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Eine Preisverleihung in China? Die WorldCon in Chengdu hatte bereits im Vorfeld für Kontroversen gesorgt, und auch an den Hugo-Awards gehen die Diskussionen um die Zukunft der internationalen Science-Fiction-Szene nicht spurlos vorbei. Wir werfen einen Blick auf die nominierten Romane, die überraschenderweise viel unpolitischer sind als ihr Kontext.

Von Anfang an war die 81. WorldCon in Chengdu, China, als Veranstaltung heftig umstritten. Kurz nachdem im Dezember 2021 bekanntgegeben wurde, dass die Hauptstadt der chinesischen Provinz Sichuan bei der Abstimmung das Rennen um die Location für 2023 gemacht hatte, musste sich das internationale Fandom einer komplexen Debatte voller unbequemer Fragen stellen. Auf der einen Seite ist es dringend notwendig, die Zentrierung auf den englischsprachigen Raum im Allgemeinen und die USA im Besonderen aufzubrechen.

Der Begriff „WorldCon“ klingt merkwürdig hohl, wenn man bedenkt, wie viele Faktoren dazu beitragen, dass Übersetzungen fast keine Chance haben, jemals auf der Hugo-Shortlist zu landen. Wie naheliegend ist es da, das Event in China zu begrüßen, dem Heimatland von Cixin Liu, dessen Welterfolg The Three Body Problem (Deutsch: Die drei Sonnen) 2016 als erster übersetzter Roman mit der begehrten silbernen Rakete ausgezeichnet wurde? Chinesische Science-Fiction erlebte in den letzten Jahren einen regelrechten Boom, Autor*innen wie Hao Jingfang und Baoshu werden in zahlreiche Sprachen übersetzt, und auch Klassiker wie Jin Yongs Die Legende der Adlerkrieger erhalten endlich internationale Anerkennung. Das Fandom vor Ort ist quicklebendig und konnte mit seiner Bewerbung als WorldCon-Standort überzeugen.

Auf der anderen Seite war sofort klar, dass sich politisch engagierte Vertreter*innen des gegenwärtigen „Rainbow Age of Science-Fiction“ nicht hinter ein Land stellen würden, das mit seiner grausamen Behandlung der muslimischen Minderheit der Uigur*innen nach vielen Berichten an der Schwelle eines Völkermords steht. Entsprechend forderten namhafte Autor*innen wie N. K. Jemisin, Martha Wells, G. Willow Wilson und Angie Thomas in Zusammenarbeit mit mehreren Menschenrechtsorganisationen die WorldCon-Community in einem offenen Brief auf, Chengdu die Planung wieder zu entziehen. Jeannette Ng, die 2019 mit ihrer eindrücklichen Dankesrede bewirkte, dass der John W. Campbell Award for Best New Writer in Astounding-Award umbenannt wurde, ging in einem Thread noch weiter und wies darauf hin, dass sie als offene Befürworterin der Proteste in Hongkong keine Möglichkeit habe, sicher nach China einzureisen.

Spätestens mit der Ankündigung der Ehrengäste wurde es dann noch schwieriger, die Veranstaltung zu verteidigen. Neben Cixin Liu, der zwar zweifellos Chinas populärster Science-Fiction-Autor ist, aber immer wieder durch seine konservativen und regierungsnahen Positionen auffällt, stand auch Sergej Lukianenko auf der Liste. Der russische Autor, der in den 2000ern mit Wächter der Nacht bekannt wurde, ist bereits seit längerem als Befürworter der russischen Invasion der Ukraine bekannt und hatte bereits die Annexion der Krim begrüßt. Lukianenko wurde zwar in Folge von Protesten wieder ausgeladen, hatte aber weitere Zweifel bezüglich der Veranstaltung gesät.

Die große Hoffnung für 2023 waren zweifellos der interkulturelle Austausch und die Möglichkeit, die progressive und vielfältige Phantastik der letzten Jahre in China bekannter zu machen. Allerdings war die diesjährige Shortlist mit Abstand die unpolitischste seit Jahren. Da die absoluten Nominierungszahlen immer erst nachträglich veröffentlicht werden, kann man über die Gründe aktuell nur spekulieren. Dass mit N. K. Jemisins The World We Make und R. F. Kuangs Babel zwei absolute Favoriten nicht auftauchen, lässt vermuten, dass beide eine Nominierung aus Protest abgelehnt haben.

