Geschätzte Lesezeit: 11 Minuten

Du sollst nicht berühren deines Nächsten Würfel. Du sollst nicht anzweifeln das Wort der Spielleitung, denn es ist Gesetz. Du sollst töten den Ork, denn der Ork ist das Übel der Welt. Diese und weitere Traditionen sind heilige Gesetze und ewig verflucht seien die Würfel derjenigen, die diese Traditionen brechen.

Stift, Charakterblatt, Würfel und ein paar Mitspielende. Mehr braucht es nicht für Rollenspiel. Bei einem guten Spielabend braucht es noch nicht mal Stift, Charakterblatt und Würfel – oder doch? Brauchen wir die Würfel und die ganzen Regeln unbedingt?

Kinder spielen ebenfalls Rollenspiele. Sie kämpfen gegen Drachen, erforschen als Astronaut*innen das All oder gehen im Dschungel auf Entdeckungsreise. Das tun sie völlig ohne Stifte, Würfel und Regeln. Das Spiel geht dann meist bis zu dem Punkt, an dem es zu einem Streit kommt, wer etwas darf oder nicht.

Deshalb gibt es in „erwachsenen“ Spielen mehr oder weniger komplexe Regeln. Mit der Zeit sind die Regeln in Rollenspielen komplizierter und wieder einfacher geworden, aber einige Grundlagen haben überdauert. Sie haben so lange überdauert, dass sie zu ungeschriebenen Gesetzen und Traditionen geworden sind. Doch Gesetze werden neu definiert, Regeln überarbeitet und Traditionen verändern sich. In den Jahrzehnten, seit Gary Gygax und Dave Arneson das erste Regelwerk zu Dungeons & Dragons entwarfen, hat sich im Rollenspiel viel geändert und viel ist gleich geblieben.

Doch welche Regeln und Traditionen sind wirklich notwendig? Was brauchen wir zum Spielen? Welche Rollenspieltraditionen können noch überarbeitet werden oder wurden es schon?

Die Würfel sind heilig

Eine völlig unverständliche, aber unumstößliche Tradition umfasst die Würfel im Rollenspiel. Eine gewaltige Wolke aus Aberglaube umgibt die Würfel. Sie müssen die richtige Farbe, Gewicht und Motive haben. Fremde Würfel dürfen nicht berührt werden und Zuwiderhandlungen werden streng geahndet. Es gibt gute Würfel und schlechte Würfel.

Selbst atheistische Spieler*innen teilen diesen Aberglauben. Sinn und Unsinn von Würfelesoterik soll hier nicht erörtert werden, sondern eher die Tradition des Würfelns an sich. In einigen Systemen wurden die Würfel durch andere Mechanismen ersetzt.

Bei Fate und Deadlands können Karten genutzt werden. In Engel kann alternativ ein spezielles Tarotdeck verwendet werden. Doch mit virtuellen Spielmaterialien werden physische Würfel komplett ersetzt. Beispielsweise gibt es im Online-Rollenspiel schon seit Jahrzehnten nur Würfelmakros als Chatbefehle und somit überhaupt keinen Würfelaberglauben. Doch trotz der fortschreitenden Digitalisierung wird der Würfelaberglaube wohl niemals aussterben.

Niemand fasst die Würfel an. ©depositphotos | YuliiaHurzhos

Die Spielleitung würfelt verdeckt hinter dem Schirm

Der Spielleitungsschirm ist ungefähr so alt, wie das Hobby an sich. Ursprünglich sollte der Schirm die Karte der Spieler*innen von der der Spielleitung abgrenzen und bestimmte Monster und zukünftige Gebiete im Spiel geheim halten. Irgendwie hat sich so auch die Tradition entwickelt, dass die Spielleitung verdeckt hinter dem Schirm würfelt. So konnten Situationen im Spiel künstlich spannender gestaltet oder ungewollte Charaktertode verhindert werden.

Der Tod eines Charakters sollte einzig von der*dem jeweiligen Spieler*in entschieden werden und nicht von der Spielleitung, den Spielregeln oder gar einem Würfelergebnis.

Darüber hinaus vertrauen die Mitspielenden darauf, dass die Spielleitung fair würfelt, denn das tun ja auch alle anderen. Ein Sichtschirm erzeugt immer vagen Zweifel an der Gerechtigkeit und Neutralität der Spielleitung. Wenn bekannt ist, dass die Spielleitung Würfel manipuliert, kann auch gleich offen gewürfelt werden und bei unpassenden Würfen gemeinsam entschieden werden, wie mit dem Ergebnis umgegangen wird. Zumal ein Würfelwurf in einer besonderen Situation einen hohen Spannungswert für die gesamte Gruppe darstellt.

