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Das selbsterdachte und -verfasste Abenteuer steht im Tischrollenspiel seit jeher hoch im Kurs. Wenn dieses eigene Abenteuer soziale Interaktionen in den Mittelpunkt stellt, ergeben sich Ansprüche und Herausforderungen für alle Beteiligten. Wir haben einige nützliche Tipps gesammelt, mit denen eure Geschichte mehr sein kann als bloßes Gerede.

Ein gutes Abenteuer zu leiten ist immer eine Herausforderung, insbesondere, wenn man alles von Grund auf selbst erstellt. Die Krönung des Spielleitens ist und bleibt das einzigartige, selbstverfasste Abenteuer, das eine beachtliche Leistung darstellt. Kaum etwas macht die Person hinter dem Sichtschirm glücklicher, als zu erleben, wie die Spielgruppe in der erdachten Handlung aufgeht und dem Ziel des Abenteuers begeistert nachjagt.

Die Teilzeithelden haben sich in der Vergangenheit bereits ausführlich mit dem Erstellen von Abenteuerszenarien befasst. Dieser Text soll an diese früheren Artikel anknüpfen und nützliche Tipps bieten, mit denen eigene Geschichten bereichert werden können. Dabei liegt besonderes Augenmerk auf Abenteuern, in denen soziale Szenarien und der Umgang der Spielercharaktere mit gesellschaftlichen Strukturen den Kern der Handlung bilden.

Solche Abenteuer bestehen häufig auf den ersten Blick aus wenig mehr als einer Aneinanderreihung von langwierigen Gesprächen zwischen Spieler- und Nichtspielercharakteren. Aber der Schein trügt, denn ebenso wie bei Dungeon-, Detektiv- und Sandboxabenteuern kann in Sozialabenteuern jede Menge Freiraum abseits altbekannter Klischees geboten werden. Erfahrt im Folgenden, wie ein solches Szenario zu einem gelungenen Erlebnis für alle Beteiligten werden kann.

Der Plot sozialer Abenteuer und der Platz der Spielercharaktere darin

Es versteht sich von selbst, dass kein Abenteuer ohne Plot auskommt. Wie detailliert die Handlung im Vorfeld geplant wird, ist dabei persönlichem Geschmack und Stil der jeweiligen Spielgruppe überlassen. Eine ausführliche Vorbereitung auf alle Eventualitäten ist ebenso möglich wie eine offene Herangehensweise, die auf Improvisation am Spieltisch setzt.

Dieser Grundsatz gilt selbstverständlich auch für Abenteuer mit sozialem Fokus. Der Erfahrung nach funktionieren diese am besten, wenn eine ordentliche Vorbereitung in Bezug auf bestimmte Elemente, wie Nichtspielercharaktere und Handlungsort, stattgefunden hat. Auf den Umgang mit diesen Elementen geht der Text weiter unten ein.

Beim eigentlichen Plot bietet es sich an, nur ein Grundgerüst vorzubereiten und den Ausgang der Geschichte bewusst offen zu halten. Bei einer sozial geprägten Geschichte geht es seltener um Leben und Tod und auch nicht um klar zu unterscheidende Gegensätze von Gut und Böse. Vielmehr werden in gelungenen Szenarien dieser Art Grauzonen bespielt, die den Charakteren Entscheidungen abverlangen.

Spielleiter*innen können ein solches Abenteuer also deutlich spannender gestalten, indem sie keinen einzelnen Lösungsweg anbieten, der alle Probleme beseitigt. Den Spielercharakteren sollten mehrere Wege offenstehen das Abenteuer abzuschließen, die allerdings immer sowohl Vorteile als auch Nachteile bieten. Der Umgang der Spieler*innen mit diesen Möglichkeiten bietet Potenzial für spannendes Rollenspiel, insbesondere, wenn innerhalb der Gruppe keine Einigkeit über den besten Lösungsansatz besteht.