Alternativ würde sich nämlich die Frage aufdrängen, ob das Fandom nach einer längeren Phase gesteigerten politischen Bewusstseins diskursmüde geworden ist oder der politisch interessiertere Teil der Leser*innenschaft die Veranstaltung von vornherein boykottiert hat. Sich einen Eindruck von der Verleihung zu machen wurde am Samstag zudem dadurch erschwert, dass es keinen öffentlichen Stream gab und nur Personen mit einer (recht teuren) Online-Membership digital dabei sein konnten. Kurz: Es wird in den nächsten Wochen noch viel aufzuarbeiten sein, bis sich ein faires und ausgeglichenes Gesamtbild der 81. WorldCon ergeben kann.

Was aber zweifellos auch stimmt, ist, dass die Awards abseits der nominierten Romane deutlich internationaler aufgestellt waren als in vergangenen Jahren. Drei der nominierten Kurzgeschichten waren aus dem Chinesischen übersetzt, und unter den nominierten Noveletten befand sich neben dem Gewinnertitel The Space-Time Painter des chinesischen Schriftstellers Hai Ya mit Wole Talabis A Dream of Electric Mothers auch ein nigerianischer Beitrag. Auch „Best Professional Artist“ für Enzhe Zhao und „Best Fanzine“ für Zero Gravity Newspaper gingen nach China, was zumindest ein klares Zeichen sein sollte, dass die Hugo-Awards langfristig den Anspruch haben, keine rein englischsprachige Angelegenheit zu bleiben.

Zu den prominenteren – und weniger überraschenden – Gewinner*innen gehörten Adrian Tchaikovsky, der für seine Reihe Children of Time ausgezeichnet wurde, Seanan McGuire mit der Wayward Children-Novelle Where the Drowned Girls Go und Samantha Mills, deren hervorragende Kurzgeschichte Rabbit Test sich mit der Kulturgeschichte von Schwangerschaftstests auseinandersetzt und diese in eine dystopische Zukunft weiterdenkt.

Die Nominierten:

Legends & Lattes – Travis Baldree (Tor)

Travis Baldree dürfte der wichtigste Newcomer des Jahres sein und wurde Samstag dementsprechend auch mit dem Astounding-Award als bester neuer Autor ausgezeichnet. Sein Debut trägt den Untertitel A Novel of High Fantasy and Low Stakes, also „ein High-Fantasy-Roman, bei dem wenig auf dem Spiel steht“, und dieses Versprechen hält das Buch, das Baldree übrigens im Rahmen des NaNoWriMo verfasste, vollkommen. Die Geschichte der Orkkriegerin Viv, die ihr unstetes, gewalttätiges Leben satt hat, sich in einer herkömmlichen Fantasystadt zur Ruhe setzt und das allererste Café eröffnet, ist der Inbegriff von Cozy Fantasy, dem ultimativen Feelgood-Genre der Stunde.

Das zunächst für den Selbstverlag gedachte Buch wurde schlagartig bekannt, als Star-Autorin Seanan McGuire sich online positiv darüber äußerte. Nach jahrelanger Pandemie und in Anbetracht der weltweiten politischen Lage ist es auch kein Wunder, dass viele Leser*innen dem Charme dieser einfachen Erzählung über Freundschaft und dem Traum vom guten Leben erliegen. In der Tat hat es etwas unmittelbar Befriedigendes, Viv dabei zu begleiten, wie sie in harter Arbeit ein Haus saniert, freundliche Wesen um sich schart und nebenbei den Eiskaffee erfindet. Ein harmloseres Buch wurde nie geschrieben.

Das sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese unterkomplexe Form des „Hilfst Du mir, helf ich Dir“-Narrativs nur haarscharf an einer neoliberalen Startup-Fantasie vorbeischabt, in der man sich nur etwas anstrengen und sein Startkapital geschickt einsetzen muss, um ans Ziel seiner Wünsche zu gelangen. Gepaart mit der eher uninspirierten Erzählweise hinterlässt diese Form von Eskapismus dann doch eher einen schalen Nachgeschmack.

