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Das 2020 erschienene Spiel Call to Adventure mischt Glück mit Strategie und vereint diese beiden Elemente zu einer einzigartigen Held*innen-Geschichte. Alle Charaktere entwickeln eine eigene Chronik, welche in der Erfüllung des jeweiligen Schicksals gipfelt. Es ist ein kompetitives Multiscorer-Spiel, bei dem es nicht selten auf gut überlegte Spielzüge ankommt.

Es zählt nicht, wo wir herkommen, es zählt, wer wir sind und was wir aus unseren Leben machen wollen.

Wir suchten schon immer den Nervenkitzel und so zieht es uns hinaus in die Welt. Wir wissen, uns ist ein anderes Leben bestimmt und setzen alles daran, dieses Schicksal zu erfüllen.

Auf unserem Weg begegnen uns Gefahren, müssen wir uns kniffligen Herausforderungen stellen und nicht selten zwischen Licht und Dunkelheit entscheiden. Werden wir genügend Wissen, Verbündete und Fähigkeiten erlangen, um unser Schicksal vor allen anderen erfüllen zu können?

Werden wir dabei stets ehrlich auf den Pfaden des Lichts wandeln oder nutzen wir das Dunkel, um unserem Sieg näher zu kommen, gleich zu welchem Preis?

Call to Adventure ist ein kompetitives Multiscorer-Spiel mit Character-Building-Elementen, welches dazu noch eine Portion Glück erfordert. Die Spielenden erschaffen eine eigene Legende rund um den Charakter, welche am Ende ausgeschmückt und vorgetragen wird.

Wie genau dies funktioniert und was alles erforderlich ist, um eine*n Held*in zu erschaffen und in die Geschichte einzugehen, erfahrt ihr jetzt.

Spielablauf

Zu Beginn nehmen sich alle ein Charaktertableau und beginnen damit, die eigene Legende zu erstellen. Hierfür werden zufällig je zwei Herkunfts-, Motivations- und Schicksalskarten gezogen, aus denen jeweils eine gewählt wird. Herkunft und Motivation werden hierbei offen auf das Tableau gelegt. Diese beiden Karten haben besondere Effekte, welche uns im Spiel helfen. Die Schicksalskarte hingegen bleibt den anderen verschlossen und hat keinen unmittelbaren Effekt-Einfluss auf das Spiel.

Bereits jetzt können wir uns eine Geschichte zu unserem Charakter überlegen und den anderen mitteilen. Bin ich beispielsweise eine Jägerin, welche durch Ehre gebunden keine Herausforderung scheut und somit in die Welt hinauszieht? Das Schicksal darf hierbei allerdings nicht verraten werden, das würde dem Ganzen die Spannung nehmen.

Haben wir unsere Charaktere soweit studiert und wissen, wohin die Reise gehen soll, bekommen alle noch eine sogenannte Heldenkarte auf die Hand.

Das Spiel enthält sowohl Helden- als auch Antiheldenkarten, welche je nach Gesinnung des Charakters zum Einsatz kommen. Es ist ganz klassisch: Licht ist gut und Dunkelheit ist böse. Heldenkarten haben meist einen positiven Effekt auf die eigenen Aktionen, Antiheldenkarten hingegen sind eher darauf aus, den anderen zu schaden oder durch Intriganz einen positiven Effekt fürs eigene Spiel zu erzielen.

Nachdem also alle einen Charakter ausgelegt haben, bereiten wir die Legendenstapel vor. Diese bilden sozusagen das Spielfeld, um welches sich alles dreht. Die Stapel enthalten sowohl Ereignisse als auch Herausforderungen, Verbündete und später auch Gegner*innen.

Ereignisse bestimmen die Persönlichkeit, den Beruf oder die Lebenserfahrung unseres Charakters, während Herausforderungen riskante Unternehmungen darstellen, welche wir auf dem Weg zu Ruhm und Ehre auf uns nehmen.

Es gibt insgesamt drei Karten-Stufen, die als Akt I, Akt II und Akt III gekennzeichnet sind und von der Schwierigkeit variieren. Zu Beginn werden je nach Spieler*innenzahl vier bis fünf Karten des ersten Aktes aufgedeckt.

Bevor es losgeht, legen wir noch die Helden- und Antiheldenkarten als Nachziehstapel für alle griffbereit in die Tischmitte und bereiten den Runenvorrat vor. Dies ist eine Besonderheit. Bei Call to Adventure werden keine Würfel für Proben geworfen, sondern verschiedene Arten von Runen. Es gibt die Basisrunen, welche allen jederzeit für einen Wurf zur Verfügung stehen, die dunklen Runen, welcher wir uns bedienen können, um den eigenen Wurf mit Hilfe des Bösen zu verbessern und die Attributsrunen, welche sich auf die Attribute unserer Charaktere beziehen.

