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George Romeros Horror-Genre definierenden Film-Klassiker Die Nacht der lebenden Toten mit dem Zombicide-Regelwerk nachspielen? Selbst über das Schicksal von Barbra, Ben, Tom und Co. entscheiden? Klingt nach ordentlicher CMON-Miniaturen-Schlacht mit reichlich Gewürfel! Wir schauen es uns für euch an.

„Barbra – sie kommen und holen dich!“ Dieser Satz der Eröffnungsszene, den Johnny seiner Schwester im Scherz auf dem Friedhof zuruft, soll schon Sekunden später grausame Wirklichkeit werden. Ein blasser Fremder greift sie an und Barbra kann in letzter Sekunde fliehen. In der kleinen Stadt sind alle tot, überall liegen Leichen. Mit einigen anderen Überlebenden verschanzt sie sich in einem Haus. Starre Zombiehände kratzen an Türen und Fenstern – die Leichen sind aus ihren Gräbern gekrochen und haben Hunger auf Menschenfleisch. Für die kleine Gruppe Überlebender gibt es keine Hoffnung.

George A. Romero legte 1968 mit Die Nacht der lebenden Toten einen Meilenstein des Horror-Genres vor. Obwohl Zombies bereits lange vorher in der Filmgeschichte auftauchten, wurden die Untoten hier erstmals nicht als willenlose, durch Magie erzeugte Diener dargestellt, sondern stiegen als lebende Tote selbst aus den Gräbern, was einen Richtungswechsel im Zombie-Subgenre nach sich zog. Der No-Budget-Film wurde als Freizeitprojekt in schwarz-weiß gedreht, ist der erste Teil einer sechsteiligen Reihe des Regisseurs und gilt spätestens seit den 80ern als Klassiker. Seine Gemeinfreiheit in den USA wird bei der Verbreitung als Kultfilm auch geholfen haben. Seit 1999 ist der Film im National Film Registry eingetragen als erhaltenswertes Kulturgut.

Im Dezember 2019 entschied sich CMON, das Setting des Films für eine neue Zombicide-Version zu nutzen und bei Kickstarter zu veröffentlichen. Über 6.000 Unterstützende trugen über 400 TUSD bei, um dieses Projekt zu verwirklichen, dessen deutsche Version wir uns hier näher anschauen. In zehn Szenarien werden die Handlungsorte des Films besucht und der hoffnungslose Kampf der Überlebenden gegen die anrennenden oder besser anschlurfenden Zombiemassen nachgespielt.

Zombicide erfreut sich seit der ersten Version von 2012 großer Beliebtheit bei einer breiten Fanbase, gilt als einsteigerfreundlich, thematisch und würfellastig. Seitdem erschienen viele neue Grundboxen zu unterschiedlichen Settings und diese wurden zumeist auch mit Erweiterungsboxen versorgt.

Da die Spiele in Kickstarter-Kampagnen veröffentlicht wurden, gab es auch dort meist einige exklusive Sammlerstücke für die Spiele zu ergattern. Schauen wir uns an, was die neue Version zu bieten hat:

Spielablauf

Wie alle Zombicide-Spiele ist auch Night of the Living Dead – Ein Zombicide Spiel ein kooperatives Miniaturenspiel, in dem immer sechs Überlebende sich ausrüsten, um gegen eine ständig anwachsende Flut an Zombies (im Spiel Ghule genannt) anzuwürfeln, äh, anzukämpfen.

Zu Beginn wird eines der zehn Szenarien ausgesucht, das jeweils eine Szene aus dem Film nachstellen soll. Die Karte wird aus vier bis sechs doppelseitigen Teilen zusammengebaut. Die Kartenbauteile zeigen Außengelände und Räume von Gebäuden, auf denen die Figuren der Überlebenden sich später in Zonen bewegen, um von Zombies gejagt werden zu können. Weitere Marker (Brutmarker, Barrikaden, Türen, …) werden nach Szenarienbeschreibung darauf platziert. Die sechs Charaktere werden unter den Mitspielenden aufgeteilt und Startgegenstände an die Überlebenden verteilt. Wer mit der Winchester die einzige (ohje!) Schusswaffe bekommt, startet das Spiel. Die Überlebenden unterscheiden sich durch ihre Sonderfähigkeiten, die sie im Spiel freischalten können, groß sind diese Unterschiede allerdings nicht. In jedem Szenario sind auch weitere Startanpassungen und die Ziele vorgegeben. Verloren ist ein Spiel, wenn ein Ziel nicht mehr erreicht werden kann oder eine*r der Überlebenden nach drei Wunden stirbt.

