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Das neue komplexe Eurogame aus der Feder von Stefan Feld. Nach seinen Titeln wie Die SpeicherstadtBruges und Macao weckt Bonfire in uns die Hoffnung, dass Ihm ein weiteres Mal ein fesselndes Spiel gelungen ist. Wir klären für euch, ob es Pegasus mit dem Spiel gelingt, in den Markt komplexer Eurogames vorzudringen.

Da ist er also, der neuste Titel vom Erfolgsduo aus dem Autor Stefan Feld und dem Redakteur Ralph Bruhn. Vier Jahre ist es nun her, dass der letzte H@ll Games-Titel herausgekommen ist, und nun helfen wir im neusten Spiel kleinen Gnomen, die lebenserhaltenden aber erloschenen Leuchtfeuer wieder anzuzünden. Dazu müssen die ehemaligen Hüterinnen der magischen Feuer durch Opfergaben überzeugt werden wieder zurückzukehren.

Der neue Rat um das große Leuchtfeuer ist schon gut besetzt

Das Spiel ist ursprünglich aus einem Prototyp mit dem Namen „Streifenmanager“ hervorgegangen – Namensgeber für die sogenannte „Streifenmechanik“. Das merkt man dem Spiel auch heute noch an, denn der Autor ist dafür bekannt, dass die Spiele weniger vom Setting als eher vom Mechanismus leben. Auch bei Bonfire wird dies wieder bestätigt, nur dass sich jetzt der Illustrator Dennis Lohausen und Ralph Bruhn zusammen eine umfangreiche Hintergrundgeschichte ausgedacht haben. Nach eigenen Angaben passierte dies unter anderem auch, um die einzelnen Aktionen sinnvoll miteinander zu verbinden. Die Geschichte kann übrigens auf der Webseite von Pegasus Spiele heruntergeladen werden, wo es außerdem auch ein umfangreiches Making Of gibt.

Noch vorab interessant zu wissen: Das Spiel ist zwar für bis zu vier Personen konzipiert, kann aber auch allein gespielt werden. Im Solospiel wird dann gegen „TOM“ angetreten, was laut Anleitung für „auTOMatischer Spieler“ steht. TOM wird durch ein Deck aus Karten gesteuert, auf denen seine jeweiligen Aktionen abgebildet sind, die er durchführt. Diese entsprechen nicht genau den herkömmlichen Regel-Aktionen, sondern füttern die KI jeden Zug mit Karten, Figuren, Punkten oder Ressourcen und bringen so etwas Druck ins Solo-Spiel. Das klingt platt, hat im Testspiel aber überraschendweise wunderbar geklappt. So einen „TOM“ könnten ruhig noch mehr Spiele haben.

Das persönliche Tableau auf dem sich die „Stadt“ befindet

Spielablauf

Verschaffen wir uns erst mal eine Übersicht. Das Spielbrett besteht aus einem sehr vollgepackten Plan, auf dem sich zum einen das große Leuchtfeuer mit den Plätzen für die Hüterinnen, Gesandte und Belohnungsplättchen befindet, zum anderen aus den Inseln, auf denen die Aufgaben und Ressourcen liegen. Zusätzlich sind darauf noch Kartenplätze für die Gnome, die man im Spiel anwerben kann. Die meiste Zeit verbringen wir aber auf dem eigenen Tableau. In dessen Mitte befindet sich das „Schicksals-Feld“ für die Streifen-Puzzle-Mechanik. Hier können kleine Plättchen mit jeweils drei unterschiedlichen Symbolen wie etwa in Tetris frei platziert werden. Umrandet wird dies vom sogenannten Pilgerweg und den Portalen, mit denen wir die Gesandten zum Rat und die Hüterinnen zum Leuchtfeuer schicken.