Verdecktes Würfeln ergibt nur bei Fertigkeiten wie Menschenkenntnis, Gassenwissen, Überreden et cetera Sinn. Denn hierbei ist das Wissen, wie gut das Würfelergebnis ist, eigentlich schon Metawissen.

Die Spielleitung hat immer recht

Der Wortstamm von Spielleitung ist „leiten“, also führen. Die Synonyme in anderen Systemen haben ebenfalls ein Synonym von „führen“ im Wort. Die Spielleitung führt die Mitspielenden durch das Abenteuer und genießt deren volles Vertrauen. Wie eine allmächtige Gottheit kann die Spielleitung über jeden Aspekt der Spielwelt gebieten. Allzeit gerecht und ohne Hintergedanken.

Soweit zum Ideal.

Letztendlich ist die Spielleitung nur ein*e weitere*r Mitspieler*in, der*die Spaß an einer Geschichte hat. Rollenspiel ist als Sprechspiel schnell und spontan. Dabei kann es vorkommen, dass der spielleitenden Person Fehleinschätzungen unterlaufen, die sich auf das gemeinsame Spiel auswirken. Natürlich würde eine Diskussion den Spielfluss unterbrechen. Doch anstatt als abschließendes Machtwort der Spielleitung kann auch eine demokratisch herbeigeführte Lösung angewendet werden. Anders ausgedrückt, nicht das Urteil der Spielleitung, sondern der Spielspaß aller sollte oberstes Gebot sein. Die schönsten Spielabende entstehen, wenn die Mitspielenden einander vertrauen und zuhören.

Orks sind die Bösen

Auch Trolle haben Gefühle. ©depositphotos | greglith

Das Klischee einer grundsätzlich bösen Spezies wurde schon vor geraumer Zeit überarbeitet. Der Dunkelelf Drizzt Do’urden beschloss schon Anfang der Neunziger, dass er seinen eigenen Weg gehen wollte, anstatt den Traditionen seines Volkes zu folgen. Sein Erschaffer R. A. Salvatore legte damit den Grundstein für eine neue Generation von Held*innen, die sich von den oberflächlichen Ursprüngen ihrer Spezies trennen und selber Entscheidungen treffen wollen.

Zur selben Zeit gab der White Wolf-Verlag den bisher bösen Vampiren und Werwölfen die Möglichkeit, individuelle Wege zu gehen und ihre wilde Natur in sinnvolle Bahnen zu lenken.

Seitdem werden auch in anderen Systemen ehemals böse Völker überarbeitet und mit komplexem Hintergrund versehen. Bei Systemen wie Shadowrun, Pathfinder 2 und natürlich D&D sind Orks, Trolle und Goblins schon recht lange spielbare Völker.

Die Beispiele zeigen, dass die offensichtliche Zugehörigkeit zu einem Volk noch lange nicht die persönlichen Werte definiert.

Rollenspiel am Tisch

Der Spielabend am Tisch mit einigen Sitzgelegenheiten ist eine uralte Tradition, geboren aus gemeinsamen Karten- und Brettspielabenden. Ein vergnüglicher Abend zusammen gilt immer noch als Grundkonstante des Rollenspiels.

Spielende, die aus beruflichen oder familiären Gründen wegzogen, mussten sich wohl oder übel eine neue Runde suchen. Spielende aus ländlichen Regionen mussten mitunter sehr weite Anfahrtswege in Kauf nehmen, um an Spielabenden teilnehmen zu können. Seit Mitte der Zweitausender wurden die ersten Onlinerunden über Teamspeakkanäle angeboten. Mit der fortschreitenden Technik wurde dies mehr und mehr zu einer Alternative.

Das berüchtigte Jahr 2020 stellte eine Zäsur in dieser Entwicklung dar, da alle Rollenspieler*innen auf Onlinerunden umsteigen oder die Zeit zuhause ohne ihr geliebtes Hobby verbringen mussten. Dabei sind virtuelle Runden viel praktischer und vielseitiger. Spielende auf der ganzen Welt können vernetzt einen gemeinsamen vergnüglichen Spielabend verbringen.

Die Spielleitung ist für alles verantwortlich

Die Spielleitung zieht die Fäden und die Mitspielenden tanzen. © depositphotos | HayDmitriy

Wie schon an anderer Stelle geschrieben, ist die Spielleitung eine zeitraubende und oft wenig wertgeschätzte Arbeit. Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung ist nur ein Teil dieser Arbeit. Meist ist die Spielleitung noch Organisator*in, Moderator*in, Streitschlichter*in und allgemein Unterhalter*in in Personalunion. Wenn der Abend gut läuft, gibt es ein anerkennendes Nicken und eine Fortsetzung, die sicherlich genauso gut wird. Sollte es schlecht laufen, drohen Schimpf und Schande über die glücklose Spielleitung hereinzubrechen. Wie auch immer es läuft, die Spielleitung trägt die ganze Verantwortung neben der Tatsache, auch als Teil der Runde Spaß haben zu wollen.

