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Wohl so manche Spielleitung und ihre Spieler*innen stehen nach mehreren Spielabenden vor dem Problem, dass einfach zu viel Beute gemacht wurde. Die bestsortierten Händler*innen können gar nicht so viel anbieten, wie die Held*innen ausgeben möchten und können. Hier findet sich Hilfe für einen finanziellen Neustart. 

Einleitung – Misswirtschaft, aber richtig!

Es ist schon wieder geschehen. Die Jungfrau ist besiegt, der Drache ist gerettet, und die Held*innen haben sich den Schatzhort als verdiente Beute aufgeteilt. Das Gold fließt in Strömen, und sie müssen vielleicht sogar Teile des Schatzes zurücklassen (natürlich wird schon die Expedition geplant, auch den Rest zu holen). Jetzt stellt sich nur die Frage: wohin damit?

Reichtum kann für eine Spielrunde auf lange Sicht ebenso zum Problem werden, wie Streit, Unpünktlichkeit und Unfairness der Spielleitung gegenüber den Spieler*innen. Wenn und ihre Held*innen zu viel an pekuniären (vom lateinischen „pecunia“, deutsch: Geld) Möglichkeiten haben, warum sollten sie noch auf Abenteuer ausziehen? Warum sollten sie ihr Leben riskieren (immer daran denken, Wiederbelebungsverträge sind selten und teuer) und nicht einfach andere NSC auf Abent… in tödliche Gefahr schicken? Tashas Cauldron of Everything bietet übrigens sogar ein eigenes Kapitel zu dieser Idee, und bietet Inspirationen für Gruppen, die ihre eigenen Jungheld*innen großziehen und trainieren möchten.

Wir könnten in ein kleines Anwesen investieren…

Vielleicht will man aber einfach die Spielrunde wieder mit neuem alten Elan spielen, ohne den Ballast überteuerter Ausrüstung und ohne endlose Geldquellen, welche eigentlich nur die Spannung aus dem Spiel nehmen. Schließlich kann man mit Geld die meisten Probleme umgehen. Oder, ebenso möglich, man möchte den Held*innen die Gelegenheit bieten, das tolle Gefühl zu spüren, allen Reichtum zu verlieren und wieder zu gewinnen. Schätze finden macht Spaß – Schätze wieder zurückgewinnen, nachdem sie einem weggenommen wurden, umso mehr.

In diesen Fällen bietet es sich an, die Gruppe vor Herausforderungen zu stellen, welche in ihre finanziellen Optionen einschneiden. Dies muss und soll keineswegs permanent oder von längerer Dauer sein. Wohl dosierter Frust ist ein Mittel, kein Zweck im Rollenspiel.

Ihr landet nach einem Schiffbruch an einem Strand. Nackt.

Schiffbruch ist wohl eines der ältesten, bekanntesten und für den Spielspaß gefährlichsten Klischees, wie man eine Runde all ihrer Reichtümer berauben kann. Sie haben eine lange und anstrengende Reise unternommen und ihr Ziel nie erreicht, da sie von einem Sturm an eine fremde Küste gespült wurden. So weit, so gut – allerdings liegt darin großes Potenzial, die Spielenden an diesem Punkt vollständig zu verprellen. Niemand fühlt sich gerne zu etwas gezwungen, was er*sie eigentlich nicht wollte. Die Charaktere an einem einsamen Strand landen zu lassen (selbstverständlich ohne weitere freundliche Überlebende), hilft zwar, ihren Reichtum sehr relativ werden zu lassen. Es wird aber auf ganz andere Weise für ungewollten Frust sorgen. Aber es gibt subtilere Möglichkeiten, die Charaktere deiner Spieler*innen in einsamen Gegenden auszusetzen…

Wesentlich interessantere Alternativen zu diesem langweiligen Klischee sind die neuen Gewohnheiten einer fremden Umgebung, der sich deine Spieler*innen stellen dürfen. Die schönsten Goldmünzen werden ihnen wenig helfen, wenn die gängige Währung in der bespielten Gegend eine exotische Ware wie Muscheln oder ein ansonsten gering geschätztes Metall wie Eisen ist (Krynn lässt grüßen). Ein paar Tagesreisen vom Heimatland der Charaktere entfernt, können ganz andere Währungssysteme vorherrschen und sie zu armen Schlucker*innen machen, die wieder an Reichtum kommen müssen. Sie haben natürlich immer noch ihre Ausrüstung. Daher werden sie den Verlust ihrer Kaufkraft etwas weniger spüren.

Blaues Blut und Street Cred – Ansehen ohne Geld

Oh you Lords and Ladies… still think that the only thing that matters is gold. And This makes me happier than all your gold ever could. And That makes me happier than all your Sapphires. So go buy yourself a golden hand and fuck yourself with it!“ – Vargo Hoat, Game of Thrones.