Voraussetzung für einen gelungenen Plot ist außerdem, dass die Charaktere in der Lage sind, entsprechende Entscheidungen zur Lösung zu treffen. Wie in allen guten Abenteuern sollten es die Spielercharaktere sein, die den Plot vorantreiben und am Ende die Entscheidung herbeiführen. Schließlich ist nichts deprimierender, als einem Nichtspielercharakter bei der Lösung aller Probleme zuzusehen.

Um einer solchen Problematik vorzugreifen, ist es wichtig, im Vorfeld über das soziale Gefüge nachzudenken, in dem das Abenteuer stattfinden soll, und darüber, welchen Platz die Charaktere innerhalb dieses Gefüges einnehmen. Sind sie ein Teil der gesellschaftlichen Ordnung und eventuell sogar höhergestellten Personen Rechenschaft schuldig? Oder stehen sie außerhalb der Hierarchie und sind dadurch unabhängig, aber auch weniger einflussreich?

Wie auch immer die Antwort auf diese Frage aussieht, sie sollte den Spieler*innen auf keinen Fall den Spaß am Abenteuer rauben. Es kann ohne Frage zum Unterhaltungswert beitragen, wenn das Tun der Charaktere von Vorschriften und Gepflogenheiten erschwert wird. Wenn aber der Eindruck entsteht, ständig mit gebundenen Händen dazustehen oder nicht bedeutend genug zu sein, um etwas zu bewirken, entsteht schnell berechtigter Frust.

Nichtspielercharaktere: Das A und O sozialer Abenteuer

Auch wenn wir festhalten, dass die Lösung des Plots immer bei den Spielercharakteren liegen sollte, versteht es sich von selbst, dass sozial geprägte Szenarios nicht ohne ein Ensemble an Nichtspielercharakteren funktionieren können. Spielleiter*innen tun gut daran, im Vorfeld alle NSCs, die für den Verlauf des Abenteuers von Bedeutung sind, auszuarbeiten. Auch wenn es sich im laufenden Spiel anbieten sollte, Teile dieser Vorbereitung umzuwerfen, ist es unumgänglich, im Vorfeld alle relevanten Figuren zumindest zu umreißen.

Dabei ist zu beachten, dass jede für den Plot relevante Person eine Motivation und/oder ein Ziel haben sollte. Diese Weisheit gilt eigentlich für alle Arten von Abenteuern, ist bei sozial geprägten Geschichten aber besonders wichtig, da vermutlich überdurchschnittlich viele NSCs auftauchen werden. In solchen Fällen ist es hilfreich, genau zu wissen, was ein spezieller NSC will und wie er sich verhalten wird.

Zusätzlich kann es praktisch sein, Stärken und Schwächen eines NSCs im sozialen Umgang festzulegen. Reagiert die Person zum Beispiel negativ auf Einschüchterungsversuche, oder ist sie empfänglich für Schmeicheleien? Viele Spieler*innen haben großen Spaß daran herauszufinden, mit welchem Ansatz NSCs am erfolgreichsten bearbeitet werden können.

Nachdem die wichtigen Figuren erstellt worden sind, sollten sie, wie zuvor schon die Spielercharaktere, ins soziale Gefüge einsortiert werden. Dafür bietet es sich an, zumindest ein grobes Beziehungsnetzwerk zu erstellen, in dem alle NSCs und eventuell auch die Spielercharaktere enthalten sind. Ein solches Netzwerk zeigt auf einen Blick, wer wo in der Hackordnung steht, welche Allianzen und Feindschaften bestehen und vielleicht sogar, was die Akteure des Abenteuers voneinander halten.

Ein Beziehungsnetzwerk fasst alle Verbindungen zwischen den wichtigen Figuren des Abenteuers zusammen.
Ein Beziehungsnetzwerk fasst alle Verbindungen zwischen den wichtigen Figuren des Abenteuers zusammen.

