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Panini bringt Marvels Alien und Predator nach Deutschland. Kein Crossover, sondern zwei unabhängige Einzelcomics: In Alien 3 – Icarus sollen Roboter einen von Aliens überrannten Planeten infiltrieren. In Predator 1 – Der Tag des Jägers eröffnet die Überlebende eines Predator-Massakers Jagd auf die Menschenjäger. Ob Leser*innen hier fette Beute machen, verrät Paul.

Als Disney 2019 20th Century Fox aufkaufte, bekam es die Rechte an zahlreichen Filmen und Franchises, darunter auch die zu Alien, Predator und Aliens vs Predator. Alsbald verwertete Disney die Rechte dann auch, als Alien-Rollenspiel, aber auch für Comics. Dem bisherigen Produzenten von Alien- und Predator-Comics, dem amerikanischen Verlag Dark Horse Comics, wurden die Rechte entzogen und stattdessen dem Disney-eigenen Comicverlag Marvel übergeben. Marvel brachte bereits zwei Alien-Comics heraus, die erzählerisch einen Neustart bildeten, der bis auf wenige, unwichtige Anspielungen nichts mit den vorherigen Alien-Comics von Dark Horse zu tun hatten. Neben einem dritten Alien-Comic, das wieder für sich alleine steht, bringt Panini nun Marvels erstes Predator-Comic. Schauen wir mal, wie sich die beiden machen.

Triggerwarnungen

Gewalt, Tod von Protagonisten, Kinder in Gefahr, Body Horror

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Alien 3 – Icarus

Wie die ersten beiden Alien-Bände von Marvel ist auch Alien 3 – Icarus eine eigenständige, alleinstehende Geschichte. Am Anfang steht eine nützliche Zusammenfassung der bisherigen Ereignisse im Alien-Universum: Im Jahr 2122 spielte der erste Film, in dem das Raumschiff Nostromo mit fatalen Folgen den ersten Alien der Xenomorph-Spezies fand. 2179 spielte Aliens – Die Rückkehr, der zweite Teil, in dem Colonial Marines versuchten, eine Kolonie vor Xenomorphs zu retten. Das erste Marvel-Comic, Alien – Blutlinien, erzählte die Geschichte, wie 2200 auf einer Forschungsstation des Weyland-Yutani-Konzerns eine Xenomorph-Ausbruch stattfand. In Alien 2 – Erweckung brach 2202 eine Xenomorph-Invasion auf einer Kolonie eines technologiefeindlichen Kultes aus.

Die täuschend menschlich wirkenden Synths treffen ihren alten Boss
Die täuschend menschlich wirkenden Synths treffen ihren alten Boss

Das Comic Alien 3 – Icarus spielt 2217, also fünfzehn Jahre nach dem letzten Comic und fast hundert Jahre nach dem ersten Kontakt mit den Xenomorphs. Abgesehen von ein, zwei Nebensätzen gibt es wieder keinen Bezug zu den vorherigen Comics oder Ereignissen. Die Hauptfiguren von Alien 3 – Icarus sind eine Gruppe, die es im Alien-Universum schon seit dem ersten Film gibt, allerdings eher eine Nebenrolle spielte: die Synths. Synths sind androide Roboter, die täuschend menschenähnlich aussehend gebaut und mit hochintelligenten Computerhirnen vorprogrammiert werden können. Ob sie ein wirkliches künstliches Bewusstsein haben oder nur eine hochkomplexe Simulation ist allerdings nicht klar.

Die Protagonisten sind das Steel Team, früher eine Gruppe aus Synth-Soldaten, die mit dem US-Militär und der Menschheit brachen. Freyja, Nora, Seth, Ali und Astrid zogen sich auf den abgelegenen Planeten Europa-5 zurück und lebten dort unter sich, fern aller Organischen. Ihr ehemaliger Kommandant, Lieutenant General George March, bietet ihnen aber eine letzte Mission an. Auf dem Agrarplaneten Demeter-2 gab es eine Atomreaktorkatastrophe, die den ganzen Planeten verstrahlte. Der Planet ist aber extrem wichtig als Nahrungslieferant für fünfundzwanzig besiedelte Welten und die US-Regierung hat einen Plan. Auf der ehemaligen Forschungswelt Tobler-9 des zwielichtigen Weyland-Yutani-Konzerns wurde eine Universalimpfung entwickelt, die gegen Radioaktivität immun macht. Mit dieser könnten die Bauern auf Demeter-2 die Ernte retten. Aber Tobler-9 ist nicht nur selbst radioaktiv, sondern auch komplett von Xenomorph-Aliens überrannt.