Auf dem Schicksals-Feld müssen wir unsere Streifen passend anlegen, um neue Aktionen zu bekommen

Aber fangen wir an! Wir bekommen neben unserem Tableau auch noch eine Handvoll Aktionsmarker, Hüterinnen und Ressourcen. Mit den Aktionsmarkern können wir natürlich, wer hätte es gedacht, Aktionen durchführen, und mit den Ressourcen lassen sich Aufgaben erledigen oder Gnome (Verbesserungen) anwerben. Vom Prinzip ist jetzt jeder Spielzug sehr einfach: Reihum darf nacheinander jeweils zwischen drei möglichen Aktionen gewählt werden:

  1. Wir setzen einen neuen Streifen, „Schicksalsplättchen“ genannt, aus dem Vorrat auf unser Tableau. Diese Option ist nur ausführbar, wenn wir eine bestimmte Anzahl an übrigen Aktionsmarkern unterschritten haben. Wir bekommen dann die jeweiligen Aktionsmarker, die auf dem Streifen abgebildet sind, plus die, die passend am Streifen anliegen. Da wir schon unsere Streifen sehen, kann man hier ein bischen vorausplanen. Zusätzlich bekommen wir für Symbole, die wir mit Streifen belegen, ebenfalls Boni.
  2. Eine Aufgabe erledigen und dadurch ein kleines Bonfire entzünden. Das ermöglicht es, einen Gesandten in den Rat zu ziehen und dadurch nochmal extra Boni zu erhalten. Das Spiel endet übrigens variabel, sobald eine gewisse, von der Personenzahl abhängige Anzahl an Gesandten im Rat sitzt. Ab dann tickt nämlich ein Spielrunden-Counter von fünf Spielrunden herunter, nach denen Ihr die Schlusswertung durchführt.

    Über den Pilgerweg und die Portale schicken wir Hüterinnen und Gesandte zum Rat
  3. Einen oder mehrere Aktionsmarker benutzen, um Aktionen durchzuführen. Dies ist das Herzstück des Spiels, und hier habt Ihr wiederum die Auswahl zwischen sechs Optionen:
    – Ein Schiff kann auf eine Insel bewegt werden.
    – Es können Ressourcen auf der Insel geopfert werden, um eine Aufgabe zu erhalten.
    – Ein Stück Weg für die Prozession der Hüterinnen kann gebaut werden.
    – Eine Hüterin auf dem Prozessionsweg einen Schritt weiter setzen. Auch mehrere Schritte, wenn mehr Plättchen abgegeben werden.
    – Das große Bonfire kann eine Stelle weiterbewegt werden, was einem den Zugang zum dortigen Bonus bringt. Das kann entweder ein Aktionsmarker oder ein Portalstein sein.
    Gnome anwerben. Hier gibt es zwei (Karten-)Typen: die Spezial-Gnome, welche die Spielregeln für einen etwas verbessern, und die Ältesten, die einfach nur Punkte bringen. Gnome müssen mit Ressourcen angeworben werden.

Das Spiel deckt also eine ganze Fülle von Mechaniken und Aktionen ab, die alle immer irgendwie zum Ziel führen, nur eben unterschiedlich schnell. Auch das Auslösen der finalen Countdown-Phase muss von allen gut überlegt sein, denn Punkte gibt es, typisch für den Autor, auf allerlei Kriterien: Für jedes Bonfire entsprechend dem aufgedrucktem Wert, für jede Hüterin an einem Bonfire, für jedes Portal neben einem Bonfire, für Aufgaben des Rates, für jedes gelegte Schicksals-Plättchen und für jeden Marker, der noch im Vorrat ist. Auch wenn man dadurch grob zählen kann, wer in Führung liegt, verliert man hier schnell die Übersicht. Es gewinnt am Ende natürlich, wer die meisten Punkte hat. 

Spielerfahrungen:

Der Spieleinstieg scheint am Anfang überwältigend umfangreich, geschah dann aber aufgrund der gut geschriebenen Regeln relativ weich und ohne Probleme. Viele Beispiele lassen praktisch keine Frage offen, und der Anhang mit der Beschreibung jeder einzelnen Karte sowie aller Plättchen kann ebenfalls als Plus angesehen werden. Allerding stolperten wir ins Spiel, ohne zu Beginn zu wissen, was zu tun ist und was aufgrund fehlender Aktionsplättchen sinnvoll erscheint. Die erste Spielhälfte war also von Flüchen und fragenden Gesichtern bestimmt.

