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Im Storyspiel Eila und das glitzernde Etwas macht sich die kleine Häsin Eila auf den Weg in ein großes Abenteuer. Das Cover des Spiels könnte das eines Bilderbuchs sein. Ob die Zielgruppe auch die gleiche ist, haben wir für euch getestet.

Storyspiele gibt es im Brettspielbereich immer mehr. Schon 2020 haben wir euch zur SPIEL.digital die damaligen Neuheiten der Storydriven Spiele vorgestellt. Wer Geschichten-Spiele mit Kindern spielen möchte, hat sich vielleicht schon mit Maus und Mystik oder DreamQuest auseinandergesetzt. Auf den ersten Blick wirkt Eila und das glitzernde Etwas so, als könnte es sich zu dieser Art Abenteuerspiele ins Regal einreihen. Aber ist das tatsächlich der Fall?

Die vordergründige, niedlich illustrierte Story über Freundschaft, aber auch Verlust geht gegen Ende sehr viel tiefer und löst sich mit einem ernsten Ton auf – das sollten die Spielenden wissen. Diese ernsten Untertöne können Trigger enthalten, die aber gleichsam einen großen Spoiler darstellen. In der Rezension selbst gehen wir, um nicht zu spoilern, auf keine Triggerthemen ein. Im Spielablauf und der Ausstattung gehen wir auf das Grundprinzip des Spiels und das Tutorial von Eila und das glitzernde Etwas ein und umfassen spoilerfrei den groben Aufbau des Spiels. Wer das selbst beim eigenen Spielen entdecken möchte, kann direkt zum Fazit klicken.

Triggerwarnungen

  „keine typischen Trigger“

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Spielablauf

Eila und das glitzernde Etwas ist laut Schachtelangabe ein Spiel für ein bis drei Spielende. Wird das Spiel von mehr als einer Person gespielt, spielen alle gemeinsam Eila und treffen die Entscheidungen kooperativ; alle anderen Regeln bleiben gleich.

Der zarte Einstieg

Das Abenteuerspiel startet mit einem Tutorial, in dem das Grundprinzip des Spiels gelernt wird: Eila hat verschiedene Aufgaben, die sie innerhalb einer Woche – in sieben Runden – erledigen muss, ohne vorher ihre Herzen zu verlieren. Jeden der sieben Tage erlebt Eila anhand eines Kartenstapels, den es durchzuspielen gilt. Dieser sogenannte Heutestapel wird dafür mit der Rückseite nach vorn in einen Kartenhalter gestellt, welcher dafür sorgt, dass auch jede nächstfolgende Karte im Ungewissen bleibt. Auf das Spielbrett kommen neben der Zielkarte außerdem unterschiedliche Ereignis-, Hobby- und Gegenstandskarten, die alle verdeckt sind und im Laufe des Abenteuers entdeckt und gespielt werden können.

Spielbrett mit Aufbau vom Tutorial und erster Karte im Hier und Jetzt
Spielbrett mit Aufbau vom Tutorial und erster Karte im Hier und Jetzt

Das leere Feld unter der Zielkarte ist das Hier und Jetzt, in das immer die aktuelle Karte vom Heutestapel gelegt wird. Der Kartenaufbau ist stets gleich: Der obere Teil der Karte ist mit einer Illustration und einem kleinen Text versehen, der untere Teil besteht aus einer Auswahl an Optionen, aus der es zu wählen gilt. Je nachdem, wie entschieden wird, kommt die Karte nun entweder verdeckt nach rechts auf den in der nächsten Runde wiederkehrenden Morgenstapel, links auf den unwiderruflichen Gesternstapel oder zurück in den Stapel, aus dem die Karte ursprünglich entnommen wurde. Manche Entscheidungen bringen neue rote oder blaue Ereigniskarten ins Spiel. Diese werden entweder direkt verdeckt ins Hier und Jetzt gelegt oder auf den Morgenstapel, je nach Symbolanzeige.

