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Die Sword & Sorcery-Reihe verspricht, eine Mischung aus Brettspiel und Online-RPG zu sein. Zwischen Dungeon Crawl und Städtetour ziehen wiedererweckte Held*innen gegen Königin Aspides und ihre Verfluchten Elfen. Dabei gilt, es unzählige Monster zu besiegen, Schätze zu plündern und Fallen abzuwehren.

Der kooperative Dungeon-Crawler erzählt die Vorgeschichte von Sword & Sorcery – Unsterbliche Seelen, ist aber ein eigenständiges neues Basisspiel. Beide Grundspiele sind kompatibel und so können die Held*innen, Monster oder Schätze aus dem Vorgänger ebenfalls gespielt werden – man muss nur ein paar Regelanpassungen beachten. Wie auch zuvor stellt der Charaktertod nicht das Ende eines Abenteuers dar, sondern es können an einem Altar die sterblichen Hüllen erneut angelegt werden, um in den Kampf zu ziehen.

Spielablauf

Sword & Sorcery besteht aus zwei Aspekten: Reisen und sich durch Dungeons prügeln. Zum einen erkundet man während der Reise Orte, an denen erzählerisch etwas passiert. Durch Zeitmarker begrenzt, kann man Schmieden, Tempel oder beispielsweise den Rat der Bergleute oder die Gemächer der Verfluchten Elfe Silune aufsuchen. Oft können die Charaktere mit anderen interagieren, einkaufen oder Entscheidungen treffen, deren Konsequenzen sie dann aushalten müssen. Manchmal erhalten sie nur Informationen über die Spielwelt.

Der wesentlich zeitintensivere Teil des Spiels ist der eigentliche Dungeon Crawl, also die Abenteuer. Davon gibt es zehn Stück in Die Alten Chroniken, wobei auch von der Story losgelöste Varianten und komplett eigenständig zusammengebaute Dungeons möglich sind.

In manchen Missionen werden durch Ereignisse weitere Teile des Dungeons aufgedeckt und so der bespielbare Bereich erweitert. In jedem Fall verliert man aber, wenn alle Held*innen gestorben sind oder die letzte Ereigniskarte abgelegt wird. Dieses Rennen gegen die Zeit kann mitunter sehr hart ausfallen und zusätzliche Niederlagebedingungen – wie der Tod gewisser Gefährt*innen – ziehen den Schwierigkeitsgrad weiter an.

Erhebe dich, Held*in…

Wie zuvor wählt man aus fünf Charakteren diejenigen aus, die wiedererweckt und auf die Reise geschickt werden. Sie gibt es jeweils in zwei Varianten, die sich in Fähigkeiten und Gesinnung unterscheiden. Die aus Unsterbliche Seelen bekannten Charaktere können ebenfalls gewählt werden.

Die Verfluchte Elfe Artemis kann als rechtschaffene Späherin oder chaotische Jägerin gespielt werden, der Halbling Robin ist entweder Alchemist oder Dieb, aber immer neutral. Dazu gesellen sich noch Thorgren (Zwerg; rechtschaffener Gladiator oder chaotischer Steinrohling), Jeanne (Mensch; rechtschaffene Rächerin oder chaotische Inquisitorin) und Xantares (Elf; rechtschaffener Illusionist oder chaotischer ungezügelter Magier). Die Gesinnung spielt eine Rolle bei Entscheidungen, die man während des Spiels treffen muss. Außerdem verändern sich einige der wählbaren Fähigkeiten.

Auf der Heldenkarte finden sich die Spezialfähigkeit, der Inventarplatz und die Bewegungsrate des Charakters – zusätzlich der sehr wichtige Rettungswurf. Wann immer ein Rettungswurf gemacht wird, ist das gezeigte Symbol zu würfeln, damit man ihn besteht.

Zwei Seelensteine
Zwei Seelensteine

Mit dem Seelenstein wird ermittelt, welche Startwerte ein Charakter hat: Die Fähigkeiten und die Anzahl der Lebenspunkte – beides variiert von Charakter zu Charakter – und allgemeine Talente stehen fest und verändern sich nur durch Erhöhung des Seelenranges oder temporär durch einige Gegenstände. Hinzu kommt die Anzahl der Kampf- und Standardaktionen. Je höher der Charakter aufsteigt, desto weiter dreht man den mehreckigen Seelenstein, dessen Hälften mit Plastiksteckern verbunden sind.

