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Macht euch bereit für die Schlacht, der Allvater ruft seine Streiter*innen zu sich: Im dritten Band von Nordische Mythen & Sagen von Splitter brechen wir abermals in die Welt von Odin, Thor und Co. auf. Dabei droht höchstes Ungemach, denn Ragnarök steht vor der Tür!

Mythen & Sagen gehören seit Jahrtausenden zu den essenziellen Bestandteilen der menschlichen Kultur. Sie liefern uns Geschichten zu furchterregenden Monstren, legendären Waffen und bilden die Grundlage vieler Feierlichkeiten und Festtage.

In der westlichen Sphäre dürfte neben der griechischen Sagenwelt die nordische Mythologie zu den bekanntesten gehören. In den letzten Jahren wurde sie in zahlreichen Medien präsentiert, sei es in Videospielen wie God of War oder natürlich in den Filmen und Comics aus dem Hause Marvel, in denen Thor eine gewaltige Rolle spielt.

Wer sich für die Hintergründe dieser Erzählungen interessiert, könnte bei den Graphic Novels der Serie Nordische Mythen & Sagen aus dem Hause Splitter fündig werden. Dabei handelt es sich um die Adaption von Neil Gaimans Buch zur nordischen Mythologie, in welchem er die Geschichten der alten Quellen in neuer Form aufarbeitet. Der Schöpfer bekannter Geschichten wie American Gods und The Sandman hat selbst nie einen Hehl daraus gemacht, wie sehr ihn diese alten Sagen in seinen Werken inspirieren. Die ersten beiden Bände überzeugten in unserem Kurzcheck bereits als gelungene Sammlung unterschiedlicher Erzählungen mit einer Vielzahl ansprechender Zeichenstile.

Mittlerweile ist nun auch der Abschlussband von Nordische Mythen & Legenden verfügbar. Ob dieser mit einem spektakulären Knall endet, finden wir in unserem Kurzcheck heraus.

Triggerwarnungen

Endzeitszenarien, Brudermord, Folter

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Handlung

Wie bereits bei den ersten beiden Bänden gilt: Nordische Mythen & Legenden liefert im Gegensatz zu beispielsweise der Reihe Mythen der Antike keine geschlossene Handlung in einem Band, sondern fungiert als Geschichtensammlung. Im dritten Band wirken diese jedoch zusammenhängender als in den beiden Vorgängern und dadurch aufeinander aufbauend.

Thor und Hymir beim Fischen
Thor und Hymir beim Fischen

Der Fischzug von Hymir und Thor ist eine klassisch anmutende Abenteuergeschichte, in der die beiden Götter einen mächtigen Bierkessel finden müssen. Wenngleich sie nur einige Elemente aufgreift, die im späteren Verlauf noch von Bedeutung sind, ist sie die wahrscheinlich unterhaltsamste der Geschichten in diesem Band. Sie kombiniert intelligenten Witz mit Action und liest sich deswegen äußerst kurzweilig.

Im Gegensatz dazu läutet die Erzählung Der Tod Balders den Schicksalstag Ragnarök langsam ein. In dieser versuchen die Gottheiten eine Prophezeiung zu verhindern, die den Tod des geliebten Gottes Balder vorhersagt. Allerdings hat der schelmische Loki andere Pläne, welche wie üblich zu einer Menge Chaos führen.

Die Konsequenzen dessen muss der trickreiche Gott in Die letzten Tage Lokis spüren. In dieser bekommt man zu Beginn den Eindruck, dass es sich wieder um ein übliches Katz-und-Maus-Spiel zwischen den anderen Gottheiten und Loki handeln wird. Jedoch überrascht diese Sage mit dem wahrscheinlich grausamsten Ende der gesamten Reihe.

Den Höhepunkt erreicht Nordische Mythen & Legenden schlussendlich in Ragnarök: Das Schicksal der Götter. Das Ende der bekannten Welt wird in der ultimativen Auseinandersetzung eingeleitet, welche episch und mit einer Vielzahl von Beteiligten dargestellt ist. Trotz der düsteren Prämisse endet diese Erzählung überraschend hoffnungsvoll und bildet damit einen gelungenen Gesamtabschluss der Reihe.

Insgesamt fühlt sich dieser Band von der Lesefreude her am konstantesten an, wenn man ihn mit den beiden Vorgängern vergleicht. Keine der Geschichten fällt von der Qualität deutlich ab und besonders, dass die drei letzten Erzählungen aufeinander aufbauen, macht das Leseerlebnis runder.

Abermals muss betont werden, dass davon ausgegangen wird, mit vielen Namen und Sagengestalten vertraut zu sein. Dies war schon in den beiden Vorgängern eine gewisse Herausforderung, wenngleich einige der Figuren und Wesen in kurzen Worten vorgestellt wurden. Diese Hintergrundinformationen sind im Abschlussband noch weniger enthalten, wodurch er auch nicht losgelöst vom Rest der Reihe gelesen werden sollte. Sämtliche Akteur*innen sind außerdem weiterhin geradlinig und oberflächlich gestaltet, was natürlich ihre Rollen als stereotypische Verkörperungen einzelner Aspekte in der Sagenwelt reflektiert.