Der an sich sehr schön illustrierte Plan wirkt durch seine vielen Symbole überladen

Irgendwann wurden die Dinge aber wie gewohnt plötzlich flüssiger, die Aktionen wurden besser geplant und im Allgemeinen verstummten die zuvor lauten Flüche. Von da an entwickelte Bonfire auch einen gewissen Charme, den es bis zum Ende beibehält. Die einzelnen Züge sind ziemlich schnell entschieden, da aufgrund fehlender Aktionsplättchen auch nicht immer alle Aktionen verfügbar sind. Während die anderen am Tisch ihren Zug spielen, kann selbst gut geplant werden. Trotzdem muss darauf geachtet werden, ob bestimmte Aufgaben oder Karten weggenommen werden, wenn jemand anderes zufällig in die gleiche Richtung segelt oder plant.

Das Hauptaugenmerk des Spiels liegt aber auf dem persönlichen Tableau, das eine Stadt mit den zu entzündenden Aufgaben / Lagerfeuern darstellt. Hier gibt es jede Menge Kniffliges zu lösen. Neben dem Anlegen der Schicksalsplättchen müssen Wege verlegt werden. Das geht aber nur von links nach rechts, während die Portale genau gegenläufig von rechts nach links verlegt werden. Dann gibt es noch die Gnom-Karten, welche dauerhaft sehr heftige Vorteile für das Spiel liefern.

Ausstattung

Wie man auf dem Bild sehen kann, werden mit Bonfire viele Bögen mit Stanz-Plättchen geliefert, ein Spielplan, über 80 Holzmarker und ca. 50 Karten. Es sind vier große Spieltableaus enthalten, die jeweils mit Anbauten, Weg-Plättchen und Portalen bestückt werden müssen. Dazu kommen noch jede Menge Streifen-, Aufgaben- und Aktionsmarker, sodass wir auf über 200 Stanzplättchen kommen.

Der Inhalt der Box direkt nach dem Auspacken offenbart uns viele Stanzbögen

Das Material ist dabei durchweg hochwertig, und die Qualität sowie Haptik stimmen ebenfalls. Positiv zu bewerten sind außerdem die sehr kreativen Illustrationen von Dennis Lohausen, die ein düsteres aber Interessantes Bild der Welt zeichnen. Gut gezeichnet bedeutet aber manchmal auch zu viel Detail. Sehr oft müssen wir genau auf Plan und Kärtchen schauen, um zu sehen, was dort für ein Symbol vorhanden ist. Allerdings stört das nicht im Spielablauf, und wir fühlen uns nie vollends verloren. Nur dass die Figuren, Ressourcen und Figürchen denselben Farbstil haben wie die Umgebung, auf der sie stehen, ist manchmal etwas unglücklich, auch wenn es dadurch generell stimmiger wirkt. 

Pegasus liefert in der Packung außerdem jede Menge kleine Tütchen mit, was bei dieser großen Anzahl an Plättchen und Markern sinnvoll ist, da es aufgrund der Menge an Material auch kein Inlay gibt. Die komplette Spielbox ist wirklich zu bis oben hin voll und wird komplett ausgenutzt.

Ein komplexes Spiel braucht auch eine gute Anleitung, und unserer Meinung nach schafft das Bonfire sehr gut. Trotz der vielen Mechaniken ist das Regelheft, welches in Deutsch und Englisch daherkommt, sehr schlank und bietet gute Bilder und Erklärungen an. Ein großer Pluspunkt ist auch die Tatsache, dass jede Karte und jeder Marker im Regelheft noch einmal einzeln und ausführlich erklärt werden und für alle einfach nachzulesen sind. Grundsätzlich gibt es also am Material und der Ausstattung nichts zu meckern.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Hall Games / Pegasus Spiele
  • Autor: Stefan Feld
  • Erscheinungsjahr: 2020
  • Sprache: Deutsch
  • Spieldauer:60 – 90 Minuten
  • Spielendenanzahl: 1 2 3 4
  • Alter:Ab 12 Jahren
  • Preis: ca. 50 Euro
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo 

 

Bonus/Downloadcontent

Wie immer bei Pegasus kann man sich auf der Seite des Verlags die Spielanleitung auf Deutsch und Englisch herunterladen.