Alles zusammen legt man an die Heldentafel und fügt noch Gegenstände hinzu. Im Verlauf des Spiels werden wertvolle Beutestücke ihren Platz darauf und daran einnehmen, Fähigkeiten und Talente hinzukommen und hilfreiche wie verfluchte Artefakte platziert. Der benötigte Platz auf dem Spieltisch ist umfangreich und mit den vielen Markern, die während der Kämpfe hinzukommen, gibt es eine ganze Menge zu organisieren. Der Seelenstein ist zudem durch die Plastikverbindung wackelig, was ihn zwar leicht aufzuheben macht, aber auch leicht in wilde Rotation bringt.

Den Seelenrang erhöht man mit Seelensplittern, deren Anzahl man sich mit einem Zähler merkt. Sie sind Belohnung für viele getötete Monster und einige besondere Ereignisse. Zusätzlich zum Aufstieg im Seelenrang benötigt man sie für die Wiederbelebung. Getötete Held*innen können also nur mit einem aktiven Altar und der richtigen Anzahl an Seelensplittern wieder zurückgeholt werden.

Kämpfen, Plündern, Sterben

Die Alten Chroniken hat einen hohen Schwierigkeitsgrad, um einiges höher als das Basisspiel von Unsterbliche Seelen. Das liegt unter anderem daran, dass die Monster verstärkt wurden und ihre Gegnerkarten teils sehr gute Synergien bilden.

Ein Beispiel:

Der Farbcode für das Spiel hilft bei der Einordnung der Stärke von Gegner*innen: Grün steht für die leichtesten, dann kommen Blau, Rot und zuletzt Violett für Bossgegner*innen.

In Unsterbliche Seelen hatte ein Ork-Krieger (rot) zwei Treffer und zwei blaue Würfel für seinen Hauptangriff. Dazu kam ein Feuer I bei einem Magiesymbol.

Der Minotaur aus Die Alten Chroniken ist ebenfalls ein roter Gegner und macht mit seinem Standardangriff zwei Treffer und man wirft vier blaue Würfel. Dazu Rüstungsschaden – der bis zur Reparatur in einer Schmiede bleibt – bei einem gewürfelten Blitz.

Dieser beispielhafte Anstieg der Kampfkraft ist an vielen Stellen spürbar und wird über etwas verstärkte Rüstungswerte manchmal kompensiert, nicht aber auf die Länge eines Kampfes ausgeglichen. Durch die Kombination von verschiedenen Gegner*innen, steigt die Kampfkraft manchmal enorm. So ist die Elfenhexe besonders stark mit vielen Humanoiden in ihrer Zone, denn dadurch senkt sich der Schaden, den sie erhält und die Selbstheilung steigt. Der Dunkelzwerg heilt andere, wenn er nicht im Nahkampf gebunden wird oder gibt ihnen Verstärkungseffekte und der Teufelsgremlin verteidigt sich wesentlich besser, wenn die Held*innen in der Unterzahl sind.

Der Spielablauf gliedert sich in drei Phasen: Zeitphase, Kampfphase und Ereignisphase. In der Zeitphase werden Abklingzeiten von Fähigkeiten durch Kartendrehen gesenkt – die Methodik von Abklingzeiten ist aus etlichen RPGs bekannt. Außerdem können Charaktere im Seelenrang aufsteigen und die zahlreichen Effekte wie Blutung, Feuer oder Blenden müssen verwaltet werden.

In der darauffolgenden Kampfphase wird für jede*n Held*in ein Zug und ein Gegnerzug abgehandelt. Die Charaktere können sich bewegen, Kampf- und Standardaktionen tätigen und beliebig viele freie Aktionen einstreuen. In der Regel versucht man, sich gut zu positionieren, viel Schaden auszuteilen und gegebenenfalls Heilungen zu spendieren oder zu plündern.

Was werden die Gegner*innen als nächstes tun?
Was werden die Gegner*innen als nächstes tun?

