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Wie können wir als Spielleitung unsere Arbeit verbessern? Und wie können wir unseren Spieler*innen helfen, mehr aus ihrem Spiel zu machen? Dieser Artikel soll dir mit drei Vorschlägen helfen, das Rollenspiel in eurer Gruppe zu unterstützen. Diese drei Prinzipien sind kein Allheilmittel, aber sie wirken. Immer. Versprochen.

Pen-and-Paper ist ein überaus komplexes Hobby, das einer Spielleitung schnell über den Kopf wachsen kann. Das Entwerfen ausgeglichener Begegnungen mit Monstern und anderen Antagonist*innen, der unsäglich verwobenen Hierarchie der lokalen Diebesgilde oder der verästelten genealogischen Stammtafel mit intelligent versteckten Hinweisen auf eine*n verloren geglaubte*n Erb*in eines Königreichs – die Vorbereitung eines Rollenspielabends kann schnell zu echter Arbeit ausarten. Wenn dann noch die Spielenden mit ihren Wünschen, Beschwerden und Ideen auf besagte Vorbereitung treffen, kann es mitunter eine gute Idee sein, sich als Spielleitung auf einfache Richtlinien und Konzepte zurückzuziehen, um wieder frischen Wind in das eigene Spielleiten zu bringen.

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keine Trigger

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Dieser Beitrag richtet sich daher vor allem an die Spielleiter*innen unter uns. Vielleicht findet sich aber auch der ein oder andere Gedanke darin, der Spieler*innen helfen kann. Die drei in diesem Artikel vorgestellten Sätze sollen dabei für alle am Tisch eine Hilfe sein, mehr Freude am Spiel zu haben.

Ja, und wie geht es weiter?

Pen-and-Paper lockt mit dem Versprechen, spannende Abenteuer in einer fantastischen (oder dystopischen, futuristischen, cyberpunkigen et cetera…) Welt zu erleben. Ein wesentlicher Faktor für die Glaubwürdigkeit einer bespielten und geliebten Welt ist das Gefühl, dass sich in dieser Welt auch abseits der Taten der Held*innen etwas tut. Wenn die Spieler*innen die Empfindung beschleicht, dass sich kein NSC vom Fleck bewegt, wenn ihre Charaktere nicht da sind, dann wirkt die Welt steril.

Ebenso schädlich für das Spielvergnügen sind frustrierende Sackgassen: Eine nicht geschaffte Würfelprobe, welche das Abenteuer beendet, ein auswegloser Tunnel, der doch nicht in die Freiheit führt, während die übermächtigen Scherg*innen hinter einem heranstürmen, eine „Save-or-die“-Situation. All dies waren Merkmale des klassischen Dungeons and Dragons in seiner ursprünglichen Glorie der ersten Edition. Eine Zeit endgültiger Würfelwürfe und epischer Held*innen.

Wie gut, dass diese Zeiten vorbei sind.

Pen-and-Paper wird gespielt, um spannende Geschichten zu erleben. Wenn man allerdings keine Optionen hat, oder so empfindet, wird das Spiel schnell frustrierend. Um dem entgegenzuwirken, sollten wir als Spielleitung so oft wie möglich (und/oder angebracht) einen weiteren Handlungspfad anbieten.

Der Sprung über eine Klippe wurde nicht geschafft? Der Charakter stürzt, kann sich aber an einem Strunk festhalten.

Die Scherg*innen haben die Gruppe gestellt und sind übermächtig? Die Gruppe findet sich im Kerker der Antagonist*innen wieder. Viel Spaß beim Ausbruch.

Der Charakter wurde tödlich verletzt? Deine Gottheit schickt dich zurück.

Natürlich sollte man bei all diesen Optionen, je mächtiger und einzigartiger sie werden, darauf achten, dass sie einzigartig bleiben. Ein bis maximal zwei Begegnungen mit der persönlichen Gottheit in einer Kampagne sind wunderbare Erinnerungen, eine wöchentliche „Jour fixe“ hingegen lässt den Zauber und das Wunder nur allzu schnell vergehen.