Doch es ist nur fair und gerecht, diese Verantwortung auf alle Mitspielenden zu verteilen.

Zum einen, um der leitenden Person einen Teil der Last abzunehmen. Zum anderen, damit alle Mitspielenden einen Beitrag zu einem spannenden und unterhaltsamen Spielabend leisten. Denn Rollenspiel ist ein gemeinsames Spiel mit gemeinsamen Spaß als oberste Regel.

Spielleitung gegen Spieler*innen

„Die wollen die Beute? Ich sage dir, wie die da herankommen wollen. Die kommen mit Messern, wir mit Kanonen. Ein*e schickt eine*n von uns ins Krankenhaus. Wir eine*n von denen ins Leichenschauhaus.“ So wird das in Chicago und oft auch am Spieltisch gemacht.

– frei nach Die Unbestechlichen interpretiert

Die Spielleitung stellt Monster, böse Schurken und Fallen zwischen die Charaktere und deren Ziel. Sind die Charaktere zu erfolgreich, werden die Hindernisse meist einfach größer gemacht. Denn schließlich ist eine richtige Herausforderung unterhaltsam und spannend. Selbst wenn diese nur mit Würfeln angegangen wird.

Oft gestaltet sich ein Spielabend als Wettstreit zwischen Spielleitung und den Spielenden. Ein merkwürdiges Tauziehen um einen Sieg. Doch was liegt diesem Wettstreit zugrunde, wenn die Belohnung nur imaginär ist?

Ein Rollenspielabend ist mehr eine gemeinsame Reise, an deren Ziel die Belohnung in Form von Spielspaß wartet. Gleichzeitig ist der Weg auch das Ziel.

Rollenspiel nur in einer Gruppe

Die achte Regel lautet: Rollenspiel tue nur in einer Gruppe gleichgroß oder größer als vier. So oder so ähnlich sagt es die Tradition und daher wird dieser Punkt vielleicht den größten Widerstand auslösen.

Rollenspiel ist ein Gruppenspiel und die Gruppe besteht meist aus mehr als drei Personen. Doch das ist nur eine Richtlinie. Ein Spielabend mit einer spielleitenden und einer spielenden Person ist eine mitreißende und tiefgründige Erfahrung. Abgesehen von objektiven Gründen, wie Spieldichte, Immersion und Spotlights gibt es auch praktische Gründe. Beispielweise könnte ein Elternteil mit einem Kind in einem kindgerechten System spielen oder ein Paar zusammen abseits einer Gruppe. Das Vertrauen unter zwei Rollenspielenden führt oft zu sehr tiefgründigen Szenen, die so niemals in großen Runden vorgekommen wären.

Wie groß ist die ideale Gruppe? © depositphotos | Rawpixel

Rollenspielabende als soziales Zusammensein

Freunde treffen, zusammen essen, Orks verkloppen (wen auch sonst) und Spaß haben. Das ist gut und richtig. Dem soll hier auch nicht widersprochen werden. Nur muss man sich als Spielliebhaber*in die Zeit für einen Spielabend mühsam aus dem Alltagsleben zwischen beruflichen und familiären Pflichten herausringen. Bei einem fünfstündigen Spielabend mit Plaudern und einem gemeinsamen Essen kommt das eigentliche Spiel möglicherweise zu kurz.

Oft ist ein gemeinsames Essen auch einfacher zu organisieren und im Terminkalender unterzukriegen als ein Rollenspielabend. Daher sei hier eine Konzentration auf das gemeinsame Spielen empfohlen. Mit mehr Zeit und Konzentration auf die Geschichte wird der Spielabend erfüllender und unvergesslich.

Geschlechterrollen im Rollenspiel

Die Tradition der festen Geschlechterrollen wurde in den letzten Jahren nach und nach demontiert, trotzdem halten sich die altmodischen Stereotypen weiter hartnäckig. Immer noch kämpfen Krieger mit Stahlkinn und ebenso stählernen Rüstung gegen Horden an Orks, um der schlanken Zauberin in knapper Robe Zeit für ihren Bannzauber zu erkaufen. Warum sind eigentlich alle Zauberinnen jung, gutaussehend und schlank? Haben sie etwa neben ihrem Studium der magischen Künste noch Zeit für körperliche Ertüchtigung und Kosmetikbehandlungen?

Doch Spaß beiseite. Noch immer sind weibliche Charaktere in Unterstützungsrollen als Priesterin, Hexe oder Femme Fatal (oft ebenfalls eine Hexe) unterwegs. Auf der anderen Seite sind männliche Charaktere oft Krieger irgendeiner Waffengattung oder tollkühne Forscher. Die Ausnahmen dieser Stereotypen sind so selten, dass sie nicht ins Gewicht fallen. Selbst bei Nichtspielercharakteren ist diese altmodische Rollenverteilung gang und gäbe.