Zeichenstil

Die Geschichten werden von verschiedenen Zeichner*innen und Kolorist*innen umgesetzt. Zu den bekanntesten von diesen dürfte P. Craig Russell gehören, welcher auch bereits die Graphic Novel-Adaption von American Gods visuell umgesetzt hat und für das gesamte Skript und Layout der Reihe Nordische Mythen & Legenden verantwortlich ist.

Das Resultat ist eine Vielzahl von visuellen Stilen, wenngleich die Variation im Vergleich zu den beiden Vorgängern reduziert ist. Damit wird eine gesunde Balance zwischen Abwechslungsreichtum und konstanter Qualität gewährt. Ausreißer nach oben und unten finden sich keine, wenngleich jede der Handlungen ihre eigenen visuellen Highlights aufweist. Bei Der Fischzug von Hymir und Thor ist dies eine Kampfszene am Ende, während bei Der Tod Balders besonders die düstere Darstellung und Atmosphäre der Unterwelt in Erinnerung bleiben. Die letzten Tage Lokis erzielt die schonungslose Wirkung des Endes mitunter durch die kompromisslose Inszenierung. Zuletzt überzeugt Ragnarök: Das Schicksal der Götter mit seinen epischen Szenen und der Vielzahl an Akteur*innen, welche in der letzten Schlacht zusammenkommen.

Einen interessanten Abschluss bildet abermals eine visuell ansprechende Cover-Galerie, sowie ein Skizzenbuch. In diesem findet sich ein Überblick zu Entwürfen von Figuren und Szenerien, sowie den Rohfassungen einzelner Seiten. Die Kommentare gewähren Einblicke in den kreativen Gestaltungsprozess und sind damit ein wertvoller Überblick zum Entstehungsprozess dieser Geschichtensammlung.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Splitter
  • Autor*in(nen): Neil Gaiman
  • Zeichner*in(nen): mehrere, u.a. P. Craig Russell, David Rubín
  • Erscheinungsjahr: 2023
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Hardcover
  • Seitenanzahl: 152
  • Preis: 28,00 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Fazit

Der Abschlussband von Nordische Mythen & Legenden bringt die Sammlung der sagenhaften Geschichten zu einem gelungenen Ende. Die vier enthaltenen Erzählungen sind allesamt kurzweilig, wobei die drei letzten aufeinander aufbauend in der finalen Schlacht Ragnarök enden. Interessanterweise ist tatsächlich die erste Geschichte Der Fischzug von Hymir und Thor die unterhaltsamste, da sie gelungen Witz und Action verbindet. Im Zusammenspiel mit den beiden vorherigen Bänden ist diese Trilogie eine angemessene Adaption von Neil Gaimans Buch und eine umfassende Reise durch den Kosmos der Legenden.

Lesende sollten sich bewusst sein, dass das Buch davon ausgeht, dass man mit vielen Namen und mythologischen Figuren vertraut ist, sowie die ersten Bände gelesen hat. Viele Charaktere sind sehr geradlinig und oberflächlich dargestellt, was ihre Rolle als stereotypische Verkörperungen bestimmter Aspekte der mythischen Welt widerspiegelt. Gerade im Kapitel Ragnarök: Das Schicksal der Götter taucht zudem eine Menge an Figuren auf, welche detaillierter in anderen Geschichten vorgestellt wurden.

Die Graphic Novel bietet aufgrund der unterschiedlichen Künstler*innen eine Vielzahl von visuellen Stilen, wenngleich die Qualität konstanter ist als bei den Vorgängern. Jede der Geschichten hat eigene visuelle Highlights, wenngleich die eindrucksvollste Seite dieses Bandes bei Der Fischzug von Hymir und Thor zu finden ist. Auch der finale Band endet mit einer attraktiven Cover-Galerie und einem Skizzenbuch mit Entwürfen von Figuren und Szenen.

Abschließend kann man Nordische Mythen & Sagen als gelungene Inszenierung bekannter und unbekannter Sagen beurteilen. Möglicherweise sind die drei Bände nicht die beste Wahl für jemanden, der zuvor noch nie mit der nordischen Sagenwelt in Berührung gekommen ist. Allerdings bieten sie am Ende ein stimmungsvolles Leseerlebnis, in welchem man diese wunderbare Mythenwelt in einer ansprechenden Visualisierung genießen kann.

 

  • Gelungener Abschluss der Erzählung nordischer Sagen
  • Konstante Qualität der erzählten Geschichten
  • Vielzahl an Zeichenstilen und üppiges Bonusmaterial

 

  • Vielfach oberflächliche Figuren
  • Ohne Kenntnis der beiden Vorgänger stellenweise schwer nachzuvollziehen

 

Artikelbilder: © Splitter
Layout und Satz: Mika Eisenstern
Lektorat: Maximilian Düngen

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