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Descent Akt 2 – Krieg des Verräters lautet der vollständige Titel des nächsten Descent-Kapitels. Die abenteuerlustige Gruppe aus dem ersten Spiel muss sich neuen Herausforderungen stellen. Doch wie viel Neues bietet die große Erweiterungsbox? Lohnt es sich, das schlummernde Grundspiel wieder hervorzuholen? Wir haben für euch hineingeschaut.

Spoiler-Info: Der folgende Text enthält beispielhafte Informationen und Bilder von Aufbau und Inhalt der ersten Szenarien. Keine unbekannten Komponenten, überraschende Wendungen oder tiefere geschichtliche Entwicklungen werden euch vorweggenommen.

Zwei Jahre sind vergangen, seit Descent: Legenden der Finsternis erschienen ist. Nun wird die Geschichte, die nahtlos anknüpft, mit einem zweiten Akt fortgesetzt. Wer sich noch nicht von der hübschen blauen Box getrennt hat, kann jetzt eine ebenso hübsche lilafarbene Box ins Spielregal einsortieren. Denn zum Spielen der Erweiterung Descent Akt 2: Krieg des Verräters wird das Grundspiel benötigt.

Geringfügig kleiner, aber mit neuen hochwertigen Miniaturen, 3D-Geländeteilen, zusätzlichen Markern und Karten ist sie randvoll mit Material gefüllt. Und auch die begleitende App hat ein Update erhalten. Das verspricht auf den ersten Blick viel Spielspaß, um allein oder mit bis zu drei Mitspielenden neue Abenteuer in der Welt Terrinoth zu erleben. Doch ist der hohe Kaufpreis angesichts der gebotenen Spielinhalte gerechtfertigt? Oder bieten andere Messe-Neuheiten vielleicht doch mehr?

Triggerwarnungen

Waffengewalt

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Spielablauf

Descent Akt 2: Der Krieg des Verräters richtet sich an Brettspielbegeisterte, die nach dem ersten Akt noch nicht genug haben von Terrinoth und den Gefahren, die dort lauern. Deshalb gehen wir in diesem Text nicht näher auf das Spielprinzip ein, sondern legen den Fokus auf die Neuerungen. Allen, die Descent: Legenden der Finsternis noch nicht kennen, empfehlen wir die Lektüre unserer Rezension zum ersten Akt.

Der Prolog

Wie schon im Grundspiel ist die App zum Spiel obligatorisch. Sie erzählt die Story, gibt den Aufbau des Spielfelds vor, hält den Spielstand der Kampagne, sowie alle freigeschalteten Inhalte fest, und managt die Monster. Vor dem ersten Spiel mit der Erweiterung Descent Akt 2: Der Krieg des Verräters benötigt diese allerdings ein Update, und die Erweiterungsbox muss als vorhanden markiert werden. So kann die bestehende Kampagne aus dem Grundspiel weitergeführt oder eine neue Kampagne gestartet werden.

Für unsere Testrunden haben wir eine neue Kampagne begonnen. Dies bietet sich an, wenn die Erweiterung mit einer neuen Gruppe gespielt wird, die die Geschichte der Grundbox nicht erlebt hat. Vor dem Losspielen gibt es einen sehr ausführlichen Rückblick. Eine gute halbe bis dreiviertel Stunde muss sich zunächst durch Dialoge geklickt und die präferierten Storypfade gewählt werden. Bei den testspielenden Einsteiger*innen in die Welt von Descent kam der lange Prolog nicht so gut an. „Wann geht es endlich los?“, war mehrmals zu vernehmen. Ob der Rückblick genauso ausufernd ist, wenn man die bestehende Kampagne weiterspielt, konnten wir nicht testen. Die Entscheidungen im Prolog haben allerdings Einfluss auf die Startbedingungen der Held*innen – so als hätten sie zuvor das Abenteuer des Grundspiels erlebt.

Die Entscheidungen im Prolog lassen die Gruppe mit mehr oder weniger starten.
Die Entscheidungen im Prolog lassen die Gruppe mit mehr oder weniger starten.

Was ist anders?

Fast das gesamte Material aus dem Grundspiel kann und wird in der Erweiterung verwendet. Ja, richtig: fast. Zwar gibt es keine neuen Held*innen, aber die bekannten Charaktere sind nicht mehr wiederzuerkennen: Brynn, Fortunis, Galaden, Kehli, Syrus und Vaerix sind an ihren Abenteuern, Erlebnissen und Entscheidungen im ersten Akt gewachsen. Deshalb gibt es in der Fortsetzung neue hübsche Miniaturen und frische Charaktertableaus, die die bisherigen vollständig ersetzen. Alles andere, was im Grundspiel freigeschaltet wurde, bleibt erhalten.