© Tor
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Die harten Fakten

  • Verlag: Tor
  • Autor: Travis Baldree
  • Erscheinungsdatum: 10. November 2022
  • Sprache: Englisch (auch auf Deutsch erhältlich )
  • Format: Gebunden
  • Seitenanzahl: 320
  • ISBN: ‎978-1-0350-0730-1
  • Preis: 20,99 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

The Kaiju Preservation Society – John Scalzi (Tor)

Anders als Baldree ist John Scalzi auf der WorldCon bereits ein alter Hase, nennt drei Hugo-Awards sein Eigen und blickt auf zahlreiche Nominierungen zurück, zuletzt 2018 für den ersten Band seiner Space Opera The Collapsing Empire (Deutsch: Das Imperium der Ströme). 2015 machte er Schlagzeilen, als Tor mit ihm einen Millionenvertrag für 13 Bücher abschloss. Doch wie vielen Autor*innen machte auch ihm die Corona-Pandemie einen Strich durch den wohl durchgeplanten Terminkalender, und der Roman, den er 2020 schreiben wollte, wurde nie fertig. Stattdessen entstand 2021 The Kaiju Preservation Society, ein selbst für Scalzis Verhältnisse heiteres Buch voller Popkulturanspielungen. Dass er sich damit im Juni prompt beim Locus-Award für den besten Science-Fiction-Roman gegen ernsthaftere und politisch anspruchsvollere Titel durchsetzen konnte, dürfte viele Fans überrascht haben.

Dabei ist die ironische Erzählung von Jamie, der aus Verzweiflung ob des US-amerikanischen Arbeitsmarktes den Job bei einer vermeintlichen Tierschutzorganisation annimmt, ein sehr solides Science-Fiction-Abenteuer. Gemeinsam mit ebenso brillanten wie schlagfertigen Wissenschaftler*innen reist er in ein von riesigen Monstern bevölkertes Paralleluniversum, dessen tödliche Fauna nicht nur erforscht, sondern auch vor gierigen CEOs beschützt werden muss. Diese einfache Prämisse, die quasi danach schreit, von Guillermo del Toro verfilmt zu werden, eignet sich zwar nicht als Grundlage für tiefschürfende Untersuchungen über die Natur des Menschen, macht aber jede Menge Spaß. So zweidimensional die Figuren zum Teil sind, so unterhaltsam sind ihre sitcomartigen Interaktionen miteinander, und spätestens, wenn das erste Kaiju sich nicht dort aufhält, wo die Forscher*innen es vermuten, steht fest: Hier geht es um kurzweilige Action ohne allzu großen Anspruch.

Das bedeutet nicht, dass jegliche Kritik an Scalzis Monsterspaß unbegründet wäre. Popkulturelle Referenzen und bemüht nerdige Insider mögen von The Big Bang Theory bis Ready Player One die 2010er geprägt haben, sind aber längst nicht mehr der neueste Schrei. Andererseits können wir nach den letzten Jahren alle etwas zum Lachen gebrauchen…

© Tor
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Die harten Fakten

  • Verlag: Tor
  • Autor: John Scalzi
  • Erscheinungsdatum: 15. März 2022
  • Sprache: Englisch
  • Format: Gebunden
  • Seitenanzahl: 264
  • ISBN: 978-0-7653-8912-1
  • Preis: 27,63 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

The Spare Man – Mary Robinette Kowal (Tor)

Eigentlich wollte die reiche Erbin Tesla Crane einfach nur in romantischer Anonymität ihre Flitterwochen verbringen, doch als auf der interplanetaren Luxusraumfähre ISS Lindgren ein Mord geschieht und ausgerechnet Teslas frischgebackener Ehemann beschuldigt wird, muss sie diesen Plan wohl oder übel aufgeben. Da sie ihre Anwältin nur zeitverzögert zuschalten lässt und sich die Security an Bord schockierend ungeschickt anstellt, muss die Unternehmerin ihren gesamten Scharfsinn zusammennehmen und in die Ermittlungen eingreifen. Unterstützt wird sie dabei von ihrem entwaffnend flauschigen Begleithund Gimlet und hochwertigen Spirituosen.

Hugo-Preisträgerin Mary Robinette Kowal verlässt mit diesem klassischen Weltraumkrimi das Universum der Lady Astronaut-Reihe, knüpft aber an die Stärken des letzten Bandes The Relentless Moon an: High Society Drama, durchdachte Weltraumtechnologie und eine Ermittlerin wider Willen, die neben rätselhaften Morden auch mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hat, sorgen für beste Unterhaltung, ohne das apokalyptische Hintergrundrauschen einer sterbenden Erde. Passend zum deutlich harmloseren Ton der Geschichte werden die Kapitel von spritzigen – und teilweise selbstkreierten – Cocktailrezepten eingeleitet, die dazu einladen, Tesla Cranes schillerndem Lebensstil ein klein wenig nachzueifern.