Auch bei kleineren Begebenheiten kann man dieses „Failing forward“ wunderbar anwenden. Wenn die wichtige Unterredung mit einem Grafen nicht gut ausgegangen ist, können die Held*innen vielleicht eine*n Diener*in überreden, ihnen eine Tür zu öffnen. Ein Charakter hat ein Duell um die Ehre verloren? Der Gegner zeigt vielleicht Größe im Sieg und reicht dem*der Unterlegenen die Hand.

Auch nach einem Unglück geht es weiter. © Depositphotos | lu-nata

Wichtig ist, dass die Spielenden erkennen, dass ein Rückschlag nicht das Ende eines (ent-)spannenden und schönen Spieleabends sein muss. Im Gegenteil. Je mehr Ungemach die Held*innen überwinden, um doch am Ende ans Ziel zu gelangen, desto größer ist der bewiesene Heldenmut. Das erfordert allerdings Vertrauen seitens der Spieler*innen, die darauf bauen können müssen, dass sich hinter dem Schirm keine tyrannische SL verbirgt, die nur aus Spaß an der Freude die Charaktere und Spielenden mit dem Kopf gegen Hindernisse rennen lassen will. Zwischen Gängelung und notwendiger Herausforderung ist die Unterscheidung aus Spieler*innensicht nicht immer klar abzugrenzen.

Mit dem Gedanken „Ja, und wie geht es weiter?“ erreichen wir gleich zwei Dinge – wir geben den Spielenden in ihrem Tun recht, bestärken sie also in ihrem Spiel. Ihre Entscheidungen dirigieren das Spiel. Und zweitens ist ein Rückschlag eben nur das, ein Rückschlag. Und kein Ende des Abenteuers.

Was möchtest du tun?

Während wir als Spielleitung die Welt als Bühne für die Charaktere bereitstellen, sind eben diese die zentralen Darsteller*innen unseres Spiels. Vollkommen egal, wie zentral und mächtig und charismatisch unsere NSC sein mögen (und das sollen sie auch sein), die Handlung dreht sich um die Held*innen. Es ist eine gemeinsame Spielwelt zwischen Spielleitung und Spieler*innen, aber die Spieler*innen sollten diejenigen sein, welche der Welt ihre Bedeutung verleihen, nachdem die Spielleitung die Welt vorbereitend mit Inhalten gefüllt hat.

Die Frage „Was möchtest du tun?“ kann immer und zu jeder Gelegenheit gestellt werden. Sie kann auch benutzt werden, nur um gleich zum*zur nächsten Spieler*in zu wechseln. In diesem Fall hat der*die Befragte etwas Zeit, um über die Frage und die nächsten Handlungen nachzudenken, während sich die Spielleitung mit einem anderen Charakter beschäftigt. Somit kann Leerlauf für einzelne Spieler*innen etwas reduziert werden und insbesondere auch schüchternere Beteiligte ein wenig ins Spiel integriert werden, welche sich nicht von selbst ins Rampenlicht stellen würden.

Bei dieser Frage sollte die Spielleitung darauf achten, dass die Spieler*innen nicht in einen ewigen Konjunktiv verfallen, der sie nur selbst in ihren Gedankengängen blockiert: „Ich würde, wenn…“ „Wenn das passiert, könnte ich…“ „Wir könnten…“. Damit die Spielenden nicht zu leicht in eine Entscheidungsüberlastung verfallen, kann man als Spielleitung auf konkrete Aussagen beharren: „Indikativ, bitte. Was tust du?“. Dieses Mittel soll selbstverständlich nicht zur Gängelung der Spieler*innen benutzt werden, sondern ihnen sanft aufzeigen, dass sie mehr vom Spiel profitieren, wenn sie Entscheidungen treffen, auch wenn diese vielleicht einen Rückschlag zur Folge haben können (siehe erster Satz in diesem Artikel).

Zu viele Wege führen auch nirgendwo hin. © Depositphotos | bhaslam

Gleichzeitig soll es nicht geschehen, dass die Spieler*innen in eine „Analysis Paralysis“ verfallen, sich also zu lange an einem Hindernis abarbeiten müssen. Die Frage „Was möchtest du tun?“ kann hier auch gut benutzt werden, um den ein oder anderen Hinweis einzustreuen, damit das Abenteuer weitergehen kann:

  • „Während ihr weiter die Mauer des Verlieses nach einer versteckten Türe absucht, fällt dir auf, dass eine Maus in einem Loch in der Wand verschwindet. Möchtest du dir das vielleicht näher ansehen?“. Vielleicht befindet sich im Mauseloch ein lange verlorener Schlüssel, mit dem man eine andere Tür öffnen kann?
  • „Während der Baron deine Bitte brüsk abschlägt, fällt dir der traurige Blick seiner Gattin auf, welche mit dir Mitleid zu haben scheint. Was möchtest du nach der Audienz am Hofe tun?“ Vielleicht kann euch die Baronin weiterhelfen, wenn sich der Gatte sträubt?

