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Ein Metaplot mag für angehende Spielleitungen überwältigend wirken. Eine epische Geschichte, die sich über mehrere Abenteuer erstreckt, die Handlungen der Charaktere berücksichtigt und die Spieler*innen die Auswirkungen ihrer Handlungen erleben lässt. In diesem Artikel wollen wir uns dieser Königsklasse des Rollenspiels etwas annähern.

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Der Metaplot. Eine Definition

Wollen wir uns eine Begriffsdefinition des Wortes „Metaplot“ erarbeiten, ist der Blick in die digitalen Wissenshorte ein guter erster Schritt. So findet man beispielsweise in der Wiki Aventurica folgende Erläuterung des Begriffes Metaplot:

„Als Metaplot bezeichnet man die fortlaufende, planvolle Veränderung einer Rollenspiel-Welt über mehrere voneinander unabhängige Publikationen hinweg (während mit Plot gewöhnlicherweise die Handlung eines Abenteuers, einer Kampagne oder einer Geschichte gemeint ist).“

Geht man weiter zum großen Bruder Wikipedia, findet man eine ganz ähnliche Beschreibung:

„The metaplot (also, metastory) is the overarching storyline that binds together events in the official continuity of a published role-playing game campaign“.

Schlussendlich wurde das Thema im großen Rollenspielforum Tanelorn diskutiert und im Zuge dessen zwei Definitionen ausgearbeitet:

„1. Metaplot beschreibt eine Entwicklung der Spielwelt, die von der Redaktion des Rollenspiels (Verlag/Autor) kommt und damit von außerhalb der jeweiligen Spielrunde.
2. Metaplot beschreibt eine (bedeutende) Entwicklung der Spielwelt. Ob diese von außerhalb der Spielrunden kommt (Redaktion) oder komplett innerhalb der Spielrunde generiert wird, ist egal.“

Mit diesen kurzen Erläuterungen haben wir bereits mehrere sehr relevante Begriffe gestreift: eine geplante Entwicklung, eine gesteuerte Veränderung, über mehrere Episoden des Spiels, die von außerhalb oder innerhalb der Spielrunde kommt. Und bedeutend ist.

Wenn man all diese Beschreibungen summiert, wird unweigerlich die Frage aufkommen: Wenn der Metaplot von der Spielleitung kommt, ist das nicht irgendwo das berüchtigte Railroading, das man doch tunlichst vermeiden sollte? Andererseits, ist nicht eines der großen Versprechen des Pen-and-Paper Rollenspiels, dass man in einer Welt spielen kann, welche lebendig wirkt? Und wie soll das ohne Ereignisse, die von der Spielleitung – unabhängig von den Aktionen der Spieler*innen, aber möglichst ohne die berüchtigte Meister*innenwillkür – gesteuert werden, möglich sein?

Wir sind ein Teil der Welt

Held*innen verändern ihre Welt. Das ist ihre Definition, ihr Zweck und ihr Schicksal. Am Ende eines Abenteuers haben die Charaktere der Spieler*innen (hoffentlich) einen Teil der Welt zum Besseren (in den meisten Fällen) geändert.

Ein Metaplot, der unabhängig von den Held*innen existiert, ist zunächst einmal eines, nämlich Potenzial für eine Geschichte oder sogar mehrere. Ein Metaplot, welcher sich per Definition über mehrere Episoden einer gespielten Geschichte erstreckt, wird entweder zu einer relevanten Handlung, welche auch die Held*innen betrifft, oder bleibt/wird zu Hintergrundrauschen, das zwar etwas Farbe gibt, aber ansonsten keine große Beachtung findet. Die Untotenhorde, welche die Südlande überrollt, wird wahrscheinlich keine große Bedeutung für die Spieler*innen erlangen, wenn sich ihre Charaktere stets nördlich des Polarkreises aufhalten. Ebenso wird die epische Geschichte des Aufstiegs und Falls eines Orks zum Anführer einer Go-Gang im Seattle der 2070er seine Wirkung nicht ganz entfalten können, wenn die Spieler*innen lieber Runs in Aztlan erleben. 

Man sieht hier: Es macht sehr viel Sinn, sich als Spielleitung schon möglichst frühzeitig Gedanken darum zu machen, was man seinen Spieler*innen als potenzielle Spielwiese anbietet. Ganz unabhängig davon, welches Genre man gerade bespielt – Fantasy, Western, Horror, Pulp und viele andere – sollte der große Spannungsbogen den Held*innen erlauben, ein Teil davon zu werden.

Wie schaffen wir das nun?

Wir sind viel zu klein und schwach

Manche Handlungsstränge sind schon in ihrer Grundlage episch angelegt. Die Rückkehr einer Gottheit in die Spielwelt, ein weltumspannender Krieg, das Weltenende. All das sind Handlungsbögen, die Charaktere und deren Spieler*innen leicht überwältigen können (vor allem bei Handlungen, die die Welt sowieso enden lassen).