Alien-Eier sind die eierlegenden Wollmilchsäue der Science Fiction
Alien-Eier sind die eierlegenden Wollmilchsäue der Science Fiction

Synths sind also die perfekte Truppe für die gefährliche Mission, da sie immun gegen Radioaktivität sind und Xenomorphs nur an organischen Wesen als Beute und Brutkammer interessiert sind, Maschinen aber zumeist ignorieren. Als Belohnung für die Mission stellt die US-Regierung in Aussicht, alle Synths als vollwertige Bürger, gleichberechtigt zu Menschen, zu akzeptieren. Trotz ihrer Abneigung gegenüber Menschen im Allgemeinen und ihrem ehemaligen General im Speziellen ist die Aussicht, endlich akzeptiert zu werden, verlockend genug, um das Steel Team in einen letzten Einsatz ziehen zu lassen. Auf Tobler-9 angekommen, ist die Situation aber noch gefährlicher als vermutet: Die Aliens sind aggressiver als erwartet und in den Tiefen der verlassenen Labore lauern unerwartete Bedrohungen …

Alien 3 – Icarus beginnt etwas überladen. Auf den ersten Seiten wird man mit vielen Charakteren, Organisationen und Planeten konfrontiert, die im ersten Moment wichtig erscheinen. Letztendlich verläuft die Handlung allerdings geradlinig und viele der Details entpuppen sich als unwichtig. Andere, wie die Details des Zerwürfnisses zwischen dem Steel Team und der US-Armee, bleiben im Dunkeln. Die Geschichte verläuft gerade und wenig überraschend, die Twists und Wendungen sind eher vorhersehbar. Die Charaktere sind eher simpel gestrickt und entwickeln sich im Lauf der Handlung wie man es erwartet. Als schnelles Action-Comic ist die Geschichte aber passabel.

Für ein Alien-Comic ist der Stil aber eher gewöhnungsbedürftig. Das Alien-Franchise, von den Filmen über die alten Comics und Spiele, ist insgesamt eher auf Horror ausgerichtet, in dem die Helden die Xenomorphs eher überleben als heldenhaft besiegen. Die Kampf-Synths des Steel Teams sind aber so übermenschlich stark, dass sie allein ganze Schwärme konfrontieren können. Die Kampfszenen erinnern dadurch mehr an Superheld*innen-Comics, wo die Held*innen sich durch Massen an Feinden kämpfen, als an die nervenzerreißenden Überlebenskämpfe der anderen Alien-Werke. Dieser andere Ansatz kann valide sein, wird aber für viele Alien-Fans zumindest unerwartet kommen.

Das Steel Team stellt sich Aliens mit überdimensionierten Äxten
Das Steel Team stellt sich Aliens mit überdimensionierten Äxten

Ein negativer Punkt ist eine gewisse Entwicklung im Lauf des Comics. Ohne zu viel sagen zu wollen: Ja, in den letzten Jahren gab es viele von Alien inspirierte Schwarm-Spezies wie die Zergs aus StarCraft, die Flood aus Halo und die Tyraniden aus Warhammer 40.000. Diese sind auch mächtiger und anpassungsfähiger als die ursprünglichen Xenomorphs. Das ist allerdings kein Grund, den Xenomorphs ein Powerupgrade zu geben, dass sie von ihrer Grundidee fortbewegt. Das Setting des Alien-Universums liefert schon einen bewährten Rahmen, in dem die Xenomorphs eine schreckliche Bedrohung sind und muss nicht an andere Franchises angeglichen werden.

Abgesehen davon liefert Autor Philipp Kennedy Johnson in seinem dritten Alien-Band wieder eine grundsätzlich solide Alien-Geschichte, die aber nicht über den Standard hinauskommt. Statt der von 3D-Modellen digital abgepausten Bilder von Salvador Larocca gibt es dieses Mal Zeichnungen von Julius Ohta. Ohta zeichnet Bilder selbst per Hand im modernen amerikanischen Stil und seine Zeichnungen fallen besser aus. Er spart zwar an Hintergründen, die Dynamik und Bewegung der Figuren, Gesichtsausdrücke und Effekte funktionieren insgesamt aber besser als in den vorherigen Bänden.

