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In Shazam! – Eine neue Heldin! von Panini Comics vermacht Marys Bruder Billy ihr seine Superkräfte, bevor er verschwindet. Jetzt muss Mary mit ihrer neuen Rolle als Shazam klarkommen, ihre Familie zusammenhalten, eine Entführungswelle aufklären, und alles, während die Uni anfängt. Kann Mary das meistern oder gerät der Comic zur Katastrophe?

Triggerwarnungen

Obdachlosigkeit, Mobbing, Gewalt gegen Tiere, Entführung von Kindern, leichte Gewalt

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Handlung

Zu Anfang könnte alles so schön sein: Mary Bromfield hat es auf die hoch angesehene Universität geschafft, auf die sie immer wollte, bei den sympathischen Zimmergenossinnen einen guten Eindruck gemacht und will voll ins Collegeleben durchstarten. Doch dann geht alles schief. Vor den versammelten Erstsemestern beginnt ihr Kaninchen Hoppy, mit ihr zu sprechen – was aber nur sie hört. Die öffentliche Blamage tritt jedoch hinter dem zurück, was Hoppy Mary erzählt. Ihr Adoptivbruder Billy Batson, besser bekannt als der Superheld Shazam, steckt nach einer nicht optimal verlaufenen Reise durch die Hölle im Fels der Ewigkeit fest. Der Fels der Ewigkeit ist der magische Ort, an dem sich alle Magie des Universums sammelt und an Shazam weitergeleitet wird, um ihm seine Kräfte zu verleihen. Da Billy ihn jetzt nicht verlassen kann, gibt er seine Kräfte an Mary weiter. Wenn sie sein Zauberwort „Shazam“ spricht, verwandelt jetzt sie sich in eine Superheldin.

Als wäre das noch nicht genug, verschwinden Marys Adoptiveltern und als einzige Volljährige muss sie zurück nach Philadelphia, um sich um ihre anderen vier Adoptivgeschwister zu kümmern. Dazu gehört auch ein Wechsel auf das Fawcett Community College, eine örtliche, aber sehr heruntergekommene Lehranstalt. Mary wird mit dem Kopf voran in ihre neue Situation geworfen. Während sie noch versucht, mit der öffentlichen Reaktion auf sie als Superheldin fertigzuwerden, wird Philadelphia von einer Plage mutierter Krokodilmonster und einer Entführungswelle heimgesucht. Ihre Geschwister sind wütend auf sie, weil sie die Familie für die Uni in New York verlassen wollte und neidisch, weil Billy ihr die Kräfte von Shazam verliehen hat. Marys einzige Verbündete scheinen das sprechende Kaninchen Hoppy, ein Obdachloser, den alle Onkel nennen, und die übermotivierte Physikprofessorin Dr. G zu sein.

Dr. G fühlt eine Verbindung zu Mary
Dr. G fühlt eine Verbindung zu Mary

Shazam! – Eine neue Heldin! besteht aus zwei Handlungssträngen. Einerseits der Actionhandlung mit Superkämpfen und Monstern, andererseits Marys charakterlicher Entwicklung. Die Actionhandlung wird, mit ein paar netten Einfällen, routiniert erzählt, ist aber ziemlich geradlinig. Marys innere Herausforderungen sind etwas komplexer. Sie ist zwischen ihrer Familie und dem Wunsch, ein eigenes Leben zu beginnen, zerrissen. Dieser klassische Zwiespalt wird durch Marys neue Verantwortung als Superheldin erschwert. Auch das wird wie gehabt erzählt und ist für sich genommen sicherlich nicht schlecht. Im Kontext von Superheldencomics wurde dieser Interessenkonflikt aber grundsätzlich schon in den 60er Jahren von Spider-Man perfektioniert und in den 2000ern von Ultimate Spider-Man modernisiert. Die Spannungen zwischen Familie, Selbstverwirklichung und Superkräften sind natürlich seitdem eine Grundlage des Superheld*innen-Genres wie bunte Kostüme oder übernatürliche Kräfte, besonders bei jugendlichen Figuren. Es kommt jedoch nur selten vor, dass ein Werk den Genre-Primus übertrifft. Shazam! – Eine neue Heldin! macht hier sicherlich nichts falsch, fällt aber auch nicht auf.

