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Nach langer Ausbeutung ist die Erde Geschichte und unbewohnbar – lang lebe der Weltraum! Das Thema ist nicht neu, dennoch wird es im Science-Fiction-Brettspiel 2491 Planetship mit einer Verknüpfung verschiedener Spielmechanismen erneut aufgegriffen. Erwartet uns alter Wein in neuen Treibstofftanks oder geht es auf zu neuen Weiten der Brettspielwelt?

Das Raumschiff, unendliche Weiten. In 2491 Planetship haben wir es mit Raumschiffen von der Größe eines ganzen Planeten zu tun. Ihr Zweck war und ist es, das Überleben einiger Spezies zu sichern, deren Planeten mittlerweile unbewohnbar geworden sind, dazu gehört auch die Erde. Eine ähnliche Geschichte also wie etwa auch die Brettspiele Black Angel oder Gen7 von Asmodee als Ausgangssetting haben. Das Mutterschiff dieser sogenannten Weltenschiffe verunglückt im Weltraum. Des einen Leid, des anderen Freud, denn das ist für die Weltenschiffe der Spieler*innen die Gelegenheit, aus dem Wrack wertvolle DNA zu gewinnen, die wichtigste Ressource für die Riesenraumgleiter.

Die Packung von 2491 Planetship.

Viel Zeit bleibt uns nicht: Gespielt werden vier Tage in vier Runden, um das zerstörte Mutterschiff Alpha auszuräumen, bevor es komplett explodiert. Und natürlich haben die Schiffe der anderen Spieler*innen genau das gleiche Ziel wie wir. Wir spielen also gegeneinander und alle möchten am meisten von der wertvollen Ressource sammeln. Dabei müssen wir unsere Besatzung und Ausrüstung geschickt einsetzen. Wir benutzen Erkundungssonden und suchen nach Überlebenden mit der besagten DNA. Vom Verlag wird hierbei die taktische und bedachte Vorgehensweise betont, wie viel Taktik oder Glück steckt aber wirklich im Spielprinzip? Wir haben den gefährlichen Weg auf das Wrack der Alpha für euch gewagt.

Ein kleines Detail am Rande: Die Zahl 2491 ist die umgedrehte Version der Jahresanzahl im Vorgängertitel des Spiels namens Stadt der Spione: Estoril 1942, das bereits die Spielmechanismen von 2491 Planetship hatte, jedoch kein Science-Fiction-Setting.

Spielablauf

Alles zerstört, aber die DNA ist noch da. Wie eine Horde Weltraumpirat*innen machen wir uns also über das zerstörte Schiff her, um so viel wie möglich davon zu sammeln. Jene DNA dient schlussendlich auch als Siegpunkte. Damit es nicht so schnell langweilig wird, ändern sich zudem die zufällig gezogenen Missionskarten für zusätzliche Siegpunkte in jeder Runde, sie gelten für alle Spielenden und sind jederzeit einsehbar. Diese Karten zeigen verschiedene Symbole. Wer die meisten Charakterkarten mit dem entsprechenden Symbol auf der Hand hat, erhält die angegebenen Siegpunkte. Somit ändert sich die Art der „begehrten“ Charakterkarten in jeder Partie, da alle um die gleichen Missionsbedingungen konkurrieren.

Ein Blick auf die schön illustrierten, modularen Spielbretter.

Das Wrack bildet das Spielfeld des zu plündernden Schiffes Alpha bildet das Spielbrett, es wird aus mehreren Einzelfeldern, sogenannten Sektoren gebildet. Die Größe hängt von der Spielendenzahl ab, maximal gibt es neun verschiedene Sektoren. Jeder Sektor ist ein wenig anders aufgebaut, funktioniert aber grundsätzlich immer mit einem Raster aus einem Belohnungsfeld und Feldern, auf denen Charaktere platziert werden können.

Alle Spieler*innen starten mit dem gleichen sechsteiligen Ausgangsset an Charakteren, erst im Laufe des Spiels verändert man sein „Deck“ durch die von der Alpha erretteten Charaktere.