 

In den meisten Szenarien starten die Überlenden mit ihrer schwächeren Romero-Seite der Überlebenden-Karte. Diese Seite schränkt die Suchen-Aktion auf den Hauskartenstapel ein, der neben schwächeren Waffen auch Baumaterial für verbesserte Ausrüstungsgegenstände oder Barrikaden enthält. Die verbesserten Ausrüstungsgegenstände oder Barrikaden sind häufig nötig, um Szenario-Ziele zu erreichen. Auch Verwandte, die leider mittlerweile zu Ghulen geworden sind, können in diesem Stapel gefunden werden. In diesem Stapel wird in den meisten Szenarien die meiste Zeit gesucht, um die Gegenstände zu finden, die für die Ziele benötigt werden. Mal sind es Bretter, um Barrikaden zu errichten, mal die Bauteile für Molotowcocktails. Dafür muss der Stapel auch schonmal zweimal durchgearbeitet werden, damit genug Gegenstände gefunden wurden, dabei ist die Abwechslung der Gegenstände in allen Stapeln eher überschaubar.

Gegenstände im Suchstapel des Hauskartenstapels, der auch im Romero-Modus durchsucht werden kann.
Gegenstände im Suchstapel des Hauskartenstapels, der auch im Romero-Modus durchsucht werden kann.

Um an die besseren Waffen und Fähigkeiten zu kommen, müssen die Überlebenden zunächst in den Zombicide-Modus wechseln, meist indem sie den Startgegenstand Winchester herumreichen, um Vertrauen aufzubauen. In diesem Modus können bei der Suchen-Aktion auch die Stapel Nahkampf- und Fernkampfwaffe durchsucht, sowie die besseren Fähigkeiten auf der farbigen Seite der Überlebenden-Karte genutzt werden. Um die unterschiedlichen Modi noch deutlicher darzustellen, haben alle Überlebenden eine andere Miniatur für beide.

 

Jede Runde startet mit der Spieler*innenphase, in der alle Überlebenden nacheinander jeweils drei Aktionen aus dieser Auswahl ausführen:

  • Bewegen

Hier kann ein*e Überlebende*r eine Zone weit bewegt werden (kostet eine weitere Aktion je Ghul in der Startzone).

  • Suchen

Die Überlebenden können einmal pro Zug in einem Raum ohne Ghule suchen, um eine Karte von einem der Ausrüstungsstapel zu ziehen.

Die drei Ausrüstungskartenstapel, die durchsucht werden können.
Die drei Ausrüstungskartenstapel, die durchsucht werden können.
  • Tauschen

Mit einer Aktion können beliebig viele Ausrüstungskarten mit anderen Überlebenden in der gleichen Zone ausgetauscht werden.

  • Kämpfen

Je nach vorhandenen Waffen kann eine Nah- oder Fernkampf-Aktion ausgeführt werden. Dabei gibt die jeweilige Waffe vor, wie viele Würfel geworfen werden, ab welcher Augenzahl getroffen wird und wie viel Schaden pro Treffer erzeugt werden.

Fernkampf ist nur in Zonen mit Sichtlinie zur aktiven Spielfigur möglich. Sollten andere Überlebende in der Zielzone sein, erzeugt der Angriff Eigenbeschuss: Würfel, die keine Ghule treffen, verursachen Wunden bei Überlebenden. Mit Nahkampfwaffen kann nur direkt in der Zone aktiver Überlebender angegriffen werden.

  • Interagieren

Mit den meisten Markern auf der Karte können die Überlebenden interagieren. Türen und vorhandene Barrikaden (passendes Werkzeug vorausgesetzt) können geöffnet und geschlossen werden. Szenarienziele können aktiviert oder neue Barrikaden abhängig von den Szenarienregeln errichtet werden.

Die unterschiedlichen Token, mit denen in den Szenarien interagiert werden kann.
Die unterschiedlichen Token, mit denen in den Szenarien interagiert werden kann.
  • Auto fahren

In Szenarien, in denen ein durch einen Pappmarker repräsentiertes Auto zur Verfügung steht, können Überlebende in der Zone des Autos mit einer Aktion in dieses einsteigen, sich umsetzen oder das Auto fahren. Nur Überlebende auf dem Fahrersitz dürfen das Auto mit einer Aktion ein bis zwei Außenzonen weit fahren. In jeder Zone mit Ghulen, die das Auto dabei betritt, wird ein Autoangriff ausgeführt, um Ghule zu überfahren.