Außerdem bringen manche Entscheidungen Ressourcen in Form von kleinen Holzwürfeln, von denen es sechs verschiedene gibt. Für die drei materiellen Ressourcen Essen (orange), Münzen (gelb) und Zaubersteine (lila) ist links unten auf dem Spielbrett Platz. Die immateriellen Ressourcen Energie (grün), Wissen (grau) und Angst (braun) haben ihren Lagerplatz unten rechts. Beide Arten von Ressourcenwürfeln, materiell und immateriell, sind in ihrer Lagerung beschränkt auf jeweils acht Plätze. Um gegebenenfalls Platz für neue Ressourcen ihrer Art zu machen, können Würfel abgeworfen werfen, außer die Angst – die lässt nicht so einfach abschütteln. Angst loswerden ist wichtig, denn ist kein Lagerplatz mehr für einen brauen Würfel vorhanden und eine Angst müsste hinzugefügt werden, wird stattdessen ein Herz entfernt. Zu viel Angst führt also zu Herzverlust, aber auch manch andere Ressourcen können umgewandelt werden: Zwei Essen bringen zum Beispiel eine Energie und wer fünf Wissen angesammelt hat, kann daraus einen Zauberstein machen. 

Eilas Notizblock
Eilas Notizblock

Sind alle Karten vom Heutestapel aus dem Kartenhalter gespielt worden ist der Tag zu Ende und die Nacht beginnt. In der Nachtphase muss nun die Tagesaufgabe erfüllt werden, um kein Herz zu verlieren. Außerdem wird kontrolliert, ob das Wochenziel schon erreicht wurde. Im Tutorial braucht Eila zum Beispiel für jede Nacht eine Energie und muss bis zum Ende der letzten Runde zwei Wissen abgegeben haben. Ist dies nicht der Fall und die siebte Runde noch nicht gespielt, wird der Morgenstapel gemischt und zum neuen Heutestapel in den Kartenhalter gestellt. Sobald das Wochenziel erfüllt wird, ist das Kapitel gewonnen.

Nach einem Kapitelsieg kann in Eilas Notizblock, einem kleinen Zettel, der aktuelle Fortschritt festgehalten werden. Hier kann es sich lohnen, nach jedem Kapitel die Stiftfarbe zu wechseln, um die Spielentwicklung besser nachvollziehen zu können oder für den Fall ein früheres Kapitel doch erneut spielen und später erworbene Fortschritte zurücksetzen zu wollen.

Die fortlaufende Steigerung

Nun wurden die Grundregeln des Spiels ganz einfach gelernt und es kann mit dem ersten Kapitel weiter gehen. Zu jedem Kapitel, auch dem Tutorial, gibt es mehrere kleine Comics, welche die Geschichte mit Prolog und Ende(n) umrahmen und visuell orientierte Menschen auch nach längeren Spielpausen einen schnelleren Wiedereinstieg in die Story ermöglichen können. Außerdem werden im Prolog-Comic die jeweiligen Startressourcen eines Kapitls aufgeführt.

Ist das Tutorial noch leicht und kurzweilig, so dass es sicher auch mit Kindern im Kindergartenalter gespielt werden kann, steigert sich das Spiel nach und nach mit jedem Kapitel sowohl in Regeln, thematischem Inhalt und spielerischem Anspruch immer mehr. Wer gut im Merken ist (oder Notizen macht), hat in diesem Spiel gute Karten, denn durch die Erinnerung an wiederkehrende Ereignisse, lässt sich manche Entscheidung leichter treffen. Durch verschiedene Zufallsfaktoren wie beispielsweise die Reihenfolge des Heutestapels oder das Werfen von Würfeln kann es sehr viel anspruchsvoller laufen, als es im Tutorial den Anschein hat. Da die Entscheidungen in jedem Kapitel Einfluss auf die gesamte nachfolgende Geschichte haben, kann es zur Frage kommen, ob manche Entscheidungen in vorherigen Kapiteln nicht doch besser anders hätten getroffen werden sollen. Das kann an mancher Stelle frustrieren, erhöht aber auch stark den Wiederspielreiz, weil durch die vielfältigen Optionen in jedem neu gespielten Abenteuer andere Erlebnisse entdeckt werden können.

