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Elend, an das wir gewöhnt sind, stört uns nicht“, soll der lateinische Dichter Claudian im 4. Jahrhundert nach Christus gedichtet haben. Dies scheint das Motto von Empire’s End zu sein. Wir übernehmen die Herrschaft über krisengeplagte Imperien und müssen Ressourcen klug einsetzen. Jede überstandene Krise birgt aber auch neue Möglichkeiten.

Aufbauspiele gibt es in unzähligen Komplexitätsstufen und für nahezu alle Altersklassen. Egal, ob im Spiel des Jahres 2023 Dorfromantik oder dem epischen Klassiker Twilight Imperium, das Erschaffen von Neuem steht häufig im Vordergrund typischer Aufbauspiele. Ganz anders im kompetitiven Engine-Builder Empire’s End. Die Spielenden starten hier mit einem eigenen Imperium auf dem Höhepunkt seiner Macht, und müssen den unvermeidlichen Fall möglichst sanft bremsen. Das gelingt insbesondere durch den Einsatz verschiedener Ressourcen und Technologien, die im Lauf einer Partie gesammelt und eingesetzt werden müssen. Historische Kenntnisse sind nicht notwendig. Stilistisch erinnert das Thema an das imperiale römische Reich, es gibt aber keinerlei Bezugspunkte zu historischen Daten. Die eintretenden Krisen sind zwar dramatisch, im Spiel allerdings stark abstrahiert dargestellt, sodass uns, trotz des Themas, hier keine explizite Gewalt oder besonders verstörenden Darstellungen erwarten.

Triggerwarnungen

Gewalt, Hungersnot, Epidemie

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Spielablauf

Empire’s End verläuft in einer festgelegten Anzahl Runden, 26 in der regulären, 19 in der Blitz-Variante. Es gibt vier verschiedene Arten von Runden, die in unterschiedlicher Häufigkeit auftreten. Ziel aller Mitspielenden ist es, das eigene Imperium über diese Runden zu retten, ohne dabei zu große Verluste an Ressourcen und Siegpunkten in Kauf zu nehmen. Jedes Imperium besteht dabei aus elf Pappkarten, die zu Beginn des Spiels in zufälliger Reihenfolge angeordnet werden. Jeder Ort bringt am Spielende eine bereits feststehende Anzahl an Siegpunkten, die auf der Karte dargestellt werden, aber nur, wenn dieser Ort am Ende des Spiels noch intakt und nicht durch eine der zahlreichen Krisen zerstört wurde. Gleichzeitig hat jeder Ort eine Fähigkeit, die in einer der unterschiedlichen Runden zum Einsatz kommen kann. Zusätzlich erhalten alle Spielenden einige Ressourcen (Weizen, Hämmer, Äxte, Münzen), einen Sichtschirm, um die eigenen Ressourcen zu verdecken und vier Krisen-/Innovationskarten.

Der Aufbau für vier Spielende.

Jede Partie beginnt mit einer Krisenrunde. Diese Rundenart ist die häufigste und bestimmt, welcher Ort (oder Orte) des Imperiums von welcher Art Krise bedroht ist. Zu Beginn sind das bei allen Spielenden noch die gleichen Orte, im späteren Spielverlauf kann sich das allerdings ändern, da die Reihenfolge der Orte veränderbar ist.

Zu Beginn der Runde wird eine Krisen-/Innovationskarte aufgedeckt. Die Person, die beginnt, muss sich nun entscheiden, diese Krise in Kauf zu nehmen oder Ressourcen einzusetzen, um die Krise abzuwenden. Bietet sie eine der auf der Karte angegeben Ressourcen, oder eine Münze, die als Joker gilt, wendet sie die Krise zunächst von ihrem Reich ab. Die nächste Person steht nun vor derselben Wahl – Krise annehmen oder abwehren. Auch hier muss zur Abwehr die entsprechende Ressource geboten werden, dann wandert die Krise weiter, bis sich eine Person dazu entscheidet, die Krise anzunehmen. Dabei erhält sie auch alle bisher gebotenen Ressourcen als Kompensation. Der auf der Krisenkarte angegebene Ort wird allerdings zerstört, das heißt, die Fähigkeiten dieses Ortes können nicht mehr eingesetzt werden. Es muss also abgewogen werden, wie viel der Verlust eines Ortes wert ist, und welche Möglichkeiten und Interessen die Mitspielenden haben.

Zusätzlich bringt jede Krise auch eine Innovation mit sich. Nachdem der angegebene Ort zerstört wurde, muss sich entschieden werden, an welchem noch intakten Ort die Innovation angelegt werden soll. Je nach Art der Krise stehen somit unterschiedliche Fähigkeiten als Innovationen zur Verfügung, die in den weiteren Runden einen mehr oder weniger starken Einfluss auf Ressourcengewinnung und Widerstandsfähigkeit des eigenen Imperiums haben. Die möglichen Innovationen reichen dabei von mehr Ressourcen, über Reduktion von Wiederaufbaukosten, bis hin zur Möglichkeit, Orte zu tauschen oder zusätzliche Siegpunkte zu gewinnen.

