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Es darf wieder verzweifelt werden, denn die Red Hook Studios sind zurück mit ihrem zweiten Ableger der Darkest Dungeons-Reihe. Und wieder heißt es Held*innen rekrutieren, Monster überleben und Frustresistenz entwickeln. Da sorgen auch die neuen Kutschfahrten für nur wenig Entspannung

Mit ihrem damaligen Erstling Darkest Dungeon konnten die Red Hook Studios in dem gerade Tempo aufnehmendem Feld der Roguelike-Spiele ein beachtliches Debüt ablegen. Der Titel überzeugte die schnell wachsende Fan-Base nicht nur mit einem stimmigen Gesamtbild, bestehend aus gothic-esquer Grafik, fantastischer Vertonung und dem perfekt darauf abgestimmten Gameplay. Sondern auch mit dem gelungenen Early Access-Start, in dem die Entwickler*innen früh Feedback einsammelten, Verbesserungen fix implementierten, aber auch ihre Vision verteidigten, wo es notwendig war (hier sei an die Debatte rund um die Kadaver-Mechanik erinnert). Nach dem Release wurde Darkest Dungeon trotz (oder gerade wegen?) des knackigen Schwierigkeitsgrades zu einem schmucken Kleinod. Dass die Gaming-Community in der Breite, den Spielen und Nachahmern der Souls-Reihe sei Dank, gerade zu dieser Zeit offener für fordernde Titel mit knackigem Schwierigkeitsgrad wurde, tat sein übriges zum weiteren Erfolg.

Die unheilvolle Geschichte wird erneut per hübscher, aber statischer Cutscenes erzählt
Die unheilvolle Geschichte wird erneut per hübscher, aber statischer Cutscenes erzählt

Keine große Überraschung also, dass auch der zweite Titel des Studios hier anschließen würde. Schließlich gab es gelernte Lektionen umzusetzen sowie die lovecraftsche Geschichte rund um alte Götter und den endlosen Kampf gegen das Böse weiter zu erzählen. Auch in der Entwicklung von Darkest Dungeon 2 wurde der Early Access wieder früh als Meinungsbarometer miteinbezogen. Hier stellte sich auch schnell raus, dass Red Hook Studios nicht auf der Stelle treten wollten, sondern bereit waren zu experimentieren; weg war die Hub-Welt rund um den ausbaubaren Weiler ebenso die Verwaltung der breit aufgefächerten Gruppe von Hauptfiguren. Selbst den namensgebenden Dungeon schien es getroffen zu haben, verschlug es Spielende nun stattdessen per Pferdekutsche durch gefallene Städte und sumpfige Dschungel. Eine Entscheidung, welche nicht bei allen in der Fan-Base auf unterstützenden Zuspruch traf – aber deswegen tatsächlich eine falsche für Darkest Dungeon 2?

Triggerwarnungen

Folter, Spinnenphobie, Bodyhorror

[Einklappen]

Remind Yourself That Overconfidence Is A Slow And Insidious Killer

Durch den Beginn der Geschichte führt erneut ein Erzähler, eine gescheiterte Existenz, die keinen Hehl daraus macht, für die kommenden Geschehnisse mit verantwortlich zu sein. Geborgene Schriftstücke, alte Götter, übereifrige Ambitionen, all diese Versatzstücke führen dazu, dass der nicht näher benannte Akademiker tapfere Seelen benötigt, um dem Übel aus dem nahen Berg den Garaus zu machen. Ansonsten würde auch das letzte Licht der Welt für immer erlöschen. Über fünf Kapitel erzählt das Spiel, welche Mitverantwortung der Akademiker für das Dunkel trägt, welches über die Welt hereingefallen ist. Weiter beleuchten kleine Ausschnitte die Hintergründe der einzelnen Charaktere und Motive warum diese gestrandeten Halsabschneider und gefallenen Idole ihre Erlösung im Kampf gegen die dunklen Mächte erhoffen.