Automarker und Karte mit Kurzerklärung der Auto-Aktionen.
Automarker und Karte mit Kurzerklärung der Auto-Aktionen.
  • Nichts tun

Gibt es nichts Sinnvolles mehr zu tun, verfallen die restlichen Aktionen.

 

Nachdem alle Überlebenden an der Reihe waren, sind die Ghule in ihrer Phase dran. Jeder Ghul wird einmal aktiviert und führt abhängig von seiner Position unterschiedliche Aktionen aus. Sind in der gleichen Zone Überlebende, werden diese angegriffen; wurde nicht angegriffen, bewegt sich der Ghul eine Zone auf die Überlebenden zu.

Bei der Aktivierung spielen die vier unterschiedlichen Ghultypen eine Rolle:

  • Schlurfer sind die Standardzombies und haben keine besonderen Fähigkeiten, ihr Angriff fügt Überlebenden eine Wunde zu.
Schlurfer-Miniaturen sind in vier unterschiedlichen Posen enthalten.
Schlurfer-Miniaturen sind in vier unterschiedlichen Posen enthalten.
  • Zertrümmerer funktionieren wie Schlurfer, jedoch öffnen sie, wenn sie nicht angreifen können, mit ihrer Aktion sämtliche Barrikaden in ihrer Zone.
Zertrümmerer gibt es in zwei unterschiedlichen Posen.
Zertrümmerer gibt es in zwei unterschiedlichen Posen.
  • Verwandte funktionieren wie Schlurfer, führen allerdings auch dazu, dass die Überlebenden mit der schwächeren Romero-Seite ihrer Überlebenden-Karte spielen müssen, solange ein Verwandter im Spiel ist.
Verwandte sind nur zwei im Spiel zu finden – Karen und Johnny
Verwandte sind nur zwei im Spiel zu finden – Karen und Johnny
  • Fettbrocken schützen andere Zombies, sind besonders schwer zu töten und verursachen zwei Wunden, wenn sie angreifen. Um einen Fettbrocken zu töten, ist eine Waffe nötig, die zwei Wunden pro erfolgreichem Trefferwurf verursacht. Sind bei einem Fernkampfangriff Fettbrocken in der Zielzone des Angriffs, müssen diese zuerst attackiert werden, bevor andere Ghultypen angegriffen werden können.
Auch die Fettbrocken gib es in zwei unterschiedlichen Posen.
Auch die Fettbrocken gib es in zwei unterschiedlichen Posen.

 

Nachdem alle Ghule aktiviert wurden, kommen weitere in den Brutzonen ins Spiel. Diese Brutzonen sind Teil des Szenarienaufbaus, und für jede wird eine Ghulkarte gezogen.

Brutzone im Haus – solange keine Zertrümmerer erscheinen, bleiben Zombies in verbarrikadierten Gebäuden auch eine Weile eingesperrt.
Brutzone im Haus – solange keine Zertrümmerer erscheinen, bleiben Zombies in verbarrikadierten Gebäuden auch eine Weile eingesperrt.

Abhängig von der aktuellen Gefahrenstufe wird die Ghulkarte abgehandelt. Die Gefahrenstufe ergibt sich aus der höchsten Stufe unter den Überlebenden. Alle Überlebende sammeln mit jedem getöteten Ghul Erfahrungspunkte und steigen bei bestimmten Schwellen jeweils eine, farblich markierte, Stufe auf. Diese Aufstiege schalten jeweils neue Fähigkeiten frei, führen aber auch dazu, dass durch die Ghulkarten mehr neue Zombies platziert werden.

 

Sollte es vorkommen, dass keine weiteren Figuren eines Ghultyps platziert werden können, werden alle restlichen Miniaturen platziert und dann alle (!) Ghule dieses Typs erneut aktiviert.

Liegt eine Brutzone in einem Gebäude und erscheinen hier lange keine Zertrümmerer, bleiben die Ghule dort eingesperrt, wenn alle Ausgänge geschlossen bzw. verbarrikadiert sind.

Ausstattung

CMON bemüht sich, Die Nacht der lebenden Toten in das gewohnte Zombicide-Korsett zu schnüren. Das Artwork ist gut, das Material, vor allem die Miniaturen, umfangreich und qualitativ hochwertig. Die Kartenteile könnten etwas besser lesbar sein, so könnten Maisfelder und Wälder Ikonen gebrauchen, die auf deren Sichtlinieneffekte hinweisen. Auch die Plastikeinsätze, in denen das Material lagert, sind leider zu dünn und brechen leicht. Ebenso ist es ein Graus, die Miniaturen wieder an die richtigen Orte zurückzusortieren, vor allem wenn die Basisringe für die Farbzuordnung an den Figuren verbleiben sollen. Da gibt es bessere Lösungen bei der Konkurrenz.

