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So unheimlich kann der eigene Vorgarten sein. Denn in Grounded schlagt ihr euch als geschrumpfte Teenager, entweder alleine oder kooperativ, durch das Vorstadtgrün, bastelt Ausrüstung aus verknoteten Grasfasern und lasst euch von PKW-großen Marienkäfern das Fürchten lehren. So nah können süß und schrecklich beieinander liegen.

Spiele in denen das Überleben an erster Stelle steht, Ressourcen aufgetrieben werden und Nahrungs- wie Durst-Anzeige im Auge behalten werden wollen, haben weiter Hochkonjunktur. Die Möglichkeiten zur Wahl des Settings sind dabei endlos. Subnautica, das euch gestrandet auf einem fremden Wasserplaneten aussetzt, darf hier als einer der erfolgreichsten Platzhirsche gesehen werden, aber ums Überleben geht es auch für Wikinger im sagenumwobenen Valheim oder für die Charaktere einer Henry Selick entlehnten Welt wie Don’t Starve. Im Mittelpunkt steht dabei, eine zu Spielbeginn unbekannte Welt zu erkunden, die Spielregeln der Flora und Fauna zu verstehen und titelgebend zu überleben.

Aller Anfang ist Speer – eure ersten Werkzeuge sind primitiv aber wirksam. © Obsidian Entertainment

Rollenspielschwergewicht Obsidian Entertainment hat sich für den ersten Ausflug in das Genre dabei ein besonders unverbrauchtes Setting ausgesucht: Das kalifornische Studio schickt euch in Grounded als geschrumpfte Teenager in den eigenen Vorgarten, vollgestopft mit dem zu erwartenden Getier und Grashalmen, aber auch mysteriösen Laborgeräten in Überdimensionierung. Letztere könnten am Ende auch die Lösung für euer ungeplantes Schrumpfabenteuer in petto haben, vorher aber muss der eigene Hausrasen erkundet und überstanden werden.

Irgendwer hat die Kinder geschrumpft

Spielende kommen nicht umhin, bei den ersten Schritten durch Grounded an Joe Johnstons Liebling, ich habe die Kinder geschrumpft zu denken. Die Science-Fiction-Komödie aus dem Jahre 1989 nimmt die Stärke des Settings vorweg und dürfte als roter Leitfaden durch die zweijährige Early Access Phase des Spiels getragen haben. Auf Erbsengröße geschrumpft wird banales außergewöhnlich, Wassertropfen zu durchschwimmbaren Teichen, Bodenrisse zu Canyons und nützliches Kriechgetier zum möglichen Fressfeind.

Alleine aus seiner Grundprämisse weiß Grounded über zahlreiche Spielstunden hinweg sein Novum zu ziehen, zuletzt vielleicht vergleichbar mit dem fremden, aber faszinierenden Ökosystems aus Subnautica. Grashalme recken über die Köpfe der Spielercharaktere hinweg und lenken den Blick nach oben und damit auf fahrzeuggroße Hummeln, denen ihr erst einmal aus dem Weg gehen möchtet. In der Ferne erstrecken sich auf den ersten Blick unüberwindbar hohe Mauern, die sich bei näherer Erkundung als Sandkastenboxen und Teichwände herausstellen.

Obwohl die Welt von Anfang an offen steht, gibt es Gebiete, welche erst mit passender Ausrüstung bereist werden sollten. © Obsidian Entertainment

Gerade für einen Early Access gibt es erstaunlich viel zu erkunden und zu entdecken, auch weil die Entwickler*innen mit regelmäßigen Inhaltsupdates noch während der Entwicklung neue Gebiete und Abenteuer kostenlos nachgeliefert haben, von denen sich mancher Vollpreistitel gerne eine Scheibe abschneiden dürfte. Zu Beginn fasziniert es also, alleine seine Umgebung zu erkunden, mit den ersten Crafting-Mechaniken vertraut zu werden, dank selbst gebauter Kieselaxt ein paar Halme zu fällen und sich einen ersten provisorischen Unterschlupf für die Nacht zu basteln. Bei dem, was hier im Garten so kreucht und fleucht, will des Nachts hier nämlich niemand unterwegs sein.

ArachnophobIEEEEH

Denn wo die Flora mit ihrer fast schon außerweltlichen Anmutung Neugierige zur Erkundung einlädt, macht die Fauna schnell klipp und klar, wer jetzt an der Spitze der Nahrungskette steht. Arbeiterameisen und Milben sind zuerst noch interessierte Besucher im eigenen Basiscamp, Erstere stibitzen sich auch gerne einmal frisch gebratenes Käferfleisch vom Drehspieß, welches eigentlich zur Stärkung eures Charakters gedacht sein sollte. Bald begegnet ihr als Spieler*in aber auch dem ersten karrengroßen Marienkäfer oder könnt in der Ferne riesige Wanzen erspähen.

Selbst die Game Over Screens bleiben kindlich nett zu Spieler*innen. © Obsidian Entertainment

Spätestens aber, wenn durch das Biegen der nahen Grashalme und einen musikalischen Stichton die erste Spinne in eurer Peripherie auftaucht, dürfte dies den meisten Spielenden einen ordentlichen Schauer den Rücken hinunterjagen. Fließende Animationen zusammen mit der schieren Größe sorgen dafür, dass für uns Menschen harmloses Krabbelgetier genau so angsteinflößend wirkt, wie man es sich bei dieser geschrumpften Größe vorstellen würde.

Dabei ist Grounded jedoch in einem comichaften Grafikstil gehalten, der mit runden Formen und satten Farben an eine Animationsserie aus dem Nachmittagsprogramm eines Kindersenders erinnert. Denn das Spiel möchte weder bei Gegnergestaltung noch Gesamtatmosphäre in den Gefilden eines Resident Evils wildern, bei Weitem nicht. Stattdessen arbeiten Grafikstil, aber auch die Aufmachung von gecrafteten Rüstungsteilen, Sound- und Menüdesign bis hin zu den Game Over Screens an einer Atmosphäre des kindlichen Abenteuergeistes; die Spielenden sind Besucher*innen dieser fremden Welt, welche mal nett und einladend, mal gefährlich gefräßig, oft auch gleichgültig gegenüber der eigenen Figur sein kann, die es sich aber zu erforschen lohnt und deren Geheimnisse gelüftet werden wollen.

Durch das Verschieben eines Reglers ist der achtbeinige Terror schnell entschärft. © Obsidian Entertainment

Eine tolle Funktion für eine verbesserte Zugänglichkeit zum Spiel ist dabei das eigene Arachnophobie-Menü. Hier kann per Schieberegler die Garstigkeit des achtbeinigen Krabbelgetiers angepasst werden, soll heißen aus einer Spinne mit zahlreichen Augen und haarigen Beinen wird auf Wunsch der Spieler*in ein eher amorpher Blob. Ein gutes Zeichen dafür, dass seitens des Entwicklers auf Feedback und Erfahrungen aus dem Early Access gehört und reagiert wird. So dürfte Grounded auch für all jene zugänglich werden, die bei spinnwebenverhangenen Tunneleingängen und klickenden Geräuschen aus der Tiefe nicht mit einem freudigen Jauchzen reagieren.

Erkunden, Erforschen, Erstellen, Erbauen

Die Kernschleife des Gameplays dreht sich in den folgenden Spielstunden darum, immer weitere Kreise durch die fremde Welt zu ziehen. Weitere Gebiete zwingen euch durch giftige Dämpfe oder zuerst schier unüberwindbare Gartenbewohner dazu, bessere Ausrüstung zu erforschen und passende Materialien zu sammeln. Zur Motivation winkt am Ende vieler knackiger Herausforderungen weitere Spezialausrüstung. Zeigt ihr dem Koi im Teich beispielsweise, wer die Taucherflossen anhat, winkt für zukünftige Trips ins kühle Nass eine bessere Taucherausrüstung. Etwaige Nebenquests führen euch außerdem dem Geheimnis rund um die zahlreichen Laborgeräte näher, die repariert werden wollen und die Lösung für euer geschrumpftes Schicksal enthalten könnten.

Das Crafting lockt mit Bekanntem, macht aber dennoch Spaß. © Obsidian Entertainment

Frische Biome locken durch ihr Novum, die Ressourcensuche lädt zum Bleiben ein, neue Ausrüstung und Perks beim Stufenaufstieg motivieren. So gibt es als Spieler*in stets genug Anreize, wieder zur nächsten Erkundungsjagd aufzubrechen. Obsidian Entertainment erfindet hier das Rad nicht neu, sondern raffiniert stattdessen jede einzelne Speiche wo irgend möglich und poliert die Kappe ordentlich auf. Crafting, Stufensystem und Basenbau hat man in der Form schon in zahlreichen anderen Survival-Spielen gesehen, so gut ineinander greifen diese aber in vielen andere Titeln nicht. Dass das Errichten von Gebäuden aus Ego-Perspektive in einer hügeligen 3-D Landschaft etwas fummelig sein kann, ist dabei fast zu erwarten und stört den Spielspaß dabei nur wenig.

Ein großes Plus: Grounded kann jetzt schon im kooperativen Spiel mit bis zu drei weiteren Schrumpflingen bestritten werden. Auch hier stehen für einen Early Access erfreulich wenig technische Hürden dem gemeinsamen Spiel im Weg, selbst Spielstände sind schnell getauscht und geladen. Ein großes Plus, denn in der richtigen Spielergruppe macht der Erkundungstrip gleich noch einmal so viel Spaß und so manches Spinnengetier ist gemeinsam schon gar nicht mehr so schrecklich. Vielleicht.

© Obsidian Entertainment

Die harten Fakten:

  • Entwicklerstudio: Obsidian Entertainment
  • Publisher: Xbox Game Studios
  • Plattform: Microsoft Windows, Xbox One, Xbox Series, xCloud
  • Sprache: Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch, Koreanisch, Polnisch, Portugiesisch, Russisch, Chinesisch
  • Mindestanforderungen:
    Setzt 64-Bit-Prozessor und -Betriebssystem voraus

    • Betriebssystem: Windows 7 (SP1) 64bit
    • Prozessor: Intel Core i3-3225
    • Arbeitsspeicher: 4 GB RAM
    • Grafik: Nvidia GTX 650 Ti
    • Speicherplatz: 8 GB verfügbarer Speicherplatz
  • Genre: Survival
  • Releasedatum: 27.09.2022
  • Spielstunden:
  • Spieler*innen-Anzahl: 4
  • Altersfreigabe: 16
  • Preis: 29,99 €
  • Bezugsquelle: Xbox Game Pass, Steam

 

Fazit

Obwohl zuvor „nur“ für seine erstklassigen Rollenspiele bekannt, tritt Obsidian Entertainment bei Grounded mit einem Selbstbewusstsein auf die Bühne, dem man Respekt zollen möchte. Statt den Fallstricken des Early Access zum Opfer zu fallen, liefern die Entwickler*innen ein jetzt schon rundes Spiel, welches sich nach fertigem Vollpreistitel anfühlt, die gelieferten Zusatzinhalte sind dort nur die Kirsche oben drauf.

Das unverbrauchte Setting kann von der ersten Sekunde an überzeugen und verliert über viele Spielstunden nicht an Reiz. Eigentlich Banales wird aufgrund der geänderten Perspektive neu und frisch, Ur-Ängste für den wohligen Nervenkitzel vor mehrbeinigen Biestern tun den Rest. Das die darunter liegenden Mechaniken rund um Ressourcensammeln, Nahrungsvorräte anlegen und Crafting plus Leveln dabei nur sehr gut austariert wurden, statt große innovative Sprünge zu wagen, fällt für das eigene Spielvergnügen kaum ins Gewicht. So darf man gespannt sein, wie Grounded in der fertigen Fassung aussehen und sich über die kommenden Jahre weiterentwickeln wird!

  • Unverbrauchtes Szenario
  • Treffender Grafikstil und Präsentation
  • Motivierende Entdeckungsreise
 

  • Fiddeliges Bausystem

 

Artikelbilder: © Obsidian Entertainment
Layout und Satz: Melanie Maria Mazur
Lektorat: Katrin Holst
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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