Anders als bei den anderen Traditionen sollen hier ein paar Empfehlungen gegeben werden:

  1. Die Spielleitung kann beim Entwerfen der Nichtspielercharaktere das biologische Geschlecht oder die Geschlechteridentität einfach dem Zufall überlassen und auswürfeln. Sollte dann dabei Gibby, die weibliche Schieberin mit Zigarre im Mundwickel herauskommen, wird Gibby den Spielenden definitiv im Gedächtnis bleiben und die Spielrunde bereichern.
  2. Das Verbot oder die Einschränkung von Crossgender-Rollenspiel kann in die Mottenkiste. Im Rollenspiel geht es ums Austesten und Experimentieren. Und das gilt auch für Geschlechterrollen.
  3. Namenstabellen brauchen nicht nach Geschlechtern sortiert werden. Charaktere könnten Namen haben, die vermeintlich nicht zum biologischen Geschlecht passen.
  4. Bei nicht-menschlichen Spezies kann bewusst ein nicht-binäres Geschlechterkonzept gewählt werden. Beispielsweise könnten Echsenvölker ein variables Geschlecht haben und Geister und KIs haben ohnehin kein Geschlecht.
  5. Nicht-binäre Charaktere sollten nicht als Exoten oder Außenseiter dargestellt werden.

Regeln im Rollenspiel sind unumstößlich

Die elfte Regel lautet, die Regeln seien heilig und euer Gesetz. Wie die Regel es befiehlt, so sei es.

Regeln sind mehr wie Richtlinien. ©depositphotos | thorstenschmitt

Um den Bogen wieder zu oben genannten Argumenten zu spannen: Regeln sollen klare Grenzen im Spiel ziehen und das Spiel lenken. Allerdings sind es immer nur Richtlinien, die helfen und Streitereien vermeiden sollen. Es gibt nur eine unumstößliche Regel und die lautet: Spielspaß für alle ist das oberste Gebot!

Dem Spielspaß sollten alle anderen Regeln untergeordnet werden. Bei RuneQuest wurde diese Regel als Prinzip des maximalen Spielspaßes formuliert und so sollte es auch in jeder anderen Runde gehandhabt werden. Niemand sollte sich scheuen, unbequeme oder störende Regeln zu ersetzen oder wegzulassen. Entgegen hartnäckiger Gerüchte gibt es keine Rollenspielpolizei, die einen Regelverstoß ahndet. Alle Spielenden sollten sich ermutigt fühlen, die Grenzen ihrer Spielwelt zu erforschen und zu erweitern. Rollenspiel ist mit gutem Grund ein Hobby ohne Grenzen.

Fazit

Traditionen sind Überlieferungen, Handlungsmuster und Bräuche, die innerhalb einer Gruppe durch Erziehung oder Vorbild weitergegeben werden. Traditionen können aber problematisch werden, wenn sich Formen verselbstständigen und der ursprüngliche Sinn verloren geht. Über den Sinn der Geschlechterrollen in unserer Gesellschaft oder Rollenspielwelten wird an anderen Stellen gestritten. Im Rollenspiel sind die stereotypen Geschlechterrollen schon seit langem überholt und fehl am Platze.

Dieser Artikel soll mitnichten eine Zerstörung der Rollenspieltraditionen sein, denn Traditionen entwickeln sich auch im Rollenspiel immer weiter. Einige werden mit Absicht abgeschafft, weil sie schlichtweg unsinnig sind und andere werden von den Umständen oder der Zeit eingeholt.

Es sei noch hinzuzufügen, dass diese Aufzählung nicht als wissenschaftliche Erörterung zu verstehen ist, sondern nur Denkanstöße geben möchte.

Als Gruppenspiel kann jede Regel oder Tradition in Abstimmung aller frei gestaltet werden.

Denn die erste und wichtigste Regel sei Spielspaß für alle.

Titelbild: © depositphotos | ArtyFree
Artikelbilder: wie gekennzeichnet
Layout und Satz: Annika Lewin
Lektorat: Denise Hollas

11 Kommentare

  1. „Beispielsweise gibt es im Online-Rollenspiel schon seit Jahrzehnten nur Würfelmakros als Chatbefehle und somit überhaupt keinen Würfelaberglauben“

    Der ist gut.. ich musste schon mehrfach statistische Analysen über die Würfelergebnisse von online Sessions machen um zu beweisen dass die virtuellen Würfel korrekt funktionieren…

    Manche Gruppen bestehen darauf dass ich den Server nrustarte wenn sie das Gefühl haben die Würfel sind ihnen nicht gewogen damit ein neuer Random Seed generiert wird…