In fast allen Situationen findet sich eine Option, irgendwie „vorwärts zu stolpern“. Es kann nur manchmal die Ermutigung durch die Spielleitung erfordern, nicht gleich aufzugeben und etwas aus den noch vorhandenen Möglichkeiten zu machen. Ein waches Auge, welche*r der Spieler*innen mutlos und gefrustet werden könnte, ist dabei immer angebracht.

Mit der Frage „Was möchtest du tun?“ kann auch eine langfristige Perspektive angestrebt werden. Nicht jedes Vorhaben muss sofort in die Tat umgesetzt werden. Mit dem Wissen, welche Pläne ein*e Spieler*in hat, kann man sich als Spielleitung auch für später oder den nächsten Spielabend vorbereiten, wenn die Aktionen der Charaktere Auswirkungen haben (wie schon gesagt, Pen-and-Paper ist dann besonders schön, wenn sich die bespielte Welt lebendig und mit Konsequenzen versehen anfühlt).

Inwieweit kann ich dir recht geben?

Wir haben bereits festgestellt, dass die Spieler*innen und ihre Charaktere die zentralen Elemente des Spiels sind. Damit das ermöglicht wird, ist es notwendig, ihnen den dafür notwendigen Platz im Spiel und der bespielten Welt einzuräumen. Um das zu gewährleisten, sollte man sich als Spielleitung so oft wie möglich die Frage stellen, inwieweit man den Plänen und Ideen der Spieler*innen zustimmen kann. Idealerweise haben die Charaktere und ihre Spieler*innen Pläne und Motive, seien sie noch so klein und simpel. Solange die Spielleitung mit den Spieler*innen einen gemeinsamen Weg beschreiten kann, findet ein Spiel statt.

Zusammen an einem Strang für das gemeinsame Ziel. © Depositphotos | lightsource
Zusammen an einem Strang für das gemeinsame Ziel. © Depositphotos | lightsource

Das beinhaltet durchaus fordernde Hindernisse wie Rätsel, Kämpfe und Rückschläge. Schließlich möchte man den Charakteren ja eine Herausforderung bieten. Ebenso ist es möglich, dass die Held*innen einen anderen Pfad einschlagen müssen, um ans Ziel zu gelangen. Wenn die Spieler*innen aber den Eindruck bekommen, dass die Spielleitung ihren Charakteren partout unbedingt einen speziellen Pfad aufzwingen möchte, fühlen sich die Spielenden mit Recht gegängelt und haben nicht das Gefühl, über ihre Geschichte bestimmen zu dürfen. Ein grundloses „Nein“ ist niemals förderlich für eine schöne Pen-and-Paper-Runde.

Mit dem Wissen versehen, was unsere Spieler*innen wollen (aus den Antworten auf die ersten beiden Fragen in diesem Artikel) haben wir hoffentlich eine grundlegende Idee, was spannend und interessant werden könnte. Hier setzt die dritte Frage an, die wir an uns als Spielleitung richten müssen: inwieweit kann ich die Entscheidung über die Gestaltung der Welt meinen Spieler*innen überlassen? Einige Rollenspielsysteme bieten mittlerweile die Möglichkeit, kollaborativ Welten und Szenarien zu erschaffen, besonders, wenn in einer fortlaufenden Spielrunde die Spielleitung ab und an wechselt. Diese Stärkung der Erzählperspektive macht das Spiel auch für die Spieler*innen viel interessanter – ich kann über die gemeinsame Fantasie mit entscheiden, ich habe mehr Verantwortung, aber auch mehr Genuss, ich kann die Früchte meiner Ideen ernten. Das muss nicht gleich ein Baroniespiel sein, aber auch die sind spannend und sorgen für gute Unterhaltung.