Spieler*innen, die an einem so „großen“ Setting wenig Spaß haben, kann man wesentlich leichter in etwas einfachere Geschichten einbinden. Statt der Welt retten wir ein Dorf vor einer Horde Goblins. Statt einer Urdrachin gegenüberzustehen, helfen wir einer Karawane bei der Flucht vor einer großen Gefahr. In den allermeisten Settings, die zu episch werden, ist sicherlich Platz für etwas weniger ambitionierte Unternehmungen, welche die Welt dennoch zum Besseren wenden.

Manchmal ist zu viel einfach zu viel.
Manchmal ist zu viel einfach zu viel. © Depositphotos | Liuzishan

Wenn die Spieler*innen partout nicht ins „größere“ Abenteuer einsteigen wollen, und lieber ein ruhigeres Leben führen möchten, ist das auch nicht weiter schlimm. Nicht jedes Abenteuer muss sich um die Rettung der Welt drehen (das wäre ja auch irgendwann langweilig). Stattdessen hat man sich idealerweise in einer Session Zero Gedanken darüber gemacht, auf welchem „Härtegrad“ das Spiel stattfinden soll, neben der Häufigkeit und Wahrscheinlichkeit von Charaktertod, dem Detailgrad der gezeigten Gewalt et cetera. Etliche Runden machen sich eine große Bandbreite an gewünschter Spielweise zu Beginn des Abenteuers aus. Das ist eine gute Gelegenheit, sich zu überlegen, mit welcher Art von Runde man welches Abenteuer spielen möchte.

Und schließlich, wenn trotz allen Railroadings die Spieler*innen partout nicht in die „richtige“ Richtung wollen, dann wird eben ihre Richtung zum neuen Metaplot. Sie (inklusive der Spielleitung) haben es bis dahin halt nicht besser gewusst. Der (Meta)plot sollte dort sein, wo die Spieler*innen entlangschreiten.

Der Metaplot und die Charaktere – eine Zusammenführung

Wir haben nun eine epische Idee, was mit der bespielten Welt geschehen soll. Und eine Gruppe nichteingeweihter Spieler*innen und unwissender Charaktere, welche auf diese Welt losgelassen werden. Wie bringt man diese beiden Entitäten nun zusammen?

Eine (etwas unelegante, aber effektive) Methode ist es, gleich in die Vollen zu gehen. Lass die Charaktere mitten im Überfall einer Vorhut der dunklen Gefahr auf das Dorf, in welchem sie übernachten, aufwachen. Wenn sie nur irgendeinen heldenhaften Funken in sich haben, werden sie hoffentlich bei der Verteidigung eben dieses Dorfes mithelfen wollen und nicht gleich türmen (in dem Fall gibt es den Metaplot zwar immer noch, aber er hat sich schon ein wenig durch die Aktionen der Spieler*innen verändert). Der Start der Kampagne mitten in oder nach einer Schlacht kann ebenfalls gut dazu beitragen, dass die Spieler*innen ein Interesse an den größeren Handlungen in der Welt entwickeln.

Ein interessanter Start für Held*innen des ersten Levels
Ein interessanter Start für Held*innen des ersten Levels © Depositohotos | vector3D

Eine etwas elegantere (und gemeine) Möglichkeit, die Spieler*innen mit einer größeren Umwälzung in der Welt zu konfrontieren, ist, ihnen zunächst etwas von dieser Welt zu geben. Und es ihnen dann möglicherweise wieder wegzunehmen. Wenn die Charaktere beispielsweise bereits einen Titel und Land besitzen, werden sie hoffentlich daran interessiert sein, diese Besitztümer auch zu behalten. Oder ein geliebter NSC, ein heiliger Ort et cetera. Stell dir die Frage, was den Spieler*innen in deiner Welt wichtig ist, und ihr seid auf dem besten Weg zu einer Runde, die allen Beteiligten Freude macht.

Spielleitungen sollten sich andererseits stark dabei zurückhalten, mit zu viel Information und Hintergrundwissen die Spieler*innen und ihre Charaktere zu verwirren. Dadurch, dass die Spielleitung die perfekte Information und Kontrolle über die Welt hat, ist es nur allzu leicht, sich zu sehr für die eigene geschaffene Spielwelt zu begeistern (und das geht leicht), und weniger eine Spielleitung als mehr ein*e Romanautor*in zu werden, wenn man die Anwesenden zu sehr mit Text und Lore überwältigt. Anstatt zu viele Rätsel, zu viele Abenteuer und zu viel Metaplot aufzubauen, ist es vielmehr ratsam, die Spieler*innen in ihrem Tempo die Welt, den Metaplot und alles andere in ihrem eigenen Tempo erkunden zu lassen. Selbstverständlich muss man als Spielleitung auch mal den Teppich unter ihren Füßen hinwegziehen und ihnen Druck machen, damit etwas an Handlung weitergeht. Aber eine durchzechte Nacht in der Taverne mit viel Interaktionen zwischen den Charakteren kann manches mal einen Plot besser voranbringen als eine epische Schlacht, die allerdings schon beim Auswürfeln niemanden so richtig interessiert. Ein stetes Ab- und Angleichen zwischen den Wünschen und Bedürfnissen aller Spieler*innen (und das inkludiert die Spielleitung mit ein) ist notwendig, damit das gemeinsame Spiel möglichst interessant wird.

