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Mit X-Men: Aufstand der Mutanten bringen Asmodee und Fantasy Flight Games die Zeichentrickserie der Neunzigerjahre auf die Spieltische. Die Neuinterpretation des hauseigenen Spiels Das Ältere Zeichen stammt wieder aus der Feder von Richard Launius. Doch kann die Würfelorgie erneut überzeugen oder hätte man bei Lovecraft statt Marvel bleiben sollen?

Lange bevor es die fantastischen Schule Hogwarts oder die Umbrella Academy in der Popkultur gab, gab es schon Xavier´s School for Gifted Youngsters. In dieser suchte der namensgebende Professor Charles Xavier nach Rekruten für seine X-Men. In die Rolle einiger dieser X-Men können die Spielenden von X-Men: Aufstand der Mutanten nun schlüpfen. In diesem kooperativen Würfelspiel gilt es, den bösen Plänen von Fieslingen wie Magneto oder Dark Phoenix einen Strich durch die Rechnung zu machen. Dies geschieht im ähnlichen Spielprinzip wie Das Ältere Zeichen aus der Arkham Horror-Reihe. Mit ein paar neuen Elementen und frischem Artwork wurden nun anstatt paranormalen Ermittlern die Marvel-Mutanten ins Rennen geschickt, um die Welt zu retten. Kann der Würfelspaß überzeugen?

Spielablauf

Um bei X-Men: Aufstand der Mutanten siegreich zu sein, gilt es, das Ende der aktuellen Geschichte (im Spiel Plot genannt) zu erreichen und anschließend im Showdown zu obsiegen. Sollten zu irgendeinem Zeitpunkt im Spiel der Bedrohungsmarker das Ende der Leiste erreichen, keine roten Bedrohungskarten oder nicht ausgeknockte X-Men mehr nachziehbar sein, ist das Spiel verloren. Ebenso wenn alle Avatare während des Showdowns ausgeknockt werden.

Zu Beginn des Spiels wählen alle Teilnehmenden ein Mitglied der X-Men für sich aus (im Solospiel wählt man zwei Team-Mitglieder), nehmen die jeweilige Superkraft- und Helfer*innenkarte und stellen die passende Spielfigur auf den Blackbird. Anschließend werden die nicht Plot spezifischen Kartenstapel vorbereitet und die Schwierigkeitsstufe gewählt. Je nach gewählter Stufe startet das Spiel mit einer gewissen Bedrohungsstufe. Nun werden Marker und Würfel parat gelegt und der zu spielende Plot ausgewählt. Der Aufbau der gewählten Plotkarte wird ausgeführt und schon kann es losgehen.

Ein Spielaufbau für eine Solo- oder Zwei-Personen-Runde.

Das Spiel verläuft über mehrere Runden mit je vier Phasen: Aufbruch, Mission, Bedrohung und Umgruppierung.

In der Aufbruchphase brechen die X-Men zu den ausliegenden Orten, beziehungsweise den bereitliegenden Missionen auf. Der Aufsteller des eigenen Avatars wird dazu einfach auf der entsprechenden Karte platziert (niemals mehr als drei Avatare je Mission). Es gibt hierzu keine feste Reihenfolge und die Spielenden sollten sich absprechen.

In der folgenden Missionsphase werden zunächst die Effekte auf den Schulkarten angewendet (sofern mindestens ein X-Men sich dort postiert hat). Sollte ein X-Men zu einer noch verdeckten Missionskarte aufgebrochen sein wird diese nun umgedreht. Generell ist diese Phase das Herzstück des Spiels, denn hier wird um den Fortschritt im Plot gekämpft. Hierzu wird zunächst das aktive Mitglied bestimmt. Dieses Mitglied der X-Men bestreitet die Mission, auf der sich die jeweilige Spielfigur befindet. Der aktive X-Men darf entscheiden, ob Hilfe angenommen wird oder nicht. Falls Hilfe angefordert wird, nimmt man sich die Helfer*innenkarte des assistierenden Mitglieds, ansonsten verwendet man die eigene. Aus der Kombination dieser Karte mit der Superkraftkarte ergibt sich der verfügbare Würfelpool.