Wem der Standardmodus nicht reicht, kann den Schwierigkeitsgrad entsprechend anpassen. Jedes Kapitel kann im fortgeschrittenen Modus mit weniger Herzen gespielt werden. Außerdem gibt es für die Kapitel zwei bis fünf ein paar Karten zum Austauschen, die an der Geschichte nichts ändern, aber das Spiel schwerer gestalten. Wer möchte, kann diese also schon im ersten Durchlauf ins Spiel bringen.

Ratschlag aus der Anleitung
Ratschlag aus der Anleitung

Für das Spielen mit Kindern gibt es nach dem dritten Kapitel einen Hinweistext in den Regeln, der Erwachsenen rät, die Geschichte “zunächst allein durchzuschauen”, bevor sie mit Kindern weitergespielt wird. Wer vor dem eigenen Spielerlebnis das gesamte Material an Karten und Comics für Kapitel vier und fünf aus Spoiler-Gründen nicht anschauen möchte, kann diese Kapitel zwar im Vorfeld ohne Kinder spielen, allerdings reicht ein einmaliges vorab Spielen der Kapitel nicht aus, um der Empfehlung aus dem Regelheft nachzukommen. Der Ratschlag der Anleitung bezieht sich vor allem auf die thematischen Inhalte und sollte beim Spielen mit Kindern auf jeden Fall ernst genommen werden, so dass – je nach Kind und Alter – Eilas Abenteuer eventuell schon alternativ mit Kapitel drei beendet werden kann.

Ausstattung

Dass Eila und das glitzernde Etwas liebevoll illustriert ist, verrät schon die Spielschachtel, welche erste Einblicke in Eilas Welt gibt. Das niedlich daherkommende Design zieht sich durch das gesamte Spiel über die Karten, Comics und das Regelheft.

In der Schachtel kann alles gut verstaut werden
In der Schachtel kann alles gut verstaut werden

In der Spielschachtel findet man ein Inlay, in dem alle Materialien unter einer Plastikabdeckung gut sortiert und rüttelsicher untergebracht werden können. Jedes Kapitel ist einzeln und sicher vor Spoilern verpackt und Kartenhalter, Ressourcen und später hinzukommendes Equipment haben ihren Platz.

Die Regeln sind gut aufgebaut und erweitern sich mit jedem Kapitel, wodurch der Start ins Spiel einfach gehalten wird. Manche Stellen könnten dabei allerdings eindeutiger sein, zum Beispiel die Regel zu den Hobbykarten, welche in Schritt eins der Vorbereitungen erwähnt, aber erst ab Kapitel eins relevant wird. Auch die Materialangabe von zwölf Herzen ist irritierend, denn nur neun Herzen liegen dem Spiel bei. Mehr sind allerdings auch nicht nötig.

Mit jedem Kapitel kommen neben neuen Regeln auch individuelle Spielmechaniken ins Spiel, teilweise nur für diesen Abschnitt. Das hinzukommende Material gibt es in mehrfacher Version, so dass jede neue Partie per Zufall anders gestaltet wird, was den Wiederspielreiz erhöht. 

Generell ist das Spielmaterial von guter Qualität, allerdings haben alle Ressourcen die gleiche Würfelform, was das Spiel für farbenblinde Menschen erschweren kann. Dieses Problem gibt es mit den Deluxe-Komponenten aus der Kickstarter-Version nicht, da diese die jeweilig abgedruckte Form der Ressourcen haben. Leider sind diese nicht im Handel erwerblich.