Krisen-/Innovationskarten: im unteren Bereich steht die gewonnene Innovation.

Auf die erste Krisenrunde folgt die erste Wirtschaftsrunde. Hier erhalten die Spielenden, je nach noch intakten Orten und aktuell vorhandenen Innovationen, in der Regel Ressourcen, können Ressourcen umtauschen oder Fähigkeiten, die bereits benutzt wurden, wieder auffrischen, um sie später erneut einsetzen zu können. Spätere Innovationen können in der Wirtschaftsrunde beispielsweise dafür sorgen, dass mehr Ressourcen produziert werden, wenn bestimmte Orte nebeneinander liegen.

Eine weitere Rundenart ist die Industrierunde. Hier können zerstörte Orte wieder aufgebaut, neue Innovationen ausgespielt und je nach verfügbaren Innovationen Orte getauscht oder andere Aktionen vollzogen werden, die mit Auf-, beziehungsweise Wiederaufbau des eigenen Imperiums zusammenhängen.

Die letzte Art der Runden ist die Militärrunde. Hier kommt mit den Feldzugkarten eine weitere Kartenart ins Spiel. Zu Beginn jeder Militärrunde wird eine solche Feldzugkarte aufgedeckt. Auf dieser sind Belohnungen für die*den Sieger*in des anstehenden Feldzuges und für die erreichte militärische Stärke. Stärke kann durch Orte und Innovationen erlangt werden. Außerdem können Äxte und Münzen in einer Runde als zusätzliche Stärkepunkte eingesetzt werden. Diese sind dann aber, unabhängig vom Ausgang dieser Runde, erschöpft.

Während einer Militärrunde zählen alle Spielenden ihre Stärkepunkte zusammen und nehmen bei Bedarf verdeckt weitere Äxte oder Münzen in die Hand. Alle Spielenden decken dann gleichzeitig ihre zusätzlichen Stärkepunkte auf. Die Person mit der höchsten Stärke gewinnt den Feldzug und erhält die Belohnung auf der Feldzugkarte. Zusätzlich erhalten alle Spielenden die Belohnung, die mit der eigenen Stärke korreliert. Außerdem müssen alle, die den Feldzug nicht gewonnen haben, einen unten auf der Feldzugkarte angegebenen Ortswechsel vollziehen.

Feldzugkarte: alle mit zehn oder mehr Stärke erhalten elf Siegpunkte und zwei Münzen.

Diese vier Rundenarten wechseln sich die gesamte Partie über ab. Auf dem Spielplan ist die Abfolge dargestellt. Bezüglich der Abfolge gibt es keine Überraschungen, sodass jeder Partie eine gewisse Planbarkeit zugrunde liegt. Abwechslung und unerwartete Elemente sind gering und beschränken sich auf die Aktionen der Mitspielenden und die gezogenen Krisen-/Innovations- und Feldzugkarten.

Die Spielregeln erscheinen auf den ersten Blick sehr komplex. Die Spielanleitung ist übersichtlich und detailliert aufgebaut, sodass nahezu alle Fragen beim ersten Lesen beantwortet, beziehungsweise leicht nachgeschlagen werden können. Sind die unterschiedlichen Runden einmal durchlaufen, sind sie beim nächsten Mal deutlich flüssiger, sodass sich nach ein wenig Übung ein angenehmer Spielfluss entwickeln kann.

Allerdings ist Empire’s End sehr symbollastig. Die Karten besitzen wenig bis keinen Text, sodass wenig Lesearbeit zu leisten ist, einige der Symbole aber bei der ersten oder auch zweiten Begegnung zunächst schwierig zu deuten sind. Zwar gibt es in der Anleitung ein Glossar, das die wichtigsten Symbole auf einen Blick erklärt, aber gerade in den ersten Partien erinnert das ein wenig an Vokabellernen. Es hilft allerdings, dass auf der Rückseite der Sichtschirme zumindest einige der wichtigsten Symbole samt Erklärung abgebildet sind.

Glückselemente finden sich kaum. Einzig die Krisen-/Innovationskarten und die Feldzugkarten sind zufällig. Alle übrigen Spielelemente, bis hin zur Abfolge der Runden, sind jederzeit ersichtlich und folgen einem transparenten Schema.

Der Spielplan gibt die Rundenfolge vor.

Das Engine-Building geschieht bei Empire’s End vor allem dadurch, ein funktionierendes System mit möglichst wenig Schäden und Einschränkungen über die Zeit zu retten. Es gibt kaum Möglichkeiten, das Spiel ohne die Zerstörung von Orten zu beenden. Und selbst dann stellt sich am Ende die Frage, ob die Mitspielenden durch die gewonnenen Innovationen nicht doch die Oberhand auf der Punkteskala haben. Das Abwägen von Vor- und Nachteilen hat einen hohen Stellenwert. Zusätzlich ergeben sich durch die Biet-Mechanismen in Krisen- und Militärrunde oft spannende Momente. Durch die beiliegenden Sichtschirme werden die Ressourcen der Mitspielenden verdeckt. Es ist zwar möglich, einen Überblick über die Möglichkeiten der anderen zu behalten, wenn man den Ressourcengewinn der Mitspielenden aufmerksam beobachtet, aber das wird bei mehr Mitspielenden mit der Zeit immer schwieriger.