Gefechte werden sowohl eure Gruppe als auch eure Nerven im Höchstmaß fordernGefechte werden sowohl eure Gruppe als auch eure Nerven im Höchstmaß fordern
Gefechte werden sowohl eure Gruppe als auch eure Nerven im Höchstmaß fordern

Was aus dem Vorgänger bekannt und bewährt wirkt, stellt sich bald als erste große Neuerung von Darkest Dungeon 2 heraus. Denn im Aufbau rund um die Trips in die dunklen Katakomben hat sich einiges grundsätzlich geändert. Im ersten Teil haben Spielende in der Hub-Welt als eine Art Verwalter*in agiert, zwischen den einzelnen Partien galt es neues Personal anzuheuern, um die Gefallenen zu ersetzen, Krankheiten und Traumata der Überlebenden auszukurieren und den kärglichen Weiler Schritt für Schritt auszubauen. Dafür war das aus den Dungeons gewonnene Gold zu verwenden, die eigenen Entscheidungen waren also immer davon beeinflusst, ob die Beute zur langfristigen Verbesserung oder zum Steigbügel für den nächsten Run verwendet werden sollte. Weiter erzählte die Gemeinschaft schnell organisch eigene Geschichten, egal ob von einer auf Unterstützungszauber spezialisierten Vestal-Veteranin oder einem Harlequin, der seit seiner Begegnung mit dem Dreizack eines Meeresmonster eine traumatische Furcht vor selbigem mit sich trägt.

Diesen Ansatz lässt Darkest Dungeon 2 fast komplett fallen, stattdessen orientieren sich die einzelnen Runs nun deutlicher an zeitgenössischen Rogulikes wie beispielsweise Hades.

Nach jeder Runde, ob erfolgreich oder gescheitert, startet ihr aufs Neue. Eure Vierergruppe gegen das Dunkle in der Welt stellt ihr dabei jedes Mal aufs Neue aus allen verfügbaren Charakteren zusammen. Permanenz bei den Figuren gibt es nicht mehr, ob diese den letzten Trip überlebt haben oder nicht spielt dabei keine Rolle, ihr wählt jedes Mal neu. Dauerhafter Fortschritt lässt sich stattdessen in Form von Kerzen sammeln, die als Belohnung für Haupt- und Nebenquests winken. Diese können zwischen den einzelnen Ausflügen für permanente Upgrades, neue Charaktere, einen erweiterten Item-Pool oder Upgrades für die Kutsche ausgegeben werden. Moment, Kutsche?

Darkest … Droschke?

Richtig gelesen, auch bei der Ausgestaltung der Einzeltrips gegen das Böse hat sich einiges verändert, wenn auch vielleicht nicht ganz so grundlegend wie beim Grundgerüst. Der Sprung von den Tauchgängen in die Tiefe verschiedenster monsterverseuchter Gewölbe hinüber auf den Bock einer Kutsche, die durch eine apokalyptische Welt gen Berg scheppert, stellt sich nach erster Umgewöhnung als eher kosmetischer Natur heraus. Den Kern bildet wieder die Mischung aus Erkundung, Entscheidungen und erbitterten Duellen, immer das eigene Fackellicht im Blick, will man nicht im nächsten Kampf fiese Mali erhalten. Statt den korrekten Pfad durch gefährliche Keller zu suchen, gilt es diesmal an Wegkreuzungen die beste Route zu wählen. Wobei „beste“ immer noch nicht bedeutet, dass es eine Fahrt ohne Hindernisse wird. Die Kutsche lässt sich per Pfeiltasten nach links und rechts steuern, beschleunigen und abbremsen, Geröll- und Knochenhaufen kann bei Wunsch ausgewichen werden. Denn diese verursachen beim Durchqueren Schaden an der Kutsche, wird dieser zu groß wirkt sich das negativ auf die weitere Partie aus. Gleichzeitig winken die Haufen aber auch mit Währung in Form von Gold und magischen Splittern.

Das ging gerade noch so gut – die Kutschen-Steuerung ist etwas schwammig geraten
Das ging gerade noch so gut – die Kutschen-Steuerung ist etwas schwammig geraten