    • „Server neustarten“ um die virtuellen Würfel neu zu eichen, finde ich großartig. Eine wundervolle Anekdote zu Würfelesoterik. :D

  2. Das meiste hier finde ich ganz gut bis OK, Orks sind bei mir halt Böse, nicht kulturell, sondern Dämonisch-Genetisch (oder so) und:
    „Der Tod eines Charakters sollte einzig von der*dem jeweiligen Spieler*in entschieden werden und nicht von der Spielleitung, den Spielregeln oder gar einem Würfelergebnis.“
    Ich finde das lustig, wie du als zentralen Satz ein Dogma aufstellt, das dreimal das Wortteil „Spiel“ und einmal „Würfel“ in sich trägt und mit der Aussage diese Bestandteile des Hobbys negieren willst… ^_^
    Wo liegt denn der Sinn in der Sache, überhaupt „tödliche“ Kämpfe zu bestehen, wenn sie gar nicht tödlich sind? Wo ist da die Herausforderung, der Ärger, das Glück, die Emotionen? Das Überleben gegen jede Wahrscheinlichkeit? Der Tod trotz der richtigen Herangehensweise? Das Schicksal? Das Spiel?

    • Herausforderung, Spannung, Schicksal, Emotionen, Tödlichkeit des Systems sind auch für mich valide Argumente gegen meine These „SC Tod ist Entscheidung der Spielerin“, denen ich auch beipflichte. Eine „Enkomme dem Tod“-Karte ist unsinnig. Konsequenzen für Entscheidungen im Spiel sollte es trotzdem geben.
      Dennoch bleibe ich bei meiner These, dass Spielspaß oberste Priorität sein und durch Würfelpech kein Sc sterben sollte.
      Beispiel: Ein Krieger in Vollplatte rennt über eine wackelige Hängebrücke. Durch missglückten Würfelwurf stürzt der Char ab und ertrinkt. Wie geht der Spielabend für die Spieler*in weiter? Disskussion? Sie muss sich einen neuen Charakter erstellen?
      Wie auch immer, für sie und möglicherweise die Gruppe ist der Spielabend vorbei oder eine Pause. Wenn der SC allerdings nur ins Wasser fällt, mit ein paar Felsen kolidiert und später sich halbtot (nur noch 2 HP) an Ufer ziehen kann, geht es mit der Geschichte weiter.

      • Ich würde an der Stelle deine These dann vielleicht ergänzen/anpassen wollen:

        „Kein SC sollte durch Würfelpech in einer nicht antizipierbaren oder komplett antiklimaktischen Situation sterben.“

        Denn das „Du konntest das nicht vorhersehen/es war eigentlich banal und du bist trotzdem tot“ ein Problem sein kann würde ich auch so sehen.

        „Ich stelle mich jetzt dem gefährlichen Oberbösewicht zum Duell“ wird aber komplett witzlos, wenn nur explizite „Erlaubnis“ nach einem „Todeswurf“ im Kampf seitens des/der SPieler:in einen Tod ermöglicht.

  3. Ich muss gestehen, ich sehe hier nur eine Liste von ziemlich subjektiven Befindlichkeiten und wie üblich, kann man bei so ner Liste halt einigem – aus rein persönlichen Motiven heraus – zustimmend oder ablehnend gegenüber stehen. Dazu kommt erschwerend hinzu, dass sich viele dieser Dinge einfach nicht auf der gleichen Ebene abspielen, was die Liste… wirr… wirken lässt. Dass dann keiner der Punkte wirklich ordentlich ausgearbeitet ist und somit fast keine Argumentation aufkommt, mehr ein Oberlehrerhaftes „Das doof, mach das so!“, hilft da natürlich nicht wirklich.

    • Die Aufzählung soll keinesfalls belehrend oder bevormundend sein. Auch will ich mitnichten das Rollenspiel in vielen Gruppen ändern.
      Mein Anliegen war, einige Gedankenansätze zu bestehenden Konventionen in unserem Hobby vorzustellen. Mir war bewusst, dass ich in ein Wespennest steche, wenn ich einige der Traditionen hinterfrage. Die Kommentare hier und in der Facebook-Gruppe sind überwältigend.

  4. Ich kann Irian nur zustimmen, der Artikel ist leider sehr oberflächlich. Die einzelnen Themen sind sicher grundsätzlich diskutabel, aber die Ausführung wirkt nicht wie der behauptete Denkanstoß, sondern eher wie eine Belehrung über vermeintlich progressives Rollenspiel bzw. eine Auflistung persönlicher Vorlieben.

    • Wie schon im Fazit geschrieben, ist der Artikel keine wissenschaftliche Erörterung mit einer These und Fakten. Es ist eine subjektive Aufzählung ungeschriebener Traditionen und Regeln in unserem Hobby.
      Wie schon oben erwähnt, möchte ich weder belehren noch etwas vorschreiben. Jeder/jede kann das Hobby spielen, wie sie/er möchte.