Die Runen, drei Standard-, drei Dunkelheits- und je drei Attributsrunen.
Die Runen, drei Standard-, drei Dunkelheits- und je drei Attributsrunen.

Haben wir alles vorbereitet, kann die Partie starten.

Es wird über mehrere Runden, hier Züge genannt, gespielt. Wer am Zug ist, darf entweder eine der offenliegenden Eigenschaften erhalten oder sich einer Herausforderung/einem*r Gegner*in stellen. Zudem dürfen wir Zusatzaktionen ausführen.

Haben wir eine Eigenschaft gewählt und gegebenenfalls die entsprechenden Kosten gezahlt, dürfen wir diese sofort auf unser Tableau legen. Bei Herausforderungen müssen wir erst eine Runenprobe bestehen, welche durch Effekte von eigenen oder Karten der Mitspielenden beeinflusst werden kann. Waren wir erfolgreich, erhalten wir auch diese Karte für unser Tableau. Sobald so drei Karten unter der eigenen Herkunftskarte liegen – und auch nur dann –, darf mit Akt II gestartet werden. Haben wir auf diese Weise den zweiten Akt beendet, darf mit dem dritten begonnen werden.

Beispiel-Tableau nach der Erfüllung der Herkunft. Drei weitere Karten liegen unter der ersten.
Beispiel-Tableau nach der Erfüllung der Herkunft. Drei weitere Karten liegen unter der ersten.

Sobald jemand den dritten Akt auf diese Weise beendet hat, dürfen alle anderen noch jeweils einen Zug durchführen, bevor das Spiel endet.

Nun werden die Siegpunkte ausgewertet, um zu bestimmen, wer sich am besten geschlagen hat Gewonnen hat, wer am meisten Siegpunkte ergattern konnte.

Zum Abschluss und unabhängig davon, wer gewonnen hat, können alle die eigene Legende erzählen. Hierbei entstehen die lustigsten, aber auch epischsten Kurzgeschichten rund um alle Charaktere, der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Ein schöner Zusatz, denn es lenkt am Ende etwas davon ab, wer gewonnen hat, denn jede*r hat einen unvergesslichen Charakter erschaffen.

Ausstattung

Besonders ins Auge sticht das liebevolle und detailreiche Artwork. Verschiedene Künstler*innen haben hierbei mitgewirkt und dem Spiel so Leben und Tiefe verliehen. Die Karten sind durchweg hochwertig, jedoch nicht allzu dick und somit anfällig für Knicke und Abnutzung bei regelmäßigem Gebrauch.

Die Runen hingegen sind aus robustem Kunststoff, liegen schön in der Hand und bieten eine einfallsreiche Abwechslung zu normalen Würfeln. Die anderen Marker sind ebenfalls aus Kunststoff und ebenso solide. Dem Spiel liegt noch ein Wertungsblock bei, auf welchem wir der Reihe nach unsere Siegpunkte eintragen können.

Es sind schöne Materialien, welche in einem eigenen Kunststoffinlay liegen und so in der Schachtel geordnet werden können, ohne dabei wild durcheinander zu fallen.

Das Regelheft

Neben dem notwendigen Glück beim Werfen der Runen stellt das 16-seitige Regelheft eine weitere Herausforderung dar. Von Beginn an werden immer wieder Begriffe und Symbole verwendet, welche erst im späteren Verlauf eindeutig erklärt werden. Dies führt immer wieder zum Zurückblättern und Nachlesen, weil bestimmte Passagen erst später richtig verstanden werden können. Es beginnt schon bei der Beschreibung des Spielaufbaus, in welchem gesagt wird, dass alle Spielende eine Heldenkarte erhalten. Leider erfahren wir erst später, auf Seite neun, welches diese sind. Erfahrene Spielende können es sich anhand der weißen Zeichen auf der Karte vielleicht denken, unerfahrene könnten allerdings Helden- und Antiheldenkarten verwechseln.

Besonders zeigt sich diese Unübersichtlichkeit in der Erklärung der Herausforderungen. Es werden sehr viele Symbole anstelle der Begriffe verwendet und teilweise unwichtige Worte fett geschrieben. Zum Glück gibt es für diesen Mechanismus zwei Seiten voller Beispiele. Andernfalls wäre die erste Partie holprig geworden. Hier wäre eine verständlichere Struktur wünschenswert gewesen.