Darkest Dungeon 2 macht es leider schwierig, diese Neuerungen, egal ob beim Grundgerüst oder der veränderten Reisemechanik, direkt nachzuvollziehen. Vieles findet man eher zufällig heraus oder muss es in externen Quellen nachschauen. Dabei findet das Spiel gerade zu Beginn keinen guten Spagat in den Tutorial-Einblendungen Bekanntes und Neues treffend zu erklären. Die Schnipsel sind kurz und knackig, dafür zahlreich, und verweisen immer wieder auf sich selbst oder verzahnte Mechaniken, ohne hilfreich einzuordnen. So bleiben schnell Fragen zu den unterschiedlichen Splitterwährungen oder der neuen Beziehungs-Mechanik offen, auf die man extern Antworten suchen muss. Auch die Kutsche selbst steuert sich eher schwammig, ist im gleichen Moment aber auch nicht spielentscheidend genug, um weiter negativ aufzufallen. Insgesamt bleibt in diesem Teil des Titels allerdings ein eher inkohärenter Gesamteindruck zurück. Der Schritt raus aus den Kellern ist mutig, wirkt jedoch auch verzettelt. Wo der erste Teil ein klares, für sich selbst sprechendes Design vorlegen konnte, bei dem jedes Zahnrad sauber ineinandergreift, öffnen die neuen Ideen zwar den Spielraum, können diesen aber nicht ausreichend füllen.

Stress: rastloser Kampf mit der Zeit. Und gefräßigen Untoten.

Die Kämpfe, einer der Grundpfeiler des ersten Teils, haben sich am wenigsten verändert und was neu hinzugekommen ist, liefert klare Verbesserungen. Ausgefochten werden die Auseinandersetzungen wieder in stilvoller 2D-Ansicht. Hier konnten sich Grafik- und Sounddesign-Team wieder vollends austoben, um Darkest Dungeon 2 denselben unvergleichbaren Charme zu verpassen wie dem ersten Teil. Schläge knallen wuchtig, vergiftete Monster zermürbt es mit einem hörbaren Pochen Runde für Runde und erledigte Feind*innen (oder Held*innen) scheiden mit großer Geste aus dem Leben. Das erleichtert das Leiden mit der eigenen Gruppe und ist der Garant dafür, dass jeder kritische Treffer auch für die Spielenden fühlbar wird. Egal ob in Form von Jubelfaust oder Schlag auf die Tischplatte.

Nebenquests beleuchten die Hintergründe aller spielbaren Figuren noch einmal im Detail
Nebenquests beleuchten die Hintergründe aller spielbaren Figuren noch einmal im Detail

Das zu lösende Problem aller Kampfbegegnungen besteht darin, die Charaktere der eigenen Gruppe gewinnbringend zu kombinieren und die richtige Taktik zum Aushebeln der gegnerischen Fähigkeiten und Widerstände zu finden. Ist eine Gegnergruppe gegen Vergiftungs- und Blutungsangriffe nahezu immun, hilft es über Statuseffekte wie Betäubung oder Blendung die Nuss zu knacken. Andere Kreaturen dagegen wollen in den Fokus genommen werden, um Heilungen der gegnerischen Front zu unterbinden. Wichtig dafür ist wieder die Positionierung eurer eigenen Gruppe, nicht jede Fähigkeit kann auf jeder Position eingesetzt werden. So ist es manchmal notwendig für eure Kopfgeldjäger an eurem Charakter an vorderster Front vorbeizuhuschen, um eine besonders starke Attacke durchführen zu können, dann aber auch für eine Kampfrunde dem möglichen Echo ausgesetzt zu sein. Der zweite Teil verschlankt hier Fähigkeiten und Statuseffekte; Treffer- und Verfehlungswahrscheinlichkeiten sind jetzt klare Tokens an eigenen und gegnerischen Charakteren, statt als Prozentangabe in irgendeinem Menu zu schlummern. Das macht die Gefechte lesbarer und damit leichter zu verstehen, was wie und warum funktioniert oder scheitert. Eine willkommene Verbesserung.