  5. Puh, harter Tobak. Wo fang ich an? Der Artikel ist gut.
    Also gut geschrieben, aber in vielen Punkten subjektiv und ist in meinen Augen eine Aufzählung von persönlichen Vorlieben, von denen ich viele mit einem Seufzen belegen muss, weil sie sehr subjektiv sind und lediglich eine persönliche Präferenz statt einer differenzierten Betrachtungsweise widergeben. Grade bei den angesprochenen Punkten hätte ich mir eine differenzierte Betrachtung gewünscht. Aber das wurde ja auch ganz unten ausgeführt – was ich gut und wichtig finde. Aber nichtsdestotrotz möchte ich dem einen oder anderen Punkt paroli bieten, da ich denke: Es wurde subjektiv argumentiert, also sollte man auch subjektiv dagegen halten dürfen.
    Vielleicht kommen der Autor und ich in manchen Punkten auf einen Nenner, aber gleichzeitig glaube ich auch, dass es in manchen Punkten harte Reibereien gibt.
    Aber gut, gucken wir mal.

    Das Würfeln wird als „Aberglaube“ diffamiert. Man reiche mir einen Würfel, damit ich auf meine Reaktion würfeln kann. Ah, die rollenden Augen, sehr gut. Ich rolle also mit den Augen.
    Klar, es gibt Systeme, die alternative Herangehensweise anbieten, aber es komplett auf diese Weise zu verteufeln, weil man es eventuell selbst nicht mag ist – man verzeihe die Ausdrucksweise – Schwachsinn. Wie sieht denn die Alternative bei einem W100-System wie Cthulhu aus? Schnick-Schnack-Schnuck? Und wie andere Leute schon schrieben: Würfel-Apps sind alles, aber nicht unfehlbar, viel mehr haben viele Spieler das Gefühl, einem fehlerhaften Algorithmus unterworfen zu sein, als einem schlechten Schlenker aus dem eigenen Handgelenk. Bei zweiterem kann man wenigstens sich selbst die Schuld geben, bei ersteren brauchts eine Deep Code Analyse. Es ist eine persönliche Präferenz, ob man das Klickern und Klackern in der Hand und auf dem Tisch oder den simplen Tipp auf dem mit Fettfingern verschmierten Display präferiert. Oder ob man lieber Karten aus einem schlecht gemischten Stapel ziehen oder die Sterne befragen möchte. Aber unterm Strich bleibt ein Faktor bestehen: Der Zufall. Und ich denke, wenn man verstanden hat, dass der Zufall entscheidet, dann kann man diesen Kritikpunkt an der „Tradition“ als obsolet abtun. Wer keinen Zufall wünscht, der hat das Prinzip in meinen Augen nicht verstanden.

    Dass die SL die Spannung erhöhen will und verdeckt würfelt, ist böse. Ich möchte seufzen. Ich möchte laut seufzen. Ich möchte mein Gesicht in den Händen vergraben. Und fragen: Wie engstirnig kann man bitte sein? Oder wie naiv muss man sein, um einen wichtigen Aspekt außer acht zu lassen, wenn man folgende Worte schreibt: „Der Tod eines Charakters sollte einzig von der*dem jeweiligen Spieler*in entschieden werden und nicht von der Spielleitung, den Spielregeln oder gar einem Würfelergebnis.“
    Ich kann mir schon denken, worauf das hinaus läuft. Natürlich kann man mit der Rule of Cool und gutem Storytelling argumentieren, aber wenn jetzt hier – ohne es zu nennen – mit Kants „vernünftigem Menschen“ argumentiert wird, dann spucke ich vor Lachen dem Autor meine Cola ins Gesicht. Also sorry, wer in ne Horde von 1000 Chaos Space Marines stürmt und dann rum argumentiert, dass es ja die eigene Entscheidung sei, ob man stürbe, dann gute Nacht. Soll ich als SL darauf vertrauen, dass jeder (klar, es gibt solche, aber eben nicht alle) meiner Spieler sowas wie Vernunft walten lässt und seinen Charakter brav umholzt, wenn er erkennt dass sein Move Blödsinn war? Nein, danke. Alea iacta est ist mir da wesentlich lieber als haltloses Gottvertrauen in des Spielers Vernunft. Du baust Scheiße, du würfelst scheiße, du bist tot. Ende. Grade sowas Essentielles sollte IMMER von der SL oder den Würfeln entschieden werden. Denn auch dadurch kommen weitreichende, die Charakter beeinflussende und für immer die eigene Person prägende Rollenspielmomente zu stande.
    Und ich möchte mit Tränen in den Augen daran zurückdenken, wie ein treuer Schlachtenbruder fiel (ja, wegen der Würfel), wie sein Tod mich und meine Gruppe berührte, wie er unsere Charaktere in eine Sinnkrise trieb und nicht mit rollenden Augen der ohnmächtigen Genervtheit an ne bescheuerte Diskussion, weil dem Spieler die Entscheidung selbst überlassen wurde, ob er abtritt (auch wenn ALLE Argumente für den Tod sprachen). Denn so traurig das auch klingen mag, aber dieser Tod ist ein schöner RP-Moment, keine räudige Diskussion.
    „Darüber hinaus vertrauen die Mitspielenden darauf, dass die Spielleitung fair würfelt, denn das tun ja auch alle anderen.“ Au contrair, ich war schon in GENUG Runden, in denen der SL eher ZUGUNSTEN der Party gewürfelt hat, das Argument zieht also absolut nicht.