Alien 3 – Icarus ist erst einmal Johnsons letzter Alien-Band. Wie seine Vorgänger liefert er durchschnittliche Alien-Comic-Kost, die man in qualitativ ähnlicher Form von Dark Horse gewöhnt war, auch wenn diesmal der Action-Faktor über dem Horror liegt. Die Zeichnungen von Ohta sind zwar gelungener, insgesamt ist das Fazit aber wie bei den Vorgängerbänden: Grundsätzlich solide Unterhaltung für Alien-Fans und Neulinge, die aber nichts Ungewöhnliches bietet.

Die harten Fakten 

  • Autor(en):Philipp Kennedy Johnson
  • Zeichner(in): Julius Ohta
  • Seitenanzahl: 148
  • Preis: 19 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo, Panini

 

Predator 1 – Tag des Jägers

Predator 1 – Tag des Jägers ist das erste von Marvels Predator-Comics. Anders als bei den eher orthodoxen Alien-Comics wagt Marvel hier einen neuen Ansatz, der erheblich von den bisherigen Predator-Comics, Filmen und Romanen abweicht. Im Zentrum der Marke steht natürlich immer noch die titelgebende Alien-Spezies, die Predators genannt wird. Diese über zwei Meter großen Aliens sind ebenso geheimnisvoll wie brutal. Im Mittelpunkt ihrer Kultur scheint die Jagd auf würdige Beute zu stehen, zu der sie Menschen zählen. Mit unsichtbar machenden Tarnvorrichtungen, Masken mit Infrarotsicht und einem Arsenal vom Messer bis zur gedankengesteuerten Plasmakanone tauchen Predators aus dem Nichts auf, erlegen ihre Beute und nehmen Trophäen. Das Einzige, was sie zurückhält, ist ihr Ehrenkodex als intergalaktische Großwildjäger, keine schwache, ungefährliche oder schwangere Beute zu erlegen und ihre Bewaffnung der Bedrohung anzupassen.

Theta an ihrem letzten glücklichen Tag
Theta an ihrem letzten glücklichen Tag

In den bislang fünf Predator-Filmen sowie dem Großteil der Dark Horse-Comics tauchen einzelne Predators in Konfliktzonen auf der Erde der Gegenwart oder der Vergangenheit auf. Die Unordnung von Krieg und Konflikt dient den Predators gleichermaßen als Mittel, um würdige Beute wie kampferfahrene Soldaten aufzuspüren und um ihre Spuren im allgemeinen Chaos zu verwischen.

Predator 1 – Tag des Jägers spielt allerdings in der Zukunft, einem Setting, das bisher Dark Horses Crossover-Comics Aliens vs. Predator und den dazugehörigen Videospielen vorbehalten war. Im Jahr 2041 hat die Menschheit Raumschiffe mit Überlichtgeschwindigkeit, KIs und interstellare Kolonien aufgebaut. Die Predators haben aber immer noch einen technologischen Vorteil und überfallen abgelegene Kolonien. Bei einem dieser Überfälle kann allerdings das Mädchen Theta Berwick überleben. Theta widmet ihr Leben der Rache an dem Mörder ihrer Eltern, einem Predator mit abgetrennter Mandibel. Fünfzehn Jahre später, also 2056, setzt die Geschichte des Comics ein. Die Jahre des Jagens und Kämpfens haben Theta zu einer Expertin für Predators gemacht. Allerdings ist sie auch eine gesuchte Diebin, die sich mit ihrem altersschwachen, zerfallenden Raumschiff auf abgelegenen Außenposten zusammenstiehlt, was sie braucht, um ihre Jagd zu betreiben. Nach ihrer letzten Konfrontation mit einem Predator schleppt sie sich zur nächsten Basis, wo sie gleichzeitig von Predators und Menschen aufgespürt wird, womit das Chaos vorprogrammiert ist.

Die Geschichte von Predator 1 hat eigentlich ein gutes Konzept, krankt aber an der Umsetzung. Zum einen bietet sie eigentlich nicht genug Inhalt für 164 Seiten, beziehungsweise sechs amerikanische Hefte. Infolgedessen zieht sie sich etwas, oft auch durch kurze, unnötige Subplots. Durch einige, wie die Begegnung mit Alien-Banditen, erinnert die Welt teils eher an Star Wars, Guardians of the Galaxy oder ähnliche pulpige Space-Western als an die bekannten Predator-Filme.