Neben fremden Währungssystemen kann man auch wunderbar das Spiel um Ansehen und Adel ins Feld führen: In so mancher Gesellschaft zählen nicht die inneren Werte, also was man in der Geldbörse hat, sondern in welcher Krippe man gelegen ist. Als Porphyrogennetos oder al’anfaner Bürger ist man schließlich etwas Besseres, ganz egal, ob die dahergelaufenen Held*innen mit schnödem Mammon gesegnet sind. Wenn die Spieler*innen (warum auch immer) mit einer derartig feudal organisierten Gesellschaft interagieren möchten, müssen sie schnell dafür sorgen, ihr Ansehen auf eine andere Art zu steigern.

Reichtum will wohl investiert sein.

Es muss auch gar kein Unfall sein, der den Charakteren in die Quere kommt: In einsamen Gegenden ist es nur selbstverständlich, wenn Händler*innen einen kleinen „Unkostenbeitrag“ auf ihre Waren aufschlagen. Schließlich ist es sehr mühsam, im Gebirge, in der Wüste, im Dschungel oder wo auch sonst immer sich Held*innen aufhalten, frische Waren heranzuschaffen. Und so ein praktischer und leider akut benötigter Heiltrank ist wirklich kostspielig in der Herstellung gewesen…

Eine etwas drastischere Methode zur Ressourcenreduktion wäre die Option, die Spieler*innen gänzlich von Handel abzuschneiden und somit ihren Reichtum bedeutungslos zu machen. Wenn ein Felssturz im Dungeon den Rückweg unmöglich macht, gibt es nur den Weg nach vorne. Die Gruppe hat dann zwar keinen Groschen Geld verloren, muss sich aber ausschließlich auf ihre eigenen Fertigkeiten verlassen, um das Abenteuer zu überleben. Damit haben sie aber wiederum nichts verloren, was unnötige Frustmomente ersparen hilft. Geld und seine Möglichkeiten werden damit bedeutungslos, wodurch andere Qualitäten relevant werden.

Camelot kostet – von den Lebenshaltungskosten einer Abenteuergruppe

Wie schon an anderer Stelle geschrieben, bringt Reichtum auch pekuniäre Verpflichtungen mit sich. Wenn die Charaktere Grund erhalten haben, will dieser auch verwaltet werden. Vielleicht haben sie Land als Belohnung erhalten, oder es gab keine*n Vorbesitzer*in. Jedenfalls ist es notwendig, dass sich die Spielenden um ihr kleines Imperium auch sorgen. Und sei es nur, dass sie eine Person einstellen, die ihren Grund und Boden an ihrer statt verwaltet. Und sollten sie allzu sorglos davon ausgehen, dass sie sich nicht zu kümmern brauchen, kann man toll Abenteuer einstreuen, damit sie ihren Grundbesitz auch erhalten können.

Eine etwas kleinere Version eines eigenen Lehens wäre beispielsweise eine Taverne, die von den Charakteren gemeinsam betrieben wird. Dieses sehr spezielle Setting sorgt für ganz eigene Abenteuer, mit einer Stimmung abseits des Wir-retten-die Welt-Allerleis. Und wie jeder Gewerbetreibende bestätigen wird, bleibt für Gastronomen*innen am Ende des Tages natürlich nichts übrig, um die anfallenden Kosten zu decken.

Von der Ausrüstungspflege

In allzu vielen Runden spielt die Pflege der Ausrüstung eine leider nur untergeordnete Rolle. Hochwertige Utensilien und Artefakte, welche die Charaktere typischerweise mit sich führen möchten, müssen mindestens täglich geputzt, geschliffen, gebeizt, gebürstet, geölt, geleimt, genagelt, genietet, getackert, genäht, gebügelt und auf mannigfaltig andere Art gepflegt und ausgebessert werden. Auch Waffen, Werkzeuge, Sättel, Kleidung und andere Ausrüstung geht schnell kaputt und kann dann nicht mehr eingesetzt werden, wenn sich die Held*innen nicht darum kümmern.

Wer hat, der hat!

Man muss und sollte hier kein eigenes Wirtschaftssystem daraus basteln. Wir spielen schließlich Pen-and-Paper, und nicht Buchhaltung und Bilanzierung (außer, man arbeitet im Verwaltungsdienst). Dennoch ist es legitim, wenn man den Spieler*innen klarmacht, dass der Erhalt und die Wartung der geliebten Gegenstände einen gewissen Obolus voraussetzt. Selbst wenn einer der Charaktere Schmied*in sein sollte, benötigt diese*r Zugang zu einer Schmiede oder anderweitig spezialisierten Werkstätte, welcher bei den lokalen Handwerksmeister*innen teuer erkauft werden dürfte. Schließlich wollen diese sich ein Geschäft nicht entgehen, beziehungsweise selbiges kaputt machen lassen.

Inflation und Warenknappheit – wenn sich Preise verändern

Die meisten längerfristig angelegten Spielrunden profitieren von einer größeren Geschichte, die sich im Hintergrund der Geschehnisse rund um die Charaktere ereignet. Der Metaplot, wenn man so will. Das kann etwas Mundanes wie ein beginnender Krieg sein, ein magisches Ereignis wie die Rückkehr der Magie in Shadowrun oder vielleicht eine nicht ganz so episches Ereigniskette rund um eine Liebesgeschichte zwischen zwei relevanten Personen.