Das große Novum: Erstmals gibt es für ein mit-Mechanik-vollgepacktes-Stefan-Feld-Spiel auch eine Hintergrundgeschichte, die spannend ist und schön in das Spiel einführt. 

Für alle, die mehr über die Entwicklung eines Brettspiels wie Bonfire erfahren wollen, gibt es im Pegasus-Blog die komplette Entstehungsgeschichte (Teil 1, Teil 2) des Spiels! Vom Redakteur und Autor in zwei Teilen auf Englisch erzählt.

Die Illustrationen von Dennis Lohausen auf Plan und Karten sind wirklich schick

Fazit

Bonfire ist eigentlich genau das, was man von einem Stefan-Feld-Spiel erwartet: Ein typisches Eurogame mit vielen untereinander verwobenen Mechaniken. Es punktet mit seiner hohen Variabilität, was durch die zufällige Verteilung der Aufgaben auf dem Spielbrett, dem Streifen-Puzzle und den Gnomkarten erreicht wird. Doch die vielen Optionen scheinen einige zunächst zu überfordern, obwohl es gefühlt keine „falschen“ Aktionen gibt, denn jede Aktion führt irgendwie zum Ziel. Selbst übermäßig viele Ressourcen zu haben bedeutet nicht zwangsweise, dass man leichter gewinnt.

Am meisten Spaß macht es aber, die Züge vorauszuplanen und eine Strategie mit den vorhandenen Möglichkeiten zu erstellen. Auch Kettenzüge sind möglich, wenn zum Beispiel eine Aufgabe erledigt und so ein Gesandter in den Rat gezogen wird, um dort weitere Boni zu bekommen. Die Spieldauer von 60-90 Minuten ist angenehm kurz geraten für so ein komplexes Spiel, und auch die fast nicht vorhandene Downtime zwischen den eigenen Spielzügen lässt das Ganze recht kurzweilig wirken. Dazu kommt, dass das Spiel quasi keine Glückselemente hat, was unser Strategie-Herz höherschlagen lässt. Eine tolle Idee ist auch der Countdown am Ende, sodass niemand plötzlich das Spiel beenden kann und alle nochmal grübeln dürfen.

Etwas negativ aufgefallen sind uns die nicht immer so deutliche Ikonographie und der damit einhergehend teils unübersichtlich wirkende Spielplan. Illustrationen und Stil sind eigentlich wunderschön, jedoch verliert man sich oft in Details, was im Spiel ablenkt. Dies kann man aber als Meckern auf hohem Niveau verbuchen.
Positiv überrascht hat hingegen der Solo-Spielmodus mit der interessanten „KI“ (Karten-Intelligenz).
Wie so oft bei Eurogames beschränkt sich leider die Interaktivität auf das Wegschnappen von lukrativen Aufgaben oder Aufwertungen, anstatt man direkt etwas gegeneinander tun kann. Wer also auf komplexe Mechaniken steht und sich nicht aktiv auf die Rübe hauen möchte, sondern lieber primär für sich selbst innerhalb eines Punkte-Wettrennen plant, der kann hier bedenkenlos zuschlagen.

Unser Fazit: Vermutlich das bisher beste Stefan-Feld-Spiel.

 

Artikelbilder: © Pegasus, Stephan Jacob
Layout und Satz: Verena Bach
Lektorat: Rick Davids
Fotografien: Stephan Jacob
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

Über den Autor

Stephan Jacob bearbeitetStephan Jacob ist Videospielentwickler und unterrichtet selbiges auch an Universitäten quer durch Deutschland. Er larpt seit 1999 fast ausschließlich auf Fantasy Cons und nimmt sein Hobby leider überhaupt nicht ernst. Zu seinen größten Errungenschaften, zählt sein Mitwirken bei den Tyren Nightfire-Filmen und seine Bekanntheit als HelloKittySchield-Meme.

 

 

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