So spaßig die Ermittlungen an Bord der Raumfähre auch sind, so wenig bleibt der Roman allerdings im Gedächtnis. Das liegt vor allem daran, dass die Figuren überwiegend etwas zweidimensional sind. Insbesondere Teslas Ehemann – gutaussehend, witzig, hingebungsvoll unterstützend – wirkt, als habe man den Ehemann aus The Calculating Stars eins zu eins kopiert. Das tut der Unterhaltung keinen Abbruch, aber ich beginne mir zu wünschen, dass Kowal eines ihrer perfekten Paare endlich mal in eine Ehekrise stürzt.

© Tor
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Die harten Fakten

  • Verlag: Tor
  • Autorin: Mary Robinette Kowal
  • Erscheinungsdatum: 11. Oktober 2022
  • Sprache: Englisch
  • Format: gebunden
  • Seitenanzahl: 357
  • ISBN: 978-1-2508-2915-3
  • Preis: 25,39 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Nona the Ninth – Tamsyn Muir (Tor)

Eigentlich war als Abschluss von Tamsyn Muirs Locked Tomb-Trilogie ein Buch namens Alecto the Ninth angekündigt, doch die Autorin musste sich eingestehen, dass eine ihrer Figuren doch noch nach einem eigenen Band verlangte. So wurde aus der geplanten Trilogie eine Tetralogie, und Nona the Ninth eroberte die Herzen der Fans im Sturm.

Die naive und herzensgute Nona lebt mit ihrer ungewöhnlichen Familie auf einem heftig umkämpften Planeten. Es stört sie nicht, dass Camilla und Palamedes sich einen Körper teilen und Pyrrha merklich nicht darin geübt ist, einen Haushalt zu führen, denn alle drei kümmern sich um sie so gut es geht. Nona weiß, dass ihr eigener Körper älter ist als ihr Geist und sie ihn vermutlich eines Tages zurückgeben muss, doch bis dahin läuft sie staunend durch die Welt und hofft, noch möglichst viele Hunde zu streicheln…

Dass Muir zu den talentiertesten Autor*innen ihrer Generation gehört, ist klar. Dass sie einen aber auch nach zwei Büchern noch so überraschen kann, mühelos Ton und Genre wechselt und dabei ebenso elegant wie selbstverständlich den Weltenbau, der in den Vorgängern keinen Raum hatte, nachreicht, ist schon ein starkes Stück. Während Gideon the Ninth und Harrow the Ninth mit ihren lesbischen Totenbeschwörerinnen im Weltraum vor Coolness und cleveren Aha-Momenten nur so strotzten, ist Nonas Geschichte von beinahe rührender Unschuld. Einige in Rückblenden und vagen Erinnerungen erzählte Twists gibt es trotzdem, die Nebengeschichte von Camilla und Palamedes nimmt an Fahrt auf und am Ende sind alle Figuren für das große Finale in Stellung gebracht, das wir hoffentlich nächstes Jahr endlich erleben können.

© Tor
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Die harten Fakten

  • Verlag: Tor
  • Autorin: Tamsyn Muir
  • Erscheinungsdatum: 13. September 2022
  • Sprache: Englisch
  • Format: gebunden
  • Seitenanzahl: 480
  • ISBN: 978-1-2508-5411-7
  • Preis: 22,26 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

The Daughter of Doctor Moreau – Silvia Moreno-Garcia (Jo Fletcher Books)

Nach ihrem Erfolgsroman Mexican Gothic wagt sich die kanadisch-mexikanische Autorin Silvia Moreno-Garcia an eine postkoloniale Neuerzählung von H. G. Wells Klassiker Die Insel des Doktor Moreau und verlegt die Handlung auf die mexikanische Halbinsel Yucatán. Hier führt der titelgebende Wissenschaftler unlautere Genexperimente an Tieren durch, unterstützt von seiner einzigen Tochter Carlota. Deren behütetes und alles andere als unglückliches Leben gerät aus den Fugen, als der attraktive Sohn ihrer Geldgeber*innen auftaucht und ihr den Hof macht, sehr zum Ärger des Haushofmeisters Montgomery. Ehe sie es sich versieht wird Carlota in den Unabhängigkeitskampf der Maya hineingezogen und muss rasch das Geheimnis ihrer eigenen Geburt lüften, bevor ihr heiles Zuhause für immer vernichtet wird.

Zugegeben: Ganz neu ist der Twist, dem Doktor eine Tochter zur Seite zu stellen, nicht, und Variationen dieser Figur bevölkern die Filmwelt seit Jahrzehnten, sodass sich Moreno-Garcias Neuerzählung allzu oft anfühlt wie eine Nacherzählung. Dafür tragen Setting und Perspektive einiges dazu bei, die klassisch-kolonialistische Lesart der Geschichte umzukehren. Weder werden die wahren Monster hier in Laboren erschaffen, noch ist das im Dschungel verborgene Anwesen ein Gefängnis, aus dem bemitleidenswerte Kreaturen von aufgeklärten Held*innen gerettet werden müssen. Im Gegenteil: Die sonst entweder als blutgierige Ungeheuer oder hilflose Opfer abgetanen Tiermenschen werden hier zu eigenständigen Akteur*innen, die vor allem einen Ort wollen, an dem man sie in Ruhe lässt.