Die Kampfschleife motiviert wieder wunderbar, einerseits durch die Charaktervielfalt, andererseits durch den knackigen Schwierigkeitsgrad, der auch kleine Monstergruppen gefährlich bleiben lässt. Bei den Charakteren winken wieder Nah- und Fernkämpfer*innen, auf Heilung spezialisierte Klassen wie der Okkultist oder die Vestal, Giftmischer in Form eines Pestdoktors oder der pyromanische Streuner. Allen gemein ist, dass der Pool an Lebenspunkten mickrig bleibt, im Gegensatz zum Stresslevel, welches schnell ansteigt und Charaktere unberechenbar werden lässt, sollte die Last zu groß werden. Zusammen mit Feind*innen, die nicht nur ordentlich zuhauen, sondern die Gruppe von Kampf zu Kampf auch weiter zermürben, ist es also wenig verwunderlich, dass die meisten Versuche den Berg zu erreichen zum Scheitern verdammt sind. Ist die passende Antwort aber gefunden und man zerlegt reihenweise Untote, Kultisten und Dämonen, packt einen auch Darkest Dungeon 2 bei den eigenen Hörnern, wie auch schon der erste Teil. Dass es bei den freischaltbaren Charakteren aber fast nur bekannte Gesichter gibt, ist anlässlich eines zweiten Teils schade. Inklusiver der Abgänge aus dem Vorgänger bleibt das Roster bei einer fast stabilen Zahl, hier hätten mehr frische Konzepte wie beispielsweise der Flagellant ihren Weg gerne ins Spiel finden dürfen, um die Kombinationsmöglichkeiten zu erweitern. Wie im Vorgänger dürften hier zukünftige Content-Updates Abhilfe schaffen, mehr neue Gesichter gleich zum Start wären allerdings erfreulich gewesen.

Die harten Fakten:

  • Entwicklerstudio: Red Hook Studios
  • Publisher: Red Hook Studios
  • Plattform: PlayStation 4, Xbox One, PC
  • Sprache: Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Tschechisch, Polnisch, Portugiesisch, Russisch, Spanisch, Japanisch, Koreanisch, Chinesisch, Ukrainisch
  • Mindestanforderungen:
    • Setzt 64-Bit-Prozessor und -Betriebssystem voraus
    • Betriebssystem: Windows 10
    • Prozessor: AMD Athlon X4 | Intel Core i5 4460
    • Arbeitsspeicher: 8 GB RAM
    • Grafik: Nvidia GTX 950 | AMD R7 370
    • Speicherplatz: 6 GB verfügbarer Speicherplatz
  • Genre: Rundentaktik
  • Releasedatum: 08. Mai 2023
  • Spielstunden: 20
  • Spieler*innen-Anzahl: 1
  • Altersfreigabe: USK 12
  • Preis: 38,99€
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Steam, Epic Store

 

Fazit

Lange nicht mehr hat sich die finale Bewertung eines Titels für mich derart schwierig gestaltet. Darkest Dungeon 2 geht als Sequel mutig neue Wege, anstatt gewohntes wiederzukäuen und auf Sicherheit zu bauen. So sehr dies zu begrüßen ist, kann sich der Titel an vielen Stellen dem Eindruck nicht erwehren einstmals „sehr Gutes“ für „lediglich Nettes“ zurückzulassen. In Zeiten von kraftstrotzender Roguelike-Konkurrenz wirkt es wie eine seltsame Entscheidung, ein Alleinstellungsmerkmal des ersten Teils zu verlassen und auf ähnliche Fortschrittsmechaniken wie andere Titel zu setzen. Gerade weil damit einhergehend ein Verlust an Identität und organischen Geschichten der eigenen Gruppe verloren geht. Zudem werden die Mechaniken zum Einstieg nur unzureichend erklärt, was es sowohl Neulingen als auch Veteran*innen unnötig schwer macht in den zweiten Teil zu starten.

Nichtsdestotrotz funktioniert das Kerngameplay auch in der Fortführung wieder tadellos. Die beinharten Kämpfe motivieren wieder genauso viel wie sie zu frustrieren vermögen, laden aber genau damit zum immer wieder spielen ein. Oben drauf kommt die erneut herrlich düstere Endzeit-Stimmung, die Fans einer ganzen Bandbreite, von Poe, über Cthulhu bis Hellboy wieder von A bis Z abholen dürfte.

Und wer „nur“ aufgrund dieses Kernes zurückkehren möchte zum düsteren Dungeon, der oder die darf an dem Mittelmaß anzeigenden Daumen gerne ganz persönlich noch etwas nach oben schrauben.

 

  • Ungeschlagene Atmosphäre

  • Vielfältige Charaktere sorgen für Abwechslung …

  • Knackige Kämpfe mit weniger Glücksfaktor als im ersten Teil

 

  • Unzureichende In-Game Tutorials für Neuerungen

  • … auch wenn es an frischen Gesichtern fehlt

  • Neuer Roguelike-Ansatz kommt an Gruppengefühl aus dem ersten Teil nicht heran

 

Artikelbilder: © Red Hook Studios
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Giovanna Pirillo
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.
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