Anstatt eines Glossars gibt es auf den Seiten 14 und 15 häufig gestellte Fragen, welche helfen, bestimmte Mechaniken besser zu verstehen. Auf der letzten Seite steht noch eine Kurzanleitung. Wenn das Spiel ein oder zwei Mal gespielt wurde, ist diese recht hilfreich. Für die erste Partie jedoch nicht.

Besonderheiten

Neben der kompetitiven bringt das Spiel Regeln für eine Solo- beziehungsweise Koop-Variante mit.

Hierbei werden beim Spielaufbau ein paar Dinge geändert, indem ein*e direkte*r Gegner*in ins Spiel gebracht wird und besiegt werden muss. Es zählen am Ende auch nicht mehr die Siegpunkte. Sobald wir alle Herausforderungen bestanden haben und die Gegenseite die eigenen Siegbedingungen nicht erfüllen konnte, gewinnen wir gemeinsam.

Das Sammeln der Karten für das eigene Tableau, die Züge und Aktionen bleiben aber gleich.

Ein solides Spiel ohne viel Tamtam.
Ein solides Spiel ohne viel Tamtam.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Brotherwise Games, Asmodee
  • Autor*in(nen): Chris & Johnny O´Neal
  • Erscheinungsjahr: 2020 (deutsche Ausgabe), 2019 (englische Ausgabe)
  • Sprache: Deutsch
  • Spieldauer: 30 – 60 Minuten
  • Spieler*innen-Anzahl: (1) (2) 3 4
  • Alter: 12+
  • Preis: 35 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Fazit

Call to Adventure ist ein solides Spiel ohne viel Tamtam. Es ist schnell aufgebaut und ebenso fix erklärt.

Besonders haben uns die liebevoll designten Karten gefallen und auch der Mechanismus des Runenwerfens ist erfrischend gegenüber den sonst eintönigen Würfeln, die man aus anderen Spielen so kennt.

Es ist ein Spiel, das sich besonders für Neulinge und Liebhaber*innen des Multiscore-Elements eignet. Dabei ist es weniger komplex als andere Vertreter seiner Art wie beispielsweise Flügelschlag.

Ein Highlight ist die selbsterdachte Geschichte des eigenen Charakters am Ende, welche definitiv kein Muss ist, aber eine schöne und abschließende Atmosphäre schafft.

Die Gradlinigkeit mag für manche ein Pluspunkt sein, für uns birgt dies allerdings das Risiko, mit der Zeit eintönig zu werden. Irgendwann kennt man schließlich alle Karten und da es in dem Spiel außer den fiesen Einflüssen der Antiheldenkarten keine größeren Wendungen oder Aha-Momente gibt, sehen wir den Wiederspielwert etwas kritisch.

Zudem benötigen die Runenwürfe nach wie vor eine gehörige Portion Glück. Bei einem Element, welches für das Gelingen oder Scheitern der Probe ausschlaggebend ist, kann es teilweise sehr frustrierend sein, wenn auch der dritte Wurf nicht gelingt und der eigene Charakter – und somit der Sieg – hinter den anderen zurückbleibt.

Das Regelheft ist zwar kurz gehalten, hätte jedoch besser strukturiert sein können.

Die Koop- beziehungsweise Solo-Variante ist eine gute Idee, doch in der Ausführung nicht so spannend wie der normale Modus. Es scheint Trend geworden zu sein, dass jedes kompetitive Spiel unbedingt einen Koop-Modus braucht. Abgesehen vom (End-)Gegner läuft das Spiel aber genauso ab wie die normale Variante. Alle sind am Ende Held*innen, doch anstatt die Siegpunkte auszurechnen, wird geschaut, ob der Gegner bezwungen werden konnte oder eben nicht. Fühlt sich irgendwie unnötig an.

Alles in allem ist Call to Adventure aber ein schönes, seichtes Spiel, das Spaß bringt und die Kreativität anregt. Wir hatten sehr viel Freude dabei, die individuellen Geschichten unserer Charaktere auszuschmücken und zu erzählen. Wiederspielwert und Regelheft sind kleine Kritikpunkte, für uns allerdings kein Grund, das Spiel nicht zu behalten.

  • Schneller Aufbau und Start
  • Liebevoll detailliertes Kartendesign
  • Geeignet für Einsteiger*innen
 

  • Risiko der Eintönigkeit
  • Glückslastig
  • Unstrukturiertes Regelheft

 

Artikelbilder: © Brotherwise Games, Asmodee
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Denise Hollas
Fotografien: Mareike Rathmann
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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