 

Die Boards für die Mitspielenden stechen positiv heraus, in massivem Plastik lassen sich Erfahrungspunkte und Fähigkeiten gut anzeigen sowie die Charakterkarten leicht auf beide Seiten wenden und die Gegenstandkarte stehend im Rucksack verwalten oder auf die Plätze für die Figurenhände verteilen.

Massive Plastikboards, auf denen die Überlebenden- und Ausrüstungskarten gut gemanagt werden können. Auch die Erfahrungspunkteleiste ist hochwertig und stabil.
Massive Plastikboards, auf denen die Überlebenden- und Ausrüstungskarten gut gemanagt werden können. Auch die Erfahrungspunkteleiste ist hochwertig und stabil.

Insgesamt stehen zehn Szenarien zur Verfügung, die sich auf drei einfache (ca. 45 Minuten), vier mittlere (45-60 Minuten) und drei schwere (60-90 Minuten) Szenarien aufteilen. Es liegen sechs doppelseitige Kartenteile bei, von denen vier bis sechs Seiten pro Szenario verwendet werden.

Das Spiel kann schwerer gemacht werden, indem die einfachen Karten aus dem Ghulkartendeck entfernt werden, sodass weniger Karten enthalten sind, die situativ keinen Effekt haben können oder nur wenige Zombies erscheinen lassen. Dieses Feature erscheint sehr sinnvoll, da die Szenarien, auch die schweren, deutlich zu einfach sind.

Die harten Fakten:

  • Verlag: CMON
  • Autor*in(nen): Raphael Guiton, Jean-Baptiste Lullien, Nicolas Raoult
  • Erscheinungsjahr: 2020
  • Sprache: Deutsch
  • Spieldauer: 60 Minuten
  • Spieler*innen-Anzahl: (1) 2 3 (4) (5) (6)
  • Alter: 14+
  • Preis: 85 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Bonus/Downloadcontent

Im Rahmen der Kickstarter-Kampagne wurde die Box Dead of Night mit exklusiven Minitaturen veröffentlicht. Diese wird in Zukunft sicher als Sammlerstück nur für hohe Preise zu bekommen sein. In dieser Box sind vier weitere Überlebende mit je zwei Figuren (Romero und Zombicide) und Charakterkarte, zwei Gegenstände (Karten) und zwei andere Ghoulvarianten enthalten.

 

Bei Boardgamegeek existieren darüber hinaus einige von Fans erstellte Szenarien, Hausregeln und Kampagnenvarianten.

Fazit

Seit dem Grundspiel Zombicide wurden einige Verbesserungen am System mit den folgenden Editionen eingeführt. Die absurden Eigenbeschuss-Fernkampfregeln wurden entfernt, spannende Sondermonster wurden eingeführt, einiges an Suchmechanismen und Szenariodesign getan. Allerdings findet diese gute Entwicklung in Night of the Living Dead keine Fortsetzung, was schade ist. Die Charaktere spielen sich ziemlich gleich, weder Sonderfähigkeiten noch Ghultypen spielen eine gehobene Rolle, da das Spiel insgesamt deutlich zu leicht ausfällt. Die Gegenstandkarten sind auch nicht sehr variantenreich, sodass es hier nicht viel Neues zu entdecken gibt, was die Wiederspielbarkeit erhöhen würde.

Auch die schweren Szenarien werden bei klarer Zielverfolgung (Fokus auf Suchen der Szenariozielkarten und nur so viel Waffenbeschaffung und Kampf wie nötig) kaum gefährlich. Zur Ehrenrettung sei aber gesagt, dass das Spiel die Möglichkeit bietet, die Schwierigkeit anzupassen, indem aus dem Ghulkartendeck die einfacheren Kartenbereiche entfernt werden können. Allerdings kam beim Spielen von insgesamt fünf Szenarien aus allen Schwierigkeitsstufen nicht genug Spannung auf, diese Variante noch zusätzlich testen zu wollen. Für Einsteiger, Zombicide-Fans oder große Fans der Nacht der lebenden Toten könnte das Spiel eine schöne Nebenbeschäftigung beim nächsten Kultfilmabend sein, für mehr reicht es aber leider für uns nicht.

  • Thematisch
 

  • Zu leicht
  • Nicht sehr abwechslungsreich
  • Teuer

 

Artikelbilder: © CMON
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Saskia Harendt
Fotografien: Niko Kwekkeboom
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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