerne um und müssen herausgekippt werden.

Zum anderen sind die Farben der Fahrgäste alles andere als optimal. Bei den Robotern gibt es Bronze, Silber und Gold als Farben, und je nach Lichteinfall ist es nicht auf den ersten Blick möglich, Bronze und Gold zu unterscheiden. Hier bietet der Verlag Bézier Games für die Übernahme der Versandkosten einen alternativen Satz an Bronzerobotern an, der das Problem reduziert, jedoch nicht völlig eliminieren kann. Außerdem passen die Farben der Roboter dann nicht mehr so recht zu den Farben auf dem Spielplan.

Auch bei den menschlichen Fahrgästen sind die Farben nicht ideal. Sie sind zwar im direkten Vergleich sofort zu unterscheiden, jedoch wurden als Farben Pink, Flieder, Koralle und Violett gewählt. Also vier verschiedene rötliche Töne. Bei den Testspielen kam es immer wieder vor, dass einzelne auf dem Spielplan liegende Fahrgäste der Farben Pink und Flieder verwechselt wurden. Nicht, weil die Farben im direkten Vergleich nicht zu unterscheiden wären, sondern weil sie in den Köpfen der Spielenden nicht direkt einer der Farben zuzuordnen waren. Hier wäre eine breitere Farbpalette wünschenswert gewesen.

Die Farben der Meeple sind nicht ideal. In der unteren Reihe die bestellbaren Ersatzmeeple in Bronze. Diese passen dann leider nicht mehr zum restlichen Material.

Das Regelheft von Maglev Metro ist weitestgehend verständlich geschrieben. Zu kritisieren sind lediglich die Regeln für das Einsetzen/Umsetzen von Robotern. Diese sind deutlich verwirrender formuliert, als es sein müsste. Außerdem wurde schon in der ersten Partie, während des ersten Spielzuges, klar, dass für die ersten drei Spielenden die vorgeschlagene Positionierung der Roboter, die man beim Spielstart erhält, nicht wirklich sinnvoll ist.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Bézier Games
  • Autor*in(nen): Ted Alspach
  • Erscheinungsjahr: 2022
  • Sprache: Englisch
  • Spieldauer: 60-90 Minuten
  • Spieler*innen-Anzahl: 1 2 3 4
  • Alter: 12+
  • Preis: ca. 61 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

Bonus/Downloadcontent

Auf der Seite von Maglev Metro bei Bézier Games kann man Vorlagen für den Druck weiterer Wertungsblöcke herunterladen. Ebenso ist dort die Spielregel (auf Englisch) zu finden sowie eine Übersicht der Siegpunktekarten.

Fazit

Mit Maglev Metro kehrt Ted Alspach zu den Eisenbahnspielen zurück. Anders als bei vielen anderen Vertretern des Genres gibt es hier aber weder Aktien noch die Möglichkeit, die Strecken der anderen zu blockieren, so dass am Ende eher vor allem ein „Pickup and Deliver“-Spiel entstanden ist.

Die bis zu vier Spielenden sammeln im Verlauf des Spiels Roboter und menschliche Fahrgäste ein, optimieren damit die eigenen Aktionsmöglichkeiten (Roboter) und erlangen Siegpunkte (Menschen). Die Regeln sind relativ simpel, dennoch entsteht ein Spiel mit erheblicher Spieltiefe daraus. Interaktion mit den Mitspielenden gibt es vor allem durch die begrenzte Anzahl der verfügbaren Fahrgäste, die man sich gegenseitig streitig machen kann. Damit ist ausreichend Interaktion vorhanden, damit Maglev Metro nicht zu einem Multiplayer-Solitaire wird. Aber auch nur gerade so.

Ein typischer Aufbau der „Manhattan“-Seite des Spielplans für drei Personen.

Das Spielmaterial von Maglev Metro ist ein echter Hingucker und die entstehenden Streckenpläne sind wirklich hübsch anzuschauen. Leider ist die Farbwahl der Fahrgäste alles andere als ideal und es droht Verwechselungsgefahr. Auch ist das Spiel für Menschen mit Farbenfehlsichtigkeit nicht ohne Weiteres spielbar.

Insgesamt handelt es sich um ein solides Spiel mit ausreichend Varianz für eine Handvoll Partien. Insbesondere, da sich die beiden enthaltenen Spielpläne deutlich unterscheiden. Allerdings fehlt etwas, was das Spiel einzigartig machen würde. Abgesehen von der Optik hat es nichts, was es wirklich aus der Masse hervorhebt. Und zusammen mit den Problemen, die das Spielmaterial mitbringt, reicht es damit lediglich für eine mittelmäßige Wertung.

  • Zwei sehr unterschiedliche Spielpläne sorgen für Abwechslung
  • Sieht auf dem Tisch super aus
  • Leicht zu lernende Regeln
 

  • Verwechselbare Farben der Fahrgäste
  • Zu unausgeglichene Zielkarten
  • Nichts Einzigartiges

Artikelbilder: © Bézier Games
Layout und Satz: Annika Lewin
Lektorat: Saskia Harendt
Fotografien: Holger Christiansen
Dieses Produkt wurde privat finanziert.

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