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HEV-Anzug? Check. Brecheisen? Check. Mehr benötigt Gordon Freeman, der Protagonist aus Half-Life, nicht, um seine Reise zu beginnen, die nicht weniger zum Ziel hat, als die Menschheit zu retten. Er begegnet dabei vielen Gefahren, außerirdischen Kreaturen und einem scheinbar übermächtigen Gegner. Doch er ist niemals allein in seinem Kampf.


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Alles begann im Jahr 1998 mit Half-Life, dem Erstlingswerk von Valve. Inzwischen besteht die Reihe aus Half-Life mit den beiden Erweiterungen Half-Life: Opposing Force und Half-Life: Blue Shift, Half-Life 2 mit den beiden episodenhaften Fortsetzungen Half-Life 2: Episode One und Half-Life 2: Episode Two, sowie der spielbaren Technologiedemo Half-Life 2: Lost Coast und schließlich Half-Life: Alyx.

Alle Teile der Reihe haben eine Altersfreigabe ab 18 Jahren und sind zusätzlich in der deutschen Version geschnitten. Half-Life war in der ungekürzten Fassung sogar bis 2017 indiziert. Die geschnittene Fassung erhielt eine Altersfreigabe ab 16 Jahren. Über die Jahre entstanden unzählige fangemachte Mods. Darunter auch die wohl bekannteste: Counter-Strike. Von Hobby-Entwickler*innen erstellt, wurde die Mod später von Valve angeworben und als eigenständiges Spiel vertrieben.

Die gesamte Half-Life-Reihe besteht aus linearen Ego-Shootern. Inzwischen liegen zwischen Half-Life, dem ersten Spiel, und der neuesten Veröffentlichung Half-Life: Alyx zweiundzwanzig Jahre. In allen Spielen, bis auf den letzten Teil, nimmt man die Rolle von Gordon Freeman ein. Seine drei wichtigsten Merkmale sind der HEV-Anzug (kurz für Hazardous Environment), das Brecheisen und die Tatsache, dass er kein einziges Wort spricht.

© Valve
© Valve

Half-Life

Es beginnt. Als unwissender, unschuldiger und unbescholtener junger theoretischer Physiker Gordon Freeman startet man einen gewöhnlichen Arbeitstag in der fiktiven, geheimen Forschungseinrichtung Black Mesa. Der Beginn des Spiels erinnert dabei an die Titelsequenz von Filmen, in denen Mitglieder des Filmstabs und Schauspieler*innen aufgelistet sind. In aller Ruhe fährt man in einer Art Gondel durch den riesigen Komplex der Forschungseinrichtung und hat Zeit sich alles anzuschauen. Die Sequenz dient auch ein bisschen als Foreshadowing, da man viele oder ähnliche Orte im späteren Spielverlauf besuchen wird.

Das Hauptmenü von Half-Life.
Das Hauptmenü von Half-Life.

Schließlich am eigentlichen Arbeitsplatz angekommen, zieht man den HEV-Anzug an, der Träger*innen – wie der Name schon sagt – Schutz vor gefährlichen Umgebungen bietet. Auf dem Anzug ist der griechische Buchstabe Lambda zu sehen. Damit wird – nicht zum letzten Mal – eine Verbindung zum Titel der Spielreihe hergestellt. Denn der Buchstabe Lambda stellt die Zerfallskonstante in der Gleichung dar, mit der die Halbwertszeit (Half-life) ausgerechnet wird.

Gordons heutige Aufgabe ist es, Wissenschaftler*innen bei einem Experiment an einem Kristall aus Xen, einer Grenzwelt, die mehrere Dimensionen miteinander verbindet, zu assistieren. Doch das Experiment geht schief, Teile des Black Mesa Komplexes werden zerstört und durch einen Riss im Raum-Zeit-Kontinuum entsteht ein Portal nach Xen.

Gordon muss schnell feststellen, dass feindliche Kreaturen durch dieses Portal gelangen. Darunter die bekannten Kopfkrabben, die Wissenschaftler*innen und Sicherheitspersonal anfallen, um sie kontrollieren zu können, wodurch sie zu willenlosen Zombies werden. Um sich wehren zu können, gelangt Gordon schnell an die ikonischste Waffe der Spielreihe: das Brecheisen. Mit etwas Geschick und Timing lassen sich so Kopfkrabben und Zombies ausschalten, ohne selbst Schaden zu nehmen. Aber nicht nur Aliens trachten nach Gordons Leben, sondern auch eine militärische Sondereinheit, die geschickt wurde, um Black Mesa nach dem Vorfall zu sichern – was auch bedeutet, alle Zeug*innen zu eliminieren. Im Gegenzug findet man im Verlauf des Spiels dreizehn weitere Waffen, darunter eine Pumpgun, eine Armbrust und einen Raketenwerfer. Ausgerüstet mit Waffen und HEV-Anzug macht Gordon sich auf, die Einrichtung zu durchqueren und letztendlich den Lambda Komplex zu erreichen, um von dort aus nach Xen geschickt zu werden, damit er das dortige Portal zur Erde schließen kann.