Nach jedem Charakter sind die Gegner*innen dran, wozu auch die Plagen zählen: Nervige Nester mit Giftbeißern kommen immer wieder vor und sorgen für Chaos in der Gruppe. Gegner*innen werden mit gezogenen Karten aktiviert, was (innerhalb eines gewissen Rahmens) Unberechenbarkeit ins Spiel bringt.

Sind alle Charaktere mit ihrer kompletten Kampfphase durch, wird in der Ereignisphase eine weitere Karte abgelegt, wenn die oberste Karte bereits aufgedeckt ist, oder umgedreht, wenn sie nicht aufgedeckt ist. Diese Phase ist entscheidend für das Tempo des Spiels. Jede Karte gibt allen Charakteren also zwei Mal die Chance, zu handeln. Natürlich gibt es dabei Ausnahmen, denn manchmal kommen Karten hinzu, es werden schneller Karten abgelegt oder Ähnliches, aber im Prinzip kann man ableiten: Je mehr Karten im Kartenstapel sind, desto mehr Zeit hat man für das Abenteuer. Natürlich muss auch die Größe des Dungeons beachtet werden …

Die Hilfeseite.
Die Hilfeseite.

Eine weitere Besonderheit in dieser Phase ist, dass es einen Tag-Nacht-Wechsel geben kann, der Abklingzeiten beeinflusst und weitere Ereignisse mit sich bringen kann. Diese Karten können in den richtigen (oder falschen) Momenten sehr viel Einfluss auf den Ausgang eines Abenteuers nehmen.

Sword & Sorcery – Die Alten Chroniken ist im Kern nicht sehr komplex. Das Kampfsystem ist überschaubar, wird aber durch die Verpflichtung zu extrem viel Mikromanagement sehr aufgeblasen. Es gibt kein Abenteuer, bei dem man nicht das ein oder andere vergisst, weil gerade mehr als 20 Marker durch die Gegend wandern. Das ist besonders in Kombination mit der langen Spielzeit pro Abenteuer, während der die Konzentration leidet, der Fall. Auf der anderen Seite: Man kann viele gute Stunden mit in Die Alten Chroniken verbringen!

Ausstattung

Das Inlay der Box ist geradezu lächerlich schlecht. Billigstes Plastik ohne Konzept sorgt dafür, dass es eigentlich direkt in den Müll kann und alles in Tütchen oder eigene Kästen geräumt werden muss. Das ist besonders schade, da schon bei Unsterbliche Seelen das Inlay ein Desaster war. Hinzu kommt, dass die Figuren der getesteten Box, welche am besten verpackt sind, Beschädigungen aufweisen: Verbogene Waffen und ein abgerissener Arm lassen an der Qualität zweifeln.

Das Inlay ist leider sehr schlecht.
Das Inlay ist leider sehr schlecht.

An anderer Stelle hat man gelernt: Das Buch der Regeln, also die Anleitung, hat einen Index, der sogar manchmal hilfreich ist. Oft findet man die gesuchten Begriffe aber nicht: Beten zum Beispiel. Dann muss man also überlegen, wohin der Begriff am ehesten passt und diesen neuen Oberbegriff suchen. Das zerrt am Spielspaß. Auch gibt es Differenzen zwischen dem Spielmaterial und der Anleitung: Der kritische Treffermarker für den Effekt Niedergeschmettert hat beispielsweise den englischen Term K.O. vermerkt.

Ein weiterer Negativpunkt der Anleitung ist, dass man viel in ihr herumsucht und ohne die Beispiele an einigen Stellen gar nicht versteht, was gemeint ist. 60 Seiten sind zu viel für das, was letztlich vermittelt wird. Das beigefügte doppelseitige Hilfeblatt erfüllt seinen Zweck recht gut, man muss dennoch immer wieder vertiefend nachblättern.

In der Box sind eine ganze Menge Figuren, Karten und eine unerhört große Anzahl an Markern. Jeder Statuseffekt wird mit einem eigenen Pappteilchen markiert und nachverfolgt – oft müssen sie gedreht oder gewendet werden und ein großer Wohnzimmertisch ist immer noch zu klein für das ganze Material. Dazu kommen die Spielplanteile, die ebenfalls beidseitig bedruckt sind und eine ordentliche Anzahl an Variationen zulassen.