Die neuen Charakterfiguren.

Dass sich unsere Held*innen weiterentwickelt haben, ist am deutlichsten an den Charaktertableaus zu erkennen. Das neue Artwork der Charaktere springt sofort ins Auge, es wirkt frisch und ist sehr gelungen. Wie gehabt sind die Tableaus doppelseitig. Auf jeder Seite gibt es nun zwei Blitz-Fähigkeiten, zwischen denen die Spielenden wählen können. Oder, wenn zwei Blitze zur Verfügung stehen, beide einsetzbar sind. Zudem sind die Held*innen durch mehr Lebenspunkte widerstandsfähiger geworden.

Die Begleiterin Idris hat eine eigene Figur und beidseitig bedruckte Karte.
Die Begleiterin Idris hat eine eigene Figur und beidseitig bedruckte Karte.

Außerdem hat sich eine siebte Figur dazugesellt: Idris, Syrus’ Phönix. Sie ist nun eine physische Begleiterin mit eigener Figur, wenn Syrus mitspielt. Sie kann sich unabhängig von der Syrus-Spielfigur durch das Szenario bewegen. Dabei kann sie, wenn keine andere Charakterfigur in der Nähe ist, zum Ziel von gegnerischen Angriffen werden. Zudem hält sie Monster auf. Die Person, die Syrus spielt, erhält die Begleiterkarte. Diese Karte ist ebenfalls zweiseitig bedruckt, kann aber nicht wie Syrus’ Charaktertableau und Fertigkeiten durch eine Bereitschaftsaktion umgedreht werden. Die Begleiterkarte dreht sich um, sobald Idris besiegt wurde. Wie es sich für einen Phönix gehört, kann sich Idris wieder aus der Asche erheben. Dies passiert, wenn Syrus heilt.

Übrigens: Seine Begleiterin kostet Syrus keine Erfahrungspunkte (EP). Ihm und allen anderen Charakteren stehen in der Vorbereitung des ersten Abenteuers der Erweiterung jeweils vier EP zum Ausrüsten von Fertigkeitenkarten zur Verfügung. Wählen können die Spielenden aus allen Fertigkeiten aus Akt 1 und mindestens einer neuen Fertigkeit aus Akt 2. Wie gehabt werden dann noch zwei Waffen ausgewählt, eine Rüstung, ein Schmuckstück und bis zu drei Verbrauchsgegenstände ausgerüstet.

Es wird groß(artig) und legendär!

Vor dem Start des ersten Szenarios zeigt die App in einer Schritt-für-Schritt-Anleitung den Aufbau des Spielfeldes. Hierbei hat sich an der Erweiterung nicht viel verändert. Aber schon beim Aufbau des ersten Abenteuers von Descent Akt 2: Krieg des Verräters fällt auf: Es geht hoch hinaus!

Der Aufbau des ersten Szenarios sieht vielversprechend aus, neu sind die Leiter und das Feuer.
Der Aufbau des ersten Szenarios sieht vielversprechend aus, neu sind die Leiter und das Feuer.

Kleiner Tipp: Nicht zu viel Mühe geben mit dem Einsortieren der neuen 3D-Geländeteile. Denn diese müssen als allererstes aus der Schachtel wieder herausgenommen werden. Als Fundament für das erste Szenariosetting dient nämlich der Schachteleinsatz aus der Erweiterungsbox. Was für eine grandiose Idee! Kein Inhalt wird in der Erweiterung ungenutzt gelassen.

Und diesem Motto folgt auch schon das erste Szenariosetting. Nach und nach wird es immer größer und größer und größer. Natürlich kommen die neuen 3D-Geländeteile direkt zum Einsatz. Mit den Leitern können größere Höhenunterschiede mit zwei Bewegungspunkten überwunden werden. Neben einem Feuer oder einem brennenden Gegenstand steigt der Angriffserfolg, aber auch die Gefahr, vom Feuer geschwächt zu werden. Auf die große Statue kann geklettert werden. Und der Wagen kann sich bewegen. Wofür ist das wohl nützlich?

Statt bloß durch den Dungeon zu rennen und Monster zu besiegen, bietet Descent Akt 2 allein durch die neuen Aufbaumöglichkeiten mehr (taktische) Höhen und Tiefen. Gutes Teamwork ist hierbei das A und O. Durch ihre neuen Fähigkeiten haben die Charaktere aber auch mehr Möglichkeiten und sollten diese zum richtigen Zeitpunkt nutzen – sofern dann hoffentlich die richtige Kartenseite offen liegt.