Half-Life spielt irgendwann zwischen den Jahren 2000 und 2009, vom Zeitpunkt der Entwicklung und Veröffentlichung aus gesehen also leicht in der Zukunft. Große Teile der verwendeten Technologie, wie etwa die Möglichkeit der Teleportation, sind futuristisch und unterstreichen den Status von Black Mesa als Forschungseinrichtung mit strenggeheimen Projekten.

Während Half-Life zu einem großen Teil im Black Mesa Komplex spielt, ist die Umgebung sehr abwechslungsreich: Auf seinem Weg durchquert Gordon unter anderem Büros, Labore, ein unterirdisches Schienennetz, startet eine Rakete, um eine besonders gefährliche außerirdische Kreatur besiegen zu können und landet schließlich in Xen. Unterwegs bekommt er immer wieder Hilfe von Wissenschaftler*innen und Sicherheitspersonal, die mehr und mehr realisieren, dass er ihre einzige Hoffnung ist.

Eine Szene aus Half-Life. © Valve
Eine Szene aus Half-Life. © Valve

Black Mesa

Zunächst als Mod, später dann als eigenständiger Titel, wurde Anfang 2020 Black Mesa veröffentlicht. Das Spiel ist ein Fan-Remake von Half-Life und hatte eine Entwicklungszeit von mehr als fünfzehn Jahren. Das Ergebnis kann sich jedoch sehen lassen. Deutlich verbesserte Grafik und Spielweise, sowie eine starke Überarbeitung der Kapitel in Xen zum Besseren, können überzeugen und machen das Spiel zu einem mindestens genauso wertvollen Erlebnis wie Half-Life selbst. Insbesondere die wunderschöne und atemberaubende Landschaft der Grenzwelt Xen zeigt, wie viel Mühe und Liebe in dieses Projekt geflossen sind.

Dieselbe Szene in Black Mesa.
Dieselbe Szene in Black Mesa.

Half-Life 2

Im Jahr 2004 folgte mit Half-Life 2 die Fortsetzung des erfolgreichen Ego-Shooters. Die Ereignisse finden irgendwann in den 2020er Jahren statt. Erneut schlüpfen die Spieler*innen in die Rolle von Gordon Freeman, der vom sogenannten G-Man – einer geheimnisvollen Figur – auf den Plan gerufen wird. Obwohl etwa zwanzig Jahre vergangen sind, scheint Gordon nicht gealtert zu sein. Der Rest der Welt hat sich dafür umso mehr geändert: Durch den Vorfall in Black Mesa war es einer außerirdischen Spezies, den Combine, möglich, zur Erde zu gelangen und diese innerhalb von nur sieben Stunden zu erobern. Nur durch das Eingreifen des Black Mesa-Verwalters Dr. Wallace Breen als Unterhändler der Menschen wurde die Erde nicht vollkommen vernichtet.

Das Leben der verbliebenen Menschen ist unter der Herrschaft der Combine jedoch alles andere als leicht. Sie müssen in Ballungsräumen dicht gedrängt leben, werden unterdrückt, müssen sich alles Lebensnotwendige rationsweise an Schaltern abholen und ihnen ist jegliche Fortpflanzung untersagt, was mit einer Technologie der Combine forciert wird. Der offizielle Grund ist, dass sie auf diese Weise, durch die Unterdrückung dieses Instinkts die nächste Stufe der Evolution erreichen sollen. Effektiv bedeutet es jedoch, dass die zurzeit lebenden Menschen die letzten sein werden.

Mitglieder des Ordnungsschutzes der Combine
Mitglieder des Ordnungsschutzes der Combine

Gordon startet seine Reise am Bahnhof von City 17. Dort werden die Combine auf ihn aufmerksam, er wird aber gerade noch rechtzeitig von seinem alten Freund Barney Calhoun gerettet, der früher zum Sicherheitspersonal von Black Mesa gehörte. Bald trifft Gordon auf die ehemaligen Black Mesa-Wissenschaftler Dr. Isaac Kleiner und Dr. Eli Vance, die zusammen mit Elis Tochter Alyx eine Widerstandsbewegung gegen die Combine anführen und deshalb meist im Untergrund agieren. Zeichen der Bewegung ist der griechische Buchstabe Lambda. Der Grund dafür ist vermutlich zum einen, da der Lambda Komplex von Black Mesa die Technologie zur Teleportation beherbergte, mit der Gordon nach Xen geschickt wurde, um das Portal zu schließen. Zum anderen wird erneut eine Verbindung zum Titel der Spielreihe gezogen.