Die Spielzeit ist mit 45 bis 60 Minuten pro Partie angegeben, das kommt bei den ersten Partien gut hin, später befindet man sich wahrscheinlich näher an den 45 Minuten als an 60 Minuten Spielzeit.

Ausstattung

Das Design von Empire’s End ist ein besonderes Highlight. Die Artworks sind detailreich und bunt, ohne dabei zu aufdringlich zu sein. Die Stimmung zwischen Höhepunkt und Untergang eines Imperiums ist gut eingefangen, und findet sich auf dem gesamten Spielmaterial wieder. Das Material selbst ist von hoher Qualität und scheint robust und langlebig zu sein. Besonders lobenswert ist die Aufteilung der Box und das Zubehör zur Organisation.

Organisation der Kleinteile: darunter finden Spielplan, Karten und Marker Platz.

Mithilfe der beiliegenden Plastikboxen samt Deckeln kann das Spielmaterial platzsparend und effizient in der kompakten Box organisiert und verstaut werden. Das durchdachte Inlay-Design sorgt dafür, dass kein Platz verschenkt, sondern optimal ausgenutzt wird.

Das Regelheft ist übersichtlich und klar strukturiert. Neben ausführlichen Regel- und Symbolerklärungen befindet sich auf der Rückseite der Anleitung eine Schnellstartanleitung, die den Aufbau und den Ablauf der einzelnen Runden kurz und knapp skizziert.

© Nice Game Publishing

Die harten Fakten:

  • Verlag: Nice Game Publishing
  • Autor*in(nen): John D. Clair
  • Illustrator*in(nen): Kwanchai Moriya
  • Erscheinungsjahr: 2023
  • Sprache: Deutsch
  • Spieldauer: 45 – 60 Minuten
  • Spieler*innen-Anzahl: 2 3 4
  • Alter: 10+
  • Preis: Ab 41,99 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, idealo, Amazon

 

Bonus/Downloadcontent

Bisher sind keine weiteren Inhalte angekündigt.

Fazit

Empire’s End ist ein zugänglicher Engine-Builder, bei dem Thema und Mechaniken gut zusammenpassen. Die Spielenden beginnen mit einem Imperium in voller Blüte, aber es wird schnell deutlich, dass sich dieser Zustand nicht beibehalten lässt. Es geht, entsprechend dem Thema des Spiels, vor allem darum, das bereits bestehende sinnvoll zu erweitern, um im richtigen Moment auf die aufkommenden Krisen vorbereitet zu sein, um sie entweder abzuwenden oder wenigstens noch Profit daraus zu schlagen. Dieser umgekehrte Biet-Mechanismus ist eine spannende Alternative zur üblichen Vorgehensweise. Hier nehmen die Biet-Runden pokerähnliche Züge an. Häufig stellt man sich selbst die Frage, ob die Mitspielenden zu einer weiteren Biet-Runde bereit sind, man für die Annahme der nächsten Krise den Einsatz der anderen noch weiter in die Höhe treiben kann. Das wird dann besonders spannend, wenn unterschiedliche Orte von der nächsten Krise getroffen werden, und große Punktunterschiede zwischen diesen beiden Orten herrschen. Wie viele Ressourcen können für die Rettung der hochwertigen Stadt aufgebracht werden? Welche Orte sind bei den Mitspielenden bedroht?

Als Kennerspiel ist Empire’s End zwar komplex, aber auch für Wenig-Spielende sicherlich gut geeignet, um den Einstieg in komplexere Spiele zu finden. Der vorbestimmte Ablauf sorgt für eine gewisse Planungssicherheit und Stabilität, die auf Biet-Mechanismen beschränkten Interaktionen zwischen den Spielenden dafür, dass auch unerfahrene Spielende nicht überwältigt werden.

Auf der anderen Seite gibt es allerdings kaum überraschende Momente oder Ereignisse, die den Spielverlauf nachhaltig verändern. Die Abfolge der Runden ist in jeder Partie gleich. Insbesondere in späteren Partien fällt schnell auf, dass die Möglichkeiten doch stark beschränkt sind, da es nur fünf Wirtschafts– und vier Technologierunden pro Partie gibt. Den Großteil machen die Krisenrunden aus. Die Spielenden sind also hauptsächlich damit beschäftigt, sich mit den Krisen auseinanderzusetzen. Als Engine-Builder im eher unteren Komplexitätsspektrum funktionieren Empire’s End und seine Mechanismen gut, sowohl für zwei, als auch für drei oder vier Spielende.

  • Geringer Zufallsfaktor
  • Spannendes Biet-System
  • Tolles Box-Design

 

  • Kaum Überraschungen
  • Viele Krisenrunden, wenig andere Rundenarten

 

Artikelbilder: © Nice Game Publishing
Layout und Satz: Melanie Maria Mazur
Lektorat: Sabrina Plote
Fotografien: Maximilian Lentes
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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