Die Redaktion hasst uns! Offizieller Metaplot und seine Tücken

Manche Rollenspielsysteme haben einen ausgefeilten, viele Bücher umspannenden Metaplot. Das Schwarze Auge ist das im deutschen Sprachraum wohl bekannteste Beispiel für einen solchen. Aber auch Vampire: Requiem hatte einen ausufernden Plot (der dann spektakulär mit Golconda geendet wurde). Mit dem Aventurischen Boten gibt es sogar eine eigene Zeitung, welche die inneraventurischen Geschehnisse regelmäßig festhält und publiziert. Obwohl nur die hartgesottensten Spielrunden sich (wenn überhaupt) fest an den von der Spieleredaktion erdachten Metaplot halten, wird sich eine Vielzahl an Spielrunden wohl eher nur lose oder sehr frei interpretiert in diesem fest vorgegebenen Universum bewegen.

Eine festgeschriebene, aber sich dennoch fortlaufende Welt hat einerseits den Vorteil, dass sie sich tatsächlich realer anfühlen kann. Ein Turnier irgendwo am anderen Ende des Kontinents ist zwar irrelevant für die Charaktere, aber die Spieler*innen fühlen, dass es da noch etwas mehr gibt, als ihre Charaktere gerade im Blickfeld haben. Eben das vorhin erwähnte Versprechen, eine belebte, immersive und liebevoll gepflegte Welt zu bespielen.

Andererseits kann das Verfolgen des redaktionellen Metaplots an sich schon Arbeit bedeuten. Schlimmer noch wird es, wenn die Redakteur*innen Entscheidungen treffen, mit denen niemand am Tisch glücklich ist. Das berühmte „Leute, die Entscheidung von mir am Ende der letzten Sitzung war einfach eine blöde Idee. Lasst uns das Ganze eine Viertelstunde zurückdrehen und einen anderen Weg einschlagen, der nicht sechs Jahre Spielzeit vernichtet.“ ist schwierig umzusetzen, wenn sich die offizielle Welt (TM) in eine andere Richtung weitergedreht hat.

Letzten Endes wird es meistens darauf hinauslaufen, was auch die DSA-Redaktion gemacht hat: Akzeptieren, dass man in seiner eigenen Version des geliebten Settings spielt. Keine Runde spielt „perfekten“ Metaplot und das ist auch nicht schlimm. Man spielt deswegen kein minderes Rollenspiel. Genügend Inspiration kann man sich aus den erscheinenden Publikationen ja trotzdem holen.

Wenn es nicht funktioniert

Manchmal muss man die Dinge anpassen.
Manchmal muss man die Dinge anpassen. © Depositphotos | realinemedia

Sollten der geplante (Meta)plot und die Spieler*innen auf keinen gemeinsamen Nenner kommen, ist es keine Katastrophe, die Kampagne in gewissem Rahmen abzuändern. Abhängig von den Informationen, welche die Spielleitung den Spieler*innen gegeben hat, hat man hoffentlich bereits eine Vorauswahl bei den Beteiligten getroffen – so dürfte ein*e Spieler*in, welche*r sich über das viele Reisen mit einem Schiff in einer Piratenkampagne beschwert, zu Recht auf wenig Verständnis bei den Mitspielenden treffen. Oder falls jemand unbedingt einen Menschen spielen möchte, wenn sich das Abenteuer um Orks und ihre Erfahrungen als Spielercharaktere dreht. Mitunter ist es ratsam, solchen Spielenden ans Herz zu legen, die Klasse, Spezies oder Gruppe zu wechseln, falls keine Einigung möglich ist.

Fazit

Epische Kampagnen sind eine herrliche Sache. Ein über mehrere Monate oder Jahre gehender Plot, große Umwälzungen in der bespielten Welt und etliche Gelegenheiten für ruhmreiche Heldentaten – das klingt schön, kann aber auf mannigfaltige Art Kopfzerbrechen und viel mehr Arbeit verursachen, als eigentlich geplant war.

Plane deine Kampagne in groben Strichen genügend weit und vage genug voraus, um eventuelle Aktionen der Charaktere (das sind die Held*innen des Abenteuers!) mit in das Geschehen einfließen zu lassen. Mach deine Spieler*innen zu Agierenden, nicht zu bloßen Zuschauer*innen. Leg ihnen ab und zu Entscheidungen in die Hände, die durchaus einen dauerhaften Effekt auf die Spielwelt haben. Und lass sie spüren, was die Auswirkungen dieser Handlungen sind. Nichts ist für Spieler*innen schöner, als von einem freudigen/wütenden Mob Bauern begrüßt zu werden, nachdem sie den bösen Erzvampir/den geliebten Beschützer der Baronie endgültig vernichtet haben. Denk daran, dass auch negative Handlungen und ihre Auswirkungen zumindest einen Eindruck auf die Umgebung der Held*innen machen können.

Viel Spaß mit deinem Metaplot!

 

 

Artikelbilder: © Depositphotos | kotin
Layout und Satz: Verena Bach
Lektorat: Alexa Kasparek

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