Memes und Trolle sind typisch für Cybermobbing
Memes und Trolle sind typisch für Cybermobbing

Das in dieser Hinsicht einzige, etwas andere Element ist, dass Mary als Superheldin öffentlich angefeindet wird, weil sie eine Frau ist. Dass Superheldinnen angefeindet werden, ist aber auch längst im Genre etabliert. In der Disney+ Web-Serie She-Hulk wird wie hier im Comic die Reaktion von Online-Trollen herausgestellt, während Carol Danvers sich in ihren Comics schon seit Jahrzehnten mit allgemeiner Misogynie herumschlagen muss. Sogar schon in Fantastic Four #11 von 1963 wehrten Stan Lee und Jack Kirby sich gegen Leserbriefe, die die Unsichtbare als nutzlos bezeichneten.

Shazam! – Eine neue Heldin! enthält weiterhin einige nette Anspielungen auf die mittlerweile 83-jährige Geschichte der Shazam-Superhelden. Leser*innen, die diese nicht erkennen, erleiden dadurch aber keinerlei Nachteile. Das Kaninchen Hoppy, das zum magischen Berater von Mary wird, greift beispielsweise den Namen von Hoppy the Marvel Bunny auf, einem Funny-Animal-Comic aus den 40ern. Seit derselben Zeit sind Krokodilmenschen als Feinde von Shazam etabliert, während das Fawcett Community College nach Fawcett Comics benannt ist, dem Verlag, der Shazam erfand, bevor DC Comics sie aufkaufte, und auch der Onkel genannte Obdachlose erinnert an jemanden.

Charaktere

Kein hilfreicher Hase: Hoppy
Kein hilfreicher Hase: Hoppy

Mary Bromfield ist die Hauptfigur von Shazam! – Eine neue Heldin!. Ihre bisherige Geschichte wird zu Beginn kurz zusammengefasst, ist aber auch leicht verständlich. Wie oben erwähnt, konzentriert sich die Geschichte auf ihr Innenleben und tut das durchaus solide. Mary ist eine sympathische junge Frau, die sich erst noch finden muss. Auf der Suche  macht sie zwar öfters mal Fehler, findet aber immer auf den rechten Weg zurück, ohne dabei langweilig oder moralinsauer zu sein.

Shazam! – Eine neue Heldin! benutzt die Mary Bromfield der gegenwärtigen DC-Kontinuität, die wenig Vorgeschichte hat. Die grundlegende Figur, Mary Marvel, gibt es allerdings schon seit 1942. Sie wurde damals als verschollene Zwillingsschwester des Waisenjungen Billy Batson eingeführt, die von der reichen Familie Bromfield adoptiert wurde. Als Billys Schwester konnte sie, wie er, mit dem Zauberwort „Shazam“ Superkräfte erlangen. Während Billy sich dabei in eine erwachsene Version seiner selbst verwandelte, sah Mary in ihrer Super-Form genauso aus wie normal – nämlich wie Judy Garland, dem Kinderstar aus Der Zauberer von Oz, dem sie nachempfunden war. Mary Marvel war eine der frühesten weiblichen Versionen eines männlichen Superhelden und erschien sogar ganze siebzehn Jahre vor Supergirl.

Mary geht zur Sache
Mary geht zur Sache

Für die aktuelle Version ist das aber alles nicht mehr gültig. Heute lebt Mary Bromfield bei den Adoptiveltern Victor und Rosa Vasquez, die insgesamt sechs Kinder adoptiert haben. Neben der verlässlichen Mary den frechen Freddy, den Streber Eugene, die kleine Darla, den dicken Pedro, und Billy, der insgeheim Shazam ist. Anfangs konnte Billy die Macht von Shazam mit seinen Adoptivgeschwistern teilen und sie wurden zur sechsköpfigen Shazam-Family. Während Billy ausgeglichene Shazam-Kräfte hatte, spezialisierten sich die anderen. Pedro war besonders stark, Darla schnell, Eugene konnte Maschinen kontrollieren und so fort. Allerdings wurde die Kraft zwischen den Geschwistern aufgeteilt, sodass jeder nur ein Sechstel erhielt. Später verlor Billy die Fähigkeit, die Macht aufzuteilen, was für Unfrieden in der Shaza-Family sorgte. Entsprechend übel nahmen es die anderen Geschwister dann auch Mary, dass Billy ihr zu Anfang von Shazam! – Eine neue Heldin! die nicht mehr teilbare Shazam-Macht verlieh.