Gordons Ziel ist schnell ausgemacht: Die Zerstörung der Zitadelle von City 17, welche die Combine in jeder Stadt errichten, um von dort aus das Leben in den Städten kontrollieren zu können. Dazu erhält Gordon erneut mit dem HEV-Anzug und dem Brecheisen die beiden wichtigsten und markantesten Gegenstände der Spielreihe.

Da die Combine inzwischen bemerkt haben, dass Gordon ein nicht registrierter Bürger ist, verfolgen sie ihn. Auch in diesem Spiel sind Umgebung und Herausforderungen sehr abwechslungsreich. So durchquert man toxische Gewässer auf einem Sumpfboot, braust die Küstenstraße auf einem Buggy entlang, bricht in ein Hochsicherheitsgefängnis ein und schlägt sich mit einer Horde Zombies in einer Geisterstadt herum. Dabei sammelt man nach und nach neue Waffen ein, von denen das Gravitron die bemerkenswerteste ist. Mit ihm können Objekte herangezogen oder hochgehoben und auf die Bösen geworfen werden. Dadurch eröffnen sich viele kreative Einsatzmöglichkeiten. Während Gordon sich seinen Weg zur Zitadelle bahnt und für die Combine schnell zum Hauptziel wird, das es gilt auszuschalten gilt, entwickelt er sich für die Menschen zum Symbol der Widerstandsbewegung.

Sechs Jahre nach Half-Life kann Half-Life 2 mit einer deutlich verbesserten Grafik aufweisen. Auch basiert das Spiel auf der damals neu entwickelten Source Engine. Wie im ersten Teil wurde Wert auf Immersion gelegt. Diese wird nicht nur durch die Egoperspektive, sondern auch durch das Fehlen von Zwischensequenzen erreicht. Die Spieler*innen erleben und erfahren alles aus Gordons Sicht. Sie erhalten nur die Informationen, die Gordon erhält und was er nicht weiß, wissen sie auch nicht. Dies trifft auch auf die Geschehnisse zwischen Half-Life und Half-Life 2 zu. Da Gordon sich in dieser Zeit in einer Art Stasis befand, erfahren er und der*die Spieler*in nur dann etwas darüber, wenn beispielsweise NSCs davon erzählen.

Noch heute, siebzehn Jahre nach Veröffentlichung, belegt Half-Life 2 auf der Metascore-Liste der besten PC-Spiele aller Zeiten Platz 2 und bis März 2021 Platz 1.

Episode One und Episode Two

Der erste Teil der episodenhaften Fortsetzung Half-Life 2: Episode One setzt unmittelbar nach dem Ende von Half-Life 2 ein. Gordon und Alyx müssen zunächst den Kern der Zitadelle stabilisieren, damit möglichst viele Zivilisten evakuiert werden können, bevor er explodiert. Danach müssen beide selbst aus der Stadt fliehen. Hierbei weist insbesondere die erste Hälfte horrorartige Elemente auf, da man sich durch ein dunkles Parkhaus kämpfen muss, das von Zombies bevölkert wird. Nach mehreren Stationen und vielen Konfrontationen erreichen sie schließlich einen Zug, der sie aus der Stadt bringt, kurz bevor der Kern explodiert.

Half-Life 2: Episode Two knüpft wiederum direkt an die Geschehnisse von Episode One an. Man erwacht, wie gehabt, als Gordon im Zug, der durch die Druckwelle der Explosion entgleist ist. Schließlich finden er und Alyx heraus, dass sie einen Weg nach White Forest, einer alten Raketenabschussbasis, finden müssen, denn dieser Ort dient nun als Hauptquartier für den Widerstand. Dieses Mal muss man sich unter anderem durch den riesigen Bau einer außerirdischen Spezies kämpfen, Alyx retten und vielen Gefahren trotzen, während man sich mit einem Auto den Weg Richtung Ziel bahnt. Doch die beiden müssen sich beeilen, denn es gibt einen Plan, um die Combine loszuwerden, aber der Feind ist schon im Anmarsch.

Episode One wurde 2006 veröffentlicht, Episode Two 2007. Eine Besonderheit beider Episoden ist, dass man zu großen Teilen von Alyx begleitet wird. Hierbei wurde darauf geachtet, durch Verhalten, Mimik und Aussagen von Alyx zu zeigen, dass sie und Gordon eine immer größere Beziehung zueinander aufbauen.