Wie schon erwähnt: Syrus’ Fähigkeiten sind ganz auf ihn und seine Begleiterin Idris abgestimmt.

Brynns neue Fähigkeiten nutzen das Schlüsselwort Kampfstil. Je nach Schadensart – wie Wucht oder Hieb – der aktuell verwendeten Waffe aktiviert sie neue Effekte.

Fortunis ist der Meister der Schatten. Daher kann er mit seinen Schattenfähigkeiten die neuen Umbra-Marker platzieren und bewegen. Sie helfen ihm, Monstern zu entwischen, das Team zu unterstützen oder aus dem Dunkeln zuzuschlagen.

Drei neue Markertypen, vorne im Bild: gelbe Belastet-Marker, lila Umbra-Marker und graue Verborgen-Marker.
Drei neue Markertypen, vorne im Bild: gelbe Belastet-Marker, lila Umbra-Marker und graue Verborgen-Marker.

Galaden unterstützt seine Gefährt*innen durch das Hinzufügen von positiven Zuständen; Monster behindert er durch negative Statuseffekte. Ihm selbst helfen der neue Zustand Verborgen und der Statuseffekt Geblendet, mit denen er ungesehen bleibt beziehungsweise Monster eine alternative Aktivierung durchführen lässt.

Kehli hat nun die Fähigkeit, nützliche Maschinen auf dem Spielfeld zu platzieren. Diese verstärken ihre Angriffe und blockieren Bewegungen. Mit dem Schlüsselwort Stapeln lassen sich zwei Maschinen übereinander platzieren.

Vaerix besitzt starke Wort-Fertigkeiten. Diese sind aber kostspielig, da sie andere Karten mit dem neuen Zustand Belastet belegt. Dieser Zustand sorgt für mehr Erschöpfung.

Bereits im ersten Abenteuer von Descent Akt 2: Der Krieg des Verräters kommen die neuen Fähigkeiten zum Einsatz, denn es wird episch und legendär.

Apropos legendär: Im Laufe des Szenarios schaltet man für alle Charaktere eine neue Kartenart frei: die Legenden. Die neuen Legendenkarten sind besonders. Sie sind zwar beidseitig mit unterschiedlichen Fähigkeiten bedruckt, aber es wird pro Karte immer nur eine Fähigkeit freigeschaltet, die die Spielenden selbst auswählen. Die andere Seite ist für den Rest der Kampagne gesperrt. Legenden lassen sich gegen EP, wie die Fertigkeitenkarten, vor dem Szenario ausrüsten. Anders als bei Fertigkeitenkarten lassen sich auf Legendenkarten keine Erschöpfungsmarker platzieren. Das Gleiche gilt für positive und negative Zustände.

Eine Seite des neuen Charaktertableaus von Syrus und seine freigeschaltete Legendenkarte.
Eine Seite des neuen Charaktertableaus von Syrus und seine freigeschaltete Legendenkarte.

Auch die Monster haben sich zum Teil weiterentwickelt. Einige von ihnen haben Resistenzen gegen eine oder mehrere Schadensarten ausgebildet. Ähnlich wie bei den Schwächen sind Resistenzen zunächst nicht bekannt und werden in der App mit einem Fragezeichen markiert. Sobald mit der entsprechenden Waffe angegriffen wird, ist die Resistenz entdeckt. Das bedeutet, der Angriff fügt einen Schadenspunkt weniger pro Erfolg zu. Auch hier ist die App für die Organisation da und verwaltet dies automatisch.

Wobei die App allerdings nicht helfen kann, ist das gesuchte Spielmaterial in den beiden großen Boxen wiederzufinden. Ein Tipp: Wer in der App bereits angegeben hat, dass die Erweiterung im Besitz ist, begegnet auch beim Spielen von Akt 1 den neuen gegnerischen Figuren. Ist eine Miniatur in der blauen Box nicht zu finden, ist sie bestimmt in der lilafarbenen.

Ausstattung

Die Erweiterungsbox ist etwa ein Drittel kleiner als die Spielschachtel des Grundspiels, bei der Qualität und dem Design des Spielmaterials wurden aber keine Abstriche gemacht. Besonders das neue Artwork überzeugt und fügt sich gut ins vorhandene Spielmaterial ein.

Einfach riesig, die einmalige Drachenfigur!
Einfach riesig, die einmalige Drachenfigur!