Wolverines Würfelpool durch Phoenix‘ Assistenz.

Als aktive Person wirft man seine verfügbaren Würfel und versucht möglichst viele Symbole auf den Abschnitten der Missionskarte zu treffen. Insgesamt darf bis zu zweimal neu gewürfelt werden, mit einer beliebigen Anzahl an Würfeln (bekannt von Kniffel oder Yahtzee). Neuwürfel durch Superkräfte oder andere Fähigkeiten zählen nicht zu diesem Limit. Hat eine Missionskarte einen besonderen, bösen Effekt, dürfen die Würfel, die den Helm von Magneto als Symbol zeigen, nur neu gewürfelt werden, wenn der Effekt ausgeführt wird. So kann der eigene Avatar beispielsweise Schaden erleiden. Gibt es bei der aktuellen Mission keine solchen Effekte, dürfen die genannten Würfel straffrei neu gewürfelt werden.

Möchte Wolverine die beiden roten Würfel neu werfen, muss er zwei Schaden nehmen.

Hat die aktive Person ihr endgültiges Würfelergebnis vorliegen, können die Würfel auf die einzelnen Ziele der Mission verteilt werden. Ist ein Ziel vollständig erfüllt, wird ein Marker über das Ziel gelegt, um dies anzuzeigen. Ziele können nicht teilweise erfüllt werden. Es dürfen also keine Würfel liegen bleiben.

Sind alle Missionsziele erfüllt, wird der auf der Karte angegebene Erfolg ausgeführt und die Spielfiguren werden wieder auf den Blackbird gestellt. Sind noch Ziele offen ist das nächste Mitglied der X-Men auf dieser Missionskarte an der Reihe. Waren alle X-Men auf der Mission an der Reihe und es sind noch Ziele offen, wird der jeweilige Fehlschlag der Mission ausgeführt. Die Spielfiguren verbleiben auf der Mission.

Die Bedrohungsphase wird eingeleitet, wenn alle einmal am Zug waren. Hierzu werden alle Ausrufezeichen auf der rechten oberen Ecke der ausliegenden Missionskarten gezählt. Der Bedrohungsanzeiger wird auf der Leiste um die Anzahl an Feldern nach rechts verschoben.

Nun werden je nach Anzahl der teilnehmenden X-Men neue Missionen umgedreht.

Zum Abschluss dieser Phase wird noch eine Bedrohungskarte gezogen. Je nach Bedrohungslevel muss man mit der Leiste abgleichen welche Rückseite die zu ziehende Karte hat.

In der letzten Phase wird umgruppiert. X-Men auf Schulkarten werden auf den Blackbird zurückgestellt. Wurde jemandem geholfen, wird die entsprechende Karte zurückgegeben. Erschöpfte Karten werden spielbereit gemacht. Sollte der eigene Avatar ausgeknockt worden sein darf in dieser Phase ein neuer Charakter ausgewählt werden, der in dieser Partie noch nicht zum Einsatz kam.

Um das Spiel zu gewinnen, muss die Gruppe den Showdown erfolgreich bestreiten.

Mit dem linken Wurf ist nur das oberste Ziel erfüllt.

Während des Showdowns ändern sich die Regeln der einzelnen Phasen. In der Aufbruchphase müssen die X-Men sich entscheiden welche der ausliegenden Showdown-Missionen sie bestreiten wollen. In der Missionsphase muss weiterhin gewürfelt werden, um die Ziele zu erfüllen. Allerdings müssen einzelne Ziele in einer bestimmten Häufigkeit (in Abhängigkeit zur Spielendenzahl) erfüllt werden.

In der Bedrohungsphase wird die Bedrohung nicht mehr erhöht und auch keine Karten gezogen. Stattdessen greifen die Angriffe und Bedrohungseffekte auf den Showdown-Karten. In der Umgruppierungsphase bleiben alle X-Men auf den Missionen stehen und dürfen erst in der Aufbruchphase die Mission wechseln. Ausgeknockte X-Men werden nicht mehr ersetzt. Sind alle Missionen erfüllt, wurde das Böse besiegt und die X-Men dürfen sich feiern lassen.