Das ist dann auch die große Stärke des Romans, der ansonsten etwas hinter seinem Vorgänger zurückbleibt. Zur vollständigen Teilzeithelden-Rezension geht es hier.

© Jo Fletcher Books
© Jo Fletcher Books

Die harten Fakten

  • Verlag: Jo Fletcher Books
  • Autorin: Silvia Moreno-Garcia
  • Erscheinungsdatum: 19. Juli 2022
  • Sprache: Englisch (auch auf Deutsch erhältlich)
  • Format: Gebunden
  • Seitenanzahl: 320
  • ISBN: 978-1-5294-1799-9
  • Preis: 20,95 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Der Gewinner:

Nettle & Bone – T. Kingfisher (Tor)

Als drittgeborene Prinzessin eines kleinen Königreichs kann Marra sich glücklich schätzen: Sie darf zurückgezogen in einem Kloster leben, wo sie sogar eine halbwegs nützliche Ausbildung erhält. Ihre ältere Schwester hingegen hat den Prinzen des Nachbarlandes geheiratet und ist nun seinen Stimmungsschwankungen und Gewaltausbrüchen ausgeliefert. Um ihr zu helfen, muss Marra sich auf eine im wahrsten Sinne des Wortes märchenhafte Reise begeben, einen Hund aus Knochen bauen, einen Umhang aus Nesseln weben, Mondlicht in einem Einmachglas fangen und vor allem einen Weg finden, ihren Schwager ein für allemal aus dem Weg zu räumen. Dabei findet sie die unwahrscheinlichsten Weggefährt*innen…

Kingfisher, so das Pseudonym der Schriftstellerin Ursula Vernon, nennt bereits mehrere Hugos ihr Eigen und gewann vorletztes Jahr außerdem für A Wizard’s Guide to Defensive Baking den Lodestar-Award für den besten Young-Adult-Roman. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass ihr Name nun auch auf der Shortlist für den besten Roman auftaucht, zumal Nettle & Bone ihr bislang bestes Buch sein dürfte. Das feministische Märchen über Loyalität und Selbstbestimmung besticht mit dem vielleicht charmantesten Duo alter Damen seit Oma Wetterwachs und Nanny Ogg (Pratchett-Fans wissen, wovon ich spreche) und tut einiges dafür, klassische Frauenrollen von der bösen Hexe bis zur guten Fee umzuwerten. Damit erfindet es zwar das (Spinn-)Rad nicht neu, unterhält aber ganz hervorragend.

Es ist ein eher harmloses Buch auf einer ohnehin eher hamrlosen Shortlist, für das die Fans sich dieses Jahr entschieden haben. So gewagt das Experiment einer WorldCon in Chengdu auch schien, so hitzig die Diskussionen im Vorhinein auch waren, so unkontrovers wirkt nun das Ergebnis. Kingfisher selbst war nicht vor Ort, um ihren Preis entgegenzunehmen, amüsierte das Publikum aber auch in Abwesenheit mit ihrer verlesenen Dankesrede, in der es um äußerst optimistische Wasserkäfer ging.

Eskapismus ist nichts Schlimmes, und unter allen augenzwinkernden, Rippenstöße versetzenden und generell auf die Lachmuskeln der Leser*innen abzielenden Titel auf dieser Liste war Nettle & Bone zweifellos das beste. Ein etwas merkwürdiges Bauchgefühl bleibt trotzdem zurück: Seit Jahren war keine Hugo-Shortlist so unpolitisch, und das ausgerechnet in dem Jahr, in dem das Fandom sich stärker international ausrichtet. Was das bedeutet, wird uns vermutlich noch lange beschäftigen.

© Tor
© Tor

Die harten Fakten

  • Verlag: Tor
  • Autorin: Kingfisher
  • Erscheinungsdatum: 26. April 2022
  • Sprache: Englisch
  • Format: gebunden
  • Seitenanzahl: 243
  • ISBN: 978-1-2502-4404-8
  • Preis: 23,84 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon (auch in deutscher Übersetzung), idealo

 

 

Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Rick Davids
Artikelbilder: © Wie gekennzeichnet
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