Der G-Man

Der G-Man (kurz für Government Man) ist eine mysteriöse Figur. In den Spielen wird er nie so genannt, sondern erhielt den Namen von den Spieler*innen, da der Begriff in den Spieldateien für sein Modell verwendet wird. Einige der bekanntesten Zitate aus den Spielen stammen von ihm.

Der G-Man ist Teil einer unbekannten Organisation. Diese beauftragt Menschen mit Aufgaben, deren Grund nicht ersichtlich ist. Auch ist nicht klar, ob diese Menschen das freiwillig tun oder nicht wirklich eine Wahl hatten. Zumindest werden sie in eine Art Stasis versetzt, wenn sie nicht gebraucht werden.

Der G-Man selbst verfügt über nichtmenschliche Kräfte, da er etwa die Zeit anhalten kann. Auch seine Sprechweise deutet darauf hin, dass er möglicherweise kein Mensch ist, sondern ein außerirdisches Wesen, das sich lediglich als solcher ausgibt. So betont er viele Wörter falsch, macht unpassende Pausen und dehnt Silben unnötig in die Länge.

Der G-Man taucht in allen Spielen der Reihe immer wieder in einiger Entfernung zu Gordon auf, meist an unzugänglichen Orten, und beobachtet oft das Geschehen, bevor er den Sichtbereich verlässt. Viele dieser Erscheinungen kann man schnell verpassen, wenn man auf etwas anderes fokussiert ist. Er taucht jedoch auch immer wieder prominent auf. So am Ende von Half-Life, als er Gordon das Angebot macht, für seine Vorgesetzten zu arbeiten. Die Alternative ist der Tod in Xen.

Die Motive, Herkunft und wahre Gestalt des G-Mans sind unbekannt, er scheint jedoch ein Feind der Combine zu sein. Er ist eine geheimnisvolle Gestalt, die mehr Fäden in der Hand zu haben scheint, als es auf den ersten Blick wirkt. Denn es ist der G-Man, der Gordon aus seiner Stasis holt, somit die Ereignisse von Half-Life 2 in Gang setzt und zu einem späteren Zeitpunkt erneut eingreift.

Half-Life: Alyx

2020 erschien mit Half-Life: Alyx der neueste Teil der Reihe. Dieser unterscheidet sich von seinen Vorgängern, da er als reines Virtual-Reality-Spiel ausgelegt ist. Auch ist es der erste Teil, zu dem es keine deutsche Sprachausgabe gibt, lediglich Untertitel. Da das Spiel noch recht neu ist, soll an dieser Stelle nur grob auf den Inhalt eingegangen werden.

Die Geschehnisse ereignen sich zeitlich zwischen Half-Life und Half-Life 2. Dieses Mal spielt man jedoch nicht als Gordon Freeman, sondern als Alyx Vance, die Tochter des ehemaligen Black Mesa-Wissenschaftlers Eli Vance. Beide wurden einige Jahre zuvor nach City 17 zwangsumgesiedelt. Doch auch dort gehen sie weiterhin ihren wissenschaftlichen Forschungen nach, um im Kampf gegen die Combine besser bestehen zu können und Widerstand zu leisten.

Der rechte Mann am falschen Ort …

Die Half-Life-Reihe begeistert nun schon seit zweiundzwanzig Jahren ihre Fans. Ob man sie nur einmal durchspielt oder mehrmals: Die Spiele bleiben im Gedächtnis. Alle Teile bieten eine abwechslungsreiche Umgebung, verschiedenste Gegner, aber auch befreundete Charaktere wie Alyx oder Dr. Isaac Kleiner mit seiner Haustier-Kopfkrabbe Lamarr, die Gordon helfen. Es gibt nicht nur Schießeinlagen, um weiterzukommen, sondern immer wieder kleine Rätsel, die gelöst oder Jump-and-Run Einlagen, die gemeistert werden müssen. Als Gordon Freeman nimmt man dabei die alles entscheidende Rolle ein. Wenn er keinen Weg findet, dann findet ihn niemand.

Half-Life und sein Nachfolger gehören ohne Frage zu den Klassikern und sollten wenigstens einmal angespielt werden, wenn man auch nur eine leichte Affinität zu Shootern oder Ego-Shootern hat. Es ist auf jeden Fall ein Erlebnis wert, trotz des Alters der Spiele. Tief in die Tasche greifen muss man dafür auch nicht, denn auf Steam sind die Spiele während eines Sales für wenige Euro zu haben.

Also dann: Munter ans Werk!

Artikelbilder: © Valve, © Crowbar Collective
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Nina Horbelt
Screenshots: Ayleen Schmidt

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