Die harten Fakten:

© Mirakulus
© Mirakulus
  • Verlag: Mirakulus / ICE Makes
  • Autor*in(nen): Jeffrey CCH
  • Illustrator*in(nen): Roxy Dai
  • Erscheinungsjahr: 2023
  • Sprache: deutsch
  • Spieldauer: 35-45 Minuten pro Kapitel
  • Spieler*innen-Anzahl: 1 2 3
  • Alter: ab 10 Jahren
  • Preis: 55 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, idealo

 

Bonus/Downloadcontent

Die deutschen Regeln sind leider nicht online verfügbar. Auf BoardGameGeek gibt es die englische Regelversion zum Download.

Ebenfalls dort gibt es, auch auf Englisch, eine Seite von Eilas Notizblock in Farbe und mit Platz für Notizen und für alle die Kapitel vier und fünf gespielt haben Alternativenden und eine vereinfachte Version einer Karte. (Spoiler!)

Fazit

Auf den ersten Blick vermittelt die niedliche Optik von Eila und das glitzernde Etwas harmlos und familienfreundlich zu sein. Aber auch wenn das Spiel sehr liebevoll illustriert ist, steckt hinter der kindlichen Fassade und unschuldigen Einführung ein Kenner*innenspiel mit vielen Überraschungen, die nicht nur spielerisch, sondern auch inhaltlich zum Nachdenken anregen.

Durch die vielen zu treffenden Entscheidungen und die variantenreichen Zusätze ist auch ein wiederholt gespieltes Abenteuer immer etwas anders, was den Wiederspielreiz stark erhöht. Das Spielmaterial trägt dabei ebenso wie die Illustrationen auf den Karten durch die Geschichte. Allerdings hätten wir uns statt der Würfel, Marker in Form der Ressourcen gewünscht, um das Spiel optisch hübscher und für farbenblinde Menschen leichter zu gestalten.

Die Steigerung der Regeln und Geschichte führt von einem anfänglich kinderleichten Tutorial bis zu einem knallharten Finale und begleitet Eila auf einer aufregenden und emotionalen Reise.

Diese Reise kann laut Spielschachtel mit bis zu drei Spielenden angetreten werden, allerdings ändert sich dabei nichts an den Soloregeln. Eila und das glitzernde Etwas ist also vielmehr ein Solospiel, das kooperativ gespielt werden kann, was für kommunikative Koop-Fans sicher kein Problem darstellt. Besonders Kinder sollten spätestens ab Kapitel vier gemeinsam mit Erwachsenen spielen, denn der Hinweis im Regelheft sollte unbedingt ernst genommen werden: Im Vorfeld das gesamte Material von Kapitel vier und fünf anschauen und einschätzen, ob dieses für die mitspielenden Kinder geeignet ist. Im Zweifel wird die Geschichte dann nur bis zum Ende von Kapitel drei gespielt.

Das hinter Eila und das glitzernde Etwas mehr steckt, als es zuerst den Anschein hat, kann ebenso bewegen, herausfordern, begeistern aber auch enttäuschen. Mit dem Wissen darum wird aber ein Spiel erworben, dass viele Emotionen und Gedanken anregt und bekommt deswegen von uns vier von fünf Zaubersteinen.

  • Hoher Wiederspielreiz
  • Schöne Spielmechanik(en)
  • Mitreißende Geschichte

 

  • Ab Kapitel vier nicht mehr einfach mit Kindern spielbar
  • Ressourcen in Würfelform

Artikelbilder: © Mirakulus
Layout und Satz: Kai Frederic Engelmann
Lektorat: Nina Horbelt
Fotografien: Nele Peetz

Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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Über die Autorin

Nele Peetz liebt Spiele, Geschichten und Quatsch und kann das glücklicherweise privat und beruflich ausleben. Sie hat eine Schwäche für liebevoll gestaltete Spiele mit niedlichem Material und freut sich dabei besonders, wenn Wert auf Diversität gelegt wurde. Ist dann noch alles gut sortiert, kann sie stundenlang in Spielwelten eintauchen und sich darin verlieren.

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