Beispielhafter Spielaufbau mit drei Personen.

Die Runde funktioniert immer folgendermaßen:

Zu Beginn kommen neue Charakterkarten auf die Belohnungsfelder jedes Sektors. Dann sind die Spieler*innen im Uhrzeigersinn an der Reihe und müssen eine Charakterkarte auf ein freies Feld spielen, zusammen mit einem Raumschiffmarker in der eigenen Farbe (zu Beginn kann man das leicht mal vergessen). Je nach Feld müssen sie manchmal verdeckt platziert werden, dargestellt durch ein durchgestrichenes Augensymbol. Überdeckt man dabei außerdem ein Feld mit einer Raumsonde, darf man eine zur Erkundung auf ein Feld setzen, um sich dort eine verdeckte Karte anschauen zu können.

Das Platzieren der Charaktere wird so lange wiederholt, bis alle Raumschiffe gesetzt sind. Als letzte Phase kommt die Auswertung der Runde. Nacheinander werden in jedem Sektor die Karten umgedreht, die Belohnung erhält der Charakter mit der größten Gesamtstärke – ein Prinzip wie bei Area-Control-Spielen. Es dürfen hierbei aber nun noch Sonderfähigkeiten der Charaktere benutzt werden, so kann die Stärke noch weiter erhöht oder auch die Charakterkarten von anderen Spielenden versetzt oder auf die Hand zurückgegeben werden. Die Reihenfolge des Einsatzes, beziehungsweise der Wertung, ist jeweils vorgegeben.

Beispiel für das Legen der Charakterkarten in einem Spielzug.

Grundsätzlich ist der Ablauf nicht schwierig, es sei aber gesagt, dass es so einige Sonderregeln bei den Sektoren gibt. Auf manch einen dürfen etwa keine Raumsonden gelegt werden oder die Charaktere sind immun gegen bestimmte Fähigkeiten. Positiv: Das sorgt für Abwechslung beim Spielen. Negativ: Beim Planen ist es besonders zu Anfang nicht leicht, alles auf einmal zu beachten. Dadurch, dass manche Karten verdeckt gespielt werden, weiß man außerdem meistens nicht genau, wer die Belohnung einsacken wird.

Nach der Wertung werden alle Charakterkarten, Raumschiffe und Raumsonden wieder auf die Hand genommen. Mehr als sechs Karten darf man nicht auf der Hand (oder im beiliegenden Kartenhalter) haben, daher müssen nun nach eigenem Ermessen entsprechend Karten abgeworfen werden. Die Startkarte mit dem Rundenmarker wandert eine Person weiter und die nächste Runde verläuft ebenso wie die erste Runde. Nach vier Runden folgt die Endauswertung, indem Siegpunkte zusammengezählt werden.

Der beiliegende Kartenhalter.

Es gibt Siegpunkte für verschiedene Faktoren:

  1. Abgeworfene Charakterkarten
  2. Siegpunkte auf den Charakterkarten auf der Hand
  3. Erfüllte Missionskarten

Vier Runden klingt nicht nach viel Spielzeit, 90 Minuten oder auch zwei Stunden können es aber schon mal werden. Gefühlt den größten Zeitanteil fressen hierbei die rauchenden Köpfe, wenn man den Zug planen möchte.

Wie ist das Spielerlebnis?

Der Verlag empfiehlt: „Geht strategisch vor und entscheidet, wann, wo und wie ihr euer Team aus verschiedenen Charakteren am besten einsetzt.“ – Ich würde es eher zusammenfassen mit: Strategie ist gut, Glück ist besser. Man muss auf jeden Fall planen und das macht auch Spaß, es erinnerte mich aber fast schon an die Mechanik von Wettspielen wie Unicorn Fever von HeidelBÄR Games. Egal wie viel geplant und strategisch gedacht wird, am Ende überwiegen doch die unvorhersehbaren Komponenten und somit das Glück. Die geretteten Schiffbrüchigen etwa können in den Folgerunden zusammen mit der schon vorhandenen Besatzung eingesetzt werden. Ein im Prinzip schönes Deckbuilding-Element, jedoch ist es wirklich schwierig vorherzusehen, welchen Charakter man bekommen wird und entsprechend irgendeine Art von Taktik damit zu kalkulieren. Was nicht schlecht, sondern herausfordernd ist, aber man muss sich daran gewöhnen. Gerade in den ersten Partien brauchte es bei mir eine Weile, bis ich das verinnerlicht hatte und bei meinen Mitspielenden ebenso.