Der Aufbau eines Showdowns.

Ausstattung

Die Spielkomponenten sind (fast) über jeden Zweifel erhaben. Die Karten haben eine gute Dicke und Haptik und lassen sich gut mischen. Vor allem sind sie schön groß und bieten auf den meisten Spieltischen von allen Plätzen gute Sicht. Aufgrund ihrer Größe ist es jedoch nicht nachzuvollziehen warum einige Texte, wie zum Beispiel die Erfolg- und Fehlschlagstexte nicht ein wenig größer abgedruckt sind. Das ist jedoch Jammern auf hohem Niveau. Was schwer ins Gewicht fällt sind die Karten, die unten rechts eine Nummerierung haben. Das sind die Karten die unter anderem durch den Plot ins Spiel kommen. Diese Ziffern sind außerordentlich klein und es fällt schwer sie zu lesen. Das stimmungsvolle, an die Zeichentrick-Serie der Neunzigerjahre angelehnte, Artwork kann ein wenig über diesen Makel hinwegtrösten.

Es hätte etwas größer sein dürfen.

Die Pappe der X-Men Standees, Marker, der Bedrohungsleiste und des Blackbird ist sehr stabil und griffig. Gerade der Blackbird, als zentraler Abstellort für die Standees, ist schön anzusehen, offenbart aber ein großes Problem des Spiels: viel Augenwischerei. Denn in unseren Augen ist der Blackbird Materialverschwendung und hätte durch eine simple Karte oder schlicht Nichts ersetzt werden können. Denn sein einziger Zweck ist es, anzuzeigen, welche X-Men aktuell nicht auf einer Mission oder einer Schulkarte stehen.

Schön anzusehen: der Blackbird.

Die Würfel sind erstaunlich leicht und die Symbole sind eindeutig erkennbar, was für den Spielfluss während der Missionsphase vorteilhaft ist.

Ein Pluspunkt ist die Anleitung. Diese ist sehr klar strukturiert und verständlich geschrieben. Die Beispiele sind hervorragend gewählt, um die realen Spielsituationen abzubilden. Jedoch muss man erwähnen, dass das Spiel nicht sonderlich kompliziert ist und Regelerklärungen dadurch nicht zu einer Doktorarbeit mutieren.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Fantasy Flight Games, Asmodee
  • Autor*innen: Richard Launius, Brandon Perdue
  • Erscheinungsjahr: 2021
  • Sprache: Deutsch
  • Spieldauer: 60 bis 120 Minuten
  • Spieler*innen-Anzahl: 1 2 3 4 5 6
  • Alter: ab 14 Jahren
  • Preis: ca. 40 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Fazit

Wer Würfel mag, sollte lieber etwas anderes spielen. Wer das X-Men-Franchise liebt, kann durchaus einen Blick riskieren. Von der Vorfreude, die das Spiel durch die Aufmachung entfacht hat, ist am Ende nichts geblieben. Es ist leider hochgradig langweilig und eintönig. Zudem ist X-Men: Aufstand der Mutanten viel zu teuer für das was es an Spieltiefe bietet. Das Material ist durchaus sehenswert und hochwertig. Aber noch viel mehr als Das Ältere Zeichen ist dieser Ableger nur ein erweitertes Kniffel/Yahtzee mit Symbolen statt Zahlen. Wer auf Spiele mit hohem Glücksfaktor und viel Gewürfel steht und dabei noch eine gewisse Comicaffinität besitzt, darf gerne mal in das Spiel reinschauen, diejenigen werden hier definitiv abgeholt. Ansonsten kann unser Autor keine Kaufempfehlung für das Spiel aussprechen.

 

  • Tolles Material …
  • Stimmungsvolles Artwork
 

  • … welches von der Simplizität des Spiels ablenkt.
  • Zu teuer für das, was geboten wird
  • Auf Dauer sehr eintönig

Artikelbilder: © Asmodee
Layout und Satz: Annika Lewin
Lektorat: Sabrina Plote
Fotografien: Tim Billen
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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