Solche intelligenten Aliens gab es im Predator-Universum bisher nicht
Solche intelligenten Aliens gab es im Predator-Universum bisher nicht

Zum zweiten ist Theta keine gute Hauptfigur. Dass sie nicht sonderlich sympathisch ist, ist nicht unbedingt ein Problem, Protagonist*innen müssen nicht gemocht werden, um zu faszinieren. Theta ist aber eine unschöne Mischung aus unsympathisch, uninteressant und überraschend unfähig. Ihre Besessenheit von ihrer Rache nach fünfzehn Jahren ist genretypisch, wird aber nicht überzeugend herübergebracht. Die Misanthropie, die ihre Scheuklappensicht auf das Leben mit sich bringt, verhilft ihr aber nicht zu einer coolen Außenseiter- oder Outlaw-Aura, sondern ist nur nervig und unfreundlich. Mehr Charaktereigenschaften als die Rachsucht zeigt Theta kaum und bleibt dadurch uninteressant.

Der dritte Punkt vermischt sich mit der Darstellung der Predators. Theta wird als Predator-Expertin mit fünfzehn Jahren Kampferfahrung präsentiert, die ihr ganzes Leben der Jagd auf die Jäger gewidmet hat und mehr über sie weiß als der Rest der Menschheit. Wenn es darauf ankommt, verhält sie sich aber erschreckend unprofessionell, ist unvorbereitet, wird überrascht und verfällt in Panik. An entscheidenden Stellen, an denen ihr Wissen über Predators gefragt ist, versagt sie völlig, fällt in Fallen hinein und führt Katastrophen herbei.

Dazu kommt Thetas Strategie im Kampf gegen Predators. Ein durchgängiges Element der Filme ist die Tatsache, dass die Aliens Menschen physisch und technisch überlegen sind. Selbst Arnold Schwarzenegger im ersten Predator-Film musste dem Predator ausweichen und konnte nur mit Fallen und Tricks gewinnen. Die Killerbrigade aus Predators von 2010 konnte sich den Predators im direkten Kampf genauso wenig stellen wie die US-Veteranen in Predator: Upgrade. Der Kampf gegen einen übermächtigen Gegner, den Menschen nur durch Intelligenz gewinnen können, ist ein klassisches Element, das zu spannenden Einfällen der Autor*innen führen kann. Der letzte, hervorragende Film Prey von 2022 zeigt sogar überzeugend, wie eine Komantschin im Jahr 1719 sich ohne moderne Technologie, nur mit Einfallsreichtum und Jagderfahrung, einem Predator stellen kann. Thetas Strategie besteht dagegen aus … Nahkampf. Mit einer erbeuteten Predator-Rüstung (die keine Anzeichen zeigt, ein Kraft-unterstützendes Exoskelett zu sein) und einer Axt duelliert sich Theta mit den viel größeren, übermenschlich starken Predators und gewinnt.

Die Strategie der größten Predator-Expertin: „Come at me Bro“
Die Strategie der größten Predator-Expertin: „Come at me Bro“

Die Zeichnungen von Kev Walker sind professionell und gekonnt ausgeführt. Der Zeichenstil ist grundlegend realistisch, mit einem etwas cartoonhaft stilisierten Einschlag. Das funktioniert insgesamt gut, mindert aber manchmal die Direktheit der Bedrohung etwas ab. Thetas unpassende Nahkampf-Strategie wird noch durch ihre kleine, zierliche Statur unterstrichen.

An sich hat Predator 1 – Tag des Jägers eine coole Idee. Die Predators, die sonst Menschen jagen, werden selbst zu den Gejagten. Damit das funktioniert und gleichzeitig den coolen, bedrohlichen Eindruck der Aliens aus den Filmen bewahrt, wäre eine ebenso coole und toughe Hauptfigur nötig (ältere Predator-Comic-Fans erinnern sich an Mariko Noguchi). Theta ist diese Figur leider nicht. Das nur in breiten Zügen angedeutete Setting mit interstellaren Konzernen und anderen intelligenten Aliens kann das genauso wenig wett machen wie die kompetenten, aber thematisch nicht ganz passenden Zeichnungen.

Predator 1 ist kein totaler Reinfall, aber leider nur eine Kombination mittelmäßiger Elemente, die sich in der Gesamtheit beißen und das beabsichtigte Ziel verfehlen. Hoffen wir, dass Marvel sich mit dem nächsten Predator-Band bessern kann.

Die harten Fakten 

  • Autor(en): Ed Brisson
  • Zeichner(in): Kev Walker
  • Seitenanzahl: 164
  • Preis: 19 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo, Panini

 

 

Artikelbilder: © Panini Comics, Marvel Comics, Disney
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Saskia Harendt
Fotografien: Paul Menkel
Diese Produkte wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.
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