    „Die Spielleitung hat immer recht“ Schön, dass wir uns hier einig sind. Wir alle wissen, es gibt solche und solche Spielleiter. Wenn einer auf die Regeln pocht, dann ist das sein gutes Recht. Wenn ich aber als SL ein Freund der „Rule of Cool“ bin, aber jemanden in der Gruppe habe, der seinen Abschluss in der Analyse des Regelwerks 3.5 DSA gemacht hat, dann hab ich als SL durchaus das recht zu sagen, dass er ruhig sein und nicht rumheulen soll, wenn ich für einen gut erzählten Move keine Probe verlange, auch wenn auf Seite 324 Abschnitt 16 Unterpunkt 94 steht, dass ich das müsste. Story over Rules. Mein Tisch, meine Regeln! Leb damit!
    Gleiches gilt für die Lore: Wenn ich für eine gut erzählte Wendung die Lore um 2 Grad biegen muss/möchte, dann habe ich keine Lust auf einen Kevin Konfliktbewältigung, der mir da reingrätscht und auf Kapitel 9 der Geschichte von Lothern verweist, in der gesagt wurde, dass Prinz Ulandiell das von mir erwähnte Artefakt nachweislich zerstört hat. ES INTERESSIERT KEINEN! Natürlich ist es auch interessant, einen SL zu haben, der innerhalb der Lore sicher im Sattel sitzt. Ist das so schlimm? Herrgottnocheins, wenn ich ein blutiger Anfänger bin, dann bin ich froh um eine Person, die mir erklärt wie das Häschen hoppelt, anstatt mir hinterher zu sagen „Jaaa, alle deine Aktionen waren rotz, weil Lore.“ Man hat grade als genereller Neuling oder als Neuling in besagtem Universum eine Sicherheit, wenn man jemanden hat, dem man zutrauen kann, dass er einem „Halt“ gibt. Und da nehme ich dann eben auch ein „Er hat immer recht“ in Kauf.

    „Orks sind die Bösen“ Ja mei, kann jeder sehen wie er will. Ich hab es gefeiert, als für Warhammer 40.000 „Schwarzer Kreuzzug“ erschien. ENDLICH durfte ich mal die andere Seite betrachten. Dass man in den erwähnten Systemen auch mal „über den Tellerrand“ schauen darf, is doch cool. Aber letztendlich ist das ne Entscheidung jeder Gruppe, ob und wie man Völker inkludiert oder nicht.

    „Rollenspiel am Tisch“ Hier würde ich gerne mehr schreiben… aber nur kurz: Meine Freunde sind über die komplette BRD verteilt, Roll20 ist für uns nichts Neues. Man nutzt es, weil man MUSS. Ist es besser als Tischrollenspiel? Never. Ever! Beides hat Vor- und Nachteile, aber weder möchte ich Tisch-, noch Onlinerollenspiel den Vorzug geben.
    Wer jemals einem dramatischen Monolog seines Gruppenmagiers (oder anderen Begebenheiten, bei denen nicht nur die Stimme, sondern auch die Gestik wichtig ist) am Tisch beiwohnen durfte, weiß wovon ich rede.

    „Die Spielleitung ist für alles verantwortlich“ Ein kontroverses Thema. Ich denke, die Kernaussage des Abschnitts ist adaptierbar. „Doch es ist nur fair und gerecht, diese Verantwortung auf alle Mitspielenden zu verteilen.“ Klar, ich bin der Geschichtenerzähler, ich muss wissen wer mein Encounter ist, aber das heißt nicht, dass ich nicht froh bin, wenn mir bei Themen wie Streitschlichtung, Regeldiskussionen und und und Spieler unter die Arme greifen. Man will das Abenteuer gemeinsam erleben und auch wenn der Erzähler im Universum am Ende immer allein ist, so ist es der SL außerhalb des Universums hoffentlich niemals.