Beispiele der Charakterkarten.

Der Wiederspielwert wiederum ist durch die Unvorhersehbarkeit der Ereignisse und die sich in jeder Partie ändernden Siegbedingungen definitiv gegeben. Jede gespielte Testrunde verlief ganz anders als die vorige. Und immer wieder gingen Erwartungshaltung und Endergebnis auseinander, ein Vorhaben wie: „Diese Runde mache ich es so und dann bekomme ich mehr Punkte!“, funktioniert in 2491 Planetship nicht ganz so einfach.

Je nach Zahl der Mitspieler*innen wird das Spielfeld mithilfe der Modulbretter entsprechend größer oder kleiner. Ich persönliche finde die Spielgröße und damit den Umfang der Möglichkeiten bei fünf Spielern etwas „overkill“, mit nur zwei Personen ist wiederum das Spielen etwas eintönig. Meine Empfehlung liegt bei drei bis vier Spielenden, drei eignet sich hierbei für den Einstieg besser, weil das Spielfeld kleiner wird.

Ausstattung

Da so ein Weltenschiff mit Zubehör recht groß ist, liegt 2491 Planetship auch einiges an Material bei: 38 verschiedene Charakterkarten und 30 weitere zum Start, eine ganze Palette an Raumschiffen und Raumsonden, weitere Plättchen für Schilde und Sektoren, Missionskarten, Kartenhalter, sowie natürlich Spielanleitung und Regelhilfen. An der Qualität des Spielmaterials gibt es nichts zu bemängeln, die Teile bestehen aus ziemlich dicker und stabiler Pappe und sind fehlerfrei ausgestanzt. Auch die Kartenhalter zum Aufbewahren der Handkarten sind eine nette Idee und die Öffnungen sind breit genug, dass die Kartenoberflächen nicht beschädigt werden, aber auch eng genug, dass so gut wie nichts umfällt.

Die Illustrationen von Manuel Morgado sind in einem futuristischen Comicstil gehalten und geben dem Weltraumspiel einen Look, der zum Spiel passt. Die Gesamtgestaltung, gerade bei der Farbwahl, fällt jedoch etwas unübersichtlich aus (hier werde ich im Fazit noch weiter drauf eingehen).

Das Spielmaterial selbst ist sprachneutral, die Anleitung liegt in vier Sprachen bei.

Anleitungen liegen dem Spiel in vier Sprachen, Deutsch, Englisch, Spanisch und Portugiesisch, bei. Das Spielmaterial selbst ist im Übrigen sprachneutral, einerseits eine feine Sache, andererseits braucht es aber dafür eine Weile, bis man die nicht unbedingt intuitiv verständlichen Symbole auf den Karten verinnerlicht hat. Hierfür gibt es aber zumindest Unterstützung: Die beiliegenden Spielhilfen, die in Kurzform die Regeln zusammenfassen und die Symbole mit den Sonderfähigkeiten und die einzelnen Sektoren erläutern. Sie liegen wie die Spielanleitungen in mehreren Sprachen bei und sind von ebenso guter Haptik (etwas dickeres Papier) wie der Rest des Materials.

Blick in die deutsche Spielanleitung.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Mebo/HeidelBÄR Games
  • Autor*in(nen): Antonio Sousa Lara
  • Erscheinungsjahr: 2020
  • Sprache: Deutsch, Englisch, Spanisch, Portugiesisch
  • Spieldauer: 60-90 Minuten
  • Spieler*innen-Anzahl: 2 3 4 5
  • Alter: Ab 12 Jahren
  • Preis: Ab 45 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, idealo, Amazon

 

Bonus/Downloadcontent

Wer mit bis zu drei Spieler*innen digital in das Spiel reinschauen möchte, kann das auf der Plattform Tabletopia tun.