Wenn nun alle wichtigen NSCs erstellt und im Abenteuer verortet worden sind und das Spiel beginnt, bleibt nur noch eines zu tun: Den Spieler*innen bei der Begegnung mit den jeweiligen NSCs eindeutig zu verstehen geben, dass diese Person für das Abenteuer relevant ist. Ob dies in Form eines einfachen Hinweises, einer vorbereiteten Karteikarte, eines Markers oder einer Miniatur geschieht ist egal, solange allen Beteiligten klar ist, dass es sich lohnt, mit diesem NSC zu interagieren.

Viele Rollenspieler*innen werden diese Methode hinterfragen, immerhin enthüllt sie einen Teil jener metaphorischen Maschinerie, die das Abenteuer am Laufen hält und zerstört die Illusion der kompletten Handlungs- und Wahlfreiheit der Charaktere. Aber, wenn wir ehrlich sind, wissen wir alle, wie gerne wir uns als Spieler*innen im Laufe einer Spielrunde verrennen und uns mit großem Eifer auf völlig unwichtige Randdetails fokussieren. In einer solchen Situation hilft ein kleiner Fingerzeig der Spielleitung merklich weiter.

Da sozial geprägte Abenteuer viele Akteure mit eigenen Zielen aufweisen, ist die Chance, einer falschen Fährte aufzusitzen, besonders groß. Eine klare Ansage von der anderen Seite des Sichtschirms hilft, dieses Risiko zu vermindern. Wenn die wichtigen Figuren zusätzlich visualisiert werden, entsteht außerdem der angenehme Nebeneffekt, dass diese Figuren seltener vergessen werden, sondern für die Spieler*innen durchgehend präsent sind.

Interaktionen finden nicht im luftleeren Raum statt

Viele Spiele bieten passendes Material, um wichtige NSCs zu visualisieren.
Viele Spiele bieten passendes Material, um wichtige NSCs zu visualisieren.

Die Interaktion mit Nichtspielercharakteren steht ohne Frage im Mittelpunkt eines Sozialabenteuers. Aufgabe der Spielleitung ist aber auch, diese Interaktionen in ein spannendes Umfeld einzubetten. Es gilt, den Ort der Handlung festzulegen und die Umstände zu bestimmen, unter denen Spieler- und Nichtspielercharaktere aufeinandertreffen.

Dabei bietet es sich an, bei der Wahl der Szenerie die eigene Fantasie zu fordern, um nicht zu klischeehaft vorzugehen. Hofhaltungen, Ratsversammlungen und vornehme Bälle sind Ideen, die sich schnell anbieten, wenn ein Abenteuer sich um soziale Interaktion drehen soll. Überhaupt scheint Kontakt mit der feinen Gesellschaft immer eine gute Grundlage für soziales Spiel darzustellen.

Auch wenn es nicht falsch ist, einem solchen Impuls nachzugehen, lohnt es sich, darüber nachzudenken, welche Abenteueransätze in anderen Gesellschaftsschichten und -formationen möglich sind. Die Charaktere könnten beispielsweise mit einer gutbürgerlichen Nachbarschaft konfrontiert werden, deren spießige Borniertheit zu einer Hexenjagd gegen eine einzelne Person führt. Oder sie geraten in den Konflikt zwischen einem abgelegenen Dorf und einem Barbarenstamm und finden sich plötzlich in der ungewollten Rolle der Vermittler in Friedensgesprächen wieder.

Wenn ein schönes Szenario gefunden ist, sollten noch die einzelnen Handlungsschauplätze erstellt werden. Gerade wenn das Abenteuer zu größten Teilen an einem überschaubaren Ort stattfindet, kann man die einzelnen Schauplätze mit Hilfe von Karteikarten oder Bodenplänen visualisieren und die wichtigen NSCs an diesen Orten platzieren. Dadurch wird für die Spieler*innen die Szenerie greifbarer, und es fällt leichter, den eigenen Charakter in der Spielwelt in Aktion treten zu lassen.

Die Bedeutung von Regeln in Szenarien mit sozialem Fokus

Eine visuelle Darstellung der Handlungsschauplätze erleichtert die Orientierung.
Eine visuelle Darstellung der Handlungsschauplätze erleichtert die Orientierung.

Nachdem die Szenerie festgelegt ist und alle NSCs auf ihren Einsatz warten, könnte es eigentlich losgehen. Es bietet sich aber an, noch einmal ans Reißbrett der Abenteuerplanung zurückzukehren und darüber nachzudenken, welche Rolle die Regeln in einem sozialen Szenario spielen sollen. Immerhin bilden Interaktionen den Kern der Geschichte, und in solchen Fällen ist der Einsatz von festen Regeln häufig umstritten.

Es gilt also eine Entscheidung darüber zu treffen, bei welchen Gelegenheiten die Würfel zur Hand genommen werden und wann eine reine Darstellung im Dialog ausreicht. Zu dieser Frage der Gewichtung von Spielregeln gibt es viele Antworten, die alle berechtigt sind. Bei einem sozialen Abenteuer wird es also umso wichtiger, die eigene Antwort zu finden.

Da Gespräche und vergleichbare Interaktionen mit Personen einen so wichtigen Platz in der Handlung einnehmen, ist hier besonderes Fingerspitzengefühl gefragt. Wenn alle entscheidenden Entwicklungen des Abenteuers ohne Einsatz der Würfel im reinen Gespräch abgehandelt werden, ergibt sich schnell das Gefühl von Beliebigkeit, oder, schlimmer noch: Willkür. Andersherum wird wenig Stimmung aufkommen, wenn alle Dialoge durch kurze Zielansagen und anschließende Fertigkeitsproben ersetzt werden.

Wie der Umgang mit dieser Problematik am besten funktioniert, muss jede Spielrunde individuell entscheiden, aber trotzdem soll hier eine Empfehlung ausgesprochen werden. An wichtigen Punkten von Interaktionen sollten Würfelwürfe erfolgen, die darüber entscheiden, ob die jeweilige Interaktion von Erfolg gekrönt ist. Nachdem dieser Punkt geklärt ist, kann die Szene mit dem Wissen über ihren Ausgang ausgespielt werden.

Neben den sozialen Fertigkeiten sollten Spielleiter*innen natürlich auch die sonstigen Fertigkeiten der Spielercharaktere nicht ignorieren. Der Umgang mit den Nichtspielercharakteren mag den Kern des Abenteuers bilden, aber darüber hinaus können Wildnisfähigkeiten, Recherche, Ermittlungen, Heimlichkeit und Action ebenso zum Einsatz kommen. Auf diese Weise bekommen auch die Charaktere, die im sozialen Geplänkel nicht besonders brillieren, die Gelegenheit, zum Erfolg der Gruppe beizutragen.

Ob und wann gewürfelt wird, kann großen Einfluss auf den Erfolg eines Abenteuers haben.
Ob und wann gewürfelt wird, kann großen Einfluss auf den Erfolg eines Abenteuers haben.

Was bleibt…

Kein Text kann für sich in Anspruch nehmen, die perfekte Anleitung zum Abenteuerbau zu liefern. Abenteuer erstellen und leiten ist in erster Linie eine Frage der Erfahrung. Alle Tipps und Hinweise können bestenfalls ein Denkanstoß sein und ersetzen keinesfalls den eigenen Einsatz.

Es bleibt dennoch zu hoffen, dass unsere Hinweise das eine oder andere Abenteuer positiv beeinflussen, und sei es nur, weil ihr entschieden widersprecht und so über den eigenen Spielstil nachdenkt. Idealerweise findet ihr euch aber in einigen oder sogar allen unserer Tipps wieder.

Erstellt also ein Ensemble an wichtigen Personen, vernetzt und verteilt sie in einer interessanten Szenerie. Danach steht einem spannenden Abenteuer mit sozialem Fokus nichts mehr im Wege.

Fotografien: Felix Hensell

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