    „Spielleitung gegen Spieler*innen“ Kurz: Was hier angeführt wird (nämlich: „Ein Rollenspielabend ist mehr eine gemeinsame Reise, an deren Ziel die Belohnung in Form von Spielspaß wartet. Gleichzeitig ist der Weg auch das Ziel.“) sollte jedem Pen and Paper Spieler klar sein, der noch alle 5 Nadeln am Baum hat. Ich weiß nicht, in welchen Gruppen der Autor verkehrt. Oder viel mehr verkehren musste. Aber wenn in solchen Gruppen diese altbackene Ansicht vorherrscht, dann tut er mir leid. Und ich frage mich „Ist das wirklich ne Tradition?“ In meinen Augen nicht. Klar, der SL muss oftmals in die Rolle des Gegners schlüpfen. Aber ich denke, ein guter SL ist daran interessiert, dass man gemeinsam eine gute Story erleben darf. Und nicht daran, einen neuen Rekord im Gruppen-Whipe aufzustellen. (Übrigens mein Rekord liegt bei 30 Minuten in der ersten Session, aber es war auch mein erster Abend als SL…. aber das nur nebenbei)

    „Rollenspiel nur in einer Gruppe“ Geht beides. Also sowohl in der Gruppe, als auch nur zu zweit. Ich freue mich wie sonst was auf die Runde, die nur mich und meine Frau beinhaltet, allein weil ich mich auf ihre Reaktion freue ob der Geschichte, die ich gestaltet habe. Gleichzeitig finde ich aber auch das Gefühl, Teil einer Gruppe zu sein, gemeinsam ein Abenteuer zu erleben, schön. Deswegen: Beides gut, beides schlecht.

    „Rollenspielabende als soziales Zusammensein“ und „Geschlechterrollen im Rollenspiel“ Ganz ehrlich? Muss jeder für sich selber ausmachen, was man wie möchte. Wie man es halten möchte, ob und wie man den gegebenen Empfehlungen folgen möchte. Es ist persönliche Präferenz, für jeden, keine valide oder objektive Kritik an den „Traditionen.“ Ein paar Worte aus beiden Punkten fand ich solide, andere nicht. Aber da sind wir wieder bei Subjektivität.

    „Regeln im Rollenspiel sind unumstößlich“ Ein Punkt: Rule of Cool. Story over Rules. Das ist meine Devise. Mit der muss aber ich klar kommen und ich muss meiner Gruppe kommunizieren, dass ich das so möchte, wenn ich leite. Wenn ich geleitet werde, dann ordne ich mich der Devise der SL unter. Es ist ein Geben und Nehmen.
    Ich denke, hier gibt es kein richtig und kein falsch. Sondern nur persönliche Präferenzen, was man mag oder wie man sich sicher fühlt. Das muss man anerkennen und akzeptieren. Denn schließlich funktioniert Toleranz nur in zwei Richtungen und ist keine Einbahnstraße, auch wenn viele Verblendete das glauben 😉
    Von daher finde ich die Regel von RuneQuest passend, aber man muss bedenken, dass es eben auch Leute gibt, die ihren Spielspaß aus dem Befolgen der Regeln ziehen, weil dies ihnen Sicherheit gibt. Wie man das persönlich empfindet, muss man mit sich selber ausmachen, aber ich werd sicherlich keinen Aufstand anzetteln, wenn mein SL lieber nach Regeln spielt, als nach meiner Devise. Es ist ja nicht mein Tisch, sondern seiner 😉

    Es ist jetzt doch mehr geworden, als ich annahm, aber ich denke, es hat sich gelohnt, mal über die eigenen Devisen der genannten „Traditionen“ nachzudenken. Dafür danke ich. Herzlich.
    Aber gleichzeitig denke ich auch, dass Traditionen auch Sicherheit geben und zu Beginn ein Korsett sind, das stützen und nicht einengen soll. Dass man irgendwann merkt, welche Traditionen taugen und welche Mist sind, das kommt mit der Zeit. Aber explizit allen abschwören würde ich nie, allein weil sich eigene Traditionen aus den „allgemeinen“ Traditionen entwickelt haben und immer noch entwickeln und dadurch durchaus valide geworden sind.

  6. Ja, der Artikel ist subjektiv und spiegelt viel meiner eigenen Erfahrungen wieder. Er soll mitnichten belehrend sein und hat nur den Zweck, bestehende Konventionen im RP zu hinterfragen. Einige der RP Traditionen wurden ja auch schon überholt.
    Eine objektive wissenschaftliche Erörterung zu diesem Thema werde und kann ich gar nicht schreiben, da das Thema Rollenspiel ein Hobbythema ist. Damit ist es zutiefst sujektiv und geschmacksabhängig.
    Persönlich freue ich mich über die vielseitige Reaktionen und Kommentare, was bedeutet, dass der Artikel auf offene Ohren stößt. :)

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein