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Übernehmt in Tiny Epic Pirates die Kontrolle über ein Schiff und bunkert eure erbeuteten Reichtümer in den Inselverstecken. Mithilfe einer wachsenden Crew steuert ihr über die Meere und müsst plündern, handeln, erkunden und kämpfen. Aber wehe das Marineschiff kommt näher, dann solltet ihr Kurs in Richtung Sicherheit nehmen.

Tiny Epic Pirates schlägt in die gleiche Kerbe wie das von uns bereits getestete Tiny Epic Dungeons: einfacher Einstieg, viel Strategie, wenig Wartezeit, kurze Spieldauer, hoher Wiederspielwert und eine kleine Schachtel. Diese hat das überaus handliche Format 12×18×4 Zentimeter und ist bis an den Rand gefüllt mit Spielmaterial. Die Spielenden erwartet dennoch ein Seefahrtabenteuer von umfangreichem Ausmaß. Formt eure Legende und seid die erste Crew die drei Schätze in den geheimen Inselverstecken vergraben kann. Ob dieses Spiel den Piraterie-Ansatz genauso gut einfängt wie das Social Deduction-Spiel Feed the Kraken oder der Deckbuilder Ruchlos lest ihr im folgenden Test.

Spielablauf

Das Spiel wird auf einem 4×4 Felder großen Spielfeldraster ausgetragen, in dem die Meereskarten vor jeder Partie zufällig verteilt werden. Um sich auf das große Abenteuer vorzubereiten, erhalten alle ihr Spielmaterial und entscheiden sich für eine Seite der doppelseitigen Captain-Karten. Neben dem allgemeinen Aufbau müssen nun alle Personen separat ihr Steuertableau vorbereiten. Hierzu werden die fünf Befehlsplättchen gemischt und im Uhrzeigersinn auf die offenen Felder des Steuerrads gelegt. Dies führt zu einer leichten Asymmetrie für alle Spielenden und macht das Spiel dadurch unberechenbarer, aber im schlechten Fall von Beginn an unfair, da die Position der Befehlsplättchen großen Einfluss darauf hat, wie Spielzüge ausgeführt werden können.

Das zu bereisende Spielfeld

Spielzug

Der Spielzug einer Person teilt sich in fünf Schritte auf. Zunächst wird einer der Befehle gewählt. Hierzu bewegt man den eigenen Captain-Meeple auf dem Steuerrad im Uhrzeigersinn weiter. Man muss sich immer mindestens ein Feld weit bewegen. Man kann Felder auf dem Tableau überspringen, beispielsweise weil der dort abgebildete Befehl aktuell nicht sinnvoll oder nicht ausführbar ist. Dann muss einer der verfügbaren Pirat*innen-Meeple von den Deckpostenfeldern auf dem Tableau auf die zu überspringenden Felder gelegt werden. Zu Spielbeginn hat man derer drei. Sollte nach einer Umrundung des Steuerrads einer der Captain-Meeple auf ein besetztes Feld gestellt werden, oder ein solches übersprungen werden, kann der eingesetzte Pirat*innen-Meeple wieder zurück auf einen der Deckposten gestellt werden.

Diese Deckposten sind der Navigator, der die Schiffsreichweite pro Meeple erhöht, der Kanonier, der bei Kämpfen zusätzlichen Schaden austeilt, der Zahlmeister, der beim Umrunden des Steuertableaus Gold gibt und der Zimmermann, der nur bei Beschädigungen des eigenen Schiffs besetzt wird.

Die Auslage der Spielenden

Ist der Befehl gewählt werden die Segel gesetzt. Entsprechend des Wertes der eigenen Rufstufe und weiterer Boni, durch beispielsweise Deckposten, darf das Schiff auf dem Raster der Meereskarten bewegt werden. Sollte man hierbei eine Karte mit einem Sturm durchqueren wird das Schiff beschädigt und man muss einen der Pirat*innen-Meeple auf den Deckposten Zimmermann stellen. Sollten alle verfügbaren Meeple bereits dort stehen, kann nicht in einen Sturm gesegelt werden.

Ist die Bewegung beendet wird nun der gewählte Befehl ausgeführt. Insgesamt gibt es sechs Befehle:

Beim Anheuern darf eine der offen ausliegenden Crewkarten genommen werden, insgesamt darf man höchstens vier davon haben. Sollte man eine fünfte nehmen wollen, darf eine vorhandene abgelegt werden. Die Crewkarten unterstützen bei anderen Befehlen und geben mögliche Treffer bei Seeschlachten, zu denen wir später noch kommen werden. Einmal pro Spiel darf eine Meuterei beim Anheuern gestartet werden. Hierbei wird die eigene Captain-Karte umgedreht und somit ein neuer Charakter installiert.

Der eigene Rufmarker wird auf die blutige Seite gedreht, um anzuzeigen, dass in dieser Partie bereits gemeutert wurde. Beim Plündern kann, auf einer Karte mit einer Siedlung, diese geplündert werden. Dazu nimmt man sich die auf der Siedlung angegebene Anzahl an Beutemarkern aus dem Beutesack und platziert sie auf seinem Schiff. Ist dort kein Platz, kann Beute im Meer versenkt, also zurück in den Beutel gelegt werden. Diese Beute kann mit dem Befehl Verkaufen auf einer Meereskarte mit einem Markt verhökert werden. Jeder Markt ist auf eine bestimmte Beute (Zuckerrohr, Rum, Kaffee und Schwarzpulver) festgelegt und nur diese kann dort verkauft werden. Hierzu gibt man die eigenen Würfel der passenden Farbe ab und erhält so viel Gold, wie auf dem Markttableau angegeben ist. Der Wert der verkauften Beute sinkt auf dem Tableau nun auf den niedrigsten Wert.

Gibt es auf der Meereskarte noch einen Suchmarker, darf der Befehl Suchen ausgeführt werden. Hierbei dreht man den Suchmarker um und je nach Symbol nimmt man sich entweder den Einmaleffekt (Gold, Beute oder Volltreffermarker erhalten) oder legt das Bonusplättchen für zusätzliche Bewegung oder Schutz vor Stürmen in den eigenen Spielbereich, bis man ihn einsetzt.

Hat man sich mit seiner Bewegung auf eine Meereskarte mit einem der Handelsschiffe oder einem Schiff einer anderen Crew bewegt, darf auch angegriffen werden. Ein Angriff läuft grundsätzlich unabhängig vom Ziel immer gleich ab: Man würfelt so viele Würfel, wie die aktuelle Rufstufe es erlaubt und vergleicht das Ergebnis mit den abgebildeten Zahlen auf Captain- und Crew-Karten. Für jedes Symbol, das dem Wurfergebnis entspricht, wird ein Treffer gelandet. Ist man im Besitz eines Volltreffermarkers, darf pro eingesetztem Marker ein Würfel auf ein Wunschergebnis gedreht werden. Hat man Meeple auf dem Deckposten Kanonier, fügen diese garantierte Treffer zu.

Greift man eines der beiden Handelsschiffe an, schaut man auf dem Markttableau, welche Handelsschiffskarte auf der passenden Farbe zur Schiffsminiatur liegt. Diese Karte gibt an, wie viele Treffer zum Versenken gebraucht werden und wie die Belohnung ausfällt. Ist der Angriff geglückt, erhält man den Beutewürfel des Schiffs, die Goldbelohnung auf der Karte und je nach Schiff eventuell auch eine Rufverbesserung, die uns auf unserem Tableau aufsteigen lässt und somit unter anderem Segelreichweite und die Anzahl der verfügbaren Würfel verbessern kann. Hat man ein gegnerisches Pirat*innenschiff angegriffen würfeln beide Spielenden ihren Angriffswurf. Wer mehr Schaden verursacht, erhält eine Rufstufe. Die unterlegene Crew wird beschädigt und erhält einen Volltreffermarker. Bei Gleichstand erhalten beide Parteien einen solchen Marker.

Die letzte Aktion ist auch die einzige, die bei allen Tableaus immer ganz oben steht und unveränderlich ist. Das Verstecken ist ein besonderer Befehl, bei dem man auf einer Meereskarte mit einer Bucht sein Schiff vor Angriffen schützen kann. Ebenfalls dürfen hier alle Pirat*innen-Meeple von überall auf dem Steuertableau auf beliebige Deckposten verteilt werden.

Das Markttableau und Werte der Handelsschiffe

Ist der ausgewählte Befehl durchgeführt worden, gibt es nun je nach Captain- und Crewkarten noch Bonusaktionen. Stimmt das Symbol des ausgeführten Befehls mit einer der Karten überein, darf die angegebene Bonusaktion ausgeführt werden. Eine Besonderheit bildet hierbei die Bonusaktion der Captain-Karten Schatz vergraben. Auf einer Meereskarte mit einer leeren Schatzgrube kann man nun (wenn man die richtige Menge Gold besitzt) einen seiner drei Schatzmarker vergraben. Vergräbt man seinen dritten Schatz wird das Ende des Spiels eingeleitet.

Die letzte Phase eines Zuges ist die Überprüfung, ob die Schiffslinie überschritten wurde. Diese befindet sich vor dem Feld mit dem Befehl Verstecken und symbolisiert so eine gesamte Umrundung des Steuerrads. Ist dies nicht der Fall ist die nächste Crew dran, hat man diese jedoch passiert, erhält man zum einen Gold für jeden Meeple auf dem Feld Zahlmeister und man bewegt die NSC-Schiffe. Die Handelsschiffe sind schnell abgearbeitet. Sie bewegen sich eine Meereskarte auf ihren Zielhafen zu. Das Marineschiff bewegt sich je nachdem wie viele Schätze die aktive Crew bereits vergraben hat auf die aktive Person zu. Wenn es auf dem eigenen Feld landet, und das eigene Schiff nicht versteckt ist, greift die Marine an. Dieser Angriff ist immer erfolgreich und beschädigt das Schiff so stark, dass alle Pirat*innen-Meeple auf das Feld Zimmermann gestellt werden müssen. Sowohl Handels- als auch Marineschiff ignorieren Stürme.

Sollte eine Person den dritten Schatz vergraben haben, sind alle noch einmal am Zug, so dass alle die gleiche Anzahl an Zügen hatten, um eventuell noch einen Gleichstand herbeizuführen. Die Reihenfolge für die Bestimmung der siegreichen Crew ist: vergrabene Schätze, Rufstufe, meistes Gold, restliche Beute.

Die Erweiterung (Fluch des Amdiak)

Die ebenfalls bei Asmodee erhältliche Erweiterung führt einige zusätzliche Dinge in das Spiel ein. Zunächst wird das 4×4 Spielfeldraster durch verfluchte Meereskarten auf 4×5 ausgeweitet. Außerdem gibt es nun verfluchtes Gold. Erhält man dieses, legt man einen entsprechenden Marker vor die Golddublone auf dem Ruftableau. Jeder Marker erhöht den Goldvorrat um 1. Dieses (sehr flüchtige) Zahlungsmittel erhält man unter anderem durch das neue Geisterschiff. Wenn man sich auf eine Meereskarte mit diesem Schiff bewegt, kann man einen solchen Marker stehlen. Das Geisterschiff selbst bewegt sich genau wie die anderen NSC-Schiffe bei der Überschreitung der Schiffslinie. Es bewegt sich hierbei immer zwei Felder unabhängig von der Zahl der vergrabenen Schätze. Wird man in diesem Zusammenhang vom Geisterschiff heimgesucht, wird das Schiff beschädigt, man verliert das gesamte verfluchte Gold und der eigene Captain wird verflucht. Der Fluch hält bis zum Ende der Partie. Man erhält die verfluchte Captainkarte und hat nun zusätzliche Optionen. Beim Plündern kann man zusätzlich zur Beute ein verfluchtes Gold nehmen, bei einem siegreichen Angriff auf eine andere Crew erhält man zusätzlich ein verfluchtes Gold von deren Goldleiste und man kann an Schiffswracks eine Skelettcrew anheuern. Ebenfalls hinterlässt das Geisterschiff bei seiner Bewegung Geisterplättchen die genauso funktionieren wie die Suchmarker des Basisspiels.

Als letztes Element werden die Urnen des Amdiak eingeführt. Um das Spiel zu gewinnen, muss man auf einer verfluchten Meereskarte mit Mausoleum eine solche kaufen und sie auf einer Meereskarte mit einer verfluchten Grabstätte vergraben.

Ausstattung

Auch in diesem Spiel der Tiny Epic-Reihe ist das Material für die Größe des Spiels erstaunlich. Die Schiffsminiaturen mit den abnehmbaren Segeln sind sehr hübsch anzusehen. Die Goldmarker sind kleine Metallmünzen, die sehr wertig aussehen. Die Beutemarker sind zwar „nur“ einfache Holzwürfel, sind aber aufgrund der Plätze auf den Miniaturschiffen genau richtig. Das Beutebeutelchen ist zweckmäßig, wirkt aber von der Qualität etwas minderwertig.

Die Holzmarker haben einen sehr wertigen Digitaldruck und machen sich für ihre geringe Größe sehr gut auf dem Spieletisch. Die Pirat*innen-Meeple sind jedoch schon grenzwertig klein für erwachsene Hände. Was, gerade im Vergleich zu Tiny Epic Dungeons, etwas abfällt, ist das Artwork. Die Farben wirken alle sehr blass und nichtssagend. Das passt, insbesondere wenn man mit der Erweiterung spielt, nicht so gut zusammen, in welcher mit kräftigen dunklen Tönen und viel Neongrün gearbeitet wird.

Einer der größten Kritikpunkte von mir an Tiny Epic Dungeons war die überhaupt nicht intuitive Ikonografie und die Spielanleitung. Dies wird hier nicht wiederholt. Die Ikonografie ist sehr selbsterklärend und man muss maximal bei eher seltenen Bonusaktionen der Crewkarten mal in die Anleitung schauen. Auch die Anleitung selbst ist besser strukturiert und verständlicher. Dennoch empfiehlt sich die Losspiel-Anleitung der Dized-App zu verwenden, die auch den Solomodus abbildet, der in der Testgruppe nicht gespielt wurde.

Ein Insert gibt es bei dem Spiel nicht und hier war es beinahe noch schwerer als bei der Verlies-Variante alles zurück in die Schachtel zu bekommen. Wer einen 3D-Drucker sein Eigen nennt, dem empfehle ich das Thingiverse-Insert von Pu1p.

Ein 3D-gedrucktes Insert um dem Material genügend Platz zu bieten

Die harten Fakten:

  • Verlag: Asmodee, Gamelyn Games
  • Autor*in(nen): Scott Almes
  • Erscheinungsjahr: 2022
  • Sprache: Deutsch
  • Spieldauer: 30-60 Minuten
  • Spieler*innen-Anzahl: 1 2 3 4
  • Alter: ab 14 Jahren
  • Preis: ca. 30 EUR (Grundspiel), ca. 15 EUR (Erweiterung)
  • Bezugsquelle: Fachhandel, idealo, Amazon (englische Version)

Bonus/Downloadcontent

Auf der Seite von Asmodee gibt es die deutsche Anleitung für das Grundspiel sowie für die Erweiterung.

Fazit

Tiny Epic Pirates wird den Prinzipien der Reihe absolut gerecht. Der Einstieg ist aufgrund der guten Anleitung und Ikonografie absolut gegeben. Der Strategiegehalt ist durch die randomisierten Befehle auf den Steuerrädern und den begrenzten Möglichkeiten Aktionen zu überspringen, nicht zu unterschätzen. Die Wartezeit ist ebenfalls in Ordnung, da die Optionen nicht immer ganz so in Hülle und Fülle vorhanden sind, wie bei anderen Spielen. Die Spieldauer ist für das, was das Spiel sein möchte, genau richtig. Wiederspielwert haben wir durch den Aufbau ebenfalls, auch wenn es gerade deswegen noch Abzüge gibt. Das Format der Schachtel ist sehr handlich, aber beim Einräumen entsprechend fummelig.

Über den Aufbau müssen wir noch reden. Er dauert zum einen recht lange für ein Spiel dieser Größe. Das Verteilen der Karten und Marker kann sich in die Länge ziehen. Und das zufällige Verteilen der Befehlssymbole auf den Steuerrädern sorgt für eine in der Theorie schöne Asymmetrie, aber kann, je nach Auslage zu Beginn des Spiels, zu krassen Startvorteilen für einzelne Personen führen.

Ob der sehr prominente Pick-up-and-Deliver-Mechanismus für ein Spiel mit garstigen Pirat*innen richtig gewählt ist, darf man gerne für sich selbst entscheiden. Mich hat das Spiel hervorragend unterhalten und es hält sich vorbildlich an die sechs Grundsätze die Scott Almes der Tiny Epic-Reihe auferlegt hat.

Tiny Epic Pirates erhält vier von fünf versenkten Handelsschiffen.

  • Mechanik ist sehr stimmig
  • Wunderschönes Material
  • Einfacher Einstieg
 

  • Format kann zu Sortierproblemen führen
  • Setup aufwendig und schnell unfair

 

 

Artikelbilder: © Asmodee, depositphotos © grandfailure
Layout und Satz: Annika Lewin
Lektorat: Sabrina Plote
Fotografien: Tim Billen
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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