Fazit

Ich habe ein wenig hin und her überlegt, wie ich das Fazit zu diesem Spiel verfasse. Tatsache ist, dass 2491 Planetship interessant ist und Stärken gegenüber vergleichbaren Spielen hat, aber meiner Meinung nach kann es sie nicht unbedingt als Stärken einsetzen. Das gilt für die Spielmechanik, die zwar spannende und innovative Elemente hat, jedoch beim Spielen wenig fühlbaren Bonus auf strategisches Planen bringt. Und ebenso gilt dies für das Artwork, das mich sehr anspricht und sehr professionell gemacht ist, aber in der kunterbunten Optik den Rahmen für gute Übersichtlichkeit vermissen lässt.

Gerade letzteres blockiert ein wenig den schnellen Spieleinstieg. Die Regeln sind nicht schwierig, aber die Umsetzung komplex, es gibt jede Menge zu beachten. Mitunter braucht man doch lange für seine Züge, die Gedanken sind ständig mit dem Abwägen der Möglichkeiten beschäftigt unter Berücksichtigung der zahlreichen Regeln und Sonderregeln. „Wenn ich das mache, würden aber die anderen das machen können und wenn ich den Charakter dorthin lege, wäre das da aber auch unvorteilhaft und, ach! Den Charakter kann ich ja gar nicht in diese Zone legen …“, das kann schon anstrengend werden und zieht das Spiel durchaus in die Länge. Mit den verschiedenen Charakteren und deren Stärken spielt es sich fast ein bisschen wie eine Art Weltraumschach. Ein paar weniger Zonen und Möglichkeiten hätten das Spiel eventuell besser austariert. Anders als bei Schach gibt es aber letztendlich doch zu viele Faktoren, die nicht ohne Weiteres mitberücksichtigt werden können. Immer wieder schlich sich bei mir am Ende des Spiels das Gefühl ein, dass von der vielen Strategie und Taktik doch gar nicht so viel übrig blieb. Andererseits kann man das Prinzip mit einem guten Mix aus Glück und Taktik aber auch positiv bewerten, wenn man sich damit abfindet, dass eine gute Planung noch lange nicht den Sieg bringt.

Das erwähnte Vorgängerspiel mit den gleichen Spielprinzipien habe ich zwar selbst nicht gespielt, aber dennoch könnte man vielleicht sagen, dass zu einem Spionagespiel das verdeckte Legen von Charakteren thematisch ein wenig besser passt als zum Weltraumsetting in 2491 Planetship, auch wenn man gegeneinander spielt. Ein paar mehr Faktoren hätte man im Nachfolger somit vielleicht doch noch verändern können, statt „nur“ das Thema.

Ich bewerte es dennoch als ein gutes Spiel, das vieles richtig macht und den Kaufpreis wert ist. Vielleicht ist es keine Liebe auf den ersten Blick und gerade Brettspiel-Einsteiger*innen werden etwas Anlauf brauchen, um warm zu werden. Nach ein paar Partien aber erhöht sich der Spielspaß, sofern man sich auf das Prinzip einlassen kann.

Sci-Fi-Freund*innen und/oder Kennerspieler*innen: Greift ruhig zu! Neulinge sollten beachten, dass einige Runden mehr zum Kennenlernen benötigt werden.

  • Schöne, comicartige Illustrationen
  • Gelungene Verbindung aus verschiedenen Spielmechanismen
  • Hochwertiges Spielmaterial
 

  • Etwas unübersichtlich gestaltet
  • Keine Innovation gegenüber dem Vorgängertitel

 

Artikelbilder: © Mebo/HeidelBÄR Games
Layout und Satz: Melanie Maria Mazur
Lektorat: Maximilian Düngen
Fotografien: Thekla Barck
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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