Fazit. Mit drei Sätzen zum besseren Rollenspiel.

Selbstverständlich sind die drei in diesem Artikel vorgestellten Ansätze an die Spielleitung und die Spieler*innen kein Allheilmittel zum besseren Rollenspiel. Was hier aufgezeigt werden sollte, war die Tatsache, dass man am Spieltisch und auch sonst immer ein geneigtes Ohr für die offen gezeigten oder nur angedeuteten Wünsche und Bedürfnisse der Anwesenden haben sollte, um gemeinsam mehr aus dem zusammen verbrachten Abend zu holen.

Nun kann sich aus der Vielzahl an erwähnten Hintergründen, Einzelinteressen, Motivationen und bereits erlebtem Spiel eine zu große Menge an Material ergeben haben. So viel, dass man als Spielleitung Probleme bekommt, alles wieder sinnvoll in eine bestimmte Richtung zu bündeln, von der aus man wieder neue tolle Abenteuer erleben kann. Da empfiehlt es sich, wieder einfach Fragen an sich und die Spieler*innen zu stellen. Bedenke, dass alle Anwesenden hier sind, weil sie Rollenspiel betreiben wollen. Und wenn nicht, dann ist der spontane Wechsel zu einer anderen Freizeitbeschäftigung für einen Abend vielleicht gar nicht so schlecht. Gerade dann, wenn du merkst, dass die Gruppe heute keine so überwältigende Lust auf tiefgreifende Plots und epische/kleine Abenteuer in eurer Welt hat.

Denke daran, dass deine Mitspieler*innen durch ihre Worte und Gesten durchaus zeigen, was sie sich am Spieltisch wünschen. Inwieweit man als Spielleitung diesen Intentionen entgegen kommt, wird wohl an jedem Tisch individuell ausgehandelt werden müssen. Ein offenes Ohr schadet jedoch nie.

Viel Spaß zusammen.

 

 

Artikelbilder: © Depositphotos | Ai825
Layout und Satz: Verena Bach
Lektorat: Susanne Stark

2 Kommentare

  1. Als jemand, der mit den klassischen D&D Editionen angefangen hat und immer noch gerne spielt muss ich die Zeilen ais dem Artikel kommentieren:
    „Ebenso schädlich für das Spielvergnügen sind frustrierende Sackgassen: Eine nicht geschaffte Würfelprobe, welche das Abenteuer beendet, ein auswegloser Tunnel, der doch nicht in die Freiheit führt, während die übermächtigen Scherg*innen hinter einem heranstürmen, eine „Save-or-die“-Situation. All dies waren Merkmale des klassischen Dungeons and Dragons in seiner ursprünglichen Glorie der ersten Edition. Eine Zeit endgültiger Würfelwürfe und epischer Held*innen“

    Also, ein Abenteuer, dessen Erfolg an einer Würfelprobe hängt, war, ist und wird immer ein schlechtes Abenteuer sein. Das hat nichts mit der Edition aber sehr viel mit schlechtem Design zu tun.
    In den früheren Editionen gab es das Konzept der ausgewogen Begegnung nicht. Deshalb war man sehr vorsichtig, welche Kämpfe man austragen und welche man besser vermeiden sollte. Weglaufen war eine gern gentzte taktische Option.
    Save-or-Die Situationen? De Fakto save or die Situationen gibt es heute noch. Auch hier sehe ich es als schlechtes Design, wenn man diesen Situationen nicht ausweichen oder sie umgehen kann oder es irgendwo eine Hilfe gibt, die die Situation entschärft.

    • Ich bin mir nicht sicher, ob Safe-or-Die ein Designfehler ist. Viele Spielende schätzen den Nervenkitzel. Moderne Systeme haben durchaus auch ein hohes Maß an Tödlichkeit (siehe zB Forbidden Lands), bringen aber gleichzeitig einen Mechanismus mit, um den eigentlich tödlichen Treffer doch abzuwehren. Wo ich zustimme, ist der „Oh, du bist tot und hast keine Chance auf Abwehr“-Moment aus OSR-Systemen (die mir jedoch auch nicht zusagen). Ob das jedoch auch dort ein „Fehler“ ist oder „works as designed“, kann nur die OSR-Fanbase und die Schreibenden des Genres final beantworten.

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