Auch wenn sich keinen neuen Charakterfiguren anschließen, so gibt es sechs neue Arten von Monsterfiguren. Das Highlight ist die riesige Drachenfigur. Sie macht schon beim Öffnen der Schachtel direkt Lust auf das Spiel. Da kann selbst Gloomhaven nicht mithalten.

Die neuen 3D-Geländeteile werden vor dem ersten Spiel anhand der beiliegenden Aufbauanleitung zusammengesetzt. Weitere Spielplanteile und Unterlagen vervollständigen das Material. Bei den Unterlagen ist allerdings beim direkten Vergleich ein Farbunterschied zu erkennen, was die ansonsten sehr stimmige Gesamtoptik etwas trübt.

Alle neuen Karten und Spielplanteile der Erweiterung sind mit einem Erweiterungssymbol von Der Krieg des Verräters gekennzeichnet. So lassen sie sich einfach wieder zurücksortieren, falls nötig.

Trotz neuer Zustände und Statuseffekte gibt es leider keine neuen Spielübersichtskarten mit der Erweiterung. Eine Übersicht ist aber auf der Rückseite der Spielanleitung zu finden.

Die wenigen neuen Regeln sind in der Spielanleitung alphabetisch sortiert und eigenen sich gut als Nachschlagewerk, falls mal ein neues Spielelement nicht parat ist. Aber wie gewohnt lässt sich auch alles direkt in der App nachlesen.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Fantasy Flight Games, Asmodee
  • Autor*in(nen): Kara Centell-Dunk, Nathan I. Hajek, Philip D. Henry
  • Erscheinungsjahr: 2023
  • Sprache: Deutsch
  • Spieldauer: 120–180 Minuten (eher mehr)
  • Spieler*innen-Anzahl: 1 2 3 4
  • Alter: ab 14 Jahren
  • Preis: ca. 135–160 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Bonus/Downloadcontent

Die neuen Spielregeln stehen auf der Produktseite von Asmodee zum Download zur Verfügung. Außerdem findet sich dort zu jedem Charakter eine ausführliche Vorstellung der neuen Fähigkeiten.

Fazit

Am Grundkonzept von Descent: Legenden der Finsternis hat sich nicht viel geändert. Die neuen Spielmaterialien bringen jedoch neue Variabilität, Wendungen und Herausforderungen in die Abenteuer. Durch neue Fähigkeiten, Zustände und Ausrüstungen verfügen die Held*innen über noch mehr taktische Möglichkeiten und Strategien. Alle neuen Komponenten fügen sich sehr gut in die Geschichte und das Spielgeschehen ein.

Etwas enttäuschend ist aber, dass es keine große Neuerung in Descent Akt 2: Krieg des Verräters gibt. Die neuen Inhalte bauen lediglich auf bereits bekannten Elementen auf. Bei dem hohen Preis hätten wir etwas überraschend Neues erwartet, wie beispielsweise neue Charaktere. Bestimmt hätte sich das auch in die Story gut integrieren können.

Der hohe Preis ist auch der größte Kritikpunkt. Zum gleichen oder teils höheren Preis wie die Grundbox bekommt man weniger Inhalt. Es wirkt beinahe so, als wäre ein komplettes Spiel auf zwei Boxen aufgeteilt. Zwar bieten die enthaltenen Inhalte viele Spielstunden Spaß, aber ob ihr den Preis bezahlen wollt oder könnt, das liegt an eurem Geldbeutel.

Wir finden trotzdem, dass der zweite Akt von Descent: Legenden der Finsternis eine gelungene Erweiterung ist. Die herausfordernden Testrunden waren lang und dauerten auch mal mehr als die angegebenen drei Stunden Spielzeit.

Besonders beeindruckt hat uns in jedem Abenteuer erneut, wie aus den Spielplanteilen und 3D-Geländeteilen so variable, detaillierte Miniaturwelten entstehen. Und hier hat die Erweiterung tatsächlich einiges zu bieten. Apropos beeindruckend: Hier sei noch mal die wunderschöne Drachenfigur erwähnt; die möchte man einfach besitzen …

Ihr habt jetzt auch Lust auf epische Schlachten im Dungeon? Dann seid ihr mit Descent Akt 2: Krieg des Verräters gut beraten.

 

  • neue hochwertige Miniaturen und 3D-Geländeteile
  • Weiterentwicklung der Charaktere und Fertigkeiten
  • mehr taktische Variabilität
 

  • hoher Preis
  • im Verhältnis wenig Neues

 

Artikelbilder: © Asmodee
Layout und Satz: Verena Kröger
Lektorat: Sabrina Plote
Fotografien/Screenshots: Michelle Saarberg

Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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