Zeichenstil

Shazams und Krokodile sind alte Bekannte
Shazams und Krokodile sind alte Bekannte

Gezeichnet wurde Shazam! – Eine neue Heldin! von Evan „Doc“ Shaner. Shaner zeichnete bereits die Convergence: Shazam! Reihe und ist außerdem bekannt durch Future Quest und Strange Adventures. Er ist ein überaus fähiger Zeichner, dessen klare, helle und gutgelaunte Zeichnungen mit einem leicht nostalgischen Anflug begeistern. Sein Stil erinnert ein wenig an den von Cliff Chiang, da beide mit eher kräftigen schwarzen Randlinien arbeiten, die detailliert koloriert ausgefüllt werden. Chiang neigt allerdings etwas mehr dazu, Figuren kantig zu stilisieren, während Shaner naturalistischer wirkende Rundungen verwendet. Die feinen Schraffuren und Verwischungen, mit denen Shaner Details in Gesichtern und Stoffen andeutet, verleihen den Bildern trotz ihrer eindeutig digitalen Kolorierung einen lebendigen Eindruck. Visuell ist Shazam! – Eine neue Heldin! eine herausragende Kombination, die die Wertigkeit handgearbeiteter Zeichnungen mit der bunten Perfektion digitaler Farben verbindet, dabei aber die warme Seele der Zeichnungen bewahrt, ohne ins Künstlich-Sterile abzustürzen. Für einen Comic wie Shazam! – Eine neue Heldin!, der trotz Spannung, Gefahr und Konflikt letztlich eine fröhliche Abenteuergeschichte ist, eignen sich die Zeichnungen perfekt.

Erscheinungsbild

Shazam! – Eine neue Heldin! ist ein typischer Panini Softcover-Comic. Die Verarbeitung ist solide und die Druckqualität nicht zu beanstanden. Das Cover mit einer fröhlichen Mary sieht schön aus, während die Rückseite etwas spannender wirkt.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Panini
  • Autor*in(nen): Josie Campbell
  • Zeichner*in(nen): Evan Shaner
  • Erscheinungsjahr: 2023
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Softcover
  • Seitenanzahl: 108
  • Preis: 13 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Panini Comics, Amazon, idealo

 

Fazit

In Shazam! – Eine neue Heldin! wird die junge Mary Bromfield zur Superheldin Shazam. Das wirbelt ihr Leben gehörig durcheinander, denn sie kann nicht mehr auf ihre Wunsch-Uni gehen, ihre Eltern verschwinden, ihre Geschwister sind neidisch auf sie, und sie muss sich typischen Superhelden-Kämpfen stellen. Dafür hat sie jetzt ein sprechendes Kaninchen, das ihr abwechselnd ins Gewissen redet oder sie nach Karotten anbettelt. Das ist alles nichts wirklich neues, weder in Superheld*innen-Richtung noch in Bezug auf Marys Innenleben. Die Geschichte ist keinesfalls schlecht, aber eben auch nichts wirklich Neues oder Tolles.

Was dafür umso positiver heraussticht, sind die Illustrationen, denn Evan Shaner liefert hier wirklich hervorragende Arbeit. Insgesamt pegelt sich Shazam! – Eine neue Heldin! damit genau im Mittelmaß ein. Für Fans der Kunst oder Shazams lohnt sich der Kauf bestimmt. Auch wer gerne leichtherzige Superheld*innenabenteuer liest und mal ohne die volle Ladung hoher Literatur auskommt, kann bei dem Preis nicht viel falsch machen. Für Leser*innen, denen das durchschnittliche Superheld*innengenre nicht ausreicht, gilt leider, dass die Geschichte der Kunst hier nicht gerecht wird.

  • Toll gezeichnet
  • Sympathische Figuren
 

  • Durchschnittsgeschichte

 

Artikelbilder: © Panini Comics
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Katrin Holst
Fotografien: Paul Menkel
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