Das Buch der Abenteuer enthält neben den zehn Abenteuern und der Reisekarte auf der Rückseite auch ein paar Regeln für die Anpassung der Schwierigkeit oder den Aufbau von Abenteuern. Im Buch der Geheimnisse finden sich die Paragraphen mit den Textpassagen und hunderten kleinen Geschehnissen, die den Charakteren passieren können. Der Umfang ist im Vergleich zum Vorgänger-Basisspiel gestiegen und bietet viele Stunden Spielspaß.

Die harten Fakten:

  • Verlag: ARES Games Srl/Gremlin Project, Asmodee
  • Autor*in(nen): Simone Romano, Nunzio Surace
  • Erscheinungsjahr: 2021
  • Sprache: Deutsch
  • Spieldauer: > 30 Stunden
  • Spieler*innen-Anzahl: 1 2 3 4 (5)
  • Alter: Laut Hersteller 13+, Empfehlung der Redaktion etwas höher
  • Preis: ~85 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo, KuTaMi

 

Bonus/Downloadcontent

Es gibt die deutschen Regeln und ein Tutorial zum Download auf der Internetseite von Asmodee. Außerdem findet man dort einen Kampagnenbogen, mit der man nachhalten kann, wie die Charaktere einer Gruppe aufgestellt sind. Dafür gibt es auch eine App.

Möchte man mit Held*innen aus dem Basisspiel Unsterbliche Seelen spielen, sind Wertekarten für die Verteidigung enthalten, für Charaktere aus dem Basisspiel und den Erweiterungen gibt es Heldentafeln zum Download.

Fazit

Mit Die Alten Chroniken erhält man eine große Box mit viel Inhalt und schlechtem Inlay. Das klassische Fantasy-Thema ist gut umgesetzt und mit gut gestalteten Missionen und – etwas klischeehaften – Texten nimmt das Spiel einen mit auf eine fesselnde Reise. Jeder Charaktertod ist bitter, aber mit der Auferstehung verliert man lediglich Zeit und Ressourcen, statt direkt ein*e Mitstreiter*in. Die Zeit kann aber genau das sein, was einem am Ende fehlt.

Grundsätzlich prügelt man sich durch die Gegner*innen, erhält eine riesige Flut an Statusmarkern und rennt gegen die Zeit. Runtergebrochen auf diese wenigen Aspekte klingt das Spiel nach nicht viel. Tatsächlich entwickelt es doch einen hohen Reiz, die nicht gerade einfachen Herausforderungen zu schaffen. Auch die Story hat daran Anteil.

Am besten setzt das Spiel aber die dynamischen Dungeons um. Es öffnen sich Gänge oder der Tag bricht an und verändert die Spielbedingungen, bekannte und unbekannte Monster erscheinen und harmonieren gut darin, den Held*innen die Lebenspunkte auszusaugen. Trotz des vielen Mikromanagement bleibt es spannend, was vor allem an der gelungenen Mechanik mit Ereigniskarten liegt, deren Auswirkungen spielentscheidend sein können.

Siegreiche Held*innen eines Abenteuers.
Siegreiche Held*innen eines Abenteuers.

Die Alten Chroniken bietet ein vernünftiges Preis-Leistungs-Verhältnis. Für Abenteuer 6 hat die Held*innengruppe bestehend aus vier Charakteren im Test etwas mehr als fünf Stunden gebraucht. Geübte Spieler*innen sind da sicherlich schneller, aber insgesamt kann man im Schnitt gute 30 Stunden mit der Kampagne von Die Alten Chroniken verbringen. Hinzu kommt die Möglichkeit, Entscheidungen in einem zweiten Durchlauf zu verändern oder individuelle Abenteuer zu spielen.

Im direkten Vergleich mit Unsterbliche Seelen schneidet Die Alten Chroniken besser ab. Wen es reizt, sich an Sword & Sorcery zu versuchen, ist mit dem Prequel auf der sicheren Seite.

  • Viele Stunden Spielspaß
  • Gute Missionen
  • Spannender Wettlauf gegen die Zeit
 

  • Sehr schlechtes Inlay
  • Zu viel Mikromanagement

 

Artikelbilder: © Asmodee Germany
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Giovanna Pirillo
Fotografien: Norbert Schlüter
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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