Wichtig für das Thema dieses Artikels ist nun, welchen Einfluss man als Spielleitung durch diese Ereignisse auf die Welt zukommen lässt. Krieg ist angeblich immer gut fürs Geschäft, aber trifft das auch für die Kund*innen zu? Wenn die Stadt, in der sich die Held*innen finden, von einer feindlichen Streitmacht belagert wird, wie lange wird es dauern, bis die Preise für Lebensmittel ins Unbezahlbare steigen? Man muss bei solchen Szenarien gar nicht in die wirklich ekelhaften Tiefen gehen, welche sich bei einer Lebensmittelknappheit in abgesperrten Ballungszentren zwangsläufig ergeben werden, aber man kann die Held*innen ruhig spüren lassen, dass ihr Geld in Relation weniger wert geworden ist. Oder, noch schlimmer und gleichzeitig interessanter, werden die Charaktere die letzten Lebensmittel kaufen und selbst verzehren, obwohl sie wissen, dass etliche Schwächere dafür Hungers sterben werden, wenn sie die dringend benötigte Nahrung nicht teilen?

Ein Krieg ist sicher ein sehr drastisches Mittel, die Ökonomie der bespielten Welt durcheinander zu bringen. Ein anderes mögliches historisches Szenario mit Gewaltpotenzial ist ein Goldrausch. Wenn ein wertvolles Material gefunden wird und abgebaut werden will, werden die Preise für Werkzeuge sicher schnell in die Höhe schießen. Wie sieht die Ökonomie einer Boomtown wie Klondike aus, in welcher zwar jede*r ein wenig Gold, aber kaum jemand frische Socken oder Penizillin hat?  Nicht umsonst waren zwei der Protagonisten in der Miniserie Deadwood Emaille-Warenhändler. Wenn man den Gedanken um die Entdeckung einer neuen großen Edelmetall-Ader weiterspinnt, ergeben sich noch weiterführende Möglichkeiten: je mehr Edelmetall einer Sorte im Umlauf ist, desto weniger wert ist es. Auch hier bietet die Geschichte unserer Welt mit dem Porzellan-Silber-Handel zwischen Europa, China und Amerika einen spannenden wirtschaftshistorischen Hintergrund, der Vorbild für eine Warenkette in deiner Spielwelt sein könnte. Mal ganz abgesehen davon, dass der große Smaragdvorrat der Spieler*innen ganz plötzlich weniger eindrucksvoll aussieht, wenn sie erfahren, dass ein neuer Fund erfolgt ist.

All die Vorschläge gehen bislang davon aus, dass die Versorgung mit sauberem Wasser grundsätzlich gegeben ist. Was passiert aber in einer Welt, die von einem Unfall, einem Konflikt oder einfach Pech durchseucht ist? Im Ödland der Postapokalypse ist Wasser nun einmal teurer als Gold, von sauberem ganz zu schweigen. Patronen und Verbandsmaterial wiegen schwerer als Banknoten, denn die sind nur mehr zum Feuermachen gut. Und selbst wenn Spieler*innen an einen Vorrat Munition kommen, werden sie sich entscheiden müssen, wie viel ihrer momentanen Währung sie verschießen wollen (besonders schön konnte man dies in dem Shooter Metro 2033 erleben). Das ist auch insofern interessant, da die Spieler*innen diese Entscheidungen treffen müssen.

All diese Ideen sind nur grobe Konzepte für (Neben-)Abenteuer, welche die Spieler*innen im weiteren Verlauf der Kampagne bestehen können. Inflation und Warenketten können einen gewaltigen Einfluss aufs Spiel haben und sollten deswegen nur mit Bedacht eingesetzt werden.

Fazit

Das Abenteurer*innenleben kostet, und das nicht zu wenig. Freudig gefundene Schätze sind allzu schnell wieder ausgegeben und zerrinnen den Charakteren allzu schnell zwischen den Fingern. Mal werden sie von gierigen Händler*innen ausgepresst, mal kommen sie in ein Gebiet, dessen Bewohner*innen von der mitgebrachten Währung noch nie etwas gehört haben und nur ihr eigenes Geld akzeptieren.

Dies alles soll nicht dazu führen, dass die Spielenden (allzu) frustriert sind. Es geht eher darum, dass man als Spielleitung nicht nur ein einziges Mal einen Schatz spendieren kann und das Abenteuer damit für die Held*innen vorbei ist. Vielmehr soll es die Charaktere dazu animieren, immer wieder einmal das Abenteuer zu suchen. Schließlich ist es das, was Abenteurer*innen machen.

Artikelbilder: © depositphotos: Chinnapong | stokkete | fyletto | illustratorgold
Layout und Satz: Annika Lewin
